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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 13 U 107/03
Rechtsgebiete: LuftVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

LuftVG § 44 Abs. 1
LuftVG § 45
LuftVG § 48 Abs. 1
LuftVG § 49
LuftVG § 49 a Abs. 1 S. 1
BGB § 280 Abs. 1 S. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 847
BGB § 847 Abs. 1
ZPO § 156
ZPO § 296 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 107/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.11.2003

verkündet am 26.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 05.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin (Az. 3 O 26/03) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Unfalls beim Fallschirmspringen in Anspruch. Die Beklagte zu 1), deren Mitarbeiter der Beklagte zu 2) ist, betreibt in G... ein Fallschirmsprungunternehmen. Am 27. Juli 2002 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1) zu einem Preis von 170,- € einen Vertrag über einen Tandem-Passagier-Fall-schirmsprung. In dem als Beförderungsvertrag/Haftungsausschlußerklärung überschriebenen und vom Kläger unterzeichneten Vertragsformular heißt es unter anderem: "Soweit gesetzlich zulässig, entbinde ich als Passagier/-in den Tandempiloten sowie den Halter des betreffenden Tandem-Passagier-Systems von jeglicher Haftung, die über die für den/die Passagier/-in pauschal abgeschlossene Passagierhaftpflicht-Versicherung hinausgeht.". Bei dem Fallschirmsprung, den der Beklagte zu 2) mit dem Kläger durchführte, kam der Kläger bei der Landung zu Fall und zog sich eine Sprunggelenkfraktur zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 5. November 2003 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Zwar enthält die von dem Kläger unterzeichnete Haftungsausschlußerklärung entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung bereits ihrem eindeutigen Wortlaut nach keinerlei Haftungsausschluß für den von der Haftpflichtversicherung abgedeckten Bereich, der im übrigen auch gegen § 49 LuftVG verstoßen würde. Eine Haftung der Beklagten ergibt sich jedoch trotzdem weder aus §§ 44 Abs. 1, 49 a Abs. 1 S. 1 LuftVG, noch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. mit dem Beförderungsvertrag vom 27.07.2002 oder §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, da den Beklagten zu 2) kein Verschulden an dem Unfall trifft.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, daß die Beklagten alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben, bzw. weitere Maßnahmen nicht treffen konnten, so daß eine Haftung aus §§ 44 Abs. 1, 49 a Abs. 1 S. 1 LuftVG gemäß § 45 LuftVG nicht eintritt. So hat der Zeuge G... bekundet, daß an dem betreffenden Tag am Landeplatz umlaufender Wind mit einer Stärke von lediglich 0 bis 1 m/sek vorgeherrscht habe, was er anhand des Windrädchens auf dem Dach des Bürogebäudes beobachtet habe. Die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen sind auch glaubhaft. Zwar liegt der Vorfall schon über ein Jahr zurück, der Zeuge konnte sich jedoch auch an Einzelheiten noch gut erinnern, was sich nachvollziehbar aus dem Umstand erklärt, daß er sich bereits unmittelbar nach dem Unfall handschriftliche Notizen zum Unfallhergang gemacht hat. Daß der Zeuge selbst bei der Beklagten zu 1) beschäftigt war und daher dem Geschehen nicht völlig neutral gegenüberstand, begründet nach Auffassung des Senates keine durchgreifenden Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, zumal der Zeuge nach seinen Angaben derzeit nicht mehr bei der Beklagten zu 1) beschäftigt ist. Der Zeuge war bei seiner Aussage sichtlich darauf bedacht, keine Aussagen zu Umständen zu treffen, an die er sich nicht mehr ganz konkret erinnern konnte bzw. seine Aussagen gegebenenfalls entsprechend einzuschränken. Für die von ihm bekundeten Windverhältnisse ergaben sich derartige Einschränkungen aus seiner Aussage jedoch nicht.

Bei umlaufendem Wind mit einer Stärke von lediglich 0 bis 1 m/sek traf den Beklagten zu 2) keine Verpflichtung zur Wahl einer bestimmten Landerichtung. Soweit die Landung dann unter Umständen mit leichtem Rückenwind erfolgte, was nach den Bekundungen des Zeugen G... nicht ausgeschlossen ist, ist dies daher jedenfalls nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 2) zurückzuführen, da er nach den oben getroffenen Feststellungen bei der Wahl der Landerichtung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht außer acht ließ. Daß zum konkreten Landezeitpunkt der Wind den Schirm möglicherweise leicht von hinten erfassen würde, war bei derartigen Windverhältnissen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Wahl der Landerichtung für den Beklagten zu 2) nicht vorhersehbar. Denn bei umlaufendem Wind von derart leichter Stärke bleibt es letztlich dem Zufall überlassen, aus welcher Richtung der Wind zum konkreten Landezeitpunkt kommt. Es ist unter diesen Umständen daher auch unerheblich, ob der Beklagte zu 2) in derselben Richtung landete wie die anderen Tandems und ob der Kläger kurz vor dem Auftreffen auf den Boden die Beine ausstreckte und erst dadurch den Sturz verursachte.

Soweit sich der Kläger gegenbeweislich für die von ihm behauptete Landung "mit dem Wind" bei konstanten Windverhältnissen von 2 Bft. aus südöstlicher Richtung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen hat, handelt es sich um ein untaugliches Beweismittel. Es erscheint dem Senat ausgeschlossen, daß ein Sachverständiger Aussagen zu den konkreten Windverhältnissen am Unfallort zu dem allein maßgeblichen Zeitpunkt des Landemanövers des Beklagten zu 2) machen kann. Auch aus den eingereichten Fotos und der als Anlage K 3 eingereichten Skizze ergeben sich hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Windsack ist - soweit die Fotos Verhandlungsgegenstand waren - lediglich auf dem Foto ohne Nummer (Bl. 106 d. A.) abgebildet, ohne daß hier erkennbar wäre, aus welcher Perspektive die Aufnahme getätigt worden ist.

Das Vorbringen aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14.11.2003, in dem sich der Kläger zum Beweis dafür, daß aus dem aufgeblähten Windsack auf diesem Foto auf eine Windstärke von mehr als 0 bis 1m/sek geschlossen werden könne, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen hat, sowie die nachgereichten Anlagen K 33 und K 34 haben schon gemäß § 296 a ZPO unberücksichtigt zu bleiben. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO lag nicht vor. Der Kläger ist bereits in der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2003 darauf hingewiesen worden, daß seine bisherigen Beweisantritte zur behaupteten Landung "mit dem Wind" bei einer Windstärke von 2 Bft. vom Senat als untauglich angesehen werden, ohne daß ein weiterer Beweisantritt erfolgt oder ein entsprechender Schriftsatznachlaß beantragt worden sei. Darüber hinaus geben die eingereichten Fotos naturgemäß lediglich eine Momentaufnahme wieder. Selbst wenn ein Sachverständiger anhand des auf dem Foto abgebildeten Windsackes eine konkrete Aussage zur Windstärke machen könnte, würde sich diese Aussage lediglich auf die Aufnahmemomente beziehen. Die betreffenden Fotos wurden jedoch nicht während des Landemanövers, sondern im Vorbereitungsstadium vor dem Start (Foto ohne Nummer), bzw. zu einem Zeitpunkt gemacht, als bereits alle Springer die Landefläche verlassen hatten (als Anlage K 33 nachgereichtes Foto). Eine solche Aussage wäre daher nach Auffassung des Senates auch nicht geeignet, die Bekundungen des Zeugen G... zu den vom ihm über einen längeren Zeitraum beobachteten Windverhältnissen während der Landemanöver in ihrer Glaubhaftigkeit zu erschüttern. Soweit der Kläger sich in diesem Schriftsatz weiter auf Wetterdaten aus dem Internet berufen hat, befindet sich die hierfür in bezug genommene Anlage K 29 nicht bei den Akten. Eine Einreichung dieser Anlage ergibt sich auch aus den bisherigen Schriftsätzen der Klägerseite nicht. Mit der Klageschrift wurden die Anlagen K 1 bis 28 eingereicht und in der Berufungsbegründung wird sodann auf die Anlagen K 30 ff. Bezug genommen.

Mangels Verschuldens des Beklagten zu 2) scheidet auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Ersatz seiner materiellen Schäden gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Beförderungsvertrag sowie gegen beide Beklagten auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden gemäß §§ 823 Abs. 1, bzw. 831 Abs. 1, 847 BGB aus. Das hierfür gemäß § 48 Abs. 1 LuftVG erforderliche grob fahrlässige Verhalten des Beklagten zu 2) hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senates sogar feststeht, daß den Beklagten zu 2) überhaupt kein Verschulden an dem Unfall trifft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert: 6.932,44 €

Ende der Entscheidung

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