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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 14 U 24/01
Rechtsgebiete: StPO, StVG, PflVG, StVO, StVZO, BGB, ZPO


Vorschriften:

StPO § 170 Abs. 2
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 2
PflVG § 3 Ziff. 1
StVO § 9 Abs. 1 Satz 4
StVO § 9
StVO § 9 Abs. 5
StVO § 23 Abs. 1 Satz 1
StVZO § 56 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 a.F.
BGB § 284
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

14 U 24/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.09.2001

Verkündet am 26.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schäfer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Zoller und die Richterin am Landgericht Woerner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Dezember 2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt materiellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 2. Juli 1999 um 21:05 Uhr auf der Bundesstraße zwischen dem Abzweig H und dem Abzweig S L ereignete.

Der Widerbeklagte zu 2., W S, befuhr am 2. Juli 1999 gegen 21:00 Uhr mit dem Traktorgespann des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen der bei der Widerbeklagten zu 3. haftpflichtversichert ist, die Bundesstraße zwischen den Abzweigen H und S aus Richtung M kommend in Richtung S. Er beabsichtigte, mit seinem etwa 18 Meter langen Gespann, bestehend aus dem Traktor und zwei Anhängern, unmittelbar hinter der Hauptgrabenbrücke nach links in einen Feldweg einzubiegen. Hinter ihm fuhr der Zeuge N mit seinem Pkw und dem Zeugen M als Beifahrer; der Zeuge N machte keine Anstalten, das Traktorgespann zu überholen.

Unterdessen näherte sich der von der Beklagten zu 2. geführte Pkw des Beklagten zu 3. mit dem amtlichen Kennzeichen, der bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert ist, und setzte zum Überholen an. Während des Überholvorgangs kollidierte er mit dem nach links einbiegenden Traktor. Die Anstoßstelle befand sich etwa einen Meter neben dem linken Fahrbahnrand der B in der Feldwegeinmündung. Der Traktor wurde im Bereich des linken Vorderrades, der des Beklagten zu 3. im Frontbereich beschädigt. Der Sachschaden des Klägers, den die Beklagte zu 1. zu 30 % regulierte, beläuft sich auf 24.220,68 DM.

Die Beklagte zu 2. erlitt infolge des Unfalls diverse Verletzungen. Die Widerbeklagte zu 3. zahlte zum Ausgleich ihres immateriellen Schadens 2.800,00 DM und beglich den materiellen Schaden des Beklagten zu 3., den dieser auf 22.160,84 DM bezifferte, in Höhe von 10.584,08 DM.

Gegen den Widerbeklagten zu 2. leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ein das Verfahren wurde am 4. November 1999 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Der Kläger und die Widerbeklagten zu 2. und 3. haben behauptet,

der Traktor habe den linken Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig betätigt und seine Fahrt vor Beginn des Abbiegevorgangs unter Einordnung nach links stark verlangsamt. Der Widerbeklagte zu 2. habe sich vor dem Abbiegen durch zweimalige Rückschau vergewissert, dass kein rückwärtiger Verkehr zum Überholen angesetzt habe. Ferner haben sie die Schadenshöhe bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 16.954,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juli 1999 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

die Beklagte zu 2. darüber hinaus widerklagend,

die Widerbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 1.650,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. Juli 1999 zu zahlen,

ferner der Beklagte zu 3. widerklagend,

die Widerbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 11.576,76 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 3. Juli 1999 zu zahlen.

Die Beklagten haben behauptet,

an dem Traktor sei der Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt worden. Der Abbiegevorgang habe erst begonnen, als sich der bereits auf der Gegenfahrbahn in Höhe des letzten Anhängers befunden habe.

