Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.07.2009
Aktenzeichen: 12 W 25/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Einzelrichter - vom 02.04.2009 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. Wo... ist nach Erstellung seines Ausgangsgutachtens mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.07.2008 beauftragt worden, ein ergänzendes Gutachten zur Beantwortung der seitens der Kläger mit Schriftsatz vom 06.02.2008 aufgeworfenen Fragen zu erstatten. Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 09.03.2009 ergänzt und in Beantwortung der klägerischen Fragen sein Ausgangsgutachten erläutert.

Mit Schreiben vom 06.10.2008 legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen mangelhafter Leistung des Sachverständigen Dipl.-Ing. Wo... in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 27 OH 1/05, in dem der Sachverständige am 04.12.2008 persönlich angehört worden war, unter Hinweis auf die mangelnde Sachkunde des Sachverständigen Beschwerde bei der Industrie- und Handelskammer B... ein und regte an, im Verfahren um die Weiterbestellung oder Verlängerung der Bestellung des Sachverständigen diesen einer besonderen Prüfung der Fachkunde als Bestellungsvoraussetzung zu unterziehen. Darüber hinaus regte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.01.2009 gegenüber dem Landgericht Berlin an, die Vergütung des Sachverständigen im Wege der Beschwerde durch den Bezirksrevisor überprüfen zu lassen. Mit Beschluss vom 29.01.2009, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugegangen am 04.02.2009, entband das Landgericht Berlin den Sachverständigen in dem dortigen Verfahren und bestellte einen anderen Sachverständigen.

Mit Schriftsatz vom 26.02.2009, bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) eingegangen am 27.02.2009, hat die Beklagte beantragt, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das vorbeschriebene Vorgehen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten lege eine Voreingenommenheit des Sachverständigen gegen die Beklagte dieses Verfahrens nahe. Mit Beschluss vom 02.04.2009 hat das Landgericht das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ablehnungsgesuch sei zulässig, aber nicht begründet. Gründe, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Dabei könne es dahinstehen, inwieweit der Sachverständige in dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin ein unzureichendes Gutachten erstellt habe. Denn dies rechtfertige, ebenso wenig wie eine fehlerhafte gerichtliche Entscheidung, nicht die Annahme, der Sachverständige sei befangen.

Mit am 29.04.2009 bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Beschwerde gegen den ihr am 15.04.2009 zugestellten Beschluss des Landgerichts eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Landgericht habe die Gründe ihres Befangenheitsantrags missverstanden. Die Befangenheit des Sachverständigen sei daraus zu folgern, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der Vergangenheit aktiv gegen den Sachverständigen vorgegangen sei.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Der vom Landgericht zurückgewiesene Ablehnungsantrag des Klägers gemäß § 406 Abs. 1 ZPO ist bereits unzulässig.

Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus anderen Gründen, ist § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich geltend zu machen, was bedeutet, dass der Ablehnungsantrag ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes anzubringen ist (vgl. Senat, OLGR Brandenburg 2000, 275, zitiert nach juris Rn. 17 m.w.N.). Die Beklagte, die dies in ihrer Beschwerdeschrift nochmals klarstellt, stützt die Befangenheit des Sachverständigen auf das Vorgehen des Prozessbevollmächtigten gegen diesen gegenüber dem Landgericht Berlin und der Industrie- und Handelskammer B.... Wie der Aufstellung im Schriftsatz vom 26.02.2009, dort Seite 3, entnommen werden kann, datiert die gegenüber der Industrie- und Handelskammer B... erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 06.10.2008. Die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, in der der Sachverständige persönlich angehört wurde, fand am 04.12.2008 statt. Die Anregung gegenüber dem Landgericht Berlin, die Vergütung des Sachverständigen im Wege der Beschwerde des Bezirksrevisors zu überprüfen, erfolgte mit Schreiben vom 20.01.2009. Der Beschluss des Landgerichts Berlin, mit der der Sachverständige von der weiteren Gutachtenerstellung entbunden wurde, wurde am 29.01.2009, der Beklagten zugestellt am 04.02.2009, erlassen. Der Befangenheitsantrag ist jedoch erst mit Schriftsatz vom 26.02.2009, bei Gericht eingegangen am 27.02.2009, erhoben worden. Gemessen an der nach § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO grundsätzlich geltenden 2-Wochen-Frist ist der Befangenheitsantrag damit nicht unverzüglich bei Gericht eingegangen. Es ist auch nicht ersichtlich oder von der Beklagten geltend gemacht, dass diese weitere Umstände zu berücksichtigen gehabt hätte oder ihr aus anderen Gründen eine längere Prüfungs- und Überlegungszeit hätte zugestanden werden müssen.

