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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 10 WF 57/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 13 a. F.
ZPO § 81
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 a. F.
ZPO § 575 a. F.
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 8
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 9
ZPO § 642 Abs. 1 Satz 2
BGB § 164 Abs. 3
BGB § 284 a. F.
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 1609 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1613 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
10 WF 57/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde des Beklagten vom 18. April 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau vom 21. März 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 22. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F. zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann der Rechtsverteidigung des Beklagten die hinreichende Erfolgsaussicht nicht gänzlich abgesprochen werden. Da das Amtsgericht keine Feststellungen zur Bedürftigkeit des Beklagten im Sinne des § 114 ZPO getroffen hat und lediglich eine nicht mehr aktuelle Erklärung des Beklagten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, die im Übrigen hinsichtlich der Angaben zu den Bankkonten nicht belegt ist, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten gehindert. Das Amtsgericht wird über den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut befinden, § 575 ZPO a. F. (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 127, Rz. 38).

Die Rechtsverteidigung des Beklagten bietet allerdings nicht schon deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Amtsgericht etwa zu Unrecht seine internationale und örtliche Zuständigkeit angenommen hätte. Denn das Amtsgericht Bernau ist insoweit zuständig. Dabei ist die internationale Zuständigkeit - vorbehaltlich anderer Regelungen, insbesondere in zwischenstaatlichen Abkommen, die hier nicht einschlägig sind, - immer dann gegeben, wenn nach den Bestimmungen über den Gerichtsstand ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist (BGH, FamRZ 1987, 682; FamRZ 1992, 1060; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 7, Rz. 228). Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Bernau ergibt sich im Hinblick auf den Wohnsitz des Beklagten aus §§ 642 Abs. 1 Satz 2, 12, 13 ZPO a. F. (vgl. auch Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 642, Rz. 5).

Das Amtsgericht hat, obwohl die Klägerin in den USA lebt, zu Recht deutsches Unterhaltsrecht angewandt. Mangels anderer Angaben kann angenommen werden, dass beide Parteien nach wie vor deutsche Staatsangehörige sind. Deshalb ist nach Art. 18 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht anzuwenden (vgl. auch Wendl/Dose, a.a.O., § 7, Rz. 11).

Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114, Rz. 19) ist davon auszugehen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten Unterhalt bereits ab Februar 1998 verlangen kann. Denn die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit im Sinne von § 1613 Abs. 1 BGB sind insoweit gegeben. Die Klägerin hat den Beklagten mit Anwaltschreiben vom 18.12.1997 "mit sofortiger Wirkung mit einem monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 450 DM in Verzug" gesetzt. Dieses Schreiben ist zwar an die Rechtsanwältinnen W. & W., die Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten im Scheidungsverfahren und jetzigen Prozessbevollmächtigten im Unterhaltsverfahren, gerichtet und der Beklagte hat bestritten, dass die Rechtsanwältinnen insoweit empfangsbevollmächtigt gewesen seien. Von einer wirksamen Inverzugsetzung durch Mahnung i. S. d. § 284 BGB a. F. ist aber dennoch auszugehen. Insbesondere ist anzunehmen, dass die Adressatinnen des Schreibens vom 18.12.1997 empfangsbevollmächtigt waren.

Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 284, Rz. 16). Da es sich bei der Mahnung um eine geschäftsähnliche Willensäußerung handelt (MünchKomm/Thede, BGB, 4. Aufl., § 284, Rz. 39; Staudinger/Loewisch, BGB, 13. Bearb., Neubearb. 2001, § 284, Rz. 42.), sind die Vorschriften über die Stellvertretung entsprechend anwendbar (Staudinger/Loewisch, a.a.O., § 284, Rz. 45). Dies gilt auch für die passive Stellvertretung im Sinne des § 164 Abs. 3 BGB, also die Vertretung beim Empfang von Willenserklärungen (vgl. MünchKomm/ Schramm, a.a.O., § 164, Rz. 133). Daher kann eine Mahnung im Sinne von § 284 Abs. 1 BGB auch an einen Stellvertreter des Schuldners gerichtet werden. Für die Wirksamkeit allein entscheidend ist, ob die Empfangsperson (Empfangs-)Vertretungsmacht hat oder nicht (vgl. MünchKomm/ Schramm, a.a.O.). Dass die Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten im Scheidungsverfahren eine solche Vertretungsmacht hatten, muss angenommen werden.

Der Umfang der einem Anwalt erteilten Prozessvollmacht ergibt sich nicht nur aus § 81 ZPO. Vielmehr kann sich die Befugnis des Anwalts, auch materiell-rechtliche Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen, überdies aus den Besonderheiten des Einzelfalls und dem inneren Zusammenhang der abgegebenen Erklärung mit dem Gegenstand des Rechtsstreits erschließen. Die Vollmacht reicht danach soweit, wie sich der Rechtsanwalt bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach dem vorprozessualen Streitstoff angesichts des Zwecks, der mit seiner Beauftragung verfolgt wird, zu einer Rechtshandlung im Interesse seines Auftrag- und Vollmachtgebers als ermächtigt ansehen darf (BGH, NJW 1992, 1963, 1964; vgl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 81, Rz. 10). Danach kann, auch wenn die Rechtsanwältinnen W. & W. im Zeitpunkt des Anwaltsschreibens der Klägerin vom 18.12.1997 nicht ausdrücklich im Hinblick auf den Gegenstand "Kindesunterhalt" bevollmächtigt gewesen sein sollten, dennoch von einer Empfangsvollmacht ausgegangen werden.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten im Scheidungsverfahren haben bereits mit der Scheidungsantragsschrift vom 18.7.1996 ein an sie gerichtetes Schreiben des Rechtsanwalts S. vom 23.8.1995 vorgelegt, worin dieser namens der Mutter der hiesigen Klägerin eine Scheidungsfolgenregelung anregte, die auch den Kindes- und Ehegattenunterhalt betreffen sollte. Die Verfahrensbevollmächtigten haben in der Scheidungsantragsschrift unter Bezugnahme auf dieses Schreiben von Rechtsanwalt S. darauf hingewiesen, es sei davon auszugehen, dass im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen werden könne. Darin liegt die Erklärung, auch zur Regelung der Scheidungsfolgen unter Einschluss des Kindesunterhalts bevollmächtigt zu sein. Obwohl Scheidungsfolgesachen nur solche Familiensachen im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 ZPO sind, mit denen eine Regelung für den Fall der Scheidung, also für die Zeit ab Rechtskraft des Scheidungsausspruchs, erreicht werden soll (Verfahrenshandbuch Familiensachen/Schael, § 6, Rz. 115 f.), ist bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise anzunehmen, dass die Vollmacht auch die Regelung des Kindesunterhalts während der Trennung umfasst. Hinzu kommt, dass die Rechtsanwältinnen W. & W. mit Schreiben vom 31.1.2000 inhaltlich auf das Begehren, Kindesunterhalt (auch für die Vergangenheit) zu zahlen, eingegangen sind, ebenso im Scheidungsverfahren mit Schriftsatz vom 2.6.2000.

