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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 13 U 65/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2
BGB § 781
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 65/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 21.01.2004

verkündet am 21.01.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2003 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. September 2003 wird das am 6. März 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - 2 O 135/02 - und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht Neuruppin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten unter Berufung auf eine zwischen den Parteien am 12. März 2002 getroffene Vereinbarung die Zahlung eines Betrages von 60.000,00 US Dollar.

Unter dem 19. April 2002 erklärte der Beklagte die Anfechtung der Vereinbarung wegen Täuschung und Drohung.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Klage im Urkundenprozess auf Zahlung von 60.000,00 US $ nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 29. Mai 2002 erhoben.

Nachdem das Landgericht eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Parteien durchgeführt hatte, hat es mit dem am 8. August 2003 verkündeten Vorbehaltsurteil den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

In dem durch den Beklagten aufgerufenen Nachverfahren hat das Landgericht Neuruppin mit dem am 6. März 2003 verkündeten Schlussurteil das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er rügt, das Landgericht habe die Entscheidung verfahrensfehlerhaft herbeigeführt. Im Übrigen habe das Landgericht den Anspruch auch zu Unrecht mangels Aktivlegitimation abgewiesen. Die Parteien haben nach Ansicht des Klägers durch die streitgegenständliche Vereinbarung den Anspruch wirksam begründet. In der unter dem 12. März 2002 getroffenen Vereinbarung sei ein selbständiges Schuldversprechen zu sehen.

Gegen den trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin am 10. September 2003 nicht erschienenen Kläger ist auf Antrag des Beklagten ein Versäumnisurteil ergangen. Gegen das ihm am 16. September 2003 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger Einspruch, eingegangen bei Gericht am 25. September 2003, eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. September 2003 aufzuheben und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen; für den Fall einer eigenen Sachentscheidung unter Abänderung des am 22. Januar 2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin - 2 O 135/02 - das Urkundenvorbehaltsurteil vom 8. August 2002 für vorbehaltslos zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. September 2003 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte schließt sich den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung an und meint im Übrigen, die Entscheidungsgründe des Vorbehaltsurteils seien mit einer den Regeln des Urkundsverfahrens unterliegenden Berufung nicht angreifbar gewesen. Der Umstand, dass die im Urkundsprozess klagende Partei im Nachverfahren das eigene Vorbringen ändere, sei deshalb frei von einer etwaigen Bindung an das Vorbehaltsurteil zu würdigen. Dies sei hier der Fall, da der Kläger im Nachverfahren erklärt habe, die Forderung stehe ihm tatsächlich nur teilweise zu, im Übrigen er aber nur angebliche Rechte Dritter wahrnehme.

Ebenso wenig griffen die Einwendungen des Klägers gegen die Anwendung des materiellen Rechts durch.

II.

Der Einspruch des Klägers gegen das am 10. September 2003 verkündete Versäumnisurteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ist zulässig, denn der Kläger hat den Einspruch innerhalb der Frist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt.

Die infolge der Wirkung des zulässigen Einspruchs auf der Grundlage der erneuten mündlichen Verhandlung zu treffende Entscheidung führte zur Aufhebung des Versäumnisurteils. Denn die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des zugrundeliegenden Verfahrens führt. Gemäß § 538 Abs. 2 ZPO ist die Sache aufgrund des Antrages des Klägers aufzuheben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, denn das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, der die Durchführung einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme notwendig macht.

Verfahrensfehlerhaft hat das Landgericht im Nachverfahren die Schlüssigkeit der Klage verneint. Mit der Frage der Aktivlegitimation war aber die von Amts wegen zu prüfende Frage der Prozessführungsbefugnis des Klägers untrennbar verbunden und diese Frage musste das Landgericht abschließend bereits für das Vorbehaltsurteil klären, anderenfalls hätte dieses nicht ergehen dürfen, sondern die Klage bereits im Urkundenprozess mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers abgewiesen werden müssen. Insoweit entfaltet das Vorbehaltsurteil Bindungswirkung für das Nachverfahren (§ 318 ZPO).

Nach der in der Rechtsprechung üblicherweise verwendeten Formel entfaltet das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess insoweit Bindungswirkung für das Nachverfahren, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess beruht. Daraus wird insbesondere vom Bundesgerichtshof der Schluss gezogen, dass diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mussten, damit es überhaupt ergehen konnte, im Nachverfahren als endgültig beschieden dem Streit entzogen sind (BGH NJW 1991, 1117; NJW 1993, 668; WM 1994, 961).

Der Beklagte hatte den Einwand mangelnder Aktivlegitimation für die vom Kläger geltend gemachte Forderung bereits im Urkundenprozess mit der Begründung erhoben, aus der vorgelegten Urkunde ergebe sich nicht, dass der Kläger Inhaber des beschriebenen Anspruchs sei, sondern die Gesellschaften, die er zu vertreten vorgegeben habe. Nur die Gesellschaften seien Adressat der Erklärung des Beklagten.

