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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.09.2009
Aktenzeichen: 15 WF 188/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 81
ZPO § 120
ZPO § 120 Abs. 1
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 S. 2
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 17. Februar 2009 - 44 (40) F 325/03 - aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsgegnerin war mit Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 26.07.2007 Prozesskostenhilfe für ein Ehescheidungsverfahren bewilligt worden, in dem sie von Rechtsanwalt H... aus B... vertreten wurde. Das Hauptsacheverfahren wurde mit Scheidungsverbundurteil vom 21.02.2006 beendet.

Mit Schreiben vom 20.11.2008, das an Rechtsanwalt H... gerichtet war, forderte der Rechtspfleger des Amtsgerichts die Antragsgegnerin auf mitzuteilen, ob sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der letzten Erklärung geändert hätten. Nachdem Rechtsanwalt H... dem Amtsgericht mit Schreiben vom 27.11.2008 mitgeteilt hatte, dass er die Antragsgegnerin nicht mehr vertrete, wiederholte der Rechtspfleger mit Schreiben vom 06.01.2009, das wiederum an den Rechtsanwalt gerichtet war, seine Aufforderung. Die Antragsgegnerin hat keine Erklärung über die Entwicklung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben.

Mit Beschluss vom 17.02.2009 hat das Amtsgericht daraufhin die der Antragsgegnerin bewilligte Prozesskostenhilfe gem. §§ 124 Nr. 2 i.V.m. 120 Abs. 4 ZPO aufgehoben, weil sie trotz mehrfacher Aufforderungen keine Erklärung über ihre aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben habe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Auf das Beschwerdeverfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis zum 31.08.2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden. Danach ist die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Ist gem. § 120 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt, kann diese Entscheidung aufgehoben werden, wenn die Partei bei der Feststellung, ob sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen Verhältnisse verändert haben, nicht mitwirkt (§§ 120 Abs. 4 Ziff. 1; 124 Abs. 2, 2. HS ZPO). Dies setzt indes u.a. voraus, dass die Partei zuvor aufgefordert worden ist, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären, ob und inwieweit sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bewilligung geändert haben (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., Rnr. 10a zu § 124 m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Die Antragsgegnerin ist vor Erlass des Beschlusses vom 17.02.2009 nicht wirksam aufgefordert worden, eine Erklärung i.S.v. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO abzugeben. Vielmehr war die Aufforderung zur Abgabe einer solchen Erklärung allein an den bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens für die Antragsgegnerin bevollmächtigten Anwalt gerichtet. Der Rechtsanwalt war jedoch im Überprüfungsverfahren nicht (mehr) bevollmächtigt, Erklärungen für die Antragsgegnerin entgegenzunehmen. Seine Prozessvollmacht für das Prozesskostenhilfeverfahren endete mit dessen Abschluss auf Grund des Prozesskostenbewilligungsbeschlusses vom 26.07.2007 (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rnr. 28 zu § 120 u. Rnr. 23 zu § 124). Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein vom Hauptsacheverfahren zu unterscheidendes Verwaltungsannexverfahren, das mit der formellen Bestandskraft der PKH-Entscheidung beendet ist. Das Abänderungsverfahren nach § 120 ZPO ist ein hiervon zu unterscheidendes erneutes Verwaltungsverfahren, auf das sich die Prozessvollmacht, die einem Anwalt für das (bereits abgeschlossene) Bewilligungsverfahren erteilt wurde, nicht erstreckt. Mit der Überