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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 11 U 151/00
Rechtsgebiete: HGB, BGB, UWG, ZPO, AGBG


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff
HGB § 90 a
BGB § 278
BGB § 284
BGB § 288
UWG § 1
ZPO § 528
ZPO § 91
ZPO § 711
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 528 Abs. 2
ZPO § 340 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 151/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12.06.2001

Verkündet am 12.06.2001

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Richter am Oberlandesgericht Ebling

für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 28. Juni 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 72.993,43 DM nebst 4 % Zinsen aus 66.163,00 DM seit dem 21. April 1998 und 4 % Zinsen aus 6.830,43 DM seit dem 8. September 1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagen bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 82.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet Die Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.

Dieses Urteil beschwert den Beklagten mit 72.993,43 DM.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege des Anwaltsregresses in Anspruch.

Der Beklagte hatte den Kläger in einem Berufungsverfahren gegen ein am 22.05.1996 verkündetes Urteil des Landgerichts G vor dem T Oberlandesgericht vertreten. Das Urteil war dem dortigen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.09.1996 zugestellt worden. Die von dem Beklagten gefertigte Berufung ging erst am Dienstag, dem 08.10.1996 beim T Oberlandesgericht ein. In dem daraufhin gestellten Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.1996 entschuldigte der Beklagte dies mit einem Versehen seiner Büroangestellten.

Durch Beschluss vom 10.03.1997 verwarf das T Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten (jetzigen Klägers) als unzulässig und wies zugleich den gestellten Wiedereinsetzungsantrag zurück.

Zur Begründung stellte das Oberlandesgericht darauf ab, der Beklagte habe es unterlassen, sein Vorbringen zur Wiedereinsetzung ungeachtet einer entsprechenden Rüge der Prozessbevollmächtigten der Gegenseite glaubhaft zu machen.

Das Urteil des Landgerichts G , mit dessen Anfechtung im Berufungsverfahren der Kläger den Beklagten beauftragt hatte, war in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger, im Vorprozess Beklagter, und der GmbH ergangen.

Die GmbH war eine Gesellschaft, die als Makler im Bereich der Finanzierungs-, Versicherungs- und Immobilienberatung tätig war. Der Kläger war bei dieser Gesellschaft aufgrund eines Vertrages vom 30.06.1992 als selbständiger Vertreter gem. §§ 84 ff HGB tätig. Der Kläger sollte für die Gesellschaft Verträge, u. a. Versicherungsverträge vermitteln. Als Vergütung erhielt er eine Provision für die vermittelten Verträge. Der Vertrag (Bl. 9 ff d. BA) enthielt u. a. folgende Bestimmung:

"9. Verhalten im Wettbewerb

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die für den Wettbewerb geltenden Grundsätze und Vorschriften,

insbesondere die "Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft" zu beachten.

Es ist dem Mitarbeiter nicht gestattet, Versicherungsnehmern oder Versicherten in irgendeiner Form unmittelbar oder mittelbar Sondervergütung zu gewähren oder Provisionen abzugeben.

10. Datenschutz

Der Mitarbeiter ist gem. § 5 des Bundesdatenschutzgesetzes zur Wahrung des Datengeheimnisses verpflichtet. Es ist ihm demnach bei Strafandrohung untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit bei der GmbH fort.

Ferner nimmt der Mitarbeiter davon Kenntnis, dass seine Personaldaten im Rahmen des Personalwesens von der GmbH verarbeitet und übermittelt werden."

Eine Wettbewerbsabrede i S.d. § 90 a HGB enthielt der Vertrag nicht. Der Vertrag enthält hierzu nur unter 3. die Regelung:

"Bei Beendigung des Vertrages mit der GmbH gehen alle Kundenverbindungen ohne Abfindung auf die über."

Durch Schreiben vom 19.01.1995 kündigte die den Vertrag fristlos zum 19.01.1995 und sprach gegenüber dem Kläger zugleich für den gleichen Tag ab 14:15 Uhr ein Hausverbot aus.