Im Übrigen folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis der Auffassung des Landgerichts, dass die Ablehnung des Sachverständigen auch in der Sache keinen Erfolg hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (BGH NJW 1975, 1363; NJW-RR 1997, 8923). Hierbei kommen nur solche Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, wobei hierzu die Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei zugrunde zu legen ist (vgl. nur Vollkommer in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 42 Rn. 9 m.w.N., § 406 Rn. 7, 8).

Ein solcher Grund liegt nicht vor. Allein der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegen den Sachverständigen im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren vor dem Landgericht Berlin zu dem Aktenzeichen 27 OH 1/05 vorgegangen ist, rechtfertigt ein Misstrauen der Beklagten aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei nicht. Spannungen zwischen einem Sachverständigen und einem Prozessbevollmächtigten können nur dann einen Ablehnungsgrund bilden, wenn die ablehnende Einstellung des Sachverständigen in dem Verfahren selbst in Erscheinung getreten ist (vgl. Senat, OLG-NL 2002, 181, zitiert nach juris Rn. 14; BayObLG NJW 1975, 699; Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 42 Rn. 13). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn es ist keine Reaktion des Sachverständigen auf die Beschwerden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bekannt, die auf eine Benachteiligung der Beklagten oder die Parteilichkeit des Sachverständigen schließen ließe. Der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 09.03.2009 ist jedenfalls gerade nicht zu entnehmen, dass sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu Gunsten der klägerischen Partei oder zu Lasten der Beklagten ausgewirkt hat oder hier ein solcher Eindruck begründet scheint.

Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Soweit das OLG Stuttgart (Beschluss vom 28.11.2006, Az. 3 W 83/06 = MDR 2007, 545 f.) ausgeführt hat, im Zweifel solle einem Ablehnungsgrund stattgegeben werden, so bezieht sich dies auf Zweifelsfälle, in welchen die tatsächlichen und damit objektivierbaren Grundlagen der Auseinandersetzung unaufklärbar sind. Dann spreche nach der gesetzgeberischen Intention des § 42 Abs. 2 ZPO der Anschein gegen den Sachverständigen und dem Ablehnungsgesuch sei stattzugeben (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., zitiert nach juris Rn. 3 unter Verweis auf BayObLGZ 74, 131; OLG Braunschweig, OLGR 2000, 122; OLG Köln, OLGR 2001, 260). Auch die weitergehende Rechtsprechung (vgl. nur OLG Hamm FamRZ 2007, 835; KG MDR 1999, 1019, zitiert über juris Rn. 5), wonach nach dem Sinngehalt des § 42 Abs. 2 ZPO in Zweifelsfällen im Sinne einer Stattgabe des Ablehnungsgesuches zu entscheiden sei, führt hier nicht zu einer Ablehnung des Sachverständigen Dipl.-Ing. Wo.... Denn ein solcher Zweifelsfall liegt anders als in den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hier nicht vor.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers bereits aus der Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt und das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist. Außergerichtliche Gebühren werden nicht erstattet, da es sich bei dem Verfahren betreffend Richter- oder Sachverständigenablehnung nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt (vgl. Senat, OLG-NL 2002, 181, zitiert nach juris Rn. 16; OLG Köln OLGR 1996, 256; OLG München MDR 1994, 627; OLG Düsseldorf OLGR 1993, 63; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 510; OLG Hamm MDR 1989, 917; a.A. OLG Koblenz MDR 1992, 310; OLG Hamm JurBüro 1987, 1088; OLG Nürnberg MDR 1980, 1026). Anders kann zu verfahren sein, wenn der Beschwerdegegner zur Stellungnahme im Beschwerdeverfahren aufgefordert wird oder sich von sich aus aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.



Ende der Entscheidung

Zurück