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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.03.2004
Aktenzeichen: 11 U 95/03
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO, KO, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 64 Abs. 2
InsO § 17 Abs. 2
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 144
KO § 30
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 95/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.03.2004

Verkündet am 09.03.2004

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 15. August 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 17 O 370/02 - wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.016,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. April 2002 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Übrigen erledigt ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Bürgschaftsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten nach einer Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin. Der Beklagte war gemeinsam mit dem gesondert in Anspruch genommenen Herrn ... K... Geschäftsführer der T... gesellschaft ...mbH. Die klagende Bank (B... AG) war die Hausbank der Gesellschaft.

Die Gesellschaft unterhielt bei der Klägerin u. a. zwei Konten, und zwar ein Darlehenskonto mit der Ktn.: 7685009902 sowie ein Girokonto mit der Ktn.: 7685009900.

Im Laufe des Jahres 1999 geriet die Gesellschaft, die noch in den Vorjahren Umsätze von etwa 2 Mio. DM erzielt hat, in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zum 31.07.1999 beschäftigte sie noch 13 Arbeitnehmer, denen für den Monat Juli die Gehälter nicht mehr gezahlt wurden. Den Geschäftsbetrieb unterhielt die Gesellschaft in angemieteten Büroräumen. Die monatliche Miethöhe betrug 7.495,17 DM. Zum 31. Juli 1999 waren Mietrückstände in Höhe von rd. 37.000,00 DM aufgelaufen.

Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf ihren oben bezeichneten Konten bei der Klägerin betrugen zum 30.07.1999 insgesamt 161.410,05 DM und zwar einen debitorischen Saldo in Höhe von 73.338,17 DM auf dem Kontokorrentkonto und einen debitorischen Saldo in Höhe von 88.071,88 DM auf dem Darlehenskonto.

Die Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft bei der Klägerin waren durch Bürgschaften der geschäftsführenden Gesellschafter vom Februar 1997 gesichert.

Im Frühjahr 1999 verhandelte die Klägerin mit den Geschäftsführern über eine Anpassung der Bürgschaftserklärungen. Der Beklagte lehnte eine derartige neue Bürgschaftserklärung indes ab. Möglicherweise im Hinblick hierauf, möglicherweise aber auch im Hinblick auf die sich aus den Umsatzrückgängen ergebende deutliche wirtschaftliche Verschlechterung der Situation der Gesellschaft kündigte die Klägerin durch Schreiben vom 30.07.1999 unter Berufung auf Ziffer 19 Abs. 3 der AGB der Banken sowohl das Girokonto als auch den Darlehensvertrag.

In dem Schreiben wurde der Gesellschaft eine Frist von 20 Tagen gegeben, die Schulden auszugleichen.

Nach der Kündigung löste die Gesellschaft auf dem vorbezeichneten Darlehenskonto insgesamt 3 Schecks über insgesamt 77.719,07 DM (7.950,40 DM, 67.363,56 DM; 2.405,11 DM) ein. Darüber hinaus erbrachte der Beklagte eine Bareinzahlung auf diesem Konto in Höhe von 6.670,26 DM. Unter Berücksichtigung dieser Gutschriften wies das Konto zum 07.09.1999 nur noch einen Debet-Saldo in Höhe von 3.930,10 DM aus.

Das ehemalige Girokonto wies am 01.08.1999 ein Negativ-Saldo in Höhe von 73.338,17 DM aus. Auf dem Konto gingen dann Überweisungen in Höhe von 111.533,90 DM im Zeitraum vom 03.08.1999 bis zum 06.09.1999 (Übersicht Bl. 115 d. A. und Kontoauszüge Bl. 150 - 173 d. A.) ein.

Unter Berücksichtigung dieser Überweisungen wies das Konto zum 06.09.1999 ein Habensaldo in Höhe von 37.754,79 DM aus, woraus sich nach Berechnung mit dem oben bezeichneten Debetsaldo aus dem Darlehenskonto ein Guthaben in Höhe von 33.824,69 DM ergab. Aufgrund einer Weisung des Beklagten als Geschäftsführer überwies die Klägerin dieses Guthaben auf ein anderes Konto der Gesellschaft bei der C...bank, wo der Betrag bis zur Insolvenzeröffnung verblieb.

