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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 15 UF 39/06
Rechtsgebiete: BGB, HinterlO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 274 Abs. 1
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 372
BGB § 490 Abs. 1
BGB § 894 Abs. 1 Satz 1
BGB § 952
HinterlO § 13 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2
ZPO § 511 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 727 Abs. 2
ZPO § 894 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 900
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 39/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.08.2006

Verkündet am 24.08.2006

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2006

durch den Richter am Oberlandesgericht Langer, die Richterin am Oberlandesgericht Jungermann und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wendtland

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Februar 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Nauen - 20 F 77/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Zahlung von 3.587,65 € gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zum dortigen Aktenzeichen 87 HL 3071/02 die Herausgabe des von der ... Bank AG in Berlin hinterlegten Versicherungsscheins Nr. 521 112, ausgestellt am 9. Dezember 1992 durch die G...L... Lebensversicherung AG, an den Kläger zu bewilligen.

Die weitergehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 2/15 und die Beklagte zu 13/15, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Am 27.03.2002 schlossen die Parteien auf der Grundlage einer privatschriftlichen Vorvereinbarung vom 17.03.2002 einen notariellen Scheidungsfolgen- und Auseinandersetzungsvertrag, in dem sie unter Ziff. II.6 bzgl. eines von der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages die folgende Vereinbarung trafen:

"(...) Zum allgemeinen Vermögensausgleich leistet die Ehefrau (= Beklagte) die Übertragung einer Kapitallebensversicherung bei der G... L... Lebensversicherung AG Policen-Nr. 3 521 112 und wird entsprechend das Versicherungsunternehmen davon unterrichten, dass alle Ansprüche aus dieser Versicherung auf den Ehemann (= Kläger) übertragen werden. Der Wiederkaufswert dieser ruhend gestellten Lebensversicherung beträgt ca. 16.879,66 € . Die Übertragung ist jedoch aufschiebend bedingt durch die Räumungsverpflichtung des Erschienenen zu 1. (= Kläger) in Ziff. III.2 dieser Vereinbarung."

Der unter Ziff. III.2 dieses Vertrages vereinbarten Räumungsverpflichtung kam der Kläger nach.

Durch eine weitere privatschriftliche Vereinbarung vom 16.07.2002 übertrug der Kläger sodann "die ihm übertragenen Rechte aus der Lebensversicherung" zur Absicherung eines Darlehens an eine Frau S... H...; von dieser Vereinbarung trat er dann allerdings mit Schreiben vom 21.05.2004 zurück, weil das Darlehen nicht zur Auszahlung gelangt sei.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 27.03.2002 standen die in Rede stehenden Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag - und damit gemäß § 952 BGB auch das Eigentum an dem Versicherungsschein - nicht der Beklagten, sondern der D... Bank AG in Berlin zu, an die sie die Beklagte zu Sicherungszwecken abgetreten hatte. Angesichts der durch den Vertrag vom 27.03.2002 entstandenen Ungewissheit über die Person des Gläubigers des Rückübertragungsanspruches übertrug diese die ihr übertragenen Rechte nach Erledigung des Sicherungszwecks durch gleichlautende Schreiben vom 06.09.2002 an beide Parteien an diejenige von ihnen zurück, die "materiell berechtigt" sei, und hinterlegte am 14.11.2002, nachdem ihr der Kläger mit Schreiben vom 12.11.2002 auch die Abtretung vom 16.07.2002 an Frau H... angezeigt hatte, den Versicherungsschein zugunsten der Parteien dieses Verfahrens sowie der Frau H... (das Finanzamt ..., zu dessen Gunsten die Hinterlegung zunächst ebenfalls erfolgt war, hat inzwischen Freigabe erklärt).

