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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 13 U 15/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 4
ZPO § 278 Abs. 3
ZPO § 283
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 15/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 13.2.2008

Verkündet am 13.2.2008

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 31. Dezember 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht Surkau als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Dezember 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 4 O 83/06 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges - an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt restlichen Werklohn aus verschiedenen Bauvorhaben in P..., L... und G....

Im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird zunächst auf dieses Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung hat der Kläger zuletzt in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.344,43 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2004 aus 11.312,90 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die noch offenen Forderungen aus dem Bauvorhaben P... und L... seien zwischen den Parteien dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Soweit es das Bauvorhaben G... betreffe, stehe dem Kläger ebenfalls die noch geltend gemachte Forderung zu. Insbesondere habe die Beklagte nicht rechtzeitig dargelegt, dass die Rechnung des Klägers vom 14. Juni 2004 Positionen enthalte, die zulasten der Beklagten von der Auftragserteilung abwichen. Der mit Schriftsatz vom 17. November 2006 insoweit erfolgte Vortrag, der auch eigene finanzielle Schadensersatzforderungen der Beklagten beinhalte, sei verspätet, zumal dieser auch nicht nachgelassen gewesen sei. Der Beklagten stünde insoweit auch kein Zurückbehaltungsrecht oder ein Recht zur Aufrechnung mit eigenen Gegenansprüchen zu.

Gegen das erstinstanzliche Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie insbesondere rügt, dass das Gericht nicht seiner gebotenen Hinweispflicht rechtzeitig zum Termin nachgekommen sei.

Die Beklagte beantragt,

das am 8.12.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Potsdam.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe den Vortrag im Schriftsatz vom 17.11.2006, soweit er gänzlich neu gewesen sei, zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat dahingehend einen vorläufigen Erfolg, dass auf ihren Hilfsantrag hin das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen ist. Die angefochtene Entscheidung beruht auf wesentlichen Verfahrensmängeln (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Da das Bauvorhaben G... betreffend ein völlig unaufgeklärter Sachverhalt vorliegt und eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist, bietet sie keine Grundlage für eine eigene Sachentscheidung des Senats.

1.

Das angefochtene Urteil beruht auf wesentlichen Verfahrensfehlern. Das Landgericht hat zunächst nach Eingang der Klage das schriftliche Vorverfahren mit Verfügung vom 17.2.2006 angeordnet. Nachdem die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt, und jedenfalls hinsichtlich des Bauvorhabens G... Ansprüche des Klägers bestritten hatte, hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, ohne seinen aus § 139 ZPO folgenden Hinweispflichten nachzukommen. Auch dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2006 sind Hinweise des Gerichts an die Parteien nicht zu entnehmen. Dies oblag dem Landgericht aber schon deshalb, weil die Beklagte zunächst lediglich die Ansicht vertreten hatte, die Rechnung vom 14.6.2004 sei schon deshalb nicht fällig, weil dem Kläger der Auftrag entzogen worden sei und eine Schlussrechnung nicht vorliege. Entsprechend war das Landgericht gemäß § 139 Abs. 4 ZPO verpflichtet, rechtzeitig vor dem Termin Hinweise zu erteilen, um einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu vermeiden.

Soweit die Beklagte dann erstmals mit Schriftsatz vom 17.11.2006 substanziiert dargelegt und unter Beweis gestellt hatte, welche der mit Rechnung vom 14.6.2004 sie nicht beauftragt bzw. welche Position von dem Kläger nicht ausgeführt worden ist, hat das Landgericht diesen Vortrag zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund neuen, nicht gemäß § 283 ZPO nachgelassenen Vorbringens ist dann geboten, wenn dieses Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsgemäßen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (BGH NJW 2000, 142).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt das Gericht seiner Hinweispflicht nach den §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO nur dann, wenn es die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, der von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus gesehen entscheidungserheblich ist, unmissverständlich hingewiesen und ihnen die Möglichkeit eröffnet hat, ihren Sachvortrag sachdienlich zu ergänzen (BGH MDR 1999, 758). Da dies hier nicht geschehen war, das Landgericht seine Hinweispflicht gerade nicht wahrgenommen hatte, war es gehalten, die mündliche Verhandlung nach dem Vortrag der Beklagten vom 17.11.2006 wiederzueröffnen und nicht, wie hier geschehen, durch Urteil den Ansprüchen des Klägers ohne vorherige Durchführung einer Beweisaufnahme stattzugeben.

