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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.04.2007
Aktenzeichen: 13 U 132/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VVG


Vorschriften:

BGB § 305 c
BGB § 305 c Abs. 2
ZPO § 91 a
ZPO § 91 a Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
VVG § 5 Abs. 2
VVG § 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 132/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht 012

Anlage zum Protokoll vom 11.04.2007

Verkündet am 11.04.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht Surkau als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das am 11. September 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - im Kostenpunkt abgeändert.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. 25 % als Gesamtschuldner und der Kläger zu 2. weitere 50 % allein und die Beklagte 25 % zu tragen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. zu 1/2 zu tragen. Im Übrigen hat die Klägerin zu 1. die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten und der Kläger zu 2. seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Von den Kosten der Berufungsinstanz haben die Klägerin zu 1. 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

In erster Instanz haben sowohl die Klägerin zu 1. als Versicherungsnehmerin als auch der Kläger zu 2. gemeinsam als Erben ihres am 16.12.2005 verstorbenen Sohnes M... M... auf Zahlung einer Einmalzahlung im Todesfall in Höhe von 6.135,38 €, die weiterhin Gegenstand der Berufung ist, sowie einer Sofortleistung in Höhe von 5.112,92 € geklagt. Die Klägerin zu 1. schloss ursprünglich am 16.09.2002 bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und den verstorbenen Sohn einen Unfallversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2000) zu Grunde lagen, sowie die weiteren sich aus dem Versicherungsschein ergebenden Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung der Unfallrente-Komfort. Der Vertrag wurde vor Ablauf der Versicherungszeit am 01.11.2005 zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen verlängert.

Der Sohn der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. verstarb am 16.12.2005 als Beifahrer bei einem Verkehrsunfall auf der ...-Schnellstraße in P....

Wegen der Einzelheiten des Streitstoffes nimmt der Senat im Übrigen Bezug auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und soweit die Parteien den Rechtsstreit die Zahlung einer Sofortleistung betreffend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, hat es die Kosten der Klägerin zu 1. auferlegt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfallrente seien Inhalt des Vertrages geworden, da sich dies zum einen aus dem Antragsformular ergebe, welches als Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich habe und die Klägerin solches nicht entkräftet habe. Dadurch, dass der Tod des Sohnes sofort nach dem Unfall eingetreten sei, habe der Sohn vor dem Tod keinen Anspruch auf Unfallrente erwerben können, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Leistung im Todesfall nicht vorgelegen hätten. Die Sofortzahlung sei erst nach Vorlage des vollständigen Obduktionsberichtes fällig geworden mit der Folge, dass die Leistung der Beklagten zuvor nicht fällig gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin zu 1., mit der sie ausführt, auch wenn, wie hier eine zeitlich enge Verknüpfung zwischen dem Unfallereignis und dem Todeseintritt liege, sei es gleichwohl so, dass notwendigerweise ein Zeitabschnitt vorhanden sei, in dem die Verletzungsfolgen zum Tod der verletzten Person führten. In dieser Übergangsphase sei aber ein Anspruch auf Unfallrente entstanden und damit lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Einmalzahlung im Todesfall vor. Im Übrigen seien aber die Besonderen Bedingungen für die Unfallrente-Komfort hier gar nicht einschlägig, da diese nicht Inhalt des Vertrags geworden seien. Zumindest handele es sich aber bei dieser Klausel um eine so genannte überraschende Klausel, nämlich einer solchen, mit der der Versicherungsnehmer nicht habe rechnen müssen. Darüber hinaus sei auch von einer unklaren Bedingung i.S.d. § 305 c Abs. 2 BGB auszugehen, da zumindest zwei Auslegungen der Klausel in Betracht kämen.

Ebenso wenig sei die Kostenentscheidung im Hinblick auf den erledigten Teil des Rechtsstreits nachvollziehbar. Bereits am 22.12.2005 sei die Beklagte über den Tod des Versicherten informiert worden. Spätestens mit der Überlassung der Ermittlungsakte am 01.03.2006 sei der Beklagten aufgrund der vorläufigen Bescheinigung über die Feststellung des Todes bekannt gewesen, dass die verstorbene Person durch den Unfall eine Verletzung der Halswirbelsäule und schwerste Verletzungen im Oberkörperbereich erlitten habe.

Die Klägerin zu 1. beantragt,

unter Abänderung des am 11.09.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam - 2 O 146/06 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 6.135,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin zu 1. ist zulässig. Sie hat nur insoweit Erfolg, als die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung - soweit sie auf § 91 a Abs. 1 ZPO beruht - abzuändern ist. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin zu 1. nicht begründet.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 1. gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Einmalleistung im Todesfall in Höhe von 6.135,48 € aus dem Versicherungsvertrag nicht geltend machen kann.

Bereits aus dem von der Klägerin am 29.09.2000 unterzeichneten Antragsformular auf Antrag einer Unfallversicherung und dem Inhalt des ihr von der Beklagten übersandten Versicherungsscheins ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klägerin zu 1. für sich, ihren Ehemann und den verstorbenen Sohn nur eine Unfallversicherung beantragt hat, nach deren Inhalt ihr eine Unfallrente-"Komfort" mit dem aus dem Versicherungsantrag ersichtlichen Versicherungssummen zu zahlen war. Daneben hat die Klägerin zu 1. eine weitere Leistung beantragt, nämlich eine so genannte Sofortleistung. Nicht beantragt hat die Klägerin zu 1. dagegen eine Versicherung auf den Todesfall. Auch aus dem Versicherungsschein ergibt sich nichts anderes. Hiernach besteht Anspruch auf eine Unfallrente-Komfort in Form einer monatlichen lebenslangen Rente mit zehnjähriger Rentengarantie sowie einer Einmalzahlung im Todesfall. Daneben als gesonderte Leistung ausgewiesen ist die Sofortleistung.

Die Versicherungsdauer und jeweils vereinbarten Leistungsarten sowie die Versicherungssumme ergeben sich aus dem Versicherungsvertrag. Für den Vertragsinhalt ist wegen § 5 Abs. 2, 3 VVG letztlich vorrangig der Antrag entscheidend. Hier ergeben der Versicherungsantrag und der ausgestellte Versicherungsschein den Inhalt des Versicherungsvertrages und danach bestand und besteht für die Klägerin zu 1. selbst nur ein Unfallversicherungsvertrag, der aber nur den Invaliditätsfall absichert. Eine weitere Versicherung auf den Todesfall, wie sie in Ziffer 2.6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist, hat die Klägerin zu 1. nicht beantragt und haben die Parteien mit dem Versicherungsvertrag nicht vereinbart, denn insoweit fehlte es bereits an einem entsprechenden Antrag der Klägerin zu 1..

Aufgrund der Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat der Versicherte der Allgemeinen Unfallversicherung keinen Anspruch, wenn der Tod unfallbedingt innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintritt. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf Invaliditätsleistung (Ziffer 2.1.1.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Nur im Rahmen der von der Klägerin zu 1. auch für ihren Sohn als versicherte Person abgeschlossenen Unfallrente-Komfort ist als Einmalleistung die Zahlung von 12 Monatsraten als einmalige Kapitalleistung vereinbart, wenn die versicherte Person - gleichgültig aus welcher Ursache - stirbt und ein Anspruch auf die Unfallrente bereits entstanden war. Der von der Klägerin zu 1. geltend gemachte Betrag stellt sich auch als der zwölffache Monatsbetrag der vereinbarten Unfallrente dar und auch daraus ist ersichtlich, dass die Klägerin zu 1. gerade keine Todesfallleistung versichert hat.

Der Umfang der Versicherung bzw. der vertraglich vereinbarten Leistungen, wie er sich bereits aus den der Klägerin zu 1. übergebenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt, ist für den Versicherungsnehmer in keiner Weise missverständlich.

Die Klägerin zu 1. kann aus der Unfallversicherung und der hierbei vereinbarten Unfallrente-Komfort nur auf der Grundlage der Besonderen Versicherungsbedingungen der Unfallrente-Komfort einen Anspruch auf die Einmalzahlung geltend machen. Da ihr diese nach dem Inhalt des Versicherungsscheines zur Kenntnis gelangt sind, ist bereits zu Gunsten der Klägerin zu 1. davon auszugehen, dass die Besonderen Versicherungsbedingungen Vertragsinhalt geworden sind.

Allerdings liegen die Voraussetzungen für die mit der Unfallrente-Komfort vereinbarte einmalige Kapitalleistung nicht vor, denn dieser Anspruch entsteht nur dann, wenn vor dem Versterben des Versicherten bereits ein Anspruch auf die Unfallrente entstanden war. Die Ziffer 1.4 der Besonderen Unfallbedingungen setzt voraus, dass zunächst ein Anspruch auf Unfallrente entstanden ist und erst danach der Tod als Folge der zuvor eingetretenen Invalidität eintritt. Der Versicherte muss also an den Folgen der zunächst eingetretenen Invalidität versterben. Dagegen besteht der Unterschied zu einer Todesfallversicherung darin, dass der Versicherte sofort an den Unfallfolgen, also infolge des Unfalls, verstirbt.

