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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 11 U 154/07
Rechtsgebiete: VermG, ZPO


Vorschriften:

VermG § 7 Abs. 7
VermG § 7 Abs. 7 S. 2
VermG § 7 Abs. 8 S. 2
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. August 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die ihr als Verfügungsberechtigter in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Mai 2005 gemäß § 7 Abs. 7 VermG zustehenden Entgelte aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis hinsichtlich des Objekts ...-Straße 1, P., durch Vorlage einer übersichtlichen und geordneten Aufstellung sowie der dazu gehörigen Verträge oder sonstigen Vereinbarungen.

Im Hinblick auf die zweite und dritte Stufe der Stufenklage wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14. August 2007 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.000,00 €.

Tatbestand: Die Klägerin als Restitutionsberechtigte und nunmehrige Eigentümerin begehrt im Wege der Stufenklage die Auskehr von Erlösen aus der Verwaltung eines Grundstücks, welche die Beklagte in der Zeit vom 01. Juli 1994 bis zum 31. Mai 2005 als Verfügungsberechtigte nach dem Vermögensgesetz erhalten hat. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

Auskunft zu erteilen über die ihr als Verfügungsberechtigter in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Mai 2005 gemäß § 7 Abs. 7 VermG zustehenden Entgelte aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis hinsichtlich des Objektes ...-Straße 1, in P. durch Vorlage einer übersichtlichen und geordneten Aufstellung sowie der dazu gehörigen Verträge oder sonstigen Vereinbarungen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ein eventueller Anspruch auf Auskehr nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG sei gemäß § 7 Abs. 8 S. 2 VermG erloschen, weil die Klägerin den Zahlungsanspruch nicht innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides schriftlich geltend gemacht habe. Der Zugang des Schreibens vom 23. März 2006 sei nicht bewiesen; das Landgericht hat die Bekundungen des Zeugen W. für nicht ausreichend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung, welche der Klägerin am 21. August 2007 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Urschrift (Bl. 63 ff.) verwiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Rechtsmittel ist am 19. September 2007 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen. Auf den Antrag der Klägerin, die Berufungsbegründungsfrist "um einen Monat, mithin bis zum 22. November 2007" zu verlängern, hat der Vorsitzende des Senats die Fristverlängerung durch Verfügung vom 22. Oktober 2007 bis zum 22. November 2007 gewährt. Die Klägerin hat die Berufung durch Schriftsatz, eingegangen an diesem Tage, wie folgt begründet:

Schon in den Schreiben vom 29. Dezember 2005 und 14. Februar 2006 sei eine hinreichende Geltendmachung der Zahlungsansprüche enthalten; anders hätte die Beklagte die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht verstehen können. Das Landgericht habe die erhobenen Beweise falsch gewürdigt. Im Übrigen sei die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf treuwidrig.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die ihr als Verfügungsberechtigter in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Mai 2005 gemäß § 7 Abs. 7 VermG zustehenden Entgelte aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis hinsichtlich des Objekts ...-Straße 1, P., durch Vorlage einer übersichtlichen und geordneten Aufstellung sowie der dazugehörigen Verträge oder sonstigen Vereinbarungen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie vertritt die Auffassung, die Berufungsbegründungsfrist hätte ohne ihre Zustimmung nur um einen Monat und deshalb nur bis zum 21. November 2007 verlängert werden können.

Im Übrigen beantragt sie,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 15. Januar 2008 (Bl. 151 ff. d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Akten des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen beigezogen und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen W., H., F. und T.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom 22. April (Bl. 180 ff.) und 15. Juli 2008 (Bl. 238 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe: I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist (§§ 517, 519, 520 ZPO) eingelegt und begründet worden. Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung der Beklagten hat der Vorsitzende des Senats die Berufungsbegründungsfrist wirksam bis zum 22. November 2007 verlängert. Wird die Frist zur Begründung der Berufung oder Revision um einen bestimmten Zeitraum verlängert und fällt der letzte Tag der ursprünglichen Frist - wie hier - auf einen Sonntag, so beginnt der verlängerte Teil der Frist erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Die vereinzelt gebliebene abweichende Auffassung des OLG Rostock (MDR 2004, 351), auf die sich die Beklagte stützen will, ist allgemein verworfen worden, unter anderem vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 14. Dezember 2005, IX ZB 198/04 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur), dem der Senat folgt. Einer Entscheidung über den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin bedarf es demnach nicht mehr.

II.

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Klägerin kann in der ersten Stufe ihrer Stufenklage die Auskunft über dasjenige verlangen, welches Gegenstand des Anspruchs nach § 7 Abs. 7 VermG ist (§ 259 Abs. 1 BGB). Die Voraussetzungen des Entstehens dieses gesetzlichen Anspruchs sind vom Landgericht zutreffend für gegeben erachtet worden und zwischen den Parteien nicht streitig. Der - der Höhe nach noch ungewisse - Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht in Folge Fristablaufs nach § 7 Abs. 8 S. 2 VermG erloschen.

Aus den beigezogenen Akten des ARoV P... (1107/3740) ist als Datum der letzten Zustellung des Restitutionsbescheides der 23. Februar 2005 zu ersehen (Bl. 243 der Beiakte). Die Bestandskraft des Bescheides ist deshalb mit Ablauf des 23. März 2005 eingetreten. Das Schreiben vom 23. März 2006, in dem für die Klägerin erstmals in hinreichender Deutlichkeit die Herausgabe der Mieteinnahmen seit dem 1. Juli 1994 gefordert worden ist, ist am gleichen Tage, mithin rechtzeitig, bei der Beklagten eingegangen. Hiervon ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt.