Der Kläger und die Widerbeklagten zu 2. und 3. haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zum Unfallhergang durch Vernehmung der Zeugen S K und B M und - mit Zustimmung der Parteien - Verwertung der schriftlichen Zeugenaussage des Zeugen G N aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Es hat der Klage lediglich in Höhe von 4.844,14 DM stattgegeben und sie im Übrigen und die Widerklage vollständig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, beide Fahrzeugführer treffe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein unfallursächliches Verschulden, das zu einer hälftigen Teilung des Schadens führe. Der Beklagten zu 2. falle zur Last, dass sie überholt habe, obwohl der Traktor den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe; der Kläger habe der Pflicht zur doppelten Rückschau nicht genügt oder sei sonst unaufmerksam gefahren. Die Widerklage der Beklagten zu 2. sei unbegründet, da ihr ein höheres als das bereits gezahlte Schmerzensgeld von 2.800,00 DM nicht zustehe. Die Widerklage des Beklagten zu 3. sei unbegründet, da er einen weiteren Schaden, als den vorgerichtlich von der Widerbeklagten zu 3. als erstattungsfähig anerkannten und hälftig ausgeglichenen Betrag nicht hinreichend dargelegt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiter verfolgt.

Er rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts und meint,

es habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Beklagte zu 2. nach der Beweisaufnahme bei unklarer Verkehrslage überholt und daher den Unfall allein verschuldet habe. Unklar sei die Verkehrslage deshalb gewesen, weil der Traktorfahrer erkennbar den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und seine Geschwindigkeit auf Schrittempo deutlich reduziert habe. Das Landgericht habe eine Verletzung der doppelten Rückschaupflicht durch den Traktorfahrer nicht annehmen können, ohne ihn hierzu als Zeugen zu vernehmen. Die Kammer habe sich zudem zu Unrecht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Unfall für den Zeugen S unvermeidbar gewesen sei, weil das Überholmanöver des sich schnell nähernden Beklagtenfahrzeugs nicht zu erkennen gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 12.110,34 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juli 1999 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreiten weiterhin, dass der Fahrer des Traktors den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe, und behaupten, dieser habe ihr Fahrzeug bei pflichtgemäßer Rückschau vor dem Abbiegen erkennen müssen.

Sie meinen, der Unfall sei für die Beklagten zu 2. unvermeidbar gewesen, da der Traktor unerwartet und plötzlich nach links abgebogen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) beigezogen und zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag hinaus.

1.

Der Ersatzanspruch des Klägers findet seine Grundlage in den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Ziff. 1 PflVG. Beim Betrieb des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 3., das bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert ist und von der Beklagten zu 2. gesteuert wurde, ist der Traktor des Klägers beschädigt worden. Die Ersatzpflicht der Beklagten ist auch nicht durch § 7 Abs. 2 StVG oder 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen, weil die Beklagten weder bewiesen haben, dass der Unfall für sie unabwendbar war, noch die die Beklagte zu 2. treffende Verschuldensvermutung entkräftet haben.

Unabwendbar ist ein Ereignis nur dann, wenn es auch bei Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können, wobei diese Sorgfaltsanforderung an dem Verhalten des idealen Kraftfahrers gemessen wird (BGHZ 117, 337; NJW 1985, 1950 ff). Die Beklagten haben ihre Behauptung, der Widerbeklagte zu 2. habe vor dem Abbiegen in den Feldweg den linken Fahrtrichtungsanzeiger nicht gesetzt, nicht beweisen können. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht vielmehr fest, dass der Verkehrsunfall durch die Beklagte zu 2. schuldhaft verursacht wurde, indem sie überholt hat, obwohl der Widerbeklagte zu 2. den linken Fahrtrichtungsanzeiger bereits vor dem Beginn des Abbiegevorgangs gesetzt hatte.