Ab dem 15.02.1995 nahm der Beklagte eine selbständige Tätigkeit als Versicherungsmakler auf. In der Folgezeit gingen bei der eine Vielzahl von Schreiben (Bl. 29 - 109 der beigezogenen Akten) ein, in denen Kunden der ihre Maklerverträge gegenüber dieser Firma kündigten.

Im Verfahren vor dem Landgericht behauptete die der Kläger (dortiger Beklagter) habe den Kunden jeweils die vorgefertigten Kündigungen zur Verfügung gestellt Sie äußerte weiter die Vermutung, die Initiative zur Kündigung müsse von dem Kläger ausgegangen sein, da kaum anzunehmen sei, dass 75 Versicherungsnehmer, die von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger keine Kenntnis gehabt hätten, von sich aus an den Beklagten herangetreten seien, um ihre Verträge aus ihrem, der , Bestand zu kündigen. Auch liege ihr ein Schreiben des Beklagten vom 20.09.1995 an eine Familie vor, in dem diese aufgefordert werde, einen Vordruck zur Kündigung unterschrieben an den Kläger zurückzusenden. Die GmbH vertrat die Auffassung, der Kläger habe mit seinem Verhalten die Versicherungsnehmer mittels mechanisch vorgefertigter Kündigungsschreiben zur Kündigung der Betreuungsverträge zu bewegen, gegen § 1 UWG i.V.m den Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft und den Bestimmungen des abgeschlossenen Vertrages verstoßen. Ihr stehe daher ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch zu.

Sie beantragte im damaligen Verfahren,

dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken planmäßig anhand vorgedruckter vervielfältigter Kündigungsschreiben in dem Bestand ihrer Versicherungsverträge einzudringen,

den Beklagten weiter zu verurteilen, die Originale der Kündigungsschreiben vorzulegen

und

darüber hinaus festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den bisherigen 75 vorliegenden Kündigungen entstanden sei und künftig entstehen werde.

Durch Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren vom 08.01.1996 gab das Landgericht der Klage statt.

Gegen dieses Versäumnisurteil legten die damaligen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers Einspruch ein und beantragten,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die Klageschrift sei dem Kläger (dortigem Beklagten) nicht wirksam zugestellt worden.

Durch das dann später anzufechtende Urteil gab das Landgericht G unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils der Klage statt.

Zur Begründung führte es aus, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 9 des Vertrages vom 30.06.1992 i.V.m § 1 UWG und Ziff. 56 und 57 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft. Der Beklagte habe hiergegen verstoßen. Er sei daher zur Unterlassung und zum Schadensersatz zu verurteilen. Auch sei ihm die Klageschrift wirksam zugestellt worden.

Das Urteil wurde nach Zurückweisung der Berufung durch den oben dargestellten Beschluss des T Oberlandesgerichts rechtskräftig.

In einem sich anschließenden Rechtsstreit vor dem Landgericht G nahm die den Kläger dann auf Schadensersatz in Höhe von 64.689,74 DM in Anspruch. Der Kläger wurde in diesem Verfahren ebenfalls von dem Beklagten vertreten.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.01.1998 wies das Gericht dann darauf hin, dass der Kläger (dortiger Beklagter) nach Auffassung des Gerichts mit sämtlichen Einwendungen gegen den Grund der Haftung ausgeschlossen sei, welche ihm zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht G im Vorprozess möglich gewesen wäre.

Die Parteien schlossen auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, nach dem sich der Kläger verpflichtete, an die einen Betrag von 60.000,00 DM zu zahlen. Dem Kläger blieb nachgelassen, den Vergleich durch Schriftsatz bis zum 23.03.1998 zu widerrufen.