Bereits unter dem 18.08.1999 hatte der Mitgeschäftsführer der Beklagten beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenzantrag gestellt.

In seiner Begründung führte er aus:

"Wie aus der beigefügten Vermögensübersicht ersichtlich, stehen derzeit per 17.08.1999 den aufgeführten Vermögenswerten von insgesamt ca. 240.000,00 DM die ausgewiesenen Verbindlichkeiten von insgesamt 420.000,00 DM gegenüber. Auch bei sofortiger Einleitung autonomer Sanierungsmaßnahmen ist unvermeidlich, dass bis zum 31.08.1999 Zahlungspflichten in Höhe von ca. 200.000,00 DM entstehen werden, die im Einzelnen aus der in der Anlage beigefügten Finanz- und Liquiditätsrechnung ersichtlich sind. Unter Berücksichtigung erheblicher Umsatzeinbrüche der letzten Zeit kann demgegenüber im gleichen Zeitraum nur mit Zufluss von Werten in Höhe von 50.000,00 DM gerechnet werden, die ebenfalls aus der beigefügten Finanz- und Liquiditätsplanung ersichtlich werden. Eingeleitete Sanierungsmaßnahmen seit April 1999 führten zu keiner Verbesserung der wirtschaftlichen Situation."

Das Insolvenzverfahren wurde unter dem 19.10.1999 eröffnet. Der Insolvenzverwalter legte seine Bericht unter dem 30.11.1999 vor.

Bereits unter dem 30.08.1999 hatte die Klägerin die Bürgschaftsurkunde mit einem Formblatt an die Bürgen, also auch an den Beklagten zurückgesandt (Bl. 19 d. A.). In dem Formblatt ist eine vorgedruckte Formulierung des Wortlauts angekreuzt:

"Die uns eingeräumten Rechte übertragen wir hiermit zurück. Die entsprechenden Unterlagen werden ausgehändigt."

Dem Schreiben beigefügt waren die Bürgschaftsurkunden.

Mit Schreiben vom 20.09.2001 nahm der Insolvenzverwalter die Klägerin im Wege der Insolvenzanfechtung auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 152.302,61 DM in Anspruch. Die Klägerin erklärte hieraufhin gegenüber dem Beklagten durch Schreiben vom 05.10.2001 vorsorglich die Anfechtung der Entlassung aus der Bürgschaft. Mit dem Insolvenzverwalter erzielte sie einen Vergleich, nach dem sie 90.000,00 DM auf die Insolvenzanfechtungsforderung zahlte.

Mit Schreiben vom 09.04.2002 forderte die Klägerin den Beklagten auf, an sie einen Betrag von 90.000,00 DM zu zahlen.

Die Klägerin hat behauptet, die GmbH sei mit der Kündigung der Bankverbindung zahlungsunfähig geworden. Die die Zahlungsunfähigkeit begründenden Umstände, die Kündigung der Kreditlinien durch sie, seien ihr bekannt gewesen. Sie wäre daher im Prozess gegen den Insolvenzverwalter voraussichtlich unterlegen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte schulde ihr die zurückgezahlten Beträge aus der ursprünglichen Bürgschaft. Diese Bürgschaft sei nicht durch einen Erlassvertrag o. ä. erloschen, da sie bei Rücksendung der Bürgschaftsurkunde einen Erlasswillen nicht gehabt habe und auch der Beklagten einen solchen Willen nicht habe annehmen dürfen.

Im Übrigen hat sie sich hilfsweise auf die erklärte Anfechtung eines möglichen Erlassvertrages berufen und schließlich die Klage auf abgetretene Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 64 Abs. 2 GmbHG gestützt.

Die Klägerin hat zunächst gegen beide Bürgen Klage vor dem Landgericht Berlin erhoben. Das Landgericht hat das Verfahren gegen den Beklagten des hiesigen Verfahrens wegen örtlicher Unzuständigkeit mit Beschluss vom 20.08.2002 abgetrennt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.016,27 € nebst Zinsen zu zahlen.

