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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.11.2003
Aktenzeichen: 11 U 47/03
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/B § 6
VOB/B § 8 Abs. 1
VOB/B § 8 Nr. 1
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2
BGB § 649
BGB § 649 S. 2 Halbs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 47/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.11.2003

verkündet am 18.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 16. April 2003, Az. 5 O 79/02, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des ihr gegenüber zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor ihrer Vollstreckung die gleiche Höhe leistet.

Jede Partei kann Sicherheitsleistung durch die schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines Kreditinstitutes erbringen, das seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat und dort als Zoll-, Steuer- oder Prozessbürge zugelassen ist.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,00 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Vergütung für nicht erbrachte Werkleistungen nach vorzeitiger Beendigung eines Werkvertrages.

Die Beklagte beauftragte sie nach vorausgegangenem Ausschreibungsverfahren gemäß Zuschlagsschreiben vom 05.10.1999 (Anlage K 3) mit Entmunitionierungsarbeiten auf dem Standortübungsplatz B... . Vereinbart waren die Geltung der VOB/B sowie eine aus Einheitspreisen abgeleitete Auftragssumme von 1.725.139,76 DM brutto.

Nachdem die Klägerin auf dem Gelände 14 Giftgranaten gefunden hatte, verfügte die Beklagte gemäß Schreiben vom 04.02.2000 (vgl. Bl. 72 GA) die Arbeit im Fundstellenbereich einzustellen. Mit Schreiben vom 07.02.2000 (Anlage K 5) zeigte die Klägerin daraufhin eine Baubehinderung nach § 6 VOB/B an, unter Hinweis auf erhebliche Kosten des Baustopps. Am 16.02.2000 unterzeichnete der für die Beklagte tätige Zeuge Web... ein Baubesprechungsprotokoll vom 14.02.2000, demzufolge die Klägerin als Ausgleich für die von einer Bearbeitung ausgenommenen Flächen ab sofort andere Teilflächen des Standortübungsplatzes bearbeiten werde (Anlage B 3, Bl. 31 d. GA).

Mit Schreiben vom 22.03.2000 (Anlage K 7) kündigte die Beklagte den Auftrag vom 05.01.1999 bezüglich der vom Baustopp betroffenen Ursprungsleistungen, da die zuständigen Dienststellen der Bundeswehr die Entsorgung der mit hoher Wahrscheinlichkeit aufzufindenden chemischen Kampfstoffe nicht mehr sicherstellen konnten.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin unter Einbeziehung der Vergütungen für die am 14.02.2000 besprochenen Leistungen in der Folgezeit insgesamt 1.934.941,73 DM (vgl. 25 d. GA).

Unter dem 14.10.2000 berechnete die Klägerin eine Kündigungsvergütung gem. § 8 Nr. 1 VOB/B von 220.050,45 DM (Anlage K 11) und mit der Klageschrift einen noch offenen Rest von 86.260,28 € (= 168.710,77 DM, vgl. Bl. 12 d. GA).

Die Beklagte hat auf ihre, den ursprünglich vereinbarten Werklohn um mehr als 200.000,00 DM übersteigenden Zahlungen hingewiesen und behauptet, die Parteien hätten sich darüber geeinigt, die später beauftragten Leistungen als Kompensationsaufträge für den Wegfall der ursprünglich vereinbarten Leistungen aus dem Vertrag vom 05.10.1999 zu behandeln.

Das Gericht hat hierüber Zeugenbeweis erhoben und mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, die Klage abgewiesen. Die Klägerin müsse sich ihren Werklohn aus den beiden später erteilten Aufträgen über "Teilfläche 1/Schießanlage" und "Zentralbereich" als Erwerb durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft gem. § 649 S. 2 Halbs. 2 BGB anrechnen lassen, da die Parteien sich hierüber bei ihrer Besprechung am 14.02.2000 geeinigt hätten. Die Klägerin sei bei dieser Besprechung durch ihren Mitarbeiter Wei... wirksam vertreten worden. Dieser sei einverstanden gewesen mit dem Vorschlag der Beklagten, die an sich ausschreibungspflichtigen und vom bisherigen Auftrag nicht erfassten Leistungen auf dem Truppenübungsplatz wegen der dort nicht mehr zu bearbeitenden Flächen an sie, die Klägerin, zu vergeben und als Ausgleich für den Wegfall der ursprünglich beauftragten Flächen zu behandeln.

