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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 13 WF 29/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO §§ 567 ff
ZPO § 574 Abs. 2
BGB § 1601
BGB § 1602
BGB § 1603
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird ihm unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin - Familiengericht - vom 29.01.2008 - Az: 52 F 379/07 - und unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus Neuruppin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, soweit er eine Abänderung der Urkunde des Landkreises O., Jugendamt vom 06.02.1997 - UR-Nr. 052/1997 - dahingehend begehrt, dass er nicht verpflichtet ist, an die Beklagte einen monatlichen Unterhalt zu zahlen, der im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2007 über den Betrag von 173,00 €, im Jahre 2008 über den Betrag von 228,00 € und ab 01.01.2009 über den Betrag von 218,00 € hinaus geht.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gem. §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat lediglich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

Eine Partei, die nach ihrem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Vorliegend hat die Rechtsverfolgung des Klägers nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand lediglich teilweise Aussicht auf Erfolg.

Mit seiner am 26.10.2007 beim Amtsgericht eingegangenen Klage begehrt er eine Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises O. vom 06.02.1997, nach der er verpflichtet ist, seiner am ....02.1990 geborenen Tochter den Regelunterhalt zzgl. eines Zuschlages von 18 % des Regelbetrags unter anteiliger Anrechnung des staatlichen Kindergeldes zu zahlen dahingehend, dass er für die Zeit ab Oktober 2007 nicht mehr verpflichtet sei, für die Beklagte, die sich in der allgemeinen Schulausbildung zum Erwerb des Fachabiturs befindet und mit Zustimmung der Kindesmutter im Haushalt der Großeltern lebt, Unterhalt zu leisten.

Der seit dem ....02.2008 volljährigen Beklagten steht gegenüber ihrem leistungsfähigen Vater, dem Kläger, dem Grunde nach weiterhin ein Unterhaltsanspruch gem. §§ 1601, 1602, 1603 BGB zu. Der Höhe nach beläuft sich jedoch der verbleibende monatliche Bedarf der Beklagten im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2007 auf 173,00 €, im Jahre 2008 auf 228,00 € und ab dem 01.01.2009 auf 218,00 €, sodass die Abänderungsklage wegen des weitergehenden Betrages Erfolg verspricht.

Der angemessene Bedarf eines nicht im Haushalt eines Elternteils lebenden Kindes beträgt derzeit regelmäßig 640,00 € monatlich (vgl. Nr. 13.1 der aktuellen Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts sowie Palandt-Diederichsen, BGB, 68. Aufl., Einf. v. § 1601 Rdnr. 21 und OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 794 ff). Hierauf sind die BAföG-Leistungen, die die Beklagte seit Oktober 2007 in Höhe von monatlich 348,00 € erhält, nach Abzug von ausbildungsbedingten Kosten in Höhe von monatlich 90,00 € als Einkommen des unterhaltsberechtigten Kindes voll anzurechnen (vgl. Nr. 13.2 und 10.2.3 der aktuellen Unterhaltsleitlinien). Ferner ist das staatliche Kindergeld voll anzurechnen, das sich bis zum 31.12.2008 auf 154,00 € und seit dem 01.01.2009 auf 164,00 € beläuft, sodass ein offener monatlicher Bedarf der Beklagten im Jahr 2008 in Höhe von 228,00 € und ab 01.01.2009 in Höhe von 218,00 € verbleibt. Für den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2007 beläuft sich der monatliche Bedarf auf 590,00 €, sodass sich bei einem staatlichen Kindergeld in Höhe von 154,00 € und bei einer monatlichen BAföG-Leistung in Höhe von 348,00 € nach Abzug von ausbildungsbedingten Kosten in Höhe von 85,00 € ein offener monatlicher Bedarf der Beklagten in Höhe von 173,00 € errechnet.

Gegenüber der nunmehr volljährigen Beklagten sind zwar beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Ihr Haftungsanteil bestimmt sich nach den Verhältnissen ihrer den jeweiligen Selbstbehalt übersteigenden Einkommen. Vorliegend befindet sich jedoch die Kindesmutter im Erziehungsurlaub und erhält lediglich Erziehungsgeld in Höhe von 230,00 € monatlich, sodass sie nicht leistungsfähig ist. Auch eine Verpflichtung zu einer Nebenerwerbstätigkeit entfällt in der Regel während des Bezuges von Erziehungsgeld.