Mit seiner Klage nimmt der Kläger - nach entsprechender Aufforderung durch die Hinterlegungsstelle (vgl. § 16 Abs. 1 der Hinterlegungsordnung [HinterlO]) - die Beklagte gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Ziff 2 HinterlO auf Freigabe des Versicherungsscheins in Anspruch. Eine entsprechende Klage gegen Frau H..., verbunden mit dem Antrag, diese zu verurteilen, die ihr übertragenen Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an ihn zurückzuübertragen, hat er zeitgleich bei dem für deren Wohnsitz zuständigen Landgericht eingereicht - 31 O 236/04 Landgericht ... -. Das Landgericht hat Frau H... durch am 12.05.2005 verkündetes Urteil antragsgemäß zur Rückübertragung der ihr übertragenen Rechte und zur Freigabe des Versicherungsscheins verurteilt; das Urteil ist seit dem 07.07.2005 rechtskräftig. Zuvor, mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.06.2004 - 4 M 1331/04 Amtsgericht Nauen -, hatte die Beklagte im Zuge der Zwangsvollstreckung aus den in dem Verfahren 20 F 130/02 Amtsgericht Nauen (= 15 UF 130/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht) zu ihren Gunsten gegen den Kläger ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 23.06.2003 und vom 14.11.2003 den Anspruch des Klägers auf Rückübertragung der der Frau H... übertragenen Rechte gepfändet. In jenem Verfahren hatten die Parteien schon einmal in zwei Instanzen um die Rechte aus dem in Rede stehenden Lebensversicherungsvertrag gestritten; das Verfahren endete letztlich damit, dass der Kläger im Senatstermin vom 04.09.2003 die von ihm zur Klärung dieses Sachverhaltes erhobene Klage zurücknahm.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Herausgabe des hinterlegten Versicherungsscheins an ihn zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei schon deshalb nicht materiell berechtigt, weil der Vertrag vom 27.03.2002 allenfalls eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag, nicht aber die Abtretung selbst beinhalte. Selbst wenn man dies anders sähe, dem Vertrag also ein Verfügungsgeschäft in Ansehung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag entnehme, wäre die Abtretung schon deshalb ins Leere gegangen, weil die Rechte seinerzeit nicht ihr, sondern der D... Bank AG zugestanden hätten.

Hilfsweise hat die Beklagte gegenüber einem etwaigen Freigabeanspruch des Klägers Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht, und zwar:

- wegen eines Erstattungs-/Freistellungsanspruchs in Höhe von insgesamt 5.250,00 € unter dem Gesichtspunkt, dass sie Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der H... Bank AG, für die die Parteien gesamtschuldnerisch hafteten, allein zurückgeführt habe bzw. zurückführe;

- wegen der erwähnten titulierten Kostenerstattungsansprüche aus dem Verfahren 20 F 130/02 Amtsgericht Nauen (= 15 UF 130/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht). Nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 12.09.2005 belaufen sich diese Ansprüche einschließlich Kosten und Zinsen auf insgesamt 3.587,65 € ;

- wegen eines Darlehens in Höhe von 5.113,00 € , das ein Herr P... K... dem Kläger im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien am 27.03.2002 gewährt habe. Die Darlehensforderung habe Herr K... im Juni 2005 an sie

- die Beklagte - abgetreten; die Beklagte hat das Darlehen in dem erwähnten Schriftsatz vom 12.09.2005 unter dem Gesichtspunkt einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Klägers seit der Darlehenshingabe außerordentlich gekündigt.

Angesichts dessen, das der Erstattungs-/Freistellungsanspruchs wegen des Darlehens der H...Bank AG sowie die an sie abgetretene Darlehensforderung des Herrn K... nicht tituliert sind, hat die Beklagte widerklagend beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von insgesamt (4.750,00 € + 5.113,00 € =) 9.863,00 € nebst Zinsen sowie zur Freistellung von Zahlungen an die H... Bank AG in Höhe von jeweils 125,00 € für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006 zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hat bestritten, dass ihm Herr K... ein Darlehen gewährt habe.

Das Amtsgericht hat zur Frage der Darlehensgewährung durch Herrn K... Zeugenbeweis erhoben. Mit dem angefochtenen Urteil hat es sodann die Klage abgewiesen, weil der Kläger durch den notariellen Vertrag vom 27.03.2002 keine materielle Berechtigung an den Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag erlangt habe. Auf die Widerklage hat es den Kläger zur Zahlung von 5.113,00 € nebst Zinsen wegen der an die Beklagte abgetretenen Darlehensforderung des Herrn K...verurteilt; auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass dieser Betrag am 27.03.2003 als Darlehen an den Kläger ausgezahlt worden sei. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, die Herausgabe des hinterlegten Versicherungsscheins an ihn zu bewilligen;

2. die Widerklage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Akten 20 F 130/02 Amtsgericht Nauen (= 15 UF 130/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht), 31 O 236/04 Landgericht Berlin und 87 HL 307/02 Amtsgericht Tiergarten (letztere in Ablichtung) haben vorgelegen und sind zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die gemäß § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg. Sie führt - allerdings nur Zug um Zug gegen Erstattung der der Beklagten in dem Verfahren 20 F 130/02 Amtsgericht Nauen (= 15 UF 130/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht) entstandenen Kosten - zur Verurteilung der Beklagten zur Freigabe des Versicherungsscheins sowie zur völligen Abweisung der Widerklage; letztere, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, ist jedenfalls zur Zeit unbegründet.

Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

1.

Im Verhältnis zur Beklagten - und nur darauf kommt es in diesem Verfahren an; dies hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 09.02.2005 - 15 WF 362/04 - im Prozesskostenhilfeverfahren ausgeführt - hat der Kläger die "bessere" Berechtigung an dem hinterlegten Versicherungsschein, so dass die Beklagte grundsätzlich gegenüber der Hinterlegungsstelle dessen Herausgabe an den Kläger zu bewilligen hat. Das gilt selbst dann, wenn man, entsprechend der Auffassung der Beklagten, dem notariellen Vertrag vom 27.03.2002 lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Übertragung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag und nicht bereits eine Verfügung über diese Rechte entnimmt.

a) Welche Rechtsfolgen der Vertrag vom 27.03.2002 in Ansehung der Rechte an der Lebensversicherung hatte, ist wegen der unglücklichen Formulierung von Ziff. II.6 des Vertrages unklar, kann aber dahinstehen, weil alle denkbaren rechtlichen "Szenarien" letztlich zu demselben rechtlichen Ergebnis führen:

- Denkbar ist zum einen, dass der Vertrag tatsächlich nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag enthält. Diese Verpflichtung wäre unstreitig bis zum heutigen Tage nicht erfüllt worden, obwohl die Beklagte jetzt wieder zur Erfüllung in der Lage wäre, nachdem die D...Bank AG ihren Rückübertragungsanspruch aus dem Sicherungsvertrag durch Rückabtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an den "materiell Berechtigten" und Hinterlegung des Versicherungsscheins gemäß §§ 362 Abs. 1, 372 BGB erfüllt hat und die Beklagte dadurch wieder Inhaberin der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag geworden wäre.

- Denkbar ist weiter, dass der Vertrag bereits eine Verfügung über Rechte an der Lebensversicherung enthält. Dann wäre weiter zu bedenken, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Abtretung nicht Inhaberin der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag gewesen ist, sondern diese Rechte zu Sicherungszwecken an die D... Bank AG abgetreten hatte; insoweit wäre die Abtretung also ins Leere gegangen. Zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis gelangte man deshalb nur dann, wenn die Abtretung auch den der Beklagten gegenüber der D... Bank AG zustehenden Rückübertragungsanspruch umfasste; dies war Gegenstand des Rechtstreits 20 F 130/02 Amtsgericht Nauen (= 15 UF 130/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht), ohne dort allerdings abschließend geklärt worden zu sein. Nur in diesem Fall wäre der Kläger Inhaber des Rückübertragungsanspruches geworden; andernfalls wäre die Abtretung auch insoweit ins Leere gegangen.

- Denkbar ist schließlich - allerdings nur dann, wenn der Kläger durch den Vertrag vom 27.03.2002 tatsächlich Inhaber des Rückübertragungsanspruches geworden sein sollte; s.o. -, dass er diesen Anspruch am 16.07.2002 an Frau H... abgetreten hat (weitere Rechte an der Lebensversicherung standen ihm an diesem Tag nicht zu). Dies setzte weiter voraus, dass eine Auslegung der Abtretungsvereinbarung vom 16.07.2002, die nur von den "ihm (= dem Kläger) übertragenen Rechte aus der Lebensversicherung" spricht, ergibt, dass von dieser Formulierung auch der Rückübertragungsanspruch gegenüber der D... Bank AG umfasst war; andernfalls wäre diese Abtretung ebenfalls ins Leere gegangen.

Nur auf diesen möglicherweise abgetretenen Rückübertragungsanspruch kann sich im übrigen auch die Pfändung der Beklagten vom 24.06.2004 - 4 M 1331/04 Amtsgericht Nauen - beziehen. Wenn Frau H... nicht Inhaberin dieses Anspruchs geworden sein sollte, wäre die Pfändung ins Leere gegangen.

b) Je nachdem, welchen der skizzierten rechtliche "Szenarien" man folgt, ergibt sich für den in Rede stehenden Freigabeanspruch folgendes:

- Wäre durch den Vertrag vom 27.03.2002 nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag begründet worden, wäre die Beklagte mit Erfüllung ihres Rückübertragungsanspruches gegen die D...Bank AG durch diese wieder Inhaberin der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag und damit gemäß § 952 BGB auch wieder Eigentümerin des hinterlegten Versicherungsscheins geworden. Angesichts ihrer Verpflichtung, diese Rechte an den Kläger abzutreten und ihm auf diesem Wege auch das Eigentum an dem Versicherungsschein zu verschaffen, wäre die Rechtsposition, Eigentümerin des Versicherungsscheins zu sein, im Verhältnis zum Kläger jedoch nur eine formale, die die Beklagte ihm nicht entgegenhalten könnte, weil dies rechtsmissbräuchlich wäre, § 242 BGB ("dolo agit..."). In diesem Fall würde die "bessere" Berechtigung des Klägers an dem Versicherungsschein auf dessen schuldrechtlichem Anspruch auf Verschaffung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag beruhen, der die Klägerin nach Treu und Glauben daran hindert, sich auf ihr Eigentum an dem Versicherungsschein zu berufen.

