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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2002
Aktenzeichen: 11 W 30/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB, HGB, VOB/B, GKG, BRAGO


Vorschriften:

BGB § 127
BGB § 127 S. 2 HS 2
BGB § 273
BGB § 641 Abs. 3
BGB § 648 Abs. 1 S. 1
BGB § 648 a
ZPO § 124
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 127 Abs. 4
EGBGB § 1 Abs. 2 S. 2
HGB § 350
VOB/B § 2 Nr. 7 Abs. 1 letzter Satz
VOB/B § 17 Nr. 4 S. 2
GKG § 11
BRAGO § 51 Abs. 1 HS. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 W 30/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 27. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 30. Dezember 2000, Az.: 4 O 179/99, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses wird angewiesen, Prozesskostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweigern, sondern hierüber unter Beachtung der Auffassung des Senates erneut zu befinden.

Gründe:

I.

Der vor dem Landgericht aufgrund eines VOB-Vertrages auf Werklohnzahlung von noch etwa 1,1 Mio. DM in Anspruch genommene Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für seine Verteidigung. Hierzu macht er im Wesentlichen geltend, mit seiner Unterschrift unter einer Nachtragsurkunde vom 23.12.1996 (vgl. Klägeranlage K 3, Bl. 57 d. GA) die Nachtragsvereinbarung nicht geschlossen, sondern lediglich den Empfang des Schriftstückes bestätigt zu haben.

Der Beklagte, der zwischen dem 21.11.1995 und dem 20.12.1997 zahlreiche Abnahmeprotokolle unterzeichnet hat (vgl. Klägeranlage K 7, Bl. 67 ff. d. GA) und der mit Schreiben vom 16.01.1998 (K 37, Bl. 316 d. GA) dringend die Erstellung einer Endabrechnung über die erbrachten Leistungen erbat, "da das Leistungsvolumen mittlerweile vollständig (mit Ausnahme von zwei Wohnungen und diverse Restarbeiten) erbracht wurde", bestreitet die Abnahme der klägerischen Leistungen.

Er hält die Schlussrechnung der Klägerin vom 21.01.1998 (K 10, Bl. 121 ff. d. GA) für nicht prüffähig.

Nach seiner Ansicht stehen geleistete Sicherheiten dem Zahlungsbegehren der Klägerin entgegen.

Darüber hinaus erhebt er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, gegründet auf ein gutachterliches Mängelprotokoll, wonach die Mängelbeseitigungskosten 215.000,00 DM brutto betragen.

Ferner macht er ein Zurückbehaltungsrecht geltend wegen fehlender Übergabe einer von der Klägerin beizubringenden Vertragserfüllungsbürgschaft über 186.000,00 DM, mit der bis zur Abnahme sein Anspruch auf Ausführung der Bauleistung und ab dann seine Gewährleistungsansprüche gesichert werden sollten.

Schließlich rechnet er hilfsweise auf mit Schadensersatzansprüchen aus Bauzeitverzögerung, hergeleitet aus Zinsverlusten und Mindererlösen.

Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sich der Beklagte gegen die unbedingte Verurteilung eines 736.281,88 DM übersteigenden Klagebetrages zur Wehr gesetzt hat. Insoweit bestehe in Höhe von 401.000,00 DM eine zumindest teilweise Erfolgsaussicht Wegen der angeblich nicht erhaltenen Vertragsbürgschaft über 186.000,00 DM könne sich der Beklagte gegenüber der Werklohnforderung der Klägerin voraussichtlich auf ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB berufen. Hinsichtlich der Einrede des nicht erfüllten Vertrages wegen ausstehender Mängelbeseitigungsarbeiten erachtet das Landgericht nur deren einfache Kosten (215.000,00 DM) für einbehaltfähig, da der Beklagte einem Sicherheitsverlangen der Klägerin nach § 648 a BGB unstreitig nicht nachgekommen ist.

Das übrige Verteidigungsvorbringen des Beklagten hat es als voraussichtlich unerheblich bewertet.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde vertieft der Beklagte seine Ansicht, dass der Pauschalcharakter des Ursprungsvertrages vom 09.11.1994 sowie das darin übernommene Massenrisiko der Nachtragsvereinbarung vom 23.12.1996/22.01.1997 entgegenstehe, dass es an einer Gesamtabnahme fehle, zumal das BGB keine Teilabnahme kenne, dass das Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB mindestens in Höhe des Dreifachen der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten bestehe und schließlich, dass Umstände für Bauzeitverlängerungen deswegen nicht in seine Sphäre fielen, weil er vertragswidrig die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht erhalten habe.

II.

1.

Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet und hat vorläufig Erfolg dahin, dass das Landgericht die Erfolgsaussicht der Verteidigung hinsichtlich der Einrede des nichterfüllten Vertrages wegen ausstehender Mängelbeseitigungsarbeiten nicht damit verneinen darf, deren Kosten seien nur in einfacher Höhe anzusetzen.

a) Die vom Beklagten behaupteten Mängel und deren Beseitigungskosten sind zumindest durch ein Privatgutachten ermittelt und damit zunächst hinreichend substanziiert. Ist die Klägerin beseitigungspflichtig, so kann der Beklagte als Besteller der uneingeschränkt eingeklagten Werklohnforderung sein Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten und zwar nach § 641 Abs. 3 BGB in Höhe mindestens des Dreifachen der für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Kosten, vorliegend mithin 645.000,00 DM. Diese Bestimmung in der seit dem 01.05.2000 geltenden Fassung ist auch auf vorher abgeschlossene Verträge anzuwenden (Art. 229 § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB, Koeble, in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 7. Teil, Rn. 9). Sie kodifiziert im Übrigen ohnehin nur gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. etwa BGH BauR 1982, 579, 580) und gilt auch beim VOB-Vertrag (Palandt/Sprau BGB 60. Aufl. § 640 Rn. 16 a.E.).

b) Der sogenannte "Druckzuschlag", also der die Mängelbeseitigungskosten übersteigende Betrag, welcher erforderlich erscheint, den Auftragnehmer zur schleunigen Nachbesserung anzuhalten (vgl. BGH a.a.O.), bleibt als Leistungsanreiz für den mängelbeseitigungspflichtigen Unternehmer auch dann unvermindert, wenn diesem wegen unterbliebener Sicherheitsleistung des Bestellers ein eigenes Leistungsverweigerungsrecht nach § 648 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht.

Dem Anspruch des Unternehmers auf Absicherung seines Werklohnes ist, wie auch bei sonstigen finanziellen Mitwirkungspflichten des Bestellers (vgl. zu Zuschusspflichten etwa Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 219), durch doppelte Zug-um-Zug-Verurteilung Rechnung zu tragen. So erlangen die gesetzlichen Vorgaben Geltung. Die Klägerin soll als Unternehmerin nicht Zahlung verlangen können, ohne nachgebessert zu haben Sie soll aber auch nicht nachbessern müssen, ohne sicher sein zu können, die abgesicherte Vergütung zu erhalten. Will sie vollstrecken, muss sie den Beklagten auffordern, die Sicherheit zu leisten oder zu hinterlegen. Leistet oder hinterlegt der Beklagte nicht, kann die Klägerin ohne weiteres vollstrecken, ohne nachgebessert haben zu müssen. Leistet oder hinterlegt der Beklagte die geschuldete Sicherheit, muss die Klägerin die Mängel beseitigen. Anschließend kann sie den Zahlungstitel vollstrecken.

2.

Eine weitergehende Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses zugunsten des Beklagten kommt nicht in Betracht, da dessen Verteidigungsvorbringen derzeit im Übrigen keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet.

a) Das vom Landgericht herangezogene Zurückbehaltungsrecht des Beklagten aus § 273 BGB wegen der angeblich noch nicht erhaltener Ausführungs- und Gewährleistungsbürgschaft führt vorliegend voraussichtlich nicht zu einem höheren Zug-um-Zug-Vorbehalt. Der Senat bewertet diesen Einzelposten, der innerhalb eines beklagtengünstigeren Saldos nicht vom Verschlechterungsverbot im Beschwerdeverfahren betroffen ist, beklagtenungünstiger als das Landgericht.

Es lässt sich bereits problematisieren, ob die Klägerin die geschuldete Bürgschaft nicht bereits gestellt hat. Die Erteilung der Bürgschaftserklärung zugunsten des Beklagten ist unstreitig. Aufgrund der Qualifikation der Bürgin konnte diese vorliegend nach § 350 HGB formfrei erfolgen. Das Schriftformerfordernis des § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B richtete sich daher als gewillkürte Schriftform nach § 127 BGB und ist somit den dort genannten Erleichterungen zugänglich (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B 14. Aufl., § 17 Rn. 70). Davon abgesehen, dass die Bürgschaftserklärung dem Beklagten inzwischen jedenfalls als Prozesskorrespondenz sogar schriftlich vorliegt, hat sich die Klägerin nach den Bekundungen ihrer vom Landgericht vernommenen Zeugen der Originalurkunde willentlich und zugunsten des Beklagten in dessen Richtung entäußert; dieser selbst stellt im Übrigen auch im Beschwerdeverfahren lediglich auf den fehlenden Zugang ab. So ihn die Originalurkunde nicht erreicht hat, - diesbezügliche vorprozessuale Beanstandungen des Beklagten sind in der Akte nicht ersichtlich - stünde jedenfalls einer Nachbeurkundung nach § 127 S. 2 HS 2 BGB derzeit nichts entgegen.