Das Landgericht hat sich sodann in seinem Vorbehaltsurteil vom 8. August 2002 auch mit der Frage der Anspruchsberechtigung im einzelnen auseinandergesetzt. Hierbei hat es die Anspruchsberechtigung auch nicht nur aus dem Inhalt der Urkunde, sondern auch aus der Vernehmung des Beklagten selbst hergeleitet. Entsprechend hat das Landgericht bereits im Urkundenverfahren mit dem ergangenen Vorbehaltsurteil den Einwand des Beklagten, nicht dem Kläger, sondern den von ihm vertretenen Gesellschaften stünden allenfalls Forderungen gegen ihn zu, zurückgewiesen. Da die Zurückweisung nicht auf den besonderen Beweisbeschränkungen des Urkundenprozesses beruhte, zumal die Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen waren, ist die zugrundeliegende rechtliche Beurteilung für das Nachverfahren bindend geworden. Diese Bindungswirkung hätte der Beklagte nur durch ein Rechtsmittel gegen das Vorbehaltsurteil (§ 599 Abs. 3 ZPO) beseitigen können, das er aber nicht eingelegt hat.

Das Landgericht war wegen der Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils gehindert, die Schlüssigkeit der Klageforderung erneut zu prüfen und die hiermit verbundene persönliche Anhörung des Klägers im Termin am 22. Januar 2003 stellt sich bereits als verfahrensfehlerhaft dar.

Die Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation des Klägers steht aufgrund des Vorbehaltsurteils, gegen das der Beklagte ein Rechtsmittel nicht eingelegt hat, fest.

Die von den Parteien am 12. März 2002 getroffene Vereinbarung stellt sich ihrem Inhalt nach als Schuldanerkenntnisvertrag im Sinne des § 781 BGB dar, der ein selbständiges, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen der Parteien losgelöstes Schuldverhältnis begründet. Die Parteien wollten mit dem Anerkenntnisvertrag einen Streit bzw. eine Unsicherheit über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beenden und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten Anspruchs eine klare Rechtslage schaffen. Solche einwendungsausschließenden Anerkenntnisverträge wirken wie ein Vergleich (BGH NJW 2000, 2501, 2502) mit der Folge, dass der Beklagte allein mit dem Vortrag, dem Kläger habe ihm gegenüber überhaupt keine Forderung zugestanden bzw. eine solche rechtfertige jedenfalls nicht die anerkannte Forderung, ausgeschlossen ist, wenn die Vereinbarung wirksam zustandegekommen ist. Dem Beklagten waren im Nachverfahren auch alle Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Verpflichtung, insbesondere im Hinblick auf das Zustandekommen der Urkunde vorbehalten und er hat substantiiert zu seiner mangelnden Geschäftsfähigkeit bzw. der Anfechtbarkeit der Urkunde wegen Drohung vorgetragen.

Das Landgericht hat die von ihm zu den Einwendungen des Beklagten gegen die Wirksamkeit der Verpflichtung durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der von dem Beklagten benannten Zeugen im Urteil aber nicht mehr gewürdigt, weil es die Klage bereits als unschlüssig abgewiesen und hierbei ausdrücklich die Frage der Geschäftsunfähigkeit und der Anfechtbarkeit der Erklärung offengelassen hat.

Dem Senat ist eine Würdigung der Zeugenaussage isoliert von einer Würdigung des Landgerichts ohne persönlichen Eindruck der Zeugen nicht möglich, denn der Senat könnte ohne persönlichen Eindruck von den Zeugen nicht abschließend deren Glaubwürdigkeit bzw. die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen beurteilen.

Da der Beklagte aber substantiiert zu seiner fehlenden Geschäftsfähigkeit aufgrund übermäßigen Alkohol- und Schlafmittelmissbrauchs vorgetragen hat und er auch zur Anfechtbarkeit der Erklärung wegen des Drohung des Klägers ausreichend vorgetragen hat, ist der Rechtsstreit ohne Durchführung einer Beweisaufnahme nicht entscheidungsreif.

Der Rechtsstreit war deshalb auf Antrag des Klägers unter Aufhebung des Urteils und des zugrundeliegenden Verfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen, da eine aufwendige Beweisaufnahme durch erneute Vernehmung der Zeugen und ggfs. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit des Beklagten notwendig erscheint.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Entgegen der Ansicht des Beklagten stellt sich hier die Frage der Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils auch nicht deshalb anders, weil der Kläger selbst im Nachverfahren klagebegründenden Vortrag geändert hat und damit seine Klage selbst unschlüssig gemacht hat. Denn der Kläger hat auf die Nachfrage des Landgerichts in seiner persönlichen Anhörung lediglich angegeben, ihm habe im Innenverhältnis nur etwa die Hälfte des Vergleichsbetrages verbleiben sollen. Diese Frage einer etwa bestehenden Ausgleichspflicht des Klägers im Sinne der §§ 426, 430 BGB betrifft aber nur das Verhältnis zwischen ihm und den von ihm vertretenen Gesellschaften, also das Innenverhältnis, während das vom Beklagten ihm gegenüber abgegebene Schuldanerkenntnis dem Kläger einen eigenen Förderungsanspruch gegenüber dem Beklagten im vollen Umfang eröffnet. Entsprechend hat der Kläger mit seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2003 seine Aktivlegitimation nicht in Frage gestellt und seine Klageforderung damit nicht unschlüssig gemacht.

Ende der Entscheidung

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