Die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Zahlung von Unterhalt bietet auch nicht schon deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Amtsgericht entsprechend dem Vortrag der Klägerin deren Unterhaltsbedarf mit dem ab 1.7.1999 geltenden Regelbetrag (Ost) für die 3. Altersstufe angenommen hat, obwohl die Klägerin mit ihrer Mutter in den USA lebt. Allerdings sind, wenn der Unterhaltsberechtigte im Ausland lebt, für die Höhe des Unterhaltsanspruchs die Geldbeträge maßgebend, die er an seinem Aufenthaltsort aufwenden muss, um den ihm gebührenden Lebensstandard aufrechtzuerhalten (BGH, FamRZ 1987, 682, 683; Wendl/Dose, a.a.O., § 7, Rz. 22). Hinsichtlich des Lebensbedarfs der Klägerin kann aber davon ausgegangen werden, dass an ihrem Aufenthaltsort Geldbeträge jedenfalls in Höhe des Regelbetrages (Ost) aufgewendet werden müssen, um den ihr gebührenden Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Denn der Klägerin ist nach ihrem eigenen Vorbringen der Besuch einer staatlichen amerikanischen Schule verwehrt, so dass sie Privatunterricht bei einem bezahlten Tutor in Anspruch nehmen muss. Soweit der Beklagte in der Beschwerdeschrift davon ausgeht, die Kosten für den Privatunterricht würden durch den neuen Lebensgefährte der Mutter der Klägerin aufgebracht, führt dies nicht dazu, den Unterhaltsbedarf als gedeckt anzusehen. Denn insoweit würde es sich um eine freiwillige Leistung des Lebensgefährten handeln, auf welche die Klägerin keinen Anspruch hat. Solche Leistungen mindern die Bedürftigkeit des Berechtigten regelmäßig nicht (vgl. Wendl/Haußleiter, a.a.O., § 1, Rz. 368). Im Hauptverfahren wird das Amtsgericht allerdings nähere Feststellungen zum Unterhaltsbedarf der Klägerin treffen. Sodann ist festzustellen, welchen Betrag der Berechtigte benötigt, um in dem Land, in dem er lebt, dieselbe Kaufkraft zur Verfügung zu haben (Wendl/Dose, a.a.O., § 7, Rz. 22). Dazu können die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes für das Kaufkraftverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA herangezogen werden (vgl. auch BGH, FamRZ 1987, 682, 684). Schließlich ist eine Prüfung dahin vorzunehmen, ob in den USA im maßgeblichen Zeitraum die Verbrauchergeldparität von der Devisenparität abweicht. In diesem Fall müsste eine Bedarfskorrektur vorgenommen werden (vgl. hierzu im Einzelnen Wendl/Dose, a.a.O., § 7, Rz. 23 ff.; s. auch Krause, FamRZ 2002, 145 ff.).

Das Amtsgericht hat aber, ohne ausreichende Feststellungen zu treffen, angenommen, dass der Beklagte hinsichtlich des geltend gemachten Unterhalts im vollen Umfang leistungsfähig sei.

Allerdings muss der Unterhaltspflichtige seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 614). Dass es beim Beklagten hieran fehlt, hat das Amtsgericht nicht hinreichend begründet. Der bloße Hinweis, der Beklagte habe nicht ausreichend zu seinen Bemühungen vorgetragen, eine angemessene Tätigkeit zu finden, weshalb von einem fiktiven Einkommen auszugehen sei, das mit Sicherheit in einem Bereich liege, mit dem der Beklagte den geforderten Regelbetrag zahlen könne, reicht nicht aus. Vielmehr sind, soweit dem Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen anzurechnen ist, Überlegungen dahin anzustellen, welches Einkommen er nach Vorbildung und Fähigkeiten erzielen könnte (BGH, FamRZ 1996, 345; Kalthoener/ Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 633; Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rz. 5341 m. w. N.). Dabei kommt es darauf an, welche schulische und berufliche Ausbildung der Beklagte absolviert hat, welche Berufe er danach ausgeübt und welche Einkünfte er hierbei erzielt hat. Soweit derartige Erwägungen die Annahme rechtfertigen, der Beklagte sei in der Lage, ein höheres Einkommen zu erzielen, bedeutet dies ebenfalls noch nicht zwingend, dass seine Rechtsverteidigung ohne Aussicht auf Erfolg bleibt. Vielmehr ist ihm dann das auf Grund seiner Fähigkeiten erzielbare Einkommen fiktiv anzurechnen und auf dieser Grundlage der Unterhaltsanspruch des Kindes zu ermitteln. Nur dann, wenn dieser Unterhaltsanspruch den Klageantrag in vollem Umfange rechtfertigt, besteht keine Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung des Beklagten.

