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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 14 W 27/00
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, KostGEmAV, BRAGO, GKG


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
KostGEmAV § 1
BRAGO § 6 Abs. 3 Satz 1
GKG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

14 W 27/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hier: sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 7. November 2000

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schäfer, den Richter am Oberlandesgericht Braunsdorf und den Richter am Landgericht Dr. Tiemann

am 5. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 7. November 2000 dahin abgeändert, dass die von den Beklagten zu 1. bis 3. an den Kläger zu erstattenden Kosten jeweils auf 228,97 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. September 2000 festgesetzt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 131,50 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Rechtsstreit, welcher der sofortigen Beschwerde zugrunde liegt, ist durch Vergleich vom 9. August 2000 beendet worden. Danach fallen die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs dem Kläger zu 1/3 und den Beklagten zu 2/3 zur Last. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Beklagten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten auf 3.992,72 DM veranschlagt. Der Betrag setzt sich aus drei nach dem Streitwert von 18.320,09 DM bemessenen Anwaltsgebühren (Prozessgebühr, Erörterungsgebühr und Vergleichsgebühr) zu je 945,00 DM, einer 6/10-Erhöhungsgebühr in Höhe von 567,00 DM, der Auslagenpauschale von 40,00 DM und Mehrwertsteuer in Höhe von 550,72 DM zusammen. Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. November 2000 hat die Rechtspflegerin beim Landgericht aufgrund der beiderseitigen Ausgleichsanträge die von den Beklagten zu 1. bis 3. dem Kläger zu erstattenden Kosten jeweils auf 272,81 DM nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat sie die von den Beklagten in Ansatz gebrachten Rechtsanwaltsgebühren aufgrund der Erwägung, dass die Beklagte zu 3. auch einen in Potsdam ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung hätte beauftragen können, jeweils auf 90 % ermäßigt.

Gegen den ihnen am 15. November 2000 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss haben die Beklagten mit einem am 23. November 2000 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Kürzung der Anwaltsgebühren um 10 % wenden. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Es ist nicht gerechtfertigt, die von den Beklagten in Ansatz gebrachten Anwaltsgebühren um 10 % zu ermäßigen.

Ein Grund für die Ermäßigung der von den Beklagten in Ansatz gebrachten Anwaltsgebühren ergibt sich zunächst nicht aus Anlage I B Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 26 a des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - (Einig V) vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung (KostGEmAV) vom 15. April 1996 (BGBl. I S. 604). Nach den vorgenannten Bestimmungen ermäßigen sich die Rechtsanwaltsgebühren um 10 %, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei in dem in Artikel 3 EinigV genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) eingerichtet hat oder wenn er vor Gerichten oder Behörden, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig wird, der seinen Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Zum einen hat der für die Beklagten tätige Rechtsanwalt seine Kanzlei nicht im Beitrittsgebiet eingerichtet. Zum anderen ist er zwar vor einem Gericht, das seinen Sitz in den neuen Bundesländern hat, tätig geworden, aber nicht nur im Auftrag eines Beteiligten, der seinen Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet hat. Fälle wie der vorliegende, in denen ein Rechtsanwalt, der seine Kanzlei nicht im Beitrittsgebiet eingerichtet hat, vor einem Gericht in den neuen Bundesländern im Auftrag mehrerer Mandanten tätig wird, von denen nicht alle ihren Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet haben, werden von der in Anlage IB Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 26 A Satz 2 EinigV normierten Ermäßigungsvorschrift nicht erfasst. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der an den Wohnsitz oder Sitz des Auftraggebers anknüpfenden Gebührenermäßigung. Sie soll Rechtsuchenden mit Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet den Zugang zu den Gerichten im Hinblick auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern erleichtern. Rechtsuchenden, die ihren Wohnsitz oder Sitz nicht im Beitrittsgebiet haben, soll die Ermäßigung der Anwaltsgebühren hingegen nicht zugute kommen.

Die Anwendung der Ermäßigungsvorschrift in Fällen, in denen ein Rechtsanwalt, der seine Kanzlei nicht im Beitrittsgebiet eingerichtet hat, wie hier im Auftrag mehrerer Mandanten, von denen nur einige ihren Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet haben, vor einem Gericht in den neuen Bundesländern tätig wird, ist auch nicht deshalb zum Schutz der im Beitrittsgebiet ansässigen Auftraggeber geboten, weil sie im Innenverhältnis allein in Anspruch genommen werden könnten. Insoweit sind die im Beitrittsgebiet ansässigen Auftraggeber durch die in § 6 Abs. 3 Satz 1 BRAGO normierte Regelung ausreichen geschätzt, wonach jeder von mehreren Auftraggebern dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen schuldet, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre. Im Innenverhältnis schulden die im Beitrittsgebiet ansässigen Mandanten dem Rechtsanwalt dementsprechend nur 90 % der Anwaltsgebühren.

Eine Ermäßigung der von den Beklagten in Ansatz gebrachten Anwaltsgebühren lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, dass es der Beklagten zu 3. möglich gewesen wäre, einen in Potsdam ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Seit der Vereinheitlichung der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte im zivilprozessualen Anwaltsprozess in den alten und den neuen Bundesländern ab dem 1. Januar 2000 durch Art. 1 Ziff. 1 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patenanwälte vom 17 Dezember 1999 (BGBl. I S. 2448) bleibt es der an einem zivilprozessualen Anwaltsprozess in den neuen Bundesländern beteiligten Partei unbenommen, anstelle eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts einen Rechtsanwalt mit der Vertretung vor dem Prozessgericht zu beauftragen, der seine Kanzlei nicht in den neuen Bundesländern eingerichtet hat. Anderenfalls würde deren Recht, einen Anwalt ihres Vertrauens zu wählen, untergraben.

Dementsprechend verbleibt es dabei, dass die von den Beklagten in Ansatz gebrachten Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 3.992,72 DM gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in voller Höhe erstattungsfähig sind.

Unter Berücksichtigung der dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten von 3.016,14 DM belaufen sich die insgesamt angefallenen außergerichtlichen Kosten demnach auf 7.008,86 DM. Davon haben die Beklagten 2/3, also 4.672,58 DM zu tragen. Abzüglich ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten von 3.992,72 DM haben die Beklagten dem Kläger somit 679,86 DM zu erstatten. Zuzüglich der dem Kläger von den Beklagten noch zu erstattenden Gerichtskosten von 7,07 DM beläuft sich der von den Beklagten an den Kläger zu erstattende Betrag mithin insgesamt auf 686,93 DM bzw. auf jeweils 228,97 DM.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 12 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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