Im Rahmen der Beratung zum Abschluss dieses Vergleiches erklärte der Beklagte dem Kläger, für den Betrag von 60.000,00 DM werde seine Haftpflichtversicherung aufkommen. Um die Angelegenheit indes vorher mit seiner Haftpflichtversicherung klären zu können, benötige er eine lange Widerrufsfrist. Der Kläger verließ sich darauf, dass der Beklagte den Vergleich widerrufen werde, sofern seine Haftpflichtversicherung für den Betrag von 60.000,00 DM nicht einstehen wolle. Tatsachlich informierte der Beklagte seine Haftpflichtversicherung nicht, widerrief aber auch den Vergleich nicht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte ihm, da er es pflichtwidrig unterlassen habe, rechtzeitig Berufung gegen das Urteil des Landgerichts G im ersten Prozess einzulegen. Darüber hinaus hafte er ihm, da er es weiter pflichtwidrig unterlassen habe, den Vergleich rechtzeitig zu widerrufen. Der Widerruf sei bereits deshalb geboten gewesen, da selbst bei Rechtskraft des Urteils des Landgerichts G im ersten Prozess der Schaden der jedenfalls deutlich niedriger als 60.000,00 DM gewesen wäre.

Seinen Schaden hat der Kläger aus der Vergleichssumme in Hohe von 60.000,00 DM und aus den ihm auferlegten Kosten aus beiden Verfahren in Hohe von 6.163,00 DM und in Höhe von 6.830,43 DM, insgesamt 72.993,43 DM errechnet.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 72.993,43 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Den Klageabweisungsantrag hat er im Verfahren vor dem Landgericht nicht begründet.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar habe der Beklagte gröblich gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen, indem er zunächst die Berufung verspätet eingelegt und es dann unterlassen habe, entgegen den zwingenden Erfordernissen des § 236 Abs. 2 ZPO die den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen glaubhaft zu machen. Es bestehe indes kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden.

Der Kläger habe nicht dargelegt, mit welchem materiell-rechtlichen Vorbringen die Berufung hätte begründet und aus welchen Gründen das Berufungsgericht diesen Vortrag als neues Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 528 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise hätte zulassen müssen.

Jeder Vortrag in einer gedachten Berufungsbegründungsschrift wäre im Verfahren vor dem T Oberlandesgericht als neu einzustufen gewesen, da die vorhergehenden Prozessbevollmächtigten des Klägers es entgegen § 340 Abs. 3 ZPO pflichtwidrig unterlassen hätten, in der Einspruchsschrift gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts G ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen. Es sei nicht erkennbar, mit welchem Vorbringen der Kläger dann im Verfahren vor dem Oberlandesgericht hätte obsiegen können.

Darüber hinaus habe der Kläger auch nicht ausreichend detailliert vorgetragen, warum er als Handelsvertreter nicht entsprechend Ziff. 9 des Arbeitsvertrages gegen die Wettbewerbsvorschriften und insbesondere die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft verstoßen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser sein ursprüngliches Klagebegehren weiter verfolgt.

Er macht geltend, zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, im Verfahren vor dem T Oberlandesgericht sei neuer Sachvortrag nicht möglich gewesen.

Dem Landgericht G falle im Erstprozess ein erheblicher Verfahrensfehler zur Last. Es sei seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht nicht nachgekommen. Dieser Verfahrensverstoß des seinerzeit verhandelnden Gerichtes hätte dann im Verfahren vor dem T Oberlandesgericht die Möglichkeit zum neuen Sachvortrag eröffnet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, das angefochtene Urteil sei zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache Erfolg.

Der Beklagte haftet dem Kläger aus einer Verletzung seiner Verpflichtung aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Anwaltsvertrag.

Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt hat, fällt dem Beklagten eine Verletzung derartiger Pflichten zur Last. Ein Pflichtverstoß des Beklagten ist bereits darin zu sehen, dass er es unterlassen hat, die Berufung bei dem T Oberlandesgericht rechtzeitig einzulegen. Dabei kommt es, insoweit im Unterschied zum Wiedereinsetzungsverfahren, für den Haftungsprozess nicht darauf an, ob die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist auf einem eigenen Verschulden des Beklagten oder auf einem Verschulden seiner Angestellten beruhte. Soweit sich der Anwalt zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Mandanten nichtanwaltlicher Hilfskräfte bedient, ist seine Haftung für deren Fehler nach § 278 BGB uneingeschränkt zu bejahen. Er haftet also gegenüber dem Mandanten nicht nur für die von ihm oder einem eingeschalteten Anwalt verursachten Schäden, sondern auch für jeden Schaden, der durch das Verschulden seines Bürovorstehers, seiner Angestellten oder Auszubildenden dem Mandanten zugefügt worden ist (Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und Notars, 6. Aufl., 1998, Rn. 208 m.w.N.).