Bei summarischer Betrachtung im Prozesskostenhilfeverfahren ist davon auszugehen, dass der Beklagte das in der Zeit vom 1.2.1998 bis zum 30.11.1999 unstreitig erzielte Einkommen von monatlich 1.693 DM weiterhin erlangen kann. Im Hauptverfahren mögen weitere Feststellungen dazu getroffen werden, ob angesichts der Vorbildung und Fähigkeiten des Beklagten ein höheres Einkommen erzielbar wäre. Das Einkommen von monatlich 1.693 DM reicht angesichts eines notwendigen Selbstbehalts von 1.350 DM bzw. 1.370 DM (vgl. Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.1996, Nr. 14; Stand 1.7.1998, Nr. 10; Stand 1.7.1999, Nr. 10) aus, um den für die Zeit bis einschließlich Januar 2000 geforderten Unterhalt von monatlich 240 DM zu zahlen.

Für die Zeit von Februar bis Oktober 1998 hat der Beklagte Mietschulden der Mutter der Klägerin mit Raten von monatlich 248 DM zurückgeführt. Insoweit handelt es sich bei summarischer Prüfung angesichts der kurzen Dauer der Tilgung um berücksichtigungswürdige Schulden im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Beklagten (vgl. hierzu Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 158). In dieser Zeit stehen dem Beklagten für Unterhaltszwecke nur 95 DM (= 1.693 DM - 248 DM - 1.350 DM) zur Verfügung, das sind 49 €.

Das Hauptverfahren mag ergeben, ob dem Beklagten ein Einkommen von 1.693 DM in den Monaten Juni, Juli und August 1999, in denen er arbeitslos war und lediglich ein Arbeitslosengeld von 1.077 DM monatlich bezogen hat, nicht zugerechnet werden kann, weil dieses Ereignis den Beklagten möglicherweise unvorbereitet getroffen hat und ihm eine Übergangszeit eingeräumt werden muss (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O. Rz. 575) und deshalb insoweit auf seine tatsächlichen Einkünfte abzustellen ist, er für diese Monate also als leistungsunfähig anzusehen ist. Gleiches gilt für die Monate Dezember 1999 und Januar 2000, in denen der Beklagte erneut Arbeitslosengeld bezogen hat.

Ein fiktives Einkommen von 1.693 DM monatlich ist dem Beklagten alsdann für die Zeit der vom Arbeitsamt geförderten Umschulungsmaßnahme zum Rechtsanwaltsfachangestellten ab 24.1.2000 zuzurechnen. Es kann insoweit nicht allein auf das tatsächlich bezogene Unterhaltsgeld in Höhe von 248,57 DM wöchentlich, also rd. 1.077 DM monatlich (= 248,57 DM x 52 Wochen ./. 12 Monate) abgestellt werden. Der Umstand, dass das Arbeitsamt den Beklagten ohne Umschulung für nicht vermittelbar halten sollte, reicht für die Annahme verminderter Leistungsfähigkeit nicht aus. Denn Arbeitsämter sind nicht stets zuverlässig in der Lage, die realen Chancen intensiver privater Arbeitsuche verlässlich einzuschätzen (Kalthoener/ Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 625). Der Unterhaltsschuldner darf sich nicht allein auf die Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts verlassen. Er muss sich selbst intensiv um einen Arbeitsplatz bemühen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 619 ff). Dass er derartige Bemühungen entfaltet hat (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen Kalthoener/Büttner/ Niepmann, a.a.O., Rz. 619 ff), hat der Beklagte nicht hinreichend dargelegt.

