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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 13 W 4/08
Rechtsgebiete: GVG, BGB, ZPO, ArbGG, GG, PatG, HausratsVO


Vorschriften:

GVG § 12
GVG § 13
GVG § 14
GVG § 17
GVG § 17a
GVG § 17a Abs. 4 Satz 2
GVG § 17b
GVG § 23b
BGB § 745
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1361a
BGB § 1361b
BGB § 1361b Abs. 2
BGB § 1361b Abs. 3 Satz 2
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621a Abs. 1
ArbGG § 48
GG Art. 96 Abs. 1
PatG §§ 95 ff
HausratsVO §§ 1 ff
HausratsVO § 2
HausratsVO § 3
HausratsVO § 18a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

13 W 4/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Trimbach und die Richterinnen am Oberlandesgericht Surkau und Rieger

am 14. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 10.12.2007 aufgehoben.

Gründe:

1. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Potsdam den Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Potsdam - Familiengericht - gestützt auf §§ 17a GVG, 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die beanspruchte Nutzungsentschädigung für das im Miteigentum der Parteien stehende, von der Beklagten seit der Trennung der Parteien allein von der Beklagten bewohnte Haus, von der unterhaltsrechtlichen Problematik überlagert werde. Der Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus sei bei dem für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgebenden Einkommen zu berücksichtigen. Dies gelte unabhängig davon, ob eine rechtskräftige Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt ergangen sei oder nicht. Aus diesem Grund könne ein Nutzungsentschädigungsanspruch auch nicht isoliert geltend gemacht werden.

Gegen den ihm am 11. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27.12.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, dass dann, wenn wie vorliegend eine Unterhaltsregelung, bei der der Wohnvorteil berücksichtigt worden sei, nicht getroffen worden sei, der die Wohnung nicht nutzende Ehegatte isoliert eine Nutzungsvergütung nach § 745 Abs. 2 BGB verlangen könne. Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung seien insoweit nicht die Regelungen der Hausratsverordnung, sondern ausschließlich § 745 BGB einschlägig.

2. Die gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu Unrecht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Familiengericht verwiesen.

a) Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit stellt gegenüber dem bei dem Amtsgericht als besondere Abteilung geführten Familiengericht schon keinen anderen Rechtsweg im Sinne des § 17 a GVG dar. Vielmehr betrifft die Abgrenzung zwischen ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit und Familiengericht innerhalb desselben Gerichts die unmittelbar in § 621 ZPO geregelte gerichtsinterne Geschäftsverteilung (BGH MDR 2004, 698, 699). Steht wie hier eine Verweisung vom Landgericht an das Amtsgericht in Rede, geht es ebenfalls nicht um eine Rechtswegfrage. § 13 GVG, der die Voraussetzungen für die Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichte zum Inhalt hat, dient der Abgrenzung der ordentlichen Gerichtsbarkeit von den übrigen selbständigen Gerichtszweigen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 13 GVG Rn. 2). Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder -gerichten begründet ist oder für die aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Besondere Gerichte im Sinne eines selbständigen Gerichtszweiges und damit eines besonderen Rechtsweges sind die Gerichte der Schifffahrt, § 14 GVG, die Arbeitsgerichte, § 48 ArbGG, Patentgerichte, Art 96 Abs. 1 GG und §§ 95 ff PatG. Spruchkörper, die im Rahmen der allgemeinen Gerichtsorganisation des § 12 GVG gesetzlich für Spezialaufgaben vorgeschrieben oder vorgesehen sind, sind demgegenüber keine besonderen Gerichte im Sinne des § 14 GVG. Vielmehr sind sie Spruchkörper der allgemeinen ordentlichen Gerichtsbarkeit (Kissel, GVG, 4. Aufl., § 14 Rn 18). Das Familiengericht als Abteilung des Amtsgerichts, § 23b GVG, ist Teil der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit. Diese wird gemäß § 12 GVG durch die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte sowie durch den Bundesgerichtshof ausgeübt.

b) Allenfalls wäre vorliegend eine analoge Anwendung der §§ 17 ff. GVG in Betracht zu ziehen. Für die Abgrenzung zwischen freiwilliger und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit ist die entsprechende Anwendung der §§ 17 - 17b GVG höchstrichterlich anerkannt (BGH MDR 2003, 515). Soweit es um Ansprüche wegen nachehelichen Unterhalts geht, steht eine solche indessen nicht in Rede. Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wegen nachehelichen Unterhalts sind in § 621a Abs. 1 ZPO den Familiensachen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht zugewiesen; sie unterliegen ausschließlich den Verfahrensregelungen der ZPO.

Ebenso wenig ist eine Abgrenzung zwischen ordentlicher streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, Regelungen nach der HausratsVO, veranlasst und damit Raum für eine entsprechende Anwendung der §§ 17 ff GVG. Allerdings ist das Verfahren nach §§ 1361b Abs. 2 BGB, 18 a HausratsVO betreffend Ansprüche auf eine Vergütung für die Benutzung der Ehewohnung während der Trennung Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO. Auf dieses finden die Vorschriften der HausratsVO Anwendung. Deren Verfahren ist wegen der rechtsgestaltenden Wirkung als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit konzipiert (Palandt-Brudermüller, BGB, 67. Aufl., Anh. Zu § 1361 a, 1361 b, Einführung, Rn 7). Ein nach den v.g. Bestimmungen dem Verfahren der HausratsVO unterliegender Fall liegt hier indessen nicht vor. Die Parteien leben seit über fünf Jahren getrennt und sind seit nahezu 1 1/2 Jahren rechtskräftig geschieden. Nutzungsentschädigung begehrt der Kläger zudem ausschließlich für die Zeit seit der Scheidung, wobei er seinen Anspruch ausschließlich auf § 745 Abs. 2 BGB stützt. Die Qualifizierung eines Rechtsstreits als zivilprozessual oder dem Familienrecht zugehörig, richtet sich nach der Begründung des geltend gemachten Anspruchs (BGH, FamRZ 1980, 988; OLG Brandenburg, NJW-RR 2006, 1302; KG NJW-RR 2007, 798). Andere Rechtsgrundlagen als § 745 Abs. 2 BGB kommen für die beanspruchte Nutzungsentschädigung nicht in Betracht. Während nach der Neufassung des § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB diese Regelung für die Zeit der Trennung zunehmend als eine den § 745 BGB verdrängende Sonderregelung betreffend die Nutzung der Ehewohnung durch einen der Ehegatten und eine dafür vom anderen Ehegatten zu beanspruchende Vergütung angesehen wird (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1392; OLG Dresden, NJW 2005, 3151; Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1361 b Rn. 20), fehlt für die Zeit nach der Scheidung eine entsprechende gesetzliche Vorschrift. Den Anwendungsbereich des § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB und damit den der HausratsVO, § 18 a, über seinen Wortlaut hinaus auf erst nach der Scheidung geltend gemachte Nutzungsentschädigungsansprüche auszudehnen, besteht kein Anlass. Es fehlt bereits an der für eine entsprechende Anwendung der §§ 1361 b BGB, 2, 3 HausratsVO vorausgesetzten Regelungslücke. Die für die Nutzungsverhältnisse an Miteigentum einschlägige Regelung des § 745 Abs. 2 BGB wird nach der Scheidung der Ehe der Miteigentümer nicht (mehr) durch § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB als lex specialis verdrängt. Die Miteigentümer sind nicht mehr Ehegatten, die Wohnung ist nicht mehr Ehewohnung im Sinne der §§ 1361 a f. BGB. Dementsprechend endet mit Auflösung der Ehe die Zulässigkeit eines selbständigen Verfahrens nach §§ 1361 a, b BGB i.V.m. § 18 a HausratsVO (Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 18 a HausratsVO, Rn. 2). Ausgehend davon steht einem dem anderen die alleinige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums überlassenden Miteigentümer nach Rechtskraft der Scheidung zur Durchsetzung seines Nutzungsentschädigungsanspruchs ausschließlich der Weg über die allgemeinen Vorschriften betreffend die Verwaltung von Bruchteilseigentum, insbesondere über § 745 Abs. 2 BGB, zu den ordentlichen Gerichten zur Verfügung. Die vom Landgericht zur Begründung seiner Auffassung u. a. angeführte Gefahr abweichender Entscheidungen zur Nutzungsvergütung für die Trennungszeit durch die Familiengerichte einerseits und für die Zeit nach der Scheidung durch die ordentlichen Gerichte andererseits, ist hinnehmbar, weil gering. Sie würde sich nur in den Fällen realisieren, in denen im Verfahren nach §§ 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB, 18 a HausratsVO eine auf die Trennungszeit begrenzte Nutzungs- und -vergütungsregelung getroffen wird und die Parteien für die Zeit Nutzungsregelung nach der Scheidung weder von der Möglichkeit der Fortführung des Verfahrens nach §§ 1 ff HausratsVO (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 18 a HausratsVO, Rn. 2) noch von der einer einvernehmlichen Regelung Gebrauch machen.

Nach alledem käme allenfalls eine Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit in Betracht und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht in Betracht. Da jedoch schon der angefochtene Beschluss des Landgerichts nicht rechtskräftig ist, ist für eine Zuständigkeitsbestimmung ebenfalls kein Raum.

c) Nach den vorstehenden Ausführungen fehlt es zudem für das Klagebegehren an der sachlichen Zuständigkeit des Familiengerichts. § 621 ZPO enthält eine abschließende Aufzählung der vor das Familiengericht gehörenden Familiensachen; andere vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen geschiedenen Eheleuten wie die betreffend die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums sind keine Familiensachen. Durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen auf Gewährung nachehelichen Unterhalts wird eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ebenfalls nicht begründet (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., § 621 Rn. 67, 3 b m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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