Der in erster Instanz vernommene Zeuge M, der seinerzeit Beifahrer in dem Fahrzeug unmittelbar hinter dem Traktorgespann war, bekundete, "unser Fahrzeug ist an den Traktor herangefahren. Dieser fing an zu blinken, was G N veranlasst hat, einen Moment zu zögern und eine Zeit lang hinter dem Traktor herzufahren. Genau kann ich nicht angeben, wie lange das gewesen sein mag". Diese Schilderung stimmt im Wesentlichen mit seiner schriftlichen Äußerung vom 8. Juli 1999 im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überein. Sie deckt sich aber auch mit der mit Zustimmung der Parteien von der Kammer verwerteten schriftlichen Äußerung des G N vom 11. Juli 1999. Dieser hat die Situation unmittelbar vor dem Unfallgeschehen wie folgt beschrieben: "Wir befanden uns am 02.07.99 um ca. 21:00 Uhr auf der B von M in Richtung S, als in Höhe H brücke ein Schlepper mit zwei Anhängern vor uns sichtbar wird, der sich in Richtung S bewegte. Wir näherten uns dem Schlepper, der nun links blinkte und ersichtlich hinter der H brücke abbiegen wollte. Wir blieben hinter dem Schlepper, der nun fast schon zum Stillstand gekommen war. Dann sah ich, wie ein Auto Marke sich mir auf der linken Fahrspur näherte und mich überholte". An der Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Aussage des Zeugen M und der schriftlichen Äußerungen beider Zeugen gibt es keine Zweifel. Die Schilderungen sind detailliert und frei von Widersprüchen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der am Rechtsstreit völlig unbeteiligten Zeugen vermag der Senat ebenso wie das Landgericht nicht zu erkennen und werden auch im Berufungsverfahren von keiner der Parteien vorgebracht.

Soweit die Zeugin K, die Beifahrerin in dem klägerischen Fahrzeug war, bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht bekundete, sie "habe nicht gesehen, dass an dem Traktorgespann der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war", steht dies dem Beweisergebnis nicht entgegen, da diese Aussage die Möglichkeit offen lässt, dass die Zeugin den gesetzten linken Fahrtrichtungsanzeiger schlicht nicht wahrgenommen hat.

Soweit sich die Beklagten darüber hinaus in ihrer Berufungserwiderung auf eine Äußerung des "Zeugen Z" im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren berufen, der gleichfalls keinen linken Fahrtrichtungsanzeiger gesehen haben will, verkennen sie, dass R Z nicht am Unfallort war, als sich der Verkehrsunfall ereignete, und demnach lediglich die Angaben seiner Ehefrau bzw. der Zeugin K wiedergegeben hat und darüber hinaus als Zeuge nicht in Betracht kommt, da er Partei des Rechtsstreits ist.

Bei der jedem Fahrzeugführer obliegenden aufmerksamen Beobachtung der Verkehrssituation und einer daran angepassten Fahrweise hätte die Beklagte zu 2. das linke rückwärtige Blinkzeichen des Gespanns wahrnehmen und ihr Fahrverhalten rechtzeitig darauf einstellen müssen. Schon bevor der Widerbeklagte zu 2. das Gespann zum Abbiegen nach links zog, hätte ihr klar sein müssen, dass sie den Abbiegevorgang hätte abwarten müssen.

Auch den Kläger trifft ein Verschuldensvorwurf, da der Widerbeklagte zu 2. durch fahrlässiges Verhalten zu dem Unfall beigetragen hat, und dessen Verschulden dem Kläger zuzurechnen ist (§§ 276 Abs. 1 Satz 2, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits aufgrund der objektiven Umstände ist davon auszugehen, dass der Traktorfahrer entgegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO vor dem Abbiegen nach links entweder gar nicht oder nicht ausreichend Rückschau gehalten hat, da er andernfalls den herannahenden des Beklagten zu 3. hätte bemerken müssen.