Das Einkommen des Beklagten von 1.693 DM reicht nicht aus, den höheren Unterhalt von 465 DM monatlich, den die Klägerin ab Februar 2000, gestützt auf eine Inverzugsetzung durch Anwaltsschreiben vom 10.2.2000, verlangt, in vollem Umfang zu erfüllen. Bei einem notwendigen Selbstbehalt von 1.370 DM für die Zeit bis zum 30.6.2001 und von 1.515 DM für die Zeit ab 1.7.2001 (vgl. Nr. 10 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.1999 bzw. 1.7.2001) verbleiben nur 323 DM (= 165 €) bzw. 178 DM (= 91 €) für Unterhaltszwecke. Für die Zeit ab 1.1.2002 ergibt sich bei einem notwendigen Selbstbehalt von 775 € (Nr. 10 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2002) kein abweichendes Ergebnis [866 € (= 1.693 DM) - 775 € = 91 €].

Nach alledem kann der Rechtsverteidigung des Beklagten bei summarischer Betrachtung die Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, soweit er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung höheren Kindesunterhalts als 49 € für die Zeit von Februar bis Oktober 1998, als 165 € für die Zeit von Februar 2000 bis Juni 2001 und als 91 € ab Juli 2001 wendet. Für die Rechtsverteidigung gegen Unterhaltsansprüche für die Zeit von November 1998 bis Januar 2000 hingegen besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Ob dem Beklagten weitere Einkünfte zuzurechnen sind, mag das Hauptverfahren ergeben. Da die Klägerin behauptet hat, der Beklagte lebe mit seiner neuen Partnerin in einem Eigenheim, kommt die Zurechnung eines Wohnvorteils für mietfreies Wohnen im eigenen Haus in Betracht. Ein solcher Wohnvorteil ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich auch beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 297). Dem Vorbringen der Klägerin, der Beklagte erbringe seiner Lebensgefährtin haushälterische Versorgungsleistungen, für die ihm eine Vergütung zuzurechnen sei (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1995, 343; Wendl/Haußleiter, a.a.O., § 1, Rz. 372), ist ebenfalls nachzugehen.

Letztlich ist dem Amtsgericht die Prüfung im Hauptverfahren vorbehalten, ob die Zurechnung von Erträgen aus zumutbarer Vermögensnutzung oder die fiktive Zurechnung unterlassener Zinseinkünfte in Betracht kommt (vgl. Wendl/Haußleiter, a.a.O., § 1, Rz. 325). Auf die Behauptung der Klägerin, er verfüge über Vermögen, hat der Beklagte eingeräumt, im Jahre 1997 durch Erbgang 20.000 DM erhalten zu haben, zugleich jedoch darauf hingewiesen, er habe den Betrag im Wesentlichen für die Tilgung von Verbindlichkeiten aus seiner selbstständigen Tätigkeit aufgewandt.

Bei der Feststellung seiner Leistungsfähigkeit ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand der Umstand, dass der Beklagte Vater der am 18.3.1981 geborenen Tochter S. H. ist, nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob diese Tochter vom Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres an der Klägerin gegenüber nach § 1609 Abs. 1 BGB nachrangig ist, weil sie sich wegen des Besuchs der Berufsschule nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB befindet (vgl. hierzu insbesondere zur Behandlung von Berufsschulen und Berufsfachschulen, Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 459). Denn der Beklagte hat nicht dargelegt, dass für diese Tochter ein Unterhaltstitel besteht oder er zumindest zur Unterhaltszahlung aufgefordert worden ist.

Für den Fall, dass das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Beklagte sei bedürftig im Sinne der §§ 114, 115 ZPO n. F. (vgl. § 26 Nr. 4 EGZPO in der Fassung auf Grund des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1887, 1907), wird es, bevor es eine Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung einer Rechtsanwältin trifft, mit Rücksicht auf § 121 Abs. 3 ZPO n. F. bei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nachfragen, ob diese mit einer Beiordnung zu den Bedingungen einer in Bernau zugelassenen Rechtsanwältin einverstanden ist (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 121, Rz. 13).

Ende der Entscheidung

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