Unabhängig davon bestünden Bedenken, das Zurückbehaltungsrecht wegen der Gewährleistungsbürgschaft im vorliegenden Fall zusätzlich zum Dreifachen des einbehaltsfähigen Werklohns anzusetzen. Vielmehr wäre, falls sich die Klägerin in ihre Verpflichtung zur Übergabe der Sicherungsbürgschaft trotz erkennbarer Leistungsbereitschaft überhaupt noch verurteilen ließe, der vom Beklagten einbehaltfähige Betrag entsprechend zu kürzen.

Zwar hindert die Vereinbarung eines Sicherungseinbehaltes oder einer Sicherungsbürgschaft den Auftraggeber noch nicht, wegen Werkmängel eine an sich fällige Zahlung zu verweigern; indessen ist die Sicherheit bei der Bemessung der Höhe einer berechtigten Leitungsverweigerung mit einzubeziehen (vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 2530 am Ende; BGH BauR 1978, 398, 400; 1982, 579, 580). Bei dieser Einbeziehung ist auf Sinn und Zweck der Gewährleistungssicherheit abzustellen. Während der Druckzuschlag grundsätzlich konkret und bereits tatsächlich beseitigungspflichtige Mängel erfasst, deckt die Sicherheit die Mängelbeseitigungskosten für mögliche Mängel, die im Laufe der Gewährleistungsfrist noch auftauchen können. Ist allerdings die Gewährleistungsfrist abgelaufen oder kurz davor - nach der Abnahmebescheinigung vom 20.10.1997 (K 7, Bl. 77 d. GA) endete die Gewährleistung am 31.12.2000 -, so decken sich tatsächliche und mögliche Mängel im zunehmenden Maße. Die Sicherheit wäre ohne Mängel nach Ablauf der regulären Gewährleistungsfrist auszahlungs- oder rückgabereif und verschaffte dem Unternehmer wieder Liquiditätsvorteile. Soweit dessen Liquiditätsbeeinträchtigung das Dreifache der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nicht überschreiten sollten, wie hier, erscheint es daher sachgerecht, die über die reguläre Gewährleistungsfrist hinaus fortbestehende und aus der Liquidität des Unternehmers gestellte Sicherung jedenfalls bei Ende der regulären Gewährleistungsfrist in den einbehaltfähigen Betrag mit einzubeziehen (vgl. Palandt/Sprau BGB 60. Aufl. § 641 Rn. 12 a. E. m.w.N.).

Im vorliegenden Fall folgt dies zudem auch aus den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung, denn da § 641 Abs. 3 BGB bei Vertragsabschluss noch nicht galt, die Berücksichtigung von Sicherheiten bei der Bemessung des Einbehaltes indessen allgemein anerkannt war (vgl. Werner/Pastor, a.a.O.), weist der Vertrag hinsichtlich des Verhältnisses von Sicherheit und Höhe des einbehaltsfähigen Werklohns eine unbeabsichtigte Lücke auf, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wie geschehen zu schließen ist.

b) Soweit der Beklagte die weiteren Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Erfolgsaussicht seiner Verteidigung im Übrigen angreift, dringt er hiermit auch im Beschwerdeverfahren nicht durch. Mit seiner Auffassung, der Abschluss eines Pauschalvertrages stehe der Vereinbarung von Nachträgen entgegen, befindet er sich erkennbar in einem Rechtsirrtum, da sich aus § 2 Nr. 7 Abs. 1 letzter Satz VOB/B das genaue Gegenteil ergibt. Dass auch Pauschalverträge nachtragszugänglich sind, entspricht zudem gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH BauR 1972, 118; 1974, 416; Werner/Pastor, Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1201 m.z.w.N.).

Darüber hinaus hat der Beklagte aus den bereits vom Landgericht dargestellten Gründen die Urkundenwirkung gegen sich, so dass er mit seiner Verteidigung gegen das Zustandekommen eines Nachtrages mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern wird.

Das Gleiche gilt für den Einwand der fehlenden Abnahme.

Der Senat teilt weiterhin die Einschätzung des Landgerichts, wonach der Beklagte voraussichtlich mit seinen Hilfsaufrechnungen nicht durchdringen wird.

Abgesehen davon, dass Zinsschaden sowie Mindererlös schon der Höhe nach trotz substanziierten Klägerbestreitens nicht weiter einlassungsfähig dargetan sind, fehlt auch nachvollziehbarer Beklagtenvortrag dazu, welche hindernden Umstände für die Bauzeitverzögerung konkret von der Klägerin zu vertreten sind. Das bloße Überschreiten der vertraglich vereinbarten Fertigstellungsfrist genügt vorliegend schon deswegen nicht, weil die Parteien in zahlreichen Abreden die Leistungspflicht der Klägerin von der Vorlage der vertraglich geschuldeten Zahlungssicherheit abhängig gemacht haben (vgl. etwa Anlage K 46, Bl. 427 d GA) und die danach erforderlichen Sicherheiten gleichwohl unterblieben (vgl. K 6, Bl. 60 ff. d. GA).