Der zeitlich spätere Ausspruch der Kündigung stehe der Vereinbarung vom 14.02.2000 nicht entgegen, da den Parteien bereits zu diesem Zeitpunkt der Wegfall der kündigungsgegenständlichen Arbeiten klar gewesen sei.

Das Gleiche gelte für die zeitlich spätere schriftliche Erteilung der Füllaufträge, deren Leistungsausführungen bereits am 07.02.2000 begonnen hätten, nämlich unverzüglich, um Stillstandskosten der Klägerin hinsichtlich der Behinderung der ursprünglich beauftragten Leistungsausführungen zu vermeiden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag uneingeschränkt weiter. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach eine Einigung der Parteien über Füllaufträge am 14.02.2000 auszuscheiden habe, weil der Ursprungsauftrag nicht an diesem Datum, sondern erst mit Schreiben vom 22.03.2000 schriftlich gekündigt worden sei und sie deshalb nicht durch die Kündigung in die Lage versetzt worden sein könne, die sogenannten Füllaufträge wahrzunehmen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Berufungsrechtszug und auf sein Terminsprotokoll vom 11.11.2003.

II.

Berufung und Klage sind unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Werklohnanspruch mehr gegen die Beklagte aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Verbindung mit § 649 BGB. Sie muss sich gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 VOB/B, § 649 BGB in Verbindung mit der Vereinbarung vom 14.2.2000 den Erwerb aus den ihr von der Beklagten nachträglich erteilten Aufträgen auf die ursprünglich vereinbarte Vergütung anrechnen lassen. Dies haben die Parteien am 14.2.2000 vertraglich vereinbart, wie das Landgericht zutreffen erkannt hat. Die Vertretungsvoraussetzung auf Seiten der Klägerin sowie die für Angebot und Annahme maßgeblichen Auslegungstatsachen hat das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugend festgestellt. Beweisaufnahme- oder Beweiswürdigungsfehler macht die Klägerin selbst nicht geltend und sind nicht erkennbar.

1. Die Klägerin muss sich die Erklärungen des für sie auftretenden Zeugen Wei... nach den Grundsätzen über die Duldungsvollmacht zurechnen lassen.

Sie hat einen Rechtsschein gesetzt, denn die Beklagte konnte nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aus dem äußeren Geschehen auf eine Bevollmächtigung schließen, nachdem die Klägerin auf die Einladung der Beklagten zur Besprechung über die Vergabe von Ersatzaufträgen am 14.2.2000 den Zeugen Wei... entsandte, den die Beklagte bereits aus früheren Anlässen, so schon seit dem Mietergespräch vom 24.06.1999 als für die Klägerin auftretend kannte und der für die Klägerin mehrfach rechtsgeschäftliche Erklärung abgab. Diese Feststellungen des Landgerichts tragen ohne Weiteres den Rückschluss auf einen Rechtsschein und sind mit der Berufung nicht angegriffen.

Die Klägerin muss sich den von ihr gesetzten Rechtsschein zurechnen lassen, denn sie hatte vom Verhalten des Zeugen Wei... unstreitig Kenntnis und hat es geduldet. Zum Termin über die Besprechung der Vergabe von Ersatzaufträgen am 14.02.2000 hat sie gerade ihn entsandt.

