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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.06.2002
Aktenzeichen: 12 W 16/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 411 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 485 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 16/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem selbständigen Beweisverfahren

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

am 4. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 26.03.2002 werden der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.03.2002 und der Nichtabhilfebeschluss vom 19.04.2002, Az.: 13 OH 9/01, aufgehoben.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 13.000,00 €.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beauftragte den Antragsgegner mit der Lieferung und dem Einbau von Fenstern mit Rollläden in seinem Einfamilienhaus auf dem Grundstück ...allee 7 d in K... . In der Folge erbrachte der Antragsgegner die Leistungen teilweise, wobei zwischen den Parteien über an der Werkleistung des Antragsgegners vorhandener Mängel Streit besteht.

Durch Beschluss vom 25.10.2001 hat das Landgericht die Begutachtung von insgesamt 21 vom Antragsteller gerügten Mängeln und die Bewertung der für die Mangelbeseitigung anfallenden Kosten angeordnet sowie die Bewertung des auf den vom Beklagten nicht mehr erbrachten Teils der Leistung entfallenden Betrages, der acht Einzelpositionen umfasst. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisbeschluss (Bl. 56 ff. d. A.) verwiesen.

Unter dem 14.09.2001 erstellte der Sachverständige Dipl.-Ing. ... W... sein Gutachten, in dem er auf 8 Seiten seine Feststellungen wiedergibt. Wegen des Inhalts wird auf das Gutachten einschließlich der Anlagen (Bl. 68 - 89 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Parteien die Ausfertigungen des Gutachtens übersandt. Diese sind bei den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 22.01.2002 eingegangen. Am 20.02.2002 hat das Landgericht den Geschäftswert für das Verfahren festgesetzt. Dieser Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 27.02.2001 zugestellt worden. Mit am 01.03.2002 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller die Einreichung eines umfangreichen Schriftsatzes mit Anmerkungen und Fragen zum Sachverständigengutachten angekündigt. Dieser angekündigte Schriftsatz ging schließlich am 06.03.2002 beim Landgericht ein. Der Antragsteller rügt hierin zwei weitere Mängel an der Werkleistung des Beklagten und führt eine Vielzahl von Vorhaltungen und Fragen an den Sachverständigen auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 05.03.2002 (Bl. 97 - 109) verwiesen.

Auf Hinweis des Gerichtes, dass von einer Beendigung des Verfahrens auszugehen sei, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 07.03.2002 beantragt, dem Verfahren Fortgang zu geben und den Sachverständigen mit der Begutachtung der zusätzlich aufgeführten Mängel zu beauftragen sowie ihn zu den übrigen Mängeln anzuhören. Er hat die Ansicht vertreten, dass er seinen Antrag auf Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens noch in engem zeitlichen Zusammenhang zur Übersendung des Sachverständigengutachtens vorgebracht habe. Er verweist darauf, dass ihm keine Frist zur Stellungnahme gesetzt worden sei. Erst mit Zugang des Streit-wertbeschlusses des Gerichtes sei ihm erkennbar geworden, dass das Gericht von einer Beendigung des Verfahrens ausgehe. Unmittelbar danach habe er deshalb seine Stellungnahme zum Gutachten angekündigt. Auch sei zu berücksichtigen, dass sein Schriftsatz vom 05.03.2002 umfangreiche Anmerkungen und Ergänzungsfragen zum Gutachten enthalte und er kein Bausachverständiger sei, so dass er selbst wiederum fachkundigen Rat habe einholen müssen, um überhaupt zum Gutachten Stellung nehmen zu können. Die Anwendung einer Frist von lediglich 4 Wochen stehe schließlich auch dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens entgegen, nämlich der Abwehr von drohenden Rechtsnachteilen des Antragstellers und der Vermeidung eines Rechtsstreits.

Mit Beschluss vom 11.03.2002 hat das Landgericht den Antrag auf Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieses beendet sei. Grundsätzlich sei das Verfahren mit der Zustellung des Gutachtens beendet. Ein Antrag auf Ergänzung/Erläuterung müsse im engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen, wobei für die Angemessenheit des Zeitablaufs auf Umfang und Gehalt des Gutachtens abzustellen sei. Ein solcher enger Zusammenhang bestehe vorliegend nicht mehr, da unter Berücksichtigung des zur Begutachtung stehenden einfach gelagerten Sachverhaltes ein Ergänzungsantrag jedenfalls innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gutachtens zu erwarten gewesen wäre. Zumindest sei es erforderlich gewesen, in diesem Zeitraum die Einräumung einer verlängerten Prüfungsfrist zu beantragen.