§ 9 StVO normiert den Vorrang des entgegenkommenden und gleichgerichteten Verkehrs gegenüber dem Abbieger, wobei sich dessen Sorgfaltspflichten je nach dem Abbiegeziel von erhöhter Vorsicht bis zur höchsten Sorgfalt, die eine Gefährdung anderer ausschließt, steigert. Je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so sorgfältiger muss sich der Abbiegende verhalten. Der Widerbeklagte zu 2., der links in einen Feldweg abbiegen wollte, war daher nicht nur verpflichtet, seine Absicht abzubiegen rechtzeitig anzukündigen, sich zur Fahrbahnmitte einzuordnen und durch doppelte Rückschau auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Er musste, wenn nicht gar das Abbiegen in einen Feldweg dem Abbiegen in eine Grundstückseinfahrt gleichzusetzen ist (a.A. OLG Nürnberg VersR 1981, 288) und die höchstmögliche Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO verlangt, so doch ein erheblich gesteigertes Maß an Sorgfalt aufwenden, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden.

Dem Widerbeklagten zu 2. lässt sich allerdings nicht vorwerfen, er habe seiner aus § 9 StVO resultierenden Pflicht zur rechtzeitigen Ankündigung seines Vorhabens und zum Einordnen bis zur Fahrbahnmitte nicht genügt. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht - wie ausgeführt - fest, dass er den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte. Nach den Straßenverhältnissen war ein "Einordnen zur Mitte", das dem nachfolgenden Verkehr erlaubte, rechts an dem eingeordneten Fahrzeug vorbeizufahren, nicht möglich. Das "Einordnen" auf der 7,5 m breiten Fahrbahn konnte allenfalls eine geringfügige Verlegung der Fahrspur nach links bedeuten.

Aus dem objektiven Geschehensablauf lässt sich indes der Schluss ziehen, dass der Widerbeklagte zu 2. zumindest seiner Pflicht zur zweiten Rückschau nicht oder jedenfalls nicht ausreichend nachgekommen ist. Er hätte den des Beklagten zu 3. erkennen müssen, wenn er sich, wie es § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO von ihm verlangt, unmittelbar vor dem Abbiegen durch Rückschau Gewissheit verschafft hätte, dass der nachfolgende Verkehr seine Abbiegeabsicht erkannt hat und berücksichtigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Sicht auf den herannahenden Pkw des Beklagten zu 3. aufgrund der Straßenführung oder anderer Umstände verdeckt gewesen sei, bestehen nicht. Als Führer des landwirtschaftlichen Gespanns hätte er bei Wahrnehmung seiner Rückschaupflicht auch dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass aufgrund der Anbauanlage der Außenspiegel am Traktor und der Breite der beiden Anhänger - wie aus den bei der Unfallaufnahme gefertigten Lichtbildern ersichtlich - bei Geradeausfahrt eine Sicht auf die rückwärtige Fahrbahn nur eingeschränkt möglich war. Er war als Fahrzeugführer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO verantwortlich dafür, dass seine Sicht nicht durch den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt wird. Gemäß § 56 Abs. 1 StVZO muss ein Fahrzeug Spiegel haben, die so beschaffen und angebracht sind, dass der Fahrzeugführer nach rückwärts und seitwärts - auch beim Mitführen von Anhängern - alle für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge beobachten kann. Reichen Rückspiegel nicht aus, muss sich der Fahrer unmittelbar orientieren; er muss den toten Winkel kennen, das Verkehrsgeschehen entsprechend länger beobachten und sich gegebenenfalls durch Herbeiführen einer abgeknickten Stellung des Gespanns zur Mittellinie hin eine den örtlichen Gegebenheiten optimale Rückschaumöglichkeit verschaffen, die ihm bestmöglichen Überblick auf den rückwärtigen Verkehr eröffnet (OLG Köln VRS 93, 277, 279). Erst wenn der Widerbeklagte zu 2. bei der Rückschau sicher sein konnte, dass sein Abbiegen den nachfolgenden Verkehr nicht gefährden würde, durfte er den Abbiegevorgang beginnen.

