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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: 13 W 1/01
Rechtsgebiete: VermG, GVG, ZPO, D-Markbilanzgesetzes


Vorschriften:

VermG § 31 Abs. 5
VermG § 6 Abs. 8
VermG § 34
VermG § 31 Abs. 1 a
VermG § 6 Abs. 8
GVG § 17 a Abs. 4
GVG § 13
ZPO § 577
ZPO § 91 Abs. 1
D-Markbilanzgesetzes § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

13 W 1/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kahl, den Richter am Oberlandesgericht Boiczenko und den Richter am Landgericht Dr. Gerschner am 14. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 22. November 2000 abgeändert.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben. Die Kosten der Beschwerde trägt die Beklagte.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht Zahlungsansprüche auf Grund einer gütlichen Einigung im Sinne des § 31 Abs. 5 VermG geltend, welche durch Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen festgestellt wurde.

Das im Jahre 1972 verstaatlichte Unternehmen der Beklagten, ehemals W KG, wurde noch im Sommer 1990 auf der Grundlage des Gesetzes über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 reprivatisiert. Die Beklagte stellte im Jahre 1991 gemäß § 6 Abs. 8 VermG einen Antrag auf Überprüfung der erfolgten Reprivatisierung.

Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) schlössen die Klägerin als Verfügungsberechtigte und die Beklagte als Berechtigte eine gütliche Einigung vom 16. November 1992 (Bl. 15 f.), die - wie von beiden beantragt - mit Bescheid des LAROV vom 10. Mai 1993 (Bl. 23 f.) festgestellt wurde. Der Bescheid ist bestandskräftig. Neben verschiedenen anderen Regelungen - auch Übertragungen von Grundstücken - enthält die gütliche Einigung (in § 3) die Anerkennung einer Ausgleichsverbindlichkeit der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von letztlich 280.612,31 DM, die ab dem 1. Juli 1995 jährlich mit 2,5 % des Nennwertes zu tilgen ist.

Die Klägerin verlangt Zahlung der vereinbarten Tilgungsraten ab dem 1. Juli 1998. Die Beklagte hat gerügt, es sei der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. In der Sache selbst macht sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend, weil es an der - an sich vorgesehenen - gütlichen Regelung für zwei Grundstücke in F fehle und die Klägerin keine Anstalten mache, hieran mitzuwirken.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 22. November 2000 (Bl. 46 f.) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht P verwiesen.

Gegen diesen ihr am 29. November 2000 zugestellten Beschluß hat die Klägerin am 13. Dezember 2000 die sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 17 a Abs. 4 GVG, § 577 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Es handelt sich um eine bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, die gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichem Recht zuzurechnen ist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 10. April 1986, NJW 1986, 2359).

Nach der Vorschrift des § 31 Abs. 5 VermG hat die Behörde - hier: das LAROV - auf eine gütliche Einigung zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten hinzuwirken. Sie setzt das Verwaltungsverfahren aus, soweit ihr mitgeteilt wird, daß eine solche Einigung angestrebt wird. Kommt es dann zu einer Einigung, die den Anspruch des Berechtigten ganz oder teilweise erledigt, so erläßt sie (nur) auf Antrag einen der Einigung entsprechenden Bescheid. So wurde hier verfahren.

Ausweislich der Gesetzesmaterialien (Bundestags-Drucksache 12/103, S. 35 - 36) sollten hierdurch die Möglichkeiten privatautonomer Entscheidungen voll ausgeschöpft werden. Kommt es zu einer gütlichen Einigung zwischen den Beteiligten, so bedarf es grundsätzlich nicht mehr eines Bescheides der Behörde. Er ist nur dann zu erlassen, wenn das ausdrücklich beantragt wird. Hintergrund für einen solchen Antrag ist häufig, daß mit Erlaß eines entsprechenden Bescheides die Übertragung von Eigentumsrechten an Immobilien erleichtert wird, weil der Bescheid die Wirkungen des § 34 VermG hat (Denes in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 31 VermG Rdnr. 23). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Drs. 12/103, S. 36) werden aber "die an die Einigung als Rechtsgeschäft geknüpften privatrechtlichen Rechtsfolgen ... durch den behördlichen Bescheid ... nicht berührt". Im übrigen kann sich die Einigung auch auf Gegenstände erstrecken, über die im Verwaltungsverfahren nach dem Vermögensgesetz nicht zu entscheiden ist ( § 31 Abs. 5 Satz 4 VermG).

Von der gütlichen Einigung zu unterscheiden ist der - nach § 31 Abs. 1 a VermG zulässige Vergleich, den die Behörde selbst mit einem Beteiligten schließen kann.

Dem Landgericht mag noch darin beizupflichten sein, daß der Beschluß des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 28. Oktober 1999 (VIZ 2000, 58) hier so nicht einschlägig ist, weil er sich auf Streitigkeiten über die Rückzahlung eines Ablösebetrages im Zusammenhang mit der Rückgabe einer Unternehmensbeteiligung nach dem DDR-Gesetz vom 7. März 1990 bezieht, nicht aber auf den hier vorliegenden Fall einer gütlichen Einigung im Rahmen der Überprüfung der erfolgten Reprivatisierung nach § 6 Abs. 8 VermG. Der Umstand, daß die gütliche Einigung den Anspruch des Berechtigten "erledigt" und auf Antrag ein entsprechender Bescheid zu erlassen ist, führt aber nicht schon dazu, daß jene Einigung als öffentlichrechtlicher Vertrag einzustufen wäre (a. A.: Robbert in VIZ 1995, 193/196: "öffentlichrechtlicher Vertrag sui generis"). Dagegen spricht, daß die Einigung sich auch auf Gegenstände erstrecken kann, über die die Behörde gar nicht zu entscheiden hat und daß der Gesetzgeber sie als Rechtsgeschäft mit privatrechtlichen Rechtsfolgen angesehen hat. Gegenstand der hier getroffenen Einigung sind namentlich die Übertragung des Eigentums an bestimmten Grundstücken und die Festlegung der letztlich zu zahlenden Ausgleichsverbindlichkeit im Sinne des § 25 des D-Markbilanzgesetzes - beides Akte, die an sich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sind. Die Behörde hat die Vereinbarungen durch ihren Verwaltungsakt nur ratifiziert (Kammergericht, Beschluß vom 29. September 1997, 17 W 6768/97) und selbiger ist ersichtlich nur deshalb beantragt worden, weil die Übertragung der Grundstücke vereinfacht und beschleunigt werden sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 80.000,- DM (Bruchteil des Hauptsachewertes, vgl. Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl., § 17 a GVG Rdnr.20).

Ende der Entscheidung

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