Die Beklagte durfte auf den von der Klägerin geschaffenen Rechtsschein vertrauen. Dass die Klägerin ihre Vertretung gegenüber der Beklagten ausdrücklich, klar und eindeutig auf einen Kreis von Bevollmächtigten beschränkt hätte, zu dem der Zeuge Wei... für die Beklagte erkennbar nicht gehören konnte, dazu hat die Klägerin nichts Einlassungsfähiges vorgetragen. Ihr Vorbringen hierzu erschöpft sich vielmehr in der Klagereplik vom 30. Juli 2002 darin, geltend zu machen, "es habe bereits aufgrund der der Beklagten bekannten Vertretungsverhältnisse bzw. Geschäftsführung bei der Klägerin im Rahmen der Besprechung vom 14. Fe-bruar 2002 eine von der Beklagten glauben gemachte Einigung nicht erzielt werden können. Die Vertretungsverhältnisse auf Seiten der Klägerin hätten sich für die Beklagte durch die Angebotsabgabe und den zuvor geführten Schriftwechsel ergeben" (vgl. Bl. 45 d. GA).

Bei diesem äußerst dürftigen Vorbringen ohne einlassungsfähige Tatsachenbehauptungen hat es die Klägerin noch belassen, selbst nachdem das Landgericht durch Hinweisbeschluss vom 18.10.2002 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass jedenfalls eine Rechtsscheinhaftung der Klägerin für das Handeln ihres Mitarbeiters Wei... schlüssig dargelegt sei.

2. Das Auslegungsergebnis des Landgerichts zur Vereinbarung vom 14.2.2000 ist möglich und naheliegend, es drängt sich förmlich auf.

Der Wortlaut des Protokolls vom 16.02.2000 (vgl. Anlage B3, Bl. 31 d. GA) ist eindeutig und von den Besprechungsbeteiligten auch so verstanden worden, wie die Zeugen bekundet und das Landgericht von der Berufung unangegriffen festgestellt hat.

Die allgemeine Interessenlage deckt das Auslegungsergebnis ohne weiteres, denn den Parteien eines Bauvertrages steht es frei, für den Fall der Kündigung die vergütungsrechtlichen Konsequenzen jedenfalls - wie hier - individualvertraglich gesondert zu regeln (vgl. Ingenstau, Korbion, 14. Aufl, VOB/B, § 8 Rn. 46 m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als der Auftragnehmer im Falle einer Kündigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B nach Treu und Glauben nur einen Anspruch darauf hat, schadlos gestellt zu werden (RGZ 74, 197, 199; BGH Baurecht 1981, 198).

Auch die zeitlichen Gegebenheiten und die besondere Interessenlage der Parteien hier sprechen, wie die Klägerin verkennt, nicht gegen, sondern greifbar für das landgerichtliche Auslegungsergebnis. Den Parteien stand spätestens aufgrund der insoweit unmissverständlichen Behinderungsanzeige der Klägerin vom 7.2.2000 (Anlage K 5) das dort ausdrücklich genannte Entstehen erheblicher Kosten klar und deutlich vor Augen, so dass sie spätestens ab diesem Zeitpunkt allen Anlass hatten, die Klägerin weitest möglich schadlos zu halten. Dies erforderte naheliegender Weise, nämlich schon im Hinblick auf die ein Baugeschehen hiesigen Vertragsvolumens regelmäßig begleitenden erheblichen Dispositionen über Arbeitskräfte und Arbeitsmittel, ein unverzügliches Handeln. Der baubetriebswirtschaftlich maßgebliche Zeitpunkt liegt daher nicht in der verwaltungstechnischen Behandlung der Vertragsdokumente, sondern in den baufachlich vorgegebenen Bauabläufen selbst, hier also im Eintritt des den geplanten Bauablauf hindernden Umstandes. Dieser, und nicht etwa erst die Ausfertigung späterer Vertragsschreiben, verursachte die baustillstandsbezogene Kostenerhöhung, namentlich wegen vorgehaltener, indessen nicht eingesetzter Arbeitskräfte und Arbeitsmittel.

3. Der damit vertraglich als anderweitig anzurechnende Erwerb beziffert sich auf 1.146.825,93 DM (vgl. Bl. 25 d. GA) und übersteigt, wie das Landgericht unangegriffen festgestellt hat, die restlichen Vergütungsansprüche der Klägerin aus dem gekündigten Auftragsteil.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 86.360,28 €

Ende der Entscheidung

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