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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 13 UF 27/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1612 b
ZPO § 114
ZPO § 323
ZPO § 707 Abs. 1
ZPO § 717 Abs. 1
ZPO § 719
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

13 UF 27/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht 014

In der Familiensache

hat der 4. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Trimbach, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gerschner und die Richterin am Oberlandesgericht Rieger

am 26.5.2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Der Beklagte ist der Vater der am ... 4.1994 und am ... 7.1995 geborenen Kläger. Er hatte sich durch Jugendamtsurkunde vom 16.12.2004 - Urkundenregisternummer: 529/04 - verpflichtet, Unterhalt in Höhe von monatlich jeweils 222 € an die Kläger zu zahlen. Mit Schreiben vom 25.4.2007 forderte der Kläger zu 2. den Beklagten zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse auf. Außerdem wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass unabhängig von der Auskunft davon ausgegangen werde, dass zumindest Regelunterhalt in Höhe von damals monatlich 269 € gezahlt werden müsste. Mit Schreiben vom 3.5.2007 nahm auch der Kläger zu 1. den Beklagten auf Zahlung von Regelunterhalt in Anspruch. Nachdem der Beklagte mangelnde Leistungsfähigkeit einwendete und die geforderte Zahlung nicht leistete, erhoben die Kläger Klage. Das Amtsgericht Nauen hat daraufhin den Beklagten im schriftlichen Verfahren antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt und zwar an den Kläger zu 1. in Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 16.12.2004 - für den Zeitraum 1.5.2007 - 31.12.2007 in Höhe von insgesamt 2.140 € und ab 1.1.2008 eine dynamisierte und zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe, mindestens aber 365 € jeweils abzüglich des nach § 1612 b BGB anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen und an den Kläger zu 2. - in Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 16.12.2004 - Urkundenregisternummer: 528/04 - für den Zeitraum 1.5.2007 bis 31.12.2007 Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 2.140 € und ab 1.1.2008 eine dynamisierte und zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe, mindestens aber 365 € jeweils abzüglich des nach § 1612 b BGB anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen.

Zur Begründung führt es in seinem am 31.3.2008 verkündeten Urteil aus, dass die Kläger Abänderung des Unterhaltstitels gemäß § 323 ZPO verlangen könnten. Der Anspruch der Kläger folge aus § 1603 Abs. 2 BGB. Danach sei der Beklagte gegenüber den minderjährigen Klägern gesteigert zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Diese würde nur entfallen, wenn er darlege, dass er trotz Ausnutzung seiner Arbeitskraft nicht in der Lage sei, die Einkünfte zu erzielen, die es ihm ermöglichen, den gesetzlichen Mindestunterhalt zu zahlen. Vorliegend könnte sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die sich aus seinen tatsächlich erzielten Einkommensverhältnissen ergebende Leistungsunfähigkeit berufen. Die für den Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten werde nicht allein durch das tatsächlich erzielte Einkommen, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichten seine erzielten Einkünfte nicht aus, träfe ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine besser bezahlte Erwerbstätigkeit auszuüben. Wenn, wie vorliegend, der Unterhaltsschuldner nicht darlege, dass er seiner Obliegenheitsverpflichtung vollständig gerecht werde, müsse er sich so behandeln lassen, als ob er über ein Einkommen verfüge, welches ihm die Zahlung des Mindestunterhalts ermöglicht. Dabei sei bei einer Tätigkeit mit nur geringem Einkommen eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

Gegen das ihm am 2. April 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. April 2008 bei Gericht eingegangene und am 21. Mai 2008 begründete Berufung. Mit dieser rügt der Beklagte Verfahrensfehler des erkennenden Gerichts (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör). Auch hält er daran fest, nicht mehr Unterhalt zu leisten, als er unstreitig zahle. Er habe die Hauptschule mit einem Hauptschulabschluss verlassen und keine Berufsausbildung abgeschlossen. Bis 2000 habe er in einem festen Arbeitsverhältnis gestanden. Seitdem sei er als selbstständiger IT-Berater tätig. Im Rahmen seiner Möglichkeiten habe er immer Unterhalt gezahlt. Er sei auch nicht verpflichtet, seine selbstständige Erwerbstätigkeit zugunsten einer anderen abhängigen Beschäftigung anzunehmen. Als ungelernte Arbeitskraft wäre allenfalls ein Stundenlohn von 10 € erzielbar. Das ergäbe einen Bruttolohn von nicht einmal 1.700 €. Nach Abzug sämtlicher Steuern und Versicherungsleistungen sei er in Höhe des geltend gemachten Mindestunterhalts nicht leistungsfähig.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Außerdem beantragt er die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil.

