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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.02.2001
Aktenzeichen: 11 U 215/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 182
ZPO § 696 Abs. 2
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 215/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht 5 O 86/99 Landgericht Cottbus

Anlage zum Protokoll vom 06.02.2001

Verkündet am 06.02.2001

Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2001 durch

den Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Richter am Landgericht Hüsgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten gegen das am 22.09.1999 verkündete Urteil des Landgerichtsgerichts Cottbus wird das angefochtene Urteil unter Aufhebung des am 23.05.2000 verkündeten Versäumnisurteils des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Cottbus zurückverwiesen.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 46.326,42 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache Erfolg.

Dem Kläger ist für die Versäumung der Einspruchsfrist gegen den ihn am 21.12.1998 zugestellten Vollstreckungsbescheid Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Der Kläger hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.

Die Einspruchsfrist wurde durch die wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheides in Lauf gesetzt.

Für die wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheides genügt es gem. § 182 ZPO, dass das zuzustellende Schriftstück, nachdem ein Versuch der Zustellung in der Wohnung erfolglos war, auf dem Postamt niedergelegt und die schriftliche Mitteilung über diese Niederlegung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise vom Zustellungsbeamten abgegeben worden ist.

Dass dies der Fall war, wird durch den in maschinell bearbeiteten Mahnverfahren gefertigten Aktenausdruck bewiesen, für den gem. § 696 Abs. 2 ZPO die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend gelten. Ist damit die wirksame Zustellung nachgewiesen, so war die Vernehmung der von der Klägerin hierzu benannten Postzustellerin entbehrlich.

Die wirksame Zustellung besagt für sich alleine indes noch nichts über das Schicksal des Wiedereinsetzungsantrages. Insoweit ist nur entscheidend, aus welchen Gründen der Beklagte von der erfolgten Zustellung keine Kenntnis erhalten und ob er diese Umstände möglicherweise zu vertreten hat. Aus der Zustellungsurkunde selbst lässt sich hierzu nichts herleiten, da diese sich hierzu nicht verhält.

Dass der Beklagte von der Zustellung des Vollstreckungsbescheides und auch von der Zustellung des vorausgehenden Mahnbescheides keine Kenntnis erhalten hat, hat er durch seine eidesstattliche Versicherung und korrespondierend damit durch die eidesstattliche Versicherung und spätere Zeugenaussage seiner Ehefrau hinreichend glaubhaft gemacht.

Die Umstände, die dann dazu führten, dass der Beklagte keine Kenntnis von den Zustellungen erhielt, sind im Verfahren unaufklärbar geblieben.

Allein dies indiziert nicht die Annahme des Verschuldens.

In einer derartigen Fallgestaltung ist das Wiedereinsetzungsgesuch begründet, wenn der die Wiedereinsetzung Begehrende glaubhaft machen kann, dass er die üblichen, für den Zugang von Postsendungen nötigen Vorkehrungen getroffen, eine fehlerfreie Empfangsvorkehrung für die Entgegennahme eingehender Post eingerichtet und darüber hinaus glaubhaft gemacht hat, dass ihm bisher kein Postverlust unterlaufen ist, der ihm hätte Anlass geben müssen, seine Vorkehrungen zu überprüfen (BGH Beschluss vom 15.06.1994, NJW 1994, 1994 und seitdem bestätigend OLG Celle OLGR 1997, 218, 219; OLG Frankfurt OLGR 1999, 271, 272 und OLG Zweibrücken OLGR 2000, 476, 477).

Mit der Anbringung eines handelsüblichen Briefkastens, der regelmäßig geleert und dessen Inhalt regelmäßig überprüft wird, genügt ein Empfänger grundsätzlich diesen Anforderungen.

Die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin hat hierzu ergeben, dass der Beklagte solche Vorkehrungen getroffen hat.

Allein der Umstand, dass die Zeugin in ihrer Vernehmung eingeräumt hat, dass der im Zeitpunkt der Zustellung etwa 8 1/2 Jahre alte Sohn des Beklagten gelegentlich Post aus dem Briefkasten entnommen hat, kann einen Vorwurf nicht begründen, soweit er die entnommene Post ordnungsgemäß bei seinen Eltern abgeliefert hat. Gegenteiliges hat die Beweisaufnahme hierzu nicht ergeben. Sind aber bei einer dem Grunde nach ordnungsgemäßen Empfangsorganisation für eingehende Post keine Anhaltspunkte feststellbar, auf die sich ein Verschuldensvorwurf stützen ließe, so ist dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben (BGH a.a.O.). Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass bei dem Beklagten in der Vergangenheit bereits ein Postverlust eingetreten wäre, der ihm hätte Anlass geben müssen, seine Vorkehrungen zu überprüfen.

Ergänzend ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Zustellung hier in einem Privathaushalt erfolgte und dass die strengen Grundsätze, die die Rechtsprechung zu den Anforderungen entwickelt hat, denen im geschäftlichen Verkehr, insbesondere beim Betrieb eines Anwaltsbüros zu genügen ist, um Vorkehrungen gegen die Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen, nicht ohne weiteres auf die Anforderung zur Organisation eines normalen Privathaushaltes übertragen werden können.

Der Beklagte hat die die Wiedereinsetzung letztlich begründenden Tatsachen auch insgesamt noch rechtzeitig vorgetragen. Zwar genügte der Vortrag des Beklagten im Wiedereinsetzungsgesuch entgegen der Bestimmung des § 236 Abs. 2 ZPO, nach dem innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen dargelegt werden müssen, zunächst nicht. Die Angaben waren unvollständig. Insbesondere fehlte eingehender Vortrag zu der bei dem Beklagten bestehenden Empfangsvorkehrung für eingehende Post. Die Angaben in einem Wiedereinsetzungsantrag können indes später ergänzt werden, auch wenn die Frist inzwischen abgelaufen ist. Entscheidend ist insoweit, ob die ursprünglichen Angaben ergänzungsbedürftig waren (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 236 Rn. 6 a m.w.N.). Hier wurden die Angaben spätestens durch die Aussage der Zeugin in der Beweisaufnahme, deren Inhalt sich der Beklagte bereits im Verfahren vor dem Landgericht zu Eigen gemacht hat, ausreichend ergänzt. Dies genügt, um sie bei der Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch als Grundlage für die Entscheidung heranzuziehen.

War der Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, so steht dies der Verwerfung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid entgegen:

Die Sache war daher gem. § 538 Abs. 1 Nr. 1, da sie auch ansonsten nicht entscheidungsreif ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landgericht, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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