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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: 11 W 93/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 41 Nr. 5
ZPO § 41 Nr. 6
ZPO § 42
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO §§ 485 ff
ZPO § 492
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 W 93/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem selbständigen Beweisverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Pliester

am 30.12.2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 4. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 492, 406 Abs. 1 und 5, 42 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet.

1. Das Ablehnungsgesuch ist statthaft.

Auch im selbständigen Beweisverfahren nach den §§ 485 ff ZPO kann ein Sachverständiger wegen der Befürchtung der Befangenheit abgelehnt werden (KG NJW-RR 1998, 144; KGR 1996, 191 sowie Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 487 Rn. 5 m.w.N.).

2. Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

Mit zutreffenden Erwägungen hat die Kammer in der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst verwiesen wird, das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.

Die Gründe, aus denen ein Sachverständiger wegen des Anscheins der Befangenheit abgelehnt werden könnte, liegen bei dem Sachverständigen Dr. habil. W nicht vor.

Gem. § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen.

Ein Grund für die Ablehnung des Sachverständigen wird daher regelmäßig gegeben sein, wenn der Sachverständige entweder durch sein Verhalten im Verfahren oder aufgrund anderer Umstände aus der berechtigten Sicht einer Partei zumindest den Anschein erweckt, er stehe den Parteien nicht unparteiisch und unabhängig gegenüber. Abgesehen von den Fallgestaltungen, in denen die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen auf dessen konkretes Verhalten in dem anhängigen Verfahren gestützt wird, kommt die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit in Betracht, wenn zwischen diesem und einer der Parteien des Verfahrens besondere Bindungen bestehen. Die Ablehnung wird daher regelmäßig begründet sein, gegenüber dem Hausarzt einer Partei, gegenüber einem Arzt, der bereits eine privatärztliche Diagnose über das gleiche Leiden des Patienten erstattet hat (Zöller/ Greger, a.a.O., § 406 Rn. 8) und auch gegenüber einem Sachverständigen, der mit dem Geschäftsführer einer Partei über mehrere Jahre wissenschaftlich zusammengearbeitet und bei diesem Geschäftsführer promoviert hat (OLG Köln NJW-RR 1993, 63).

Von diesen Formen der Befangenheit des Sachverständigen, die sich aus seinem Verhalten im Verfahren einerseits oder aber aus seinem besonderen Verhältnis zu einer der Parteien des Verfahrens andererseits herleiten, ist die vorliegende Fallgestaltung zu unterscheiden.

Die Beschwerdeführerin leitet die von ihr vorgebrachte Besorgnis der Befangenheit nicht aus dem Verhältnis des Sachverständigen zu einer der Parteien des Beweissicherungsverfahrens, sondern aus dem Verhältnis des Sachverständigen zu den zu begutachtenden Objekten her.

Insoweit besteht eine gewisse Verwandtschaft zu den Fallgestaltungen, in denen die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen oder der Befangenheit eines Richters auf den Umstand gestützt wurde, dass der Richter oder Sachverständige mit der im konkreten Fall zu entscheidenden Frage in anderer Form bereits befasst war oder aber sich zu den Frage, die auch Gegenstand der durchzuführenden Sachverständigenbegutachtung sind, in anderem Zusammenhang bereits wissenschaftlich geäußert hat. Abgesehen von den Regelungsgegenständen des § 41 Nr. 5, Nr. 6 ZPO, der einen Sonderfall richterlicher Tätigkeit betrifft, rechtfertigt der Umstand, dass der Sachverständige oder der Richter sich zu den zu beurteilenden Fragen bereits in allgemeiner Form etwa wissenschaftlich geäußert hat, die Ablehnung der Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht (für den Sachverständigen Hessisches Sozialgericht, Beschluss vom 24.09.1986 L 13/J-188/86; Beschluss des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz vom 23.01.1991 L 3/U-89/87; BayObLG, Beschluss vom 20.03.1979, FRES 1, 248; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.09.1974, 9 W 8/74). Auch für den Richter ist insoweit anerkannt, dass die Äußerung einer ungünstigen Rechtsauffassung in einem früheren Rechtsstreit, Meinungsbekundungen des Richters auf Seminaren oder Tagungen sowie rechtliche Äußerungen in einer Fachzeitschrift grundsätzlich nicht geeignet sind, den Vorwurf der Befangenheit zu begründen (BGH NJW 2002, 2396 und Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 43 Rn. 33).

Etwas anderes mag gelten, wenn es sich um gutachterliche Äußerungen oder Beiträge in Zeitschriften handelt, die sich gerade und ausdrücklich auf den zu entscheidenden Streitfall bzw. den zu beurteilenden Sachverhalt beziehen (BVerfG 37, 263, 268; 98, 134, 138).

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen ist der Sachverständige nicht deshalb befangen, weil er in den Jahren bis 1990 als Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung im ehemaligen Wohnungsbaukombinat Potsdam tätig war und in dieser Funktion u. a. die Aufgabe hatte, Bauteile, Bauelemente und Bauwerksteile standortlos für Typen und Serien zu entwickeln, die möglicherweise auch in den Häusern Verwendung gefunden haben, an denen die Sanierung durchgeführt wurde, die von dem Sachverständigen zu beurteilen ist.

Gegen die Annahme, hieraus könne die Besorgnis einer Befangenheit abgelehnt werden, sprechen im Wesentlichen drei Gründe.

Zum einen war der Sachverständige auch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin an der Errichtung der konkret zu beurteilenden Bauobjekte nicht beteiligt. Er hat also keineswegs im Rahmen des Gutachtens über mögliche Fehler, die bei der Konzeption, Planung oder Bauausführung gerade der zu sanierenden Objekte unterlaufen sein mögen, zu befinden.

Zum zweiten hat der Sachverständige in seinem Gutachten nicht über die Frage zu befinden, ob die zu sanierenden Objekte seinerzeit entsprechend den Regeln der Baukunst errichtet worden sind. Gegenstand des Streites der Beteiligten im Beweissicherungsverfahren ist vielmehr die Frage, ob die in Auftrag gegebene Sanierung entsprechend den Regeln der Baukunst durchgeführt worden ist. Dabei ist selbstverständlich für die Frage, ob eine fachgerechte Sanierung durchgeführt worden ist, zunächst eine sorgfältige und zutreffende Beschreibung des vorgefundenen Zustandes und damit auch die Berücksichtigung allgemeiner Probleme, die sich aus der Art des zu sanierenden Baukörpers ergeben haben, geboten. Zur Beurteilung der hierbei zu beachtenden besonderen Probleme, die sich aus den Spezifika des zu sanierenden Baukörpers ergeben haben können, ist der Sachverständige im Hinblick auf seine berufliche Vorbefassung mit derartigen Baukörpern eher besonders geeignet. Er verfügt insoweit, worauf das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend hinweist, über eine besondere Sachkunde.

Zum dritten mag es, wie es in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten anklingt, durchaus so sein, dass bei der Errichtung der zu sanierenden Gebäude auch unter Verwendung von Bauteilen, die unter der Verantwortung des Sachverständigen geplant worden sind, Materialien verwendet wurden, die aus der Sicht heutiger technischer Erkenntnis als weniger geeignet erscheinen mögen. Es ist dann indes Aufgabe des Sachverständigen, diese Probleme in seine sachverständige Begutachtung, ggf. in Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Privatgutachten, einzubeziehen. Dafür, dass er hierzu nicht bereit und nicht in der Lage wäre, gibt es keine Anhaltspunkte.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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