Das Gericht glaubt dem Zeugen W.. Dieser hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei bekundet, den Brief am Donnerstag, dem 23. März 2006, in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen zu haben. Diese Aussage ist uneingeschränkt glaubhaft. Sie fügt sich - insbesondere in Bezug auf das Datum - in die Bekundung der Zeugin T. ein: Am Mittwoch, dem 22. März 2006, fand das Training für den Rennsteiglauf statt, an dem der Zeuge W. nach seiner Bekundung teilgenommen hat und wegen dessen er sich am 22. März 2006 nicht weiter um den Brief gekümmert hat. Am Donnerstag, dem 23. März 2006, hatte die Zeugin T. einen Termin in B.. Nach ihrer ebenfalls glaubhaften Bekundung hat die Zeugin den Brief an diesem Tage auf den Schreibtisch des Zeugen W. gelegt, der ihn dann gelesen und zur Beklagten gebracht hat.

Die von der Beklagten gegen die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen angeführten Bedenken teilt der Senat nicht. Dass das falsche Amtsgericht in B. am Donnerstag, dem 23. März 2006, im Kanzleikalender vermerkt war, ist ohne weiteres als Versehen zu verstehen. Es steht nämlich auf Grund der Vorlage des Terminsprotokolls fest, dass der Termin vor dem Amtsgericht B. tatsächlich stattgefunden hat und eine Manipulation des Kalenders deshalb kaum in Betracht gezogen werden kann. Die Tatsache, dass der Zeuge W. als Rechtsanwalt Botengänge übernimmt, hat dieser zum einen überzeugend damit erklärt, dass die Kanzlei einen kleinen Umfang hat, zum anderen damit, dass er sich in diesem Fall persönlich um die Sicherstellung des Briefzugangs kümmern wollte.

Dass der Zeuge den Brief am letzten Tage der Frist eingeworfen haben will, ohne sich des Fristablaufs bewusst zu sein, erachtet der Senat als Zufall, der selbstverständlich kritisch zu hinterfragen ist. Nicht jeder Zufall lässt indes die Glaubhaftigkeit der entsprechenden Aussagen entfallen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass sich der Inhalt des Schreibens in die sonstige Korrespondenz bruchlos einfügt: Die Zeugin T. hatte die Klägerin bereits zuvor am 29. Dezember 2005 und am 14. Februar 2006 angeschrieben, ohne konkret die Auszahlung der vereinnahmten Mieten zu fordern. Am 31. Mai 2006 hat die Zeugin die Beklagte erneut angeschrieben und auf die bisherige Korrespondenz unter Angabe der Daten Bezug genommen. Der Senat erachtet es für ausgeschlossen, dass die Zeugin T. und der Zeuge W. das Schreiben im Hinblick auf eine versäumte Frist wahrheitswidrig auf den letzten Tag dieser Frist datiert haben. Ein solches "Zeugenkomplott" wäre von in Rechtssachen erfahrenen Zeugen in anderer Form konstruiert worden; so hätte es in diesem Fall nahe gelegen, ein früheres Datum einzusetzen oder zu bekunden, dass der Brief in dem Bewusstsein des Fristablaufs am 23. März 2006 eingeworfen worden ist.

Das Gericht hält die Zeugen auch für uneingeschränkt glaubwürdig. In dem Verfahren geht es um eine verhältnismäßig geringe Summe. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Kanzlei der Zeugen nicht besonders umsatzstark ist, so ist doch die Annahme, die Zeugen - als Rechtsanwälte Organe der Rechtspflege - würden bei einem überschaubaren Streitwert eine Falschaussage begehen, fern liegend. Dies wird auch durch den persönlichen Eindruck des Senats gestützt; die Zeugen haben offen und freimütig ausgesagt und offen gelegt, an welchen Stellen sie sich auf - nachvollziehbare - Rekonstruktionen des Geschehensablaufs zurückziehen mussten. Schließlich hat der Zeuge W. aus seiner Einschätzung, der Postzugang bei der Beklagten sei nicht immer problemlos zu beweisen gewesen, keinen Hehl gemacht; dies bewertet der Senat nicht als Voreingenommenheit, sondern als Glaubwürdigkeitsmerkmal.

Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass ungeklärt geblieben ist, warum der Brief, der mit Einwurf in den Briefkasten der Beklagten zugegangen war, bei der Beklagten nicht mehr aufgefunden werden kann. Ein Fehlverhalten der Zeuginnen F. und H. dürfte insoweit nicht in Betracht kommen, wie ihre glaubhaften Aussagen belegen. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Brief nach der Entnahme aus dem Briefkasten - etwa, weil er zwischen irrelevanter Werbepost "versteckt" war - versehentlich, ohne in der Posteingangsliste vermerkt zu sein, weggeworfen worden ist. Jedenfalls ist die Tatsache, dass der Brief nicht in der Posteingangsliste vermerkt ist, kein hinreichender Hinweis darauf, dass er an dem betreffenden Tage nicht eingeworfen worden sein kann, zumal die Führung der Computerliste eine spätere Manipulation nach der Schilderung der Zeugin F. jedenfalls theoretisch nicht ausschließt.

III.

Der Senat macht von der Befugnis Gebrauch, den Rechtsstreit hinsichtlich der weiteren Stufen der Auskunftsklage auf Antrag der Klägerin analog § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler § 538 RN 48). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass den Parteien im Höheverfahren keine Tatsacheninstanz genommen wird.

IV.

Da das Ausmaß des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens vom weiteren Verfahren abhängt, ist die Kostenentscheidung dem Landgericht vorzubehalten. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben; das Urteil beruht auf der Würdigung der im Einzelfall erhobenen Beweise und wirft Rechtsfragen, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen, nicht auf.

Ende der Entscheidung

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