Gegen den ihm am 22.03.2002 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 26.03.2002 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Antragsteller vertieft seine Auffassung, dass das selbständige Beweisverfahren noch nicht beendet sei, weil er innerhalb angemessener Frist nach Übersendung des Sachverständigengutachtens eine Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens beantragt habe. Er habe unmittelbar auf den Streitwertbeschluss des Landgerichts, aufgrund dessen ihm bewusst geworden sei, dass das Landgericht von einer Beendigung des Verfahrens ausging, reagiert und einen weiteren Schriftsatz angekündigt. Dieser Schriftsatz sei innerhalb einer Frist von 6 Wochen seit Übersendung des Gutachtens bei Gericht eingegangen. Es sei zu berücksichtigen, dass er kein Bausachverständiger sei, so dass er selbst fachkundigen Rat habe einholen müssen, um überhaupt zum Gutachten Stellung nehmen zu können. Auch habe das Landgericht seine Behauptung, es handele sich hier um einen einfach gelagerten Sachverhalt nicht weiter begründet. Die Länge des von ihm eingereichten Schriftsatzes von nahezu 12 Seiten und die zahlreichen aufgeführten Ergänzungsfragen zeigten vielmehr, dass die von ihm benötigte Frist angemessen sei. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass das Landgericht ihm keine Frist zur Stellungnahme gesetzt habe. Wegen der weitergehenden Begründung wird auf den Schriftsatz vom 26.03.2002 (Bl. 133 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel des Antragstellers nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Das zwischen den Beteiligten schwebende selbständige Beweisverfahren ist bislang nicht beendet, so dass der Antrag des Antragstellers vom 07.03.2002 auf Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zurückgewiesen werden durfte. Die Beschlüsse des Landgerichtes vom 11.03. und 19.04.2002 waren dementsprechend aufzuheben. Das Landgericht wird dem Verfahren im Hinblick auf die beantragte Ergänzung und Erläuterung des Sachverständigengutachtens Fortgang zu geben haben.