Nachdem im Parallelverfahren ein Urteil des Landgerichts Berlin gegen den weiteren Geschäftsführer und Bürgen ergangen war, in dem dieser antragsgemäß zur Zahlung verurteilt worden war und einen Betrag von 18.000,00 € gezahlt hatte, hat die Klägerin in Höhe eines Betrages von 18.000,00 € den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt und im Übrigen beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 28.016,27 € nebst Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, seine Bürgschaftsverpflichtung sei durch Erlass beendet worden. Eine Anfechtung des Erlasses käme nicht in Betracht. Darüber hinaus fehle es auch an den Voraussetzungen einer wirksamen Insolvenzanfechtung. Es habe bereits keine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bestanden. Der Antrag sei nur wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt worden. Jedenfalls aber habe die Klägerin von einer möglicherweise bestanden habenden Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis gehabt. Im Übrigen habe die Klägerin nicht dargelegt, dass durch die Entgegennahme der Schecks eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten sei. Es sei nicht erkennbar, dass es sich bei den Scheckzahlungen um Zahlungen aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin gehandelt habe.

Durch das angefochtene Urteil hat des Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte schulde der Klägerin nichts aus der Bürgschaft, da die Parteien über die Bürgschaft einen Erlassvertrag abgeschlossen hätten. Eine Anfechtung des Erlassvertrages käme nicht in Betracht. Die Klägerin könne auch nicht aus abgetretenem Recht vorgehen. Es bestehe kein abzutretender Anspruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem Beklagten gem. § 64 Abs. 2 GmbHG, da es nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung an einem Schaden der Gesellschaft fehle.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

Sie bekämpft die Auffassung des Landgerichts, die Parteien hätten einen Erlassvertrag geschlossen. Jedenfalls aber sei ein etwa geschlossener Erlassvertrag wirksam angefochten.

Sie beantragt in Abänderung der angefochtenen Entscheidung,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 28.016,27 € nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Hauptsache in Höhe von 18.000,00 € erledigt sei.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen.

Er erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten weiterhin einen Anspruch aus der von dem Beklagten am 10.02.1997 unterzeichneten Bürgschaftsurkunde.

Die Ansprüche sind nicht durch Abschluss eines Erlass- oder Verzichtsvertrages zwischen den Parteien erloschen.

Der Abschluss eines Erlassvertrages ergibt sich nicht aus der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines derartigen Vertrages liegen nicht vor.

Allein die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde führt, selbst wenn dies in der Bürgschaftsurkunde ausdrücklich vorgesehen ist, noch nicht zum Erlöschen der Verpflichtungen aus dem Bürgschaftsvertrag. Erlöschen kann die Bürgschaft nur durch Abschluss eines gesonderten Erlassvertrages (OLG Hamburg NJW 1986, 1691; Habersack in Müko, 3. Aufl., § 765 Rn. 59). Ein derartiger Erlassvertrag kann zwar auch konkludent geschlossen werden. Regelmäßig erforderlich ist aber ein eindeutiges Verhalten des Gläubigers, aus dem sich sein Wille zum Erlass der Forderung klar und sicher ergibt (OLG Dresden BB 1999, 497). Die Annahme eines Erlassvertrages liegt daher dann nahe, wenn der Bestand oder der Umfang der Bürgschaftsschuld zwischen den Partien streitig war, der Bürge den Gläubiger unter Angabe von Gründen aufgefordert hat, ihn aus der Bürgschaft zu entlassen und ihm hierauf die Bürgschaftsurkunde übersandt wird (OLG Dresden a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zwischen den Parteien nicht gegeben. Auch aus der in dem Übersendungsschreiben angekreuzten Formulierung lässt sich der Abschluss eines Erlassvertrages zwischen den Parteien nicht herleiten.

Es handelt sich bei der Übersendung offensichtlich um ein schlichtes Formschreiben, in dem von dem Sachbearbeiter einzelne vorgedruckte Passagen nur angekreuzt werden. Die Formulierung unter Ziffer 6: "Die uns eingeräumten Rechte übertragen wir hiermit zurück", die bezogen auf die abgegebene Bürgschaftserklärung ohnehin für sich genommen keinen Sinn machen würden, waren aus Sicht des Beklagten nicht dahin zu verstehen, die Klägerin habe ihn den Abschluss eines Erlassvertrages anbieten und rechtsgestaltend tätig werden wollen. Auch nach den vorangegangenen Verhandlungen zwischen den Parteien konnte der Beklagte das Verhalten der Klägerin nur dahin verstehen, dass diese, nachdem die Konten, deren Sicherung die abgegebenen Bürgschaftserklärungen dienten, nach den vorgenommenen Buchungen keinen Negativsaldo mehr aufwiesen und damit auf der Grundlage der vorliegenden Kontenauszüge eine gesicherte Hauptforderung nicht mehr bestand, die bis dahin bestehende Geschäftsbeziehung auch verwaltungstechnisch abzuwickeln wollte. Allein hierin erschöpft sich der Aussagegehalt des Schreibens.