- Enthielte der Vertrag vom 27.03.2002 bereits eine Verfügung über Rechte an der Lebensversicherung und würde diese Verfügung auch den Rückübertragungsanspruch gegen die D... Bank AG umfasst haben, wäre der Kläger Inhaber des Rückübertragungsanspruches geworden. In diesem Fall wären die Erfüllungshandlungen der D... Bank AG, die diese auch ihm gegenüber vorgenommen hat, unmittelbar ihm gegenüber wirksam geworden; er wäre mithin durch die Rückübertragung materiell Berechtigter in Ansehung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag und damit auch Eigentümer des Versicherungsscheins geworden und könnte aus diesem Grunde die Freigabe des Versicherungsscheins verlangen.

- Wäre durch die Abtretung vom 16.07.2002 Frau H... Inhaberin des Rückübertragungsanspruches geworden, wäre der Rückübertragungsanspruch zunächst nicht durch Erfüllung erloschen, weil nicht ersichtlich ist, dass die D... Bank AG auch ihr gegenüber eine Rückabtretungserklärung abgegeben hat (die gleichlautenden Schreiben vom 06.09.2002, die jeweils eine Rückabtretungserklärung enthalten, hat die D... Bank AG - soweit ersichtlich - nur an die Parteien dieses Rechtsstreits versandt; zu diesem Zeitpunkt wusste die Bank noch nichts von der Abtretung an Frau H...). Durch das am 12.05.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin wäre Frau H... verpflichtet worden, den Rückübertragungsanspruch wieder an den Kläger abzutreten. Die hierfür erforderlichen Willenserklärungen gelten mit Rechtskraft der Entscheidung als abgegeben, § 894 Abs. 1 Satz 1 BGB; der Kläger wäre mithin am 07.07.2005 wieder Inhaber des Rückübertragungsanspruches geworden. Dieser wäre dann allerdings belastet gewesen mit dem Pfändungspfandrecht der Beklagten, die die der Frau H...abgetretenen Rechte zuvor gepfändet hatte. Hiervon ist auch das Landgericht Berlin ausgegangen, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils dieses Gerichts ergibt.

Jedoch nützt der Beklagten diese Rechtsposition im Ergebnis nichts. Das Pfändungspfandrecht an dem Rückübertragungsanspruch hätte der Beklagten nämlich keine unmittelbare Berechtigung an dem Rückübertragungsanspruch im Sinne einer Rechtsinhaberschaft verschafft, sondern lediglich die Berechtigung, das an den Kläger zurückabgetretene Recht einzuziehen, also von der D... Bank AG Erfüllung des Rückübertragungsanspruches an sich zu verlangen (eingehend hierzu Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., 2005, Rdnr. 66, 68; vgl. auch BGH, NJW 1986, 2430). Dazu konnte es aber nicht mehr kommen, weil die D...Bank AG bereits lange vorher und in Unkenntnis der Pfändung die zur Erfüllung erforderlichen Erklärungen auch gegenüber dem Kläger abgegeben hatte. In der "juristischen Sekunde" des Rechtsübergangs auf den Kläger sind diese Erfüllungshandlungen diesem gegenüber wirksam geworden, mit der Folge, dass der Rückübertragungsanspruch erloschen und das Pfändungspfandrecht der Beklagten gegenstandslos geworden ist. Dies hat das Landgericht Berlin übersehen.

An den Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag, deren Inhaber der Kläger mit Erfüllung des Rückübertragungsanspruches geworden wäre, setzt sich das Pfändungspfandrecht der Beklagten schon deshalb nicht fort, weil Frau H...niemals Inhaberin dieser Rechte gewesen ist.

Mithin wäre der Kläger auch in diesem Fall materiell Berechtigter in Ansehung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag und damit auch Eigentümer des Versicherungsscheins und könnte aus diesem Grunde die Freigabe des Versicherungsscheins verlangen.

2.