Nach dem Inhalt ihres Antrages auf Abschluss einer Unfallversicherung und dem Inhalt des ihr sodann ausgestellten und übersandten Versicherungsscheines einschließlich der übergebenen Versicherungsbedingungen war für die Klägerin zu 1. klar erkennbar, dass sie lediglich eine Unfallversicherung abgeschlossen hat. Bei einem Versterben infolge des Unfalls kann eine Prognose, die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit werde dauernd beeinträchtigt sein, nicht getroffen werden. Dies ist aber Voraussetzung für den Eintritt der Unfallversicherung und nur wenn nach Eintritt einer Invalidität der Unfall innerhalb des ersten Jahres infolge der eingetretenen Invalidität eintritt, sind die Voraussetzungen der Ziffer 1.4 gegeben.

Dieser Unterschied zwischen den Ansprüchen aus der Unfallrente-Komfort und einer Versicherung auf den Todesfall, wie sie sich unter Ziffer 2.6 der AUB ergibt, von der Klägerin zu 1. aber nicht versichert worden ist, ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar und darüber hinaus wird der Inhalt des Antrages, also was bzw. welches Risiko der Versicherungsnehmer versichern will, bei der Vermittlung der Versicherung dem Versicherungsnehmer dargelegt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1. handelt es sich bei der Klausel der Besonderen Versicherungsbedingungen 1.4 auch nicht um eine mehrdeutige Klausel i.S.d. § 305 c BGB. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift gewährt die Unfallversicherung dem Versicherten im Falle des Eintritts des Todes im ersten Jahr nach dem Unfall nur dann einen Anspruch, wenn zuvor die Invalidität festgestellt worden ist und damit die Feststellung und Prognose der Dauerhaftigkeit der eingetretenen körperlichen oder geistigen Verletzung der Leistungsfähigkeit als Eintritt einer Dauerschädigung. Eine solche ist schon nach dem Wortlaut der Klausel nicht gegeben, wenn der Tod sofort infolge des Unfalls eintritt.

Dagegen war die Kostenentscheidung des Landgerichts, jedenfalls soweit sie auf den § 91 a ZPO wegen des für erledigt erklärten Klageantrages beruht, abzuändern. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war der Anspruch der Klägerin zu 1. auf Zahlung der Sofortleistung vor Klageerhebung fällig und die Beklagte war mit der Leistung in Verzug.

Aus der Korrespondenz der Parteien ist klar ersichtlich, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. die Beklagte bereits am 22.12.2005 angeschrieben und mitgeteilt haben, dass ein Aktenauszug aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte zur Verfügung gestellt werden könne und dass sowohl die Einmalzahlung im Todesfall als auch die Sofortleistung geltend gemacht werde. In der Folgezeit wurde dann auch der Auszug aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte übersandt, was dem Schreiben der Beklagten vom 08.03.2006 zu entnehmen ist. In diesem Schreiben nimmt die Beklagte aber nur noch auf die in Anspruch genommene Einmalzahlung im Todesfall Bezug, dagegen nicht mehr auf die Sofortleistung. Dies, obwohl im Schreiben vom 27.02.2006 ausgeführt worden war "zur Sofortleistung melden wir uns unaufgefordert wieder, wenn uns die Ermittlungsakte vorliegt." Aus dem Gesamtzusammenhang der Korrespondenz ist jedenfalls ersichtlich, dass die Beklagte die Klägerin zu 1. in keiner Weise darauf hingewiesen hat, dass ihr zunächst der Obduktionsbericht vorliegen müsste und das auch in vollständiger Form. Auch aus den Besonderen Versicherungsbedingungen ergibt sich eine solche Handhabung nicht. Diese war hier auch in keiner Weise notwendig, denn infolge des Todes lag die Schwere der Verletzungen auf der Hand, denn sonst wäre der Tod nicht direkt am Unfallort eingetreten. Im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (07.04.2006) der Klage war die vertraglich vereinbarte Sofortleistung fällig und die Beklagte hatte durch ihr Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Entsprechend hatte sie, nachdem die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, die Kosten des Rechtsstreits insoweit zu tragen, als die Klägerin zu 1. mit ihrer Klage betreffend die Sofortleistung obsiegt hätte.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf bis zu 9.000,00 € festgesetzt (Zahlungsanspruch in Höhe von 6.135,48 € + der in erster Instanz entstandenen Kosten für den für erledigt erklärten Anspruch).

Ende der Entscheidung

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