Hinzutritt, dass es der Beklagte selbst, nachdem die Berufungseinlegungsfrist zunächst versäumt war, unter klarem Verstoß gegen § 236 Abs. 2 ZPO unterlassen hat, die das Wiedereinsetzungsgesuch tragenden Gründe glaubhaft zu machen und dies, obwohl die gegnerische Prozessbevollmächtigte in ihrer Stellungnahme zum Wiedereinsetzungsantrag auf diesen Umstand ausdrücklich hingewiesen hatte.

Fällt dem Beklagten damit eine grobe Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten zur Last, so haftet er dem Kläger für den hierdurch verursachten Schaden.

Der Schaden des Klägers besteht darin, dass bei rechtzeitiger Einlegung der Berufung die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts G in der Berufungsinstanz abgewiesen worden wäre.

Für die Beurteilung der Frage, wie, ob und in welchem Umfang dem Mandanten durch eine Pflichtverletzung des Anwalts ein Schaden entstanden ist, ist zu prüfen, wie sich das Vermögen des Mandanten ohne die pflichtwidrige Handlung entwickelt hätte (BGH WM 1988, 1454).

Besteht die Pflichtverletzung des Anwalts darin, dass dieser durch sein Verschulden die Durchführung eines Berufungsverfahrens vereitelt hat, so ist für die Frage, ob hierdurch ein Schaden entstanden ist, darauf abzustellen, wie der Vorprozess, hier also das Berufungsverfahren, nach Auffassung des Gerichts, das mit dem gegen den Prozessbevollmächtigten gerichteten Schadensersatz befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGH NJW 1994, 1211, 1212 f; NJW 1998, 1148, 1150).

Bei einer Beurteilung nach diesen Grundsätzen ist ein Schaden des Klägers zu bejahen. Das T Oberlandesgericht hätte auf die Berufung des Klägers, eingelegt durch den Beklagten, die gegen den Kläger seinerzeit gerichtete Klage der T unter Aufhebung des anzufechtenden Urteils abgewiesen. Die Klage war unschlüssig Das Klagevorbringen trug den geltend gemachten Anspruch nicht. Auf der Grundlage ihres Vorbringens im Verfahren vor dem Landgericht G stand der dortigen Klägerin, der T, weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der Schadensersatzanspruch zu.

Ein Unterlassungsanspruch der ergab sich zunächst nicht aus dem Umstand, dass der Kläger, der nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der T als selbständiger Versicherungsmakler tätig war und mit dieser im Wettbewerb stand, seinen Kunden bei der Kündigung ihrer mit der T bestehenden Maklerverträge behilflich war.

Das Handelsrecht wird von dem Gedanken des Wettbewerbs beherrscht. Es steht einem Handelsvertreter auch nach Beendigung eines Vertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmer, für den er bis dahin tätig gewesen war, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat. Einen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat der Unternehmer nicht. Wettbewerbsrechtlich kann er das Vorgehen seines früheren Handelsvertreters nur dann beanstanden, wenn sich dieser bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bedient (BGH NJW 1993, 1786, 1787). Nach diesen Grundsätzen dürfen Versicherungsmakler, anders als möglicherweise Versicherungsvertreter, für ihre Kunden in weitgehendem Umfang, auch unter Verwendung von Formularen Kündigungshilfe leisten (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, VersR 2000, 1430). Ein Versicherungsmakler ist als Sachverwalter allein den Interessen seines Auftraggebers verpflichtet (BGHZ 94, 356). Für ihn gelten die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft daher bereits dem Grunde nach nicht, dies bereits auch deshalb, da diese Richtlinien nur das Verhalten der Versicherungsunternehmen im Werben um Kunden untereinander, nicht aber den Wettbewerb zwischen den von den Versicherungsunternehmen verschiedenen Versicherungsmaklern regeln.

Ein Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht aus Nr. 9 des Vertrages, den der Kläger seinerzeit mit der T abgeschlossen hatte, herleiten.