Der am ....05.1967 geborene Kläger, der von Beruf Altenpfleger ist, in der früheren DDR eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und Lagerist absolvierte und darüber hinaus auch als Kraftfahrer tätig gewesen ist, kann sich gegenüber seiner Tochter insoweit nicht auf eine mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Ihm trifft als Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit, im Interesse der Unterhaltsberechtigten, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, muss er sich fiktive Einkünfte anrechnen lassen, die er durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte. Die Einkommensfiktion knüpft in erster Linie an die Arbeitslosigkeit bzw. an eine die unterhaltsrechtlich geforderte Leistungsfähigkeit nicht voll gewährleistende Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen an. Bei unterhaltsrechtlich unzureichenden Erwerbseinkünften ist ggf. eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Der Unterhaltspflichtige muss alles Zumutbare unternehmen, um durch Finden eines Arbeitsplatzes seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Vom Unterhaltsschuldner müssen die unternommenen Anstrengungen nicht nur konkretisiert werden, sondern er trägt für die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen auch die Darlegungs- und Beweislast. Zur Konkretisierung bedarf es der Auflistung der Bewerbungen sowie des nachprüfbaren Vortrages der im Einzelnen berufsspezifisch unternommenen Schritte, wobei sogenannte Blindbewerbungen grundsätzlich nicht zählen. Unter Berücksichtigung eines Umgangsrechts hat der Unterhaltspflichtige auch überregionale Anstrengungen zu unternehmen, um einen Arbeitsplatz zu erlangen. Insoweit kann auch ein Wohnortwechsel zumutbar sein (vgl. Palandt-Diederichsen, a. a. O., § 1603, RdNr. 35 ff. m.w.N.).

Er hat die Pflicht, alle verfügbaren Mittel heranzuziehen, um für den angemessenen Unterhalt des Kindes aufzukommen und, wenn der eigene Unterhalt anderweitig sichergestellt ist, auf den Selbstbehalt ganz oder teilweise zu verzichten. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bestimmt sich nicht nach seinem tatsächlichen Einkommen, sondern nach den in zumutbarer Weise erzielbaren Einkünften. So muss er Zugeständnisse bei den Arbeitsmodalitäten machen und z. B. bereit sein, auch zu ungünstigen Zeiten, wie nachts, in den frühen Morgenstunden sowie an Wochenenden zu arbeiten. Auch die Beweislast für die Unmöglichkeit einer Nebentätigkeit trägt der Unterhaltspflichtige. Er ist zu intensiven Bemühungen um einen geeigneten Arbeitsplatz gezwungen. Hierbei kann für die Anstrengungen die Zeit aufzuwenden sein, die ein Erwerbstätiger für seinen Beruf aufbringt. Der Schuldner muss ggf. einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen und notfalls auch Beschäftigungen annehmen, die seinem bisherigen Werdegang nicht entsprechen, wobei auch ein Ortswechsel zumutbar sein kann.

Zur Sicherung des Unterhaltsbedarfs seines Kindes ist der Beklagte daher verpflichtet, alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt zu verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf zu nehmen. Dabei ist er auch zur Aufnahme von Nebentätigkeiten verpflichtet, um ein zumutbares Einkommen zu erzielen.

Eine mangelnde Leistungsfähigkeit hat der Kläger vorliegend nicht dargelegt. Er trägt als Unterhaltsschuldner, der eine Abänderung des bisherigen Titels begehrt, die Darlegungs- und Beweislast für sein derzeitiges Einkommen, für seine jetzige Leistungsunfähigkeit, für alle Umstände, die seine Leistungsfähigkeit ausschließen oder mindern, für den Wegfall bestimmter Einkünfte sowie dafür, dass sie nicht mehr in zumutbarer Weise erzielt werden können.

Vorliegend hat der 1967 geborene Kläger, der von Beruf Altenpfleger, Werkzeugmacher und Lagerist ist sowie als Kraftfahrer tätig gewesen ist und gesundheitlich uneingeschränkt in der Lage ist, die genannten Tätigkeiten auszuüben, derart ausreichende Erwerbsbemühungen um einen geeigneten Arbeitsplatz nicht dargelegt. Das hat das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt. Seine Erwerbs- und Bewerbungsbemühungen entsprechen nicht dem von der Rechtsprechung geforderten Umfang.