Das selbstständige Beweisverfahren endet grundsätzlich mit der Übermittlung des schriftlichen Sachverständigengutachtens an die Parteien, wenn weder das Gericht eine Frist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO setzt noch eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen stattfindet (BGH WM 2002, S. 873 ff., S. 874; BGHZ 120, S. 329 ff., S. 330 f.). Eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen und damit eine Fortsetzung des Beweisverfahrens ist dann anzuordnen, wenn innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Übersendung des Gutachtens Einwendungen oder Ergänzungsfragen mitgeteilt werden (BGH WM 2002, a.a.O.; WM 2001, S. 820). Das aus § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO übernommene Kriterium des angemessenen Zeitraumes ist nach den schutzwürdigen Interessen der Parteien und den verfahrensrechtlichen Erfordernissen zu bestimmen, wobei eine entscheidende Rolle spielt, ob es sich um ein schriftliches Gutachten handelt, das nach Umfang, Gehalt und Schwierigkeitsgrad einer sorgfältigen und damit zeitaufwendigen Prüfung bedarf und ob die betroffene Partei dazu sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen muss (OLG Celle MDR 2001, S. 108 f.; OLG Düsseldorf NZBau 2000, S. 385 f.; NJW-RR 1997, S. 1220; OLG Köln NJW-RR 1997, S. 1220 f.; OLG Braunschweig BauR 1993, S. 251 f.; Zöller-Herget, ZPO, Kommentar, 23. Aufl., § 492, Rn. 4; Zöller-Greger, a.a.O., § 411, Rn. 5 b; Musielak-Huber, ZPO, Kommentar, 3. Aufl., § 492, Rn. 3). Der einschränkenden Auffassung (LG Dortmund NJW-RR 2001, S. 714 f.), dass ein Antrag auf Ergänzung des Gutachtens im Regelfall binnen eines Monats ab Übersendung des Gutachtens gestellt werden muss, folgt der Senat nicht. Die Anerkennung einer solchen Regelfrist würde letztlich die im Rahmen der Festlegung des angemessenen Zeitraumes erforderliche Abwägung der Umstände des Einzelfalles unterlaufen. Der Senat verkennt dabei nicht die in der Praxis auftretenden Probleme bei dieser Beurteilung. Diese Probleme müssen allerdings nicht zuletzt wegen der Möglichkeit des Gerichts zurücktreten, durch das Setzen einer Frist nach § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO den nach seiner Ansicht erforderlichen angemessenen Zeitraum gegenüber allen Beteiligten kundzutun und - soweit die Umstände des Einzelfalles dies erfordern - auf Antrag zu erweitern. Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt des Einganges des Schriftsatzes des Antragstellers vom 05.03.2002 seit Übersendung des Gutachtens ein Zeitraum von sechs Wochen vergangen. Unter Berücksichtigung aller Umstände war der erforderlich enge zeitliche Zusammenhang zwischen Gutachtenübersendung und Ergänzungsfragen noch zu bejahen. Gegenstand des Verfahrens waren immerhin zahlreiche, nämlich 21 Mängel an den Fenstern und Türen des Einfamilienhauses des Antragstellers. Zwar ist das Gutachten des Sachverständigen bei einem Umfang von 8 Seiten auf erste Sicht überschaubar; gleichwohl kann allein aus der Kürze des Gutachtens nicht zwingend geschlossen werden, dass eine kurzfristige Auseinandersetzung mit dem Gutachten möglich ist. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Antragsteller - anders als der Antragsgegner - hinsichtlich des Gewerkes über keine eigene Sachkunde verfügte und sich daher sachkundiger Hilfe bedienen musste. Auch zeigt der schließlich am 06.03.2002 bei Gericht eingegangene Schriftsatz, dass tatsächlich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten erfolgt ist. Beides führt dazu, dass noch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Gutachtenübersendung und Stellungnahme anzunehmen ist. Schutzwürdige Interessen des Antragsgegners werden hierdurch nicht berührt. Ohnehin sind im selbständigen Beweisverfahren bei Vergleich mit dem streitigen Verfahren lediglich in geringem Umfang schützenswerte Interessen des Antragsgegners vorhanden, da er im selbständigen Beweisverfahren nicht auf eine bestimmte Rechtsfolge in Anspruch genommen wird. Letztlich reduziert sich daher das schützenswerte Interesse des Antragsgegners im Wesentlichen darauf, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt von einer Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens ausgehen und die Sache als insoweit erledigt betrachten kann. Gleichzeitig muss er ab diesem Zeitpunkt allerdings mit einer Einleitung eines Hauptsacheverfahrens rechnen. Hier reduziert sich der Zeitraum, in dem der Antragsgegner von einer Beendigung des Verfahrens ausgehen durfte, auf wenige Tage. Denn für den Antragsgegner ergab sich mit der Übersendung des Geschäftswertfestsetzungsbeschlusses am 26.02.2002, dass von einer Beendigung des Verfahrens auszugehen war. Diese Annahme wurde dann mit Einreichung des Schriftsatzes des Antragstellers vom 05.03.2002 wieder aufgehoben. Zudem ist weiter zu berücksichtigen, dass auch der in § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO normierte Fall, dass ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens besteht, wenn hierdurch ein Rechtsstreit vermieden werden kann, im vorliegenden Fall weiter gegeben ist. Nach allem ist daher dem Verfahren Fortgang zu geben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die sofortige Beschwerde Erfolg hatte, fallen Gerichtsgebühren nicht an. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist eine Kostenentscheidung derzeit nicht möglich. Die vorliegende Konstellation entspricht einer Aufhebung und Zurückverweisung, so dass sich die Verteilung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, die zu den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zählen, - anders als im Falle der Zurückweisung des Rechtsmittels - nach der für das selbstständige Beweisverfahren im Übrigen zu treffenden Kostenverteilung richten (vgl. auch Zöller-Herget, a.a.O., § 97, Rn. 7; § 490, Rn. 4).

Die Festsetzung des Geschäftswerts für die Beschwerdeinstanz beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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