Bereits nach ihrem Wortlaut regelte diese Bestimmung nur das Verhalten der Mitarbeiter der T für die Zeit ihrer Tätigkeit. Dies ergibt sich bereits aus der Verwendung des Begriffs Mitarbeiter. Mitarbeiter ist nach dem Sprachgebrauch nur derjenige, der tatsächlich auch in einem Tätigkeitsverhältnis zur Gesellschaft steht und der von dem ausgeschiedenen oder früheren Mitarbeiter üblicherweise sprachlich unterschieden wird. Für eine Auslegung in diesem Sinne spricht auch der Umstand, dass in der Regelung in Nr. 9 des Vertrages insoweit in Abweichung zu den Regelungen etwa in Nr. 3 oder Nr. 10 der Vereinbarung gerade keine Regelung für die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit getroffen wurde. Eine dahingehende Auslegung der Regelung erscheint auch sinnvoll, da der T für die Zeit der Mitarbeit des Klägers daran gelegen sein musste, dass dieser im Interesse eines guten Verhältnisses der T ihrerseits zu den Versicherungsgesellschaften, mit denen sie in vertraglichen Beziehungen stand, die Bestimmungen des Versicherungswirtschaft über das Verhalten im Wettbewerb beachtete. Nach einer Beendigung des Tätigkeitsverhältnisses bestand indes für weitere vertragliche Regelungen kein Anlass, da die T nicht annehmen musste, von Versicherungsunternehmen dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, dass sich frühere Mitarbeiter nicht mehr richtlinienkonform verhielten.

Eine Wettbewerbsabrede für die Zeit nach dem Ausscheiden des Klägers ist in Nr. 9 der vertraglichen Vereinbarung ausdrücklich nicht getroffen. Es gibt auch keine Ansätze für eine Auslegung in diesem Sinne.

Ein Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht aus der Annahme herleiten, der Kläger habe in verbotener Ausnutzung seiner Kenntnisse, die er als Mitarbeiter der T erlangt hätte, gegebenenfalls unter Verstoß gegen seine Pflichten aus §§ 90 HGB und 17 Abs. 2 UWG ihm bekannt gewordene Geschäftsgeheimnisse der T verwandt, um diese unter Ausnutzung seiner Kenntnisse zu seinem eigenen Vorteil zu schädigen.

Für einen hierauf gestützten Unterlassungsanspruch war der Vortrag der Klägerin im Verfahren vor dem Landgericht G nicht ausreichend. Sie hat sich im dortigen Verfahren darauf beschränkt, die Vermutung zu äußern, dass davon auszugehen sei, dass die Initiative für die Vertragskündigungen ihrer ehemaligen Kunden wohl von dem Beklagten ausgegangen sei (Bl. 4, 5 der beigezogenen Verfahrensakten).

Dieser Vortrag war nicht ausreichend, um die von ihr geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu rechtfertigen.

Die Bestimmungen des § 90 HGB untersagt es dem ausgeschiedenen Handelsvertreter nicht unterschiedslos, die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm in seiner Tätigkeit bekannt geworden sind, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses für eigene Zwecke zu verwerten. Ihm ist dies nur insoweit verboten, als dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde. Hierbei ist im Einzelfall das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers gegen das Interesse des Handelsvertreters an anderweitiger Betätigung nach dem Vertragsende abzuwägen und letztlich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entscheiden (Sonnenschein/Weitemeier in Heimann, HGB, 2. Aufl., 1995, § 90 a Rn. 6 m.w.N.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie eng die Bindung des Ausgeschiedenen zu seinem früheren Prinzipal war. Was bei einem Angestellten anstößig ist, braucht bei einem Handelsvertreter nicht zu beanstanden zu sein. Verwertet ein ausgeschiedener Handelsvertreter Kundenadressen, die in seinem Gedächtnis geblieben sind oder macht er sich solche Anschriften von Kunden nutzbar, die keinen dauerhaften geschäftlichen Kontakt zu dem bisher vertretenen Unternehmen aufgenommen haben, liegt kein Vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten vor (BGH NJW 1993, 1786, 1787, WRP 1999, 912, 914 und Hefermehl Wettbewerbsrecht, 22 Aufl., § 1 UWG RN. 602 m.w.N.). Eine entgegenstehende vertragliche Vereinbarung kann den Vorwurf einer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG zu beanstandenden unangemessenen, den Geboten von Treu und Glauben zuwiderlaufenden Benachteiligung (OLG Koblenz NJW-RR 1987, 95, 97) begründen.