In dem streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.03.2008 ist er auch nicht etwa vollschichtig, sondern lediglich als geringfügig Beschäftigter tätig gewesen und hat ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 399,75 € erzielt, sodass nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages in Höhe von 188,42 € zunächst ein Nettoeinkommen in Höhe von 281,33 € verblieb (vgl. Anlagen K 4 und 11, Bl. 34 und 116 d.A.). Hinzu kommen zunächst monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 250,00 €, sodass sich eine Nettoeinkommen von 531,33 € ergibt. Außerdem übt er eine Nebentätigkeit bei einem Taxiunternehmen aus. Dabei muss sich der Kläger im Regelfall und so auch vorliegend darauf verweisen lassen, sein Einkommen auf andere zumutbare Weise zu erhöhen, insbesondere durch die Aufnahme von Nebentätigkeiten, etwa als Zeitungs- oder Werbezettelausträger, Kellner, Bote, Reinigungskraft, bei einem Umzugsunternehmen oder als Taxifahrer und zwar auch zu ungünstigen Arbeitszeiten, insbesondere an Wochenenden. Bei derartigen Nebentätigkeiten ist durchaus ein weiteres Nettoeinkommen von monatlich 200,00 € erzielbar und zwar grundsätzlich auch neben einer Vollzeitbeschäftigung im Schichtdienst bis zu max. 48 Stunden wöchentlich. Dies gilt vorliegend erst recht und umso mehr im Zeitraum bis zum 31.03.2008. Denn der Kläger hat hauptberuflich lediglich eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt, neben der durchaus ein weiteres Nettoeinkommen von jedenfalls monatlich 300,00 € erzielbar ist und zwar entweder bei einer umfangreicheren Nebentätigkeit oder bei mehreren solchen Nebentätigkeiten, jeweils zusammen mit der Haupttätigkeit bis zu max. 48 Stunden wöchentlich. Diese Obliegenheit kann zwar im Einzelfall unzumutbar sein, wenn es nach Abwägung der Bedarfslage des Berechtigten mit der konkreten Lebens- und Arbeitssituation des Verpflichteten unbillig erscheint, ihn auf die Ausübung von Nebentätigkeiten zu verweisen. An die äußeren Umstände, die eine Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit begründen, sind dann, wenn es um die Sicherstellung des anderweitig nicht zu befriedigenden Bedarfs des Kindes geht, hohe Anforderungen zu stellen. Die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür hat der Unterhaltspflichtige darzulegen und zu beweisen. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend weder dargetan noch in sonstiger Weise ersichtlich. Vielmehr übt der Kläger tatsächlich auch eine Nebentätigkeit als Taxifahrer aus. Es errechnet sich in dieser Zeit ein Einkommen von mindestens 831,33 € monatlich.

In dem sich anschließenden Zeitraum seiner Tätigkeit bei der V. Personaldienstleistungen GbR hat der Kläger nach eigenen Angaben ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 850,00 € erzielt, sodass mangels anderweitigem konkretem Vortrag von einem Nettoeinkommen in Höhe von mindestens 600,00 € auszugehen ist. Hinzu kommen monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 250,00 € und ein aus den genannten Nebentätigkeiten in zumutbarer Weise weiterhin erzielbares monatliches Nettoeinkommen in Höhe von jedenfalls 200,00 €, zumal der Kläger in diesem Zeitraum lediglich 35 Stunden in der Woche tätig gewesen ist. Es ergibt sich für diesen Zeitraum ein Einkommen jedenfalls in Höhe von 1.050,00 €.

Seit dem 23.05.2008 ist der Kläger bei der D. Arbeit GmbH tätig. Das sein hierbei erzieltes monatliches Nettoeinkommen zusammen mit den monatlichen Mieteinnahmen in Höhe von 250,00 € und einem aus den genannten Nebentätigkeiten in zumutbarer Weise erzielbaren monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 200,00 € die zuvor genannte Summe von 1.050,00 € unterschreitet, hat der Kläger weder dargetan noch ist dies in sonstiger Weise ersichtlich.

Da der Kläger ein in seinem Eigentum stehendes Haus auch selbst bewohnt, ist der im Jahre 2007 gegenüber minderjährigen Kindern geltende notwendige Selbstbehalt in Höhe von 820,00 € um den darin enthaltenen Mietanteil auf 570,00 € zu kürzen. Der ab dem 01.01.2008 generell für Erwerbstätige hierfür vorgesehene Betrag in Höhe von 900,00 € ist ebenfalls angemessen zu kürzen und zwar um einen Kaltmietanteil in Höhe von ca. 300,00 €, sodass sich hierfür ein Betrag in Höhe von 600,00 € ergibt und der Kläger auch unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes zur Deckung des Bedarfes der Beklagten leistungsfähig ist.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss teilweise abzuändern und die sofortige Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die hierfür im § 574 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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