2.

Der gemäß §§ 717 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil hat keine Aussicht auf Erfolg. Nach § 719 i.V.m. § 707 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Antrag anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werde. Die danach vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung muss die Parteiinteressen abwägen. Dabei ist zu beachten, dass die sachliche Erfolgaussicht des Rechtsmittels nicht fehlen darf (Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 707, Rn. 9). Daran fehlt es hier. Die vom Beklagten gerügten Verfahrensfehler rechtfertigen ebenso wenig wie die mit seiner Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen gegen seine Leistungsfähigkeit eine abweichende Entscheidung in der Sache selbst. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass gegenüber minderjährigen Kindern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit besteht. Diese folgt aus § 1603 Abs. 2 BGB. Danach hat der Unterhaltsschuldner alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nachzukommen. Den diesbezüglichen Nachweis hat der Beklagte nicht erbracht. Insbesondere kann er sich nicht darauf zurückziehen, aus seiner selbstständigen Tätigkeit lediglich geringfügig über dem Selbstbehalt liegende Einnahmen zu erzielen. Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern verpflichtet den Unterhaltsschuldner dazu, seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einzusetzen (Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rn. 708). Es ist verfassungsrechtlich anerkannt, dass jedenfalls im Verhältnis zu minderjährigen unverheirateten Kindern und den ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kindern das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Berufswahl und Berufsausübung gegenüber dem höher zu bewertenden Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung zurücktreten muss. Allerdings lassen sich auf der Grundlage des bisherigen Vortrags hinreichende Feststellungen dazu, dass dem Beklagten die Aufgabe seiner selbständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten abhängigen Arbeit aufzugeben, (Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 723) zuzumuten ist, nicht treffen. Erst dann, wenn eine selbständige Tätigkeit nach mehreren Jahren noch keinen Gewinn abwirft, ist sie regelmäßig zugunsten einer angestellten Beschäftigung aufzugeben. Bloße Gründungs- und Übergangsschwierigkeiten nötigen noch nicht zu einem Berufswechsel. Unabhängig davon, dass zweifelhaft ist, ob vorliegend die dem selbstständigen Unterhaltsschuldner zuzubilligende Karenzzeit von einigen Jahren abgelaufen ist, ist angesichts der unzureichenden beruflichen Vorbildung des Beklagten - er verfügt lediglich über einen Hauptschulabschluss ohne abgeschlossene Berufsausbildung - nicht anzunehmen, dass er eine deutlich besser bezahlte Tätigkeit als ungelernte Hilfskraft würde antreten können. Die eingeschränkten Möglichkeiten einer vollschichtigen Beschäftigung in einem besser bezahlten Beruf hindern ihn aber nicht, zur Aufbesserung seiner Vermögenslage eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Jedenfalls hat der Beklagte nicht dargelegt, dass ihm seine seit einigen Jahren ausgeübte selbstständige Tätigkeit als IT-Berater die Aufnahme einer seine Einkünfte aufbessernde Nebentätigkeit nicht ermöglicht. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht ausgehend von seinen in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich erzielten tatsächlichen Einkünften von nach Steuern 1.058 € und dem fehlenden Nachweis von Bemühungen um eine Zusatzbeschäftigung ein fiktives Einkommen unterstellt, das die Zahlung des Mindestunterhalts von 576 € monatlich ermöglicht. Bei dem im Land Niedersachsen, dem Wohnort des Beklagten, geltenden notwendigen Selbstbehalt von 900 € gegenüber minderjährigen Kindern, müsste er zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber beiden Klägern ein anrechenbares Nettoeinkommen von 1.476 € erzielen. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkünfte des Beklagten aus seiner selbstständigen Tätigkeit von 1.058 € erscheint ein Dazuverdienst von 420 € aus einer Nebentätigkeit nicht völlig unrealistisch. Dies gilt umso mehr, als gerade die Tätigkeit als IT-Berater eine Nebentätigkeit ohne weiteres zulässt. Als selbständiger IT-Berater ist der Beklagte anders als ein abhängig Beschäftigter nicht an feste Arbeitszeiten gebunden. Er kann sich vielmehr - unter Berücksichtigung der Bedürfnisse seiner Kunden - seine Arbeitszeit frei einteilen.

Aus den vorgenannten Gründen ist auch der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen, weil es an der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO vorausgesetzten Erfolgsaussicht des Rechtsmittels fehlt.

Ende der Entscheidung

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