Allein der Umstand, dass der Handelsvertreter seinen Kunden bei der Beendigung des Vertragsverhältnisses zu dem früheren Geschäftsherrn behilflich ist, genügt nicht, um den Vorwurf unlauteren Verhaltens zu begründen (OLG Hamm BB 1998, 1221, 1222).

Bei einer Beurteilung nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus dem Vortrag der T im Verfahren vor dem Landgericht G ein unlauteres Verhalten des Klägers nicht. Irgendwelche besonderen Umstände, die geeignet gewesen wären, diesen Vorwurf zu begründen, hat die T weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.

Der Beklagte hätte sich daher im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht auf reinen Rechtsvortrag und den Hinweis beschränken können, dass die Klage auch auf der Grundlage des Sachvortrages der abzuweisen gewesen wäre.

Ein derartiges Vorbringen hätte auch nicht im Berufungsverfahren nach § 528 ZPO zurückgewiesen werden können, da es den Rechtsstreit nicht verzögert hätte.

Ein Schaden des Klägers kann dann schließlich auch nicht mit der Erwägung verneint werden, es sei nicht auszuschließen, dass es der T im Berufungsverfahren möglicherweise gelungen wäre, ihren klagebegründenden Vortrag noch zu ergänzen und gegebenenfalls zu beweisen mit der Folge, dass der Kläger dann letztlich doch unterlegen wäre.

Steht zunächst fest, dass ein gebotenes anwaltliches Handeln einen für den Mandanten nachteiligen Erfolg vermieden hatte, so stellt der Einwand, dass bei dem gebotenen Handeln der Gegner im Prozess in einer bestimmten Art und Weise reagiert hätte, mit der dann weiteren Folge, dass der Mandant dennoch unterlegen wäre, die Berufung auf eine hypothetische Reserveursache dar (Rinsche a.a.O., Rn. 226 unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 07.07.1994, XIV R 11/94). Für einen derartigen hypothetischen Kausalverlauf trägt dann indessen der Anwalt im Haftungsprozess die volle Darlegungs- und Beweislast. Hierzu hat der Beklagte nichts vorgetragen.

Hinzutritt, dass nach dem Vorbringen des Klägers in seiner Anhörung durch den Senat die Möglichkeit eines Obsiegens der T eher fernliegend gewesen wäre. Sofern sich der Kläger tatsächlich allein darauf beschränkt hatte, nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der T die Verbindungen zu den Kundenstamm, den er schon vor seinem Eintritt in die T gehabt hätte, weiter zu pflegen, wäre der Vorwurf unlauteren Verhaltens nicht gerechtfertigt.

Ist damit davon auszugehen, dass bei pflichtgemäßen anwaltlichem Handeln die Klage der T auf die Berufung des Klägers hin abgewiesen worden wäre, so ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass die gegen ihn gerichtete Klage der T nicht rechtskräftig abgewiesen wurde, sondern vielmehr das entsprechende Urteil des Landgerichts G in Rechtskraft erwuchs.

Der Schaden des Klägers besteht daher zunächst aus den Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht G und den Kosten des Berufungsverfahrens, die er bei Abweisung der Klage nicht hätte tragen müssen.

Der Kläger hat diesen Schaden, ohne dass dies von dem Beklagten in Zweifel gezogen wurde, mit 6.163,00 DM beziffert. Ein weiterer Schaden ist dem Kläger dann dadurch entstanden, dass er sich auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts G von dem Beklagten anwaltlich beraten, vergleichsweise verpflichtet hat, an die einen Betrag von 60.000,00 DM zu zahlen und schließlich aus den Kosten des Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wurde, die der Kläger ebenfalls vom Beklagten unwidersprochen mit 6.830,43 DM beziffert hat. Insgesamt berechnet sich der Schaden mit den geltend gemachten 72.993,43 DM.

Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.



Ende der Entscheidung

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