Für die Annahme, die Klägerin habe insoweit mit dem Beklagten eine eigenständige, die Rechtslage gestaltende Regelung treffen wollen, spricht nichts. Insbesondere bestand zwischen den Parteien keinerlei Auseinandersetzung, Unsicherheit oder Streitigkeit, aus der sich ein Bedürfnis nach einer derartigen gestaltenden Regelung ergeben hätte. Es bestand aus der für den Beklagten erkennbaren Sicht der Klägerin auch kein Anlass für den Abschluss eines Erlassvertrages, da nach der eigenen Buchführung der Klägerin die Konten keinen Negativsaldo mehr aufwiesen, also eine Forderung, die etwa hätte erlassen werden können, weder aus Sicht der Klägerin noch aus Sicht des Beklagten bestand.

Für die dann weitergehende Annahme, die Parteien hätten im Zeitpunkt der Übersendung der Bürgschaftsurkunden Anlass für eine Regelung gesehen, in der die Klägerin aus welchem Grunde auch immer, sich gegenüber dem Beklagten bereit finden wollte, auch auf möglicherweise zukünftig wieder entstehende Ansprüche zu verzichten, spricht nichts. Es ist nicht erkennbar, wieso die Klägerin an einer derartigen in die bestehenden Rechtsverhältnisse eingreifenden vertraglichen Gestaltung ein auch nur irgendwie geartetes Interesse hätte haben können. Insbesondere ist nichts dafür erkennbar, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Übersendung der Bürgschaftsurkunden gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck bringen wollte, den Beklagten auch im Falle einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung nicht mehr aus der Urkunde in Anspruch nehmen zu wollen.

Der Umstand, dass sich dann nach der Rückgabe die Bürgschaftsurkunde nicht mehr im Besitz der Bürgschaftsgläubigerin befand, ist für den Fortbestand der Bürgschaftsverpflichtung unbeachtlich. Deren Fortbestand hängt nicht davon ab, dass die dem Bürgschaftsempfänger ursprünglich übergebene Bürgschaftsurkunde dann auch bei diesem verbleibt (BH WM 1978, 266, 267).

Darüber hinaus wäre selbst bei einer anderen Auslegung die Bürgschaftsforderung gem. § 144 InsO bei einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter wieder aufgelebt. Nach dieser Bestimmung lebt die erloschene Forderung, soweit der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurückgewährt, wieder auf. Infolge der Vorschrift entsteht die zunächst getilgte Forderung mit der Rückgewähr ohne weiteres und mit Rückwirkung auf die Zeit unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung wieder (Kirchhoff in MüKo zur InsO, 2002, § 144 Rn. 8). Zusammen mit der zunächst getilgten Forderung leben auch die für die Forderung bestellt gewesenen Neben- und Sicherungsrecht wieder auf. Dies gilt zunächst für die vom Insolvenzschuldner gestellte Sicherung und zwar sowohl für akzessorische als auch für nicht akzessorische Sicherheiten. Entsprechendes gilt für Sicherheiten, die von Dritten für die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners bestellt waren, z. B. für Bürgschaften (BGH NJW 1974, 57).

Soweit zur Begründung akzessorischer Sicherheiten ein Realakt nötig ist, hat der ursprüngliche Sicherungsgeber oder Insolvenzverwalter mitzuwirken. Urkunden über die anfechtbar getilgten Forderungen z. B. Wechsel- oder Grundschuldbriefe sind zurückzugeben und ggf., falls vernichtet, wieder herzustellen (Kirchhoff a.a.O., Rn. 11 m.w.N.; zum alten Recht Hess, Konkursordnung, 6. Aufl., § 39 Rn. 7 m.w.N.). Soweit die Parteien in der Annahme, die gesicherte Forderung sei erloschen, eine vertragliche Änderung der Sicherungsvereinbarung getroffen haben, so entfällt für diese mit wirksamer Anfechtung die Geschäftsgrundlage. Die ursprüngliche Sicherheit ist wieder herzustellen (Brandenburgisches OLG WM 2001, 626).