Davon abgesehen dürfte, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, der vertragliche Fertigstellungstermin ohnedies hinfällig geworden sein aufgrund der umfangreich erteilten Nachträge.

Der Beklagte kann nach derzeitiger Aktenlage, worauf der Senat vorsorglich hinweist, die Verantwortung für die in seine Sphäre fallenden bauzeitverzögernden Umstände auch nicht in Abrede stellen mit dem Argument, die Klägerin habe sich ihrerseits mit der Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in Verzug befunden. Der Beklagte verhält sich treuwidrig (§ 242 BGB), wenn er erstmals im Prozess einen dahingehenden Verzug der Klägerin geltend macht. Er hatte selbst schwerwiegend gegen die ihn treffende Kooperationspflicht verstoßen, indem er den fehlenden Eingang der Bürgschaft bei sich über Jahre hinweg unbeanstandet gelassen hat. Hierauf deutet derzeit die gesamte Aktenlage, da sich keine schriftliche Anforderung der Vertragserfüllungsbürgschaft bei den Akten befindet.

Der Beklagte musste zunächst mit einem vertragsgerechten Verhalten der Klägerin rechnen, die nach § 8 Nr. 1 des Bauvertrages die ihr obliegende Bürgschaft zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung zu übergeben hatte (vgl. K 2, Bl. 22 d. GA). Er hätte, so er keinen Eingang feststellen konnte, dies zumindest der Klägerin bekannt geben, dort nach dem Verbleib fragen und seiner Vertragspartnerin so die Möglichkeit verschaffen müssen, eventuelle Postdefizite zu erkennen, ihnen nachzugehen und sie erforderlichenfalls auszugleichen Dies alles hat der Beklagte unterlassen, und sein Unterlassen hat ein erheblich höheres Gewicht als ein Unterlassen der Klägerin. Diese hat in ihrem Übersendungsschreiben vom 01.10.1994 (K 40, Bl. 407 d. GA) um eine Empfangsbestätigung gebeten und damit allenfalls die Eingangskontrolle beim Beklagten unterlassen; diese Passivität der Klägerin ist allerdings vor dem Hintergrund einer zwingend zu erwartenden Monierung des Beklagten bei fehlendem Eingang deutlich verständlicher und erscheint um ein Vielfaches nachsehbarer als dessen vollständiges Schweigen.

3.

Inwieweit die Beschwerde endgültig teilweisen Erfolg hat, hängt nach derzeitigem Sach- und Streitstand davon ab, ob oder in welchem Umfang dem Beklagte überhaupt die - ohnehin nur zu einem Zug-um-Zug-Vorbehalt führende - Einrede des nichterfüllten Vertrages zusteht. Die Klägerin hat auf Seite 6 der Klage (Bl. 6 GA) die Ansicht vertreten, die Vereinbarung vom 22.9.1997 (K9 Bl. 120 GA) enthalte ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Zwar trägt sie auf Bl. 10 d GA hiermit unvereinbar vor, es habe keine Ungewissheit über Grund oder Höhe des anerkannten Anspruchs bestanden; indessen bietet die Akte vielfache Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Klärungsbedarf der Parteien am 22.9.1997. Sollte die Klägerin ihren - bislang noch nicht näher problematisierten - Widerspruch aus der Klageschrift aufklären, also kontroverse Standpunkte der Parteien vor dem 22.9.1997 dartun können, so wäre der Beklagte ohne konkretes Gegenvorbringen im Falle eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die ihm zu diesem Zeitpunkt bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. Ein derartiger Einwendungsausschluss durfte jedenfalls der Geltendmachung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages hinsichtlich derjenigen Mangel entgegenstehen, von deren Kenntnis am 22.9.1997 voraussichtlich auszugehen wäre.

In diesem Fall hatte es aufgrund des Verschlechterungsverbotes trotz fehlender Erfolgsaussicht der Verteidigung bei der angefochtenen Entscheidung zu bleiben, soweit nicht die Voraussetzungen des § 124 ZPO vorlagen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Für eine Ermäßigung der Beschwerdegebühren nach 1952 der Anlage 1 zu § 11 GKG sieht der Senat keinen Anlass. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert für die Anwaltskosten entspricht dem Hauptsachewert, § 51 Abs. 1 HS. 1 BRAGO (vgl. Hartmann, Kostengesetz, § 51 BRAGO, Rn. 23 m. w. N.).

Ende der Entscheidung

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