Gegenüber dem Freigabeanspruch des Klägers steht der Beklagten allerdings gemäß § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer fälligen Kostenerstattungsansprüche, wie sie durch die rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 23.06.2003 und vom 14.11.2003 tituliert sind, zu, so dass sie nur Zug um Zug gegen Zahlung des insoweit noch offenstehenden Betrages in Höhe von (unstreitig) 3.587,65 € zur Freigabe des Versicherungsscheins zu verurteilen war, § 274 Abs. 1 BGB. Die Ansprüche sind fällig und beruhen auf demselben rechtlichen Verhältnis wie der streitgegenständliche Freigabeanspruch. Das folgt unmittelbar daraus, dass sie in einem Verfahren entstanden sind, in dem die Parteien schon einmal - wenn auch mit nicht ganz kongruenten Anträgen - um die bessere Berechtigung an der in Rede stehenden Lebensversicherung gestritten haben. Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein Zurückbehaltungsrecht auch einem Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung entgegengesetzt werden; das ergibt sich aus §§ 727 Abs. 2, 894 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Weitere Zurückbehaltungsrechte bestehen nicht.

Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Erstattungs-/Freistellungsanspruch unter dem Gesichtspunkt, dass sie Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der H... Bank AG, für die die Parteien gesamtschuldnerisch hafteten, allein zurückgeführt hat bzw. zurückführt. Dies hat das Amtsgericht in I. Instanz festgestellt, indem es die hierauf bezogene Widerklage der Beklagten abgewiesen hat; das Urteil ist insoweit nicht angefochten, so dass diese Entscheidung rechtskräftig ist.

Auch unter dem Gesichtspunkt der an die Beklagte abgetretenen angeblichen Darlehensforderung des Herrn K... ergibt sich nichts anderes. Dabei mag es dahinstehen, ob seinerzeit tatsächlich eine Darlehensverpflichtung begründet worden ist oder ob die Freunde dem Kläger das Geld als "verlorenen Zuschuss" zur Verfügung gestellt haben. Es mag auch dahinstehen, ob die etwaige Darlehensforderung einerseits und der Anspruch des Klägers auf Freigabe des Versicherungsscheins andererseits im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Denn jedenfalls ist die etwaige Darlehensforderung noch nicht fällig. Sämtliche vom Amtsgericht vernommenen Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass nach der gemeinsamen Vorstellung aller Beteiligten eine Rückzahlung "über die Lebensversicherung", die die Beklagte an den Kläger abtreten würde, erfolgen sollte, also aus dem dem Kläger zufließenden Rückkaufswert dieser Lebensversicherung. Der Eintritt der Fälligkeit setzt mithin denknotwendig voraus, dass der Kläger über den Rückkaufswert der Lebensversicherung auch verfügen kann. Dazu benötigt er den hinterlegten Versicherungsschein. Erst wenn dieser zu seinen Gunsten freigegeben ist, kann er ihn dem Versicherer vorlegen und wird dieser - vorbehaltlich anderer von dritter Seite zwischenzeitlich ausgebrachter Pfändungen - den Rückkaufswert an ihn auszahlen; und erst dann stellt sich die Frage, ob der Auszahlungsbetrag zur Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Geldbetrages zu verwenden ist.

An diesem rechtlichen Ergebnis ändert die außerordentliche Kündigung des Darlehens, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.09.2005 ausgesprochen hat, nichts. Die Kündigung, die ausschließlich damit begründet worden ist, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung gemäß § 900 ZPO abgegeben habe, ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung am 12.09.2005 nicht vorgelegen haben. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bewirkt keine Vermögensverschlechterung, sondern dokumentiert nur einen zuvor entstandenen, also bereits bestehenden Zustand. Dass aber der Kläger bereits am 27.03.2002 vermögenslos war, ist unstreitig; dies ist ja der Grund dafür, dass Herr K... und die anderen Freunde sich bereit fanden, dem Kläger zu "helfen", indem sie ihm den in Rede stehenden Geldbetrag zur Verfügung stellten und jedenfalls vor der Auszahlung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung keine Rückzahlung erwarteten.

3.

Aus demselben Grund ist auch die Widerklage, soweit sie nicht bereits durch das Amtsgericht abgewiesen worden ist, jedenfalls zur Zeit unbegründet.

III.

Veranlassung, die Revision zuzulassen, wie es die Beklagte in der Sitzung vom 22.06.2006 angeregt hat, besteht nicht. Der Senat sieht sich in allen angesprochenen Punkten in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: (16.879,66 € + 5.113,00 € =) 21.992,66 €

Ende der Entscheidung

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