Das Landgericht hat die von den Parteien benannten Zeugen zur geänderten Auftragserteilung und Ausführung der Arbeiten Kläger verfahrenswidrig nicht gehört. Dies stellt einen der wichtigsten Anwendungsfälle des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dar, da das landgerichtliche Urteil auf der mangelhaften Tatsachenfeststellung infolge der zu Unrecht unterbliebenen Beweiserhebung beruht. Das Übergehen eines Beweisantrages ist immer ein Verfahrensfehler, wenn das Gericht die Beweiserheblichkeit nicht verfahrensfehlerfrei verneint hat (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 538, Rn. 25, m.w.N.).

Die Rechnung des Klägers vom 16.4.2004 enthält zahlreiche Positionen, die dem Angebot des Klägers vom 24. März 2004, welches sich auf einen Rechnungsbetrag von 2935,00 € beläuft, nicht zu entnehmen ist. Zwar mögen die Parteien nach dem handschriftlichen Zusatz auf dem Angebot und der Formulierung des Annahmeschreibens übereinstimmend davon ausgegangen sein, dass im Bauvorhaben G... weitere über das Angebot hinausgehende Arbeiten zu erwarten sind. Es oblag aber dem Kläger, die geänderte/zusätzliche Auftragserteilung darzulegen und unter Beweis zustellen, wie dies nunmehr mit Schriftsatz vom 31.5.2007 geschehen und von der Beklagten bestritten worden ist.

Hätte aber das Landgericht bereits mit der Terminsanberaumung der Beklagten einen ausreichenden Hinweis auf das von ihm nicht als hinreichend gesehene Bestreiten erteilt, hätte der Kläger rechtzeitig zum Termin zur mündlichen Verhandlung, wie im Schriftsatz vom 17.11.2006 dargestellt, die nunmehr streitig gestellten Positionen 3., 5., 7., 9., 10. 16. und 19. aus der Rechnung vom 16.4.2004 bestritten und unter Beweis gestellt. Auch soweit die Beklagte bestritten hat, dass der unstreitig mit 58.264,83 € eingetretene Schaden am Bauvorhaben von dem Haftpflichtversicherer des Klägers lediglich in einem Umfang von 50 %, d. h. also nur in einer Höhe von 29.132,42 € beglichen worden ist, hatte das Landgericht den Sachverhalt aufzuklären. Jedenfalls folgt bereits aus dem eingereichten Abnahmeprotokoll, dass die Klärung des Wasserschadens bisher nicht abschließend erfolgt ist. Eine weitere Inanspruchnahme der Beklagten ist jedenfalls nicht auszuschließen mit der Folge, dass sich die Beklagte gegebenenfalls auf ein Zurückbehaltungsrecht bzw. wie von ihr zwischenzeitlich beantragt, auf einen Freistellungsanspruch dem Kläger gegenüber berufen kann. Dies umso mehr, als der eingetretene Schaden unstreitig auf den von dem Kläger ausgeführten Arbeiten beruht, mit der Folge, dass sich der Kläger nunmehr dahingehend entlasten muss, indem er weitere Umstände vorträgt und unter Beweis stellt, die ein Mitverschulden gegebenenfalls der Beklagten oder des Bauherrn dergestalt begründen, dass der von seinem Haftpflichtversicherer geleistete Schadensersatz den von ihm zu tragenden Schaden vollständig erledigt hat.

2.

Die zunächst verfahrensfehlerhaft unterbliebene Zeugenvernehmung wurde von der Beklagten in der Berufungsbegründung ausdrücklich gerügt. Eine eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts ist nicht geboten. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif, sondern der Sachverhalt ist dem Grunde und der Höhe nach unaufgeklärt und es ist eine weitere Verhandlung der Sache nötig. Der endgültige Erfolg des Rechtsmittels hängt von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts ab, sodass den Parteien ein Rechtszug verloren ginge, wenn durch den Senat eine eigene Sachentscheidung erfolgen würde. Die Beklagte hat auch hilfsweise einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und auch Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gestellt. Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, dem auch die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren vorbehalten bleibt, weil ein endgültiges Obsiegen oder Unterliegen der Parteien noch nicht feststeht.

Es bestand keine Veranlassung die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.344,43 €.

Ende der Entscheidung

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