Die Klägerin kann somit gegenüber dem Beklagten ihre Rechte aus der von diesem gestellten Bürgschaft wieder geltend machen, soweit sie im Hinblick auf eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter zur Tilgung der Forderung empfangene Beträge zurückgewähren mussten.

Die hiernach zu fordernden Voraussetzungen sind gegeben.

Die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung lagen vor.

In Höhe eines Betrages von 77.719,07 DM lagen die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO bereits deshalb vor, weil die Klägerin mit der Hereinnahme dieser Schecks eine inkongruente Deckung erhielt. Die Hingabe eines Kundenschecks ist grundsätzlich inkongruente Deckung, weil sie dem begünstigten Gläubiger zusätzlich gem. Art. 12 ScheckG einen Anspruch gegen den Scheckaussteller verschafft. Bereits mit der Hereinnahme eines Inkassoschecks erwirkt eine Bank Sicherungseigentum, zumindest ein Pfandrecht, wenn ein Schuldsaldo des Kunden wenigstens in der Höhe der Schecksumme besteht. Die Einreichung verschafft der Bank somit an dem Scheck und an der zugrunde liegenden abgetretenen Forderung ein Absonderungsrecht. Dieses Sicherungs- und Absonderungsrecht der Bank stellt eine inkongruente Deckung dar, weil die Bank zwar einen Anspruch gegen ihren Schuldner auf Zahlung hat, nicht aber einen Anspruch gegen den Kunden, der den Scheck ausgestellt hat. Verwertet die Bank mit dem Einzug auch ihr Sicherungsrecht, so dass ihre Forderung gegen den Gemeinschuldner erlischt, wird dadurch die inkongruente Sicherung nicht beseitigt (Kreft in Heidelberger Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 131 Rn. 9 m.w.N.; BGH ZIP 1992, 778, 780).

Die Hereinnahme einer inkongruenten Deckung begründet gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Insolvenzanfechtung ohne weitere Voraussetzung, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Hier ist der Insolvenzantrag am 18.08.1999 gestellt worden. Die Schecks wurden am 13. und am 19.08. und damit innerhalb eines Monats vor Stellung des Insolvenzantrages bzw. nach dem Insolvenzantrag bei der Klägerin und damit innerhalb der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingereicht.

Die Annahme der Schecks begründet auch eine Gläubigerbenachteiligung. Die Schecks waren Kundenschecks der späteren Gemeinschuldnerin und befanden sich damit bereits im Zeitpunkt der Einreichung im Vermögen der Gemeinschuldnerin. Dafür, dass es sich um Zuwendungen aus dem eigenen Vermögen der Gesellschafter und damit um schuldnerfremdes Vermögen handelte, fehlt jede Darlegung.

Hinsichtlich der übrigen Zahlungen war die Anfechtung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

Nach dieser Vorschrift sind Rechtshandlungen anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Beide Voraussetzungen sind zu bejahen.

Die Gemeinschuldnerin war in dem hier kritischen Zeitpunkt, also ab dem 01.08.1999, zahlungsunfähig.

Nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die Zahlungseinstellung, ein Begriff aus § 30 KO, besteht, wenn mindestens für die beteiligten Verkehrskreise nach außen hin erkennbar geworden ist, dass der spätere Gemeinschuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH WM 2001, 1155). Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist abzugrenzen von dem Begriff der reinen Zahlungsstockung. Diese liegt vor, wenn der Schuldner lediglich einzelne Verbindlichkeiten vorübergehend nicht begleicht, sich aber ausreichend Bankkredit beschaffen kann (etwa Kind in Braun, InsO, § 17 Rn. 8 m.w.N.).

Hiernach lag bei der späteren Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt des Eingangs der Gutschrift, also im Zeitraum vom 03.08.1999 bis zum 06.09.1999 Zahlungsunfähigkeit vor.

Die Zahlungsunfähigkeit ergibt sich nicht nur aus dem Bericht des Insolvenzverwalters, sondern auch aus den Angaben in dem Eröffnungsantrag. Nach den Darlegungen des Mitgeschäftsführers des Beklagten hatte die zum 17.08.1999 erstellte Vermögensübersicht Vermögenswerte in Höhe von 240.000,00 DM bei ausgewiesenen Verbindlichkeiten in Höhe von 420.000,00 DM und damit eine klare Überschuldung ergeben. Wie sich dann aus dem Bericht des Insolvenzverwalters ergibt, war die Gemeinschuldnerin auch ernsthaften Forderungen ausgesetzt, die sie nicht beglichen hat. Dies gilt bereits ohne weiteres für die nicht gezahlten Mieten und für die Ende Juli fällig gewordenen und für den Monat Juli nicht mehr gezahlten Löhne und Sozialversicherungsbeiträge. Die Zahlungsunfähigkeit war letztlich mit der Kündigung der Kontenverbindungen durch die Klägerin eingetreten. Jedenfalls mit der Kündigung dieser Bankverbindungen verfügte die Gemeinschuldnerin bei der Klägerin über keinerlei Kredit mehr. Dass sie angesichts ihrer ansonsten desolaten Vermögenssituation in der Lage gewesen wäre, sich diesen Kredit anderweitig zu beschaffen, erscheint ausgeschlossen.

Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin hat dann letztlich der Beklagte selbst in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt.

Er hat hierzu ausgeführt, die Gesellschaft habe sich im Jahr 1999 in einer Krise befunden. Er sei davon ausgegangen, dass es bei entsprechenden steuernden Maßnahmen möglich gewesen wäre, die Gesellschaft noch zu sanieren. Bei einer Aufrechterhaltung der Geschäftsverbindung zur Klägerin und bei einer Aufrechterhaltung der Kreditlinie wäre es wohl möglich gewesen, die Gesellschaft wieder aus der Krise zu führen. Erst durch die Kündigung der Geschäftsverbindung durch die Klägerin habe sich die Lage nachhaltig verändert. Es hätten jetzt keine Möglichkeiten mehr bestanden, die auflaufenden Forderungen in irgendeiner Form zu begleichen.

Diese Darlegungen des Beklagten ergeben eine Zahlungseinstellung; den völligen Verlust der Liquidität nach Kündigung der Kredite durch die Hausbank.

Nach diesem Sachvortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung war ein Eingehen auf den zuvor gestellten Beweisantrag, dem Insolvenzverwalter die Herausgabe sämtlicher Buchungsunterlagen aufzugeben, entbehrlich.

Der Klägerin war die Zahlungseinstellung auch bekannt.

Dies ist für die Hausbank der Gemeinschuldnerin, die die Zahlungsunfähigkeit durch Kündigung sämtlicher Kredite und Kreditlinien selbst herbeigeführt hat, ohnehin nahe liegend. Die Bank, die unter Frist und Androhung von Zwangsmitteln die Rückzahlung sämtlicher gekündigter Kredite der Gemeinschuldnerin einfordert, hat regelmäßig Kenntnis von der hierdurch verursachten Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden. Die allein theoretische Möglichkeit, der Schuldner könne noch irgendwo her Kredit erhalten, steht der Kenntnis der Zahlungseinstellung grundsätzlich nicht entgegen (BGH NJW 1995, 2103).

Im Übrigen trägt die Klägerin ihre Kenntnis selbst vor.

Lagen damit die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung vor, so ist dem Beklagten durch den von der Klägerin mit dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vergleich, der die Anfechtungsforderung deutlich reduzierte, zumindest kein Nachteil entstanden.

Er schuldete daher als Gesamtschuldner mit dem gesondert verklagten Mitgeschäftsführer aus der ursprünglichen Bürgschaft die Rückzahlung der von der Klägerin im Wege der Insolvenzanfechtung zurückgewährten Beträge.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Soweit die Forderung der Klägerin infolge der teilweisen Erfüllung durch den gesamtschuldnerisch mithaftenden gesondert verklagten anderen Geschäftsführer erfüllt ist, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Auf Antrag der Klägerin war dies auszusprechen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen.

Der Rechtsstreits betrifft keine grundsätzlichen Fragen. Die entscheidenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Ende der Entscheidung

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