Diesen Anforderungen ist der Widerbeklagte zu 2. nicht nachgekommen, ohne dass es hierzu einer Beweisaufnahme - sei es in erster Instanz oder im Berufungsverfahren - bedurfte. Dass das Landgericht den Führer des Traktorgespanns nicht als Zeugen vernommen hat, begründet entgegen der Auffassung des Klägers schon deshalb keinen Verfahrensfehler, weil er als Partei des Rechtsstreits nicht zugleich Zeuge sein kann (Zöller ZPO 22. Aufl. 2001 § 373 Rdnrn. 1, 4). Seine Beteiligung am Rechtsstreit steht einer Vernehmung auch im Berufungsverfahren entgegen.

Darüber hinaus könnte eine Vernehmung des Traktorfahrers ihn nicht von dem Vorwurf der aufgrund der objektiven Gegebenheiten festgestellten Verletzung der Pflicht zur zweiten Rückschau entlasten. In dieser Feststellung liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Da sich der überholende nach den übereinstimmenden Schilderungen der Zeugen K und N beim Beginn des Abbiegevorgangs etwa auf Höhe des zweiten Anhängers befand, hätte, der Traktorfahrer ihn bei der geforderten sorgfältigen zweiten Rückschau sehen müssen. Selbst wenn die Beklagte zu 2. mit erheblicher Geschwindigkeit überholte - wofür das Unfallgeschehen und die Unfallschäden sprechen -, hatte sich der dem Traktor zum Zeitpunkt der notwendigen zweiten Rückschau bereits so stark genähert, dass ein Abbiegen, ohne den Pkw zu gefährden, erkennbar nicht möglich war. Dies lässt sich auch nicht durch ein Unfallrekonstruktionsgutachten widerlegen. Die Berechnungen, die der Kläger für seine entgegenstehende Auffassung in seinem Schriftsatz vom 22. November 2000 anstellt, sind schon im Ansatz insoweit verfehlt, als sie die eindeutigen Schilderungen der Zeugen K und N zum Standort des beim Beginn des Abbiegens unberücksichtigt lassen.

Da keine der Parteien den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann, hängt das Ausmaß, in dem sie Anspruch auf Ersatz ihres materiellen Schadens hat, von der nach § 17 Abs. 1 StVG zu ermittelnden Haftungsquote ab. Danach kommt es darauf an, inwieweit der Unfall überwiegend von dem Kläger und dem Widerbeklagten zu 2. oder den Beklagten verursacht worden ist, wobei auch die - feststehenden - Verschuldensbeiträge zu berücksichtigen sind. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung, wonach der Kläger die Hälfte seines Schadens selbst zu tragen hat, trägt den beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen ausreichend Rechnung.

Mit seinem verkehrswidrigen Abbiegen mit dem langsam fahrenden landwirtschaftlichen Gespann, das mit seinen etwa 18 m Länge - berechnet anhand der in der Verkehrsunfallskizze angegebenen Maße - beim Abbiegen nach links die gesamte Fahrbahn der Bundesstraße blockierte, schuf der Widerbeklagte zu 2. ein für den fließenden Straßenverkehr in höchstem Maße gefährliches und im Unfallgeschehen relevant gewordenes Hindernis. Dem steht ein schuldhafter Verkehrsverstoß der Beklagten zu 2. gegenüber, der auch unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des überholenden eine größere als die vom Landgericht anerkannte Haftungsquote der Beklagten nicht rechtfertigt.

Der Ersatzanspruch des Klägers bemisst sich demnach, reduziert um die vorgerichtlich bereits ausgeglichenen 30 % seines Schadens von 24.220,68 DM, auf die vom Landgericht zuerkannten 4.844,14 DM (20 % von 24.220,68 DM).

2.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1 a.F., 284 BGB. Verzugseintritt ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, mit der unstreitigen Zahlungsverweigerung am 2. November 1999 eingetreten. Für einen früheren Verzugsbeginn hat der Kläger nichts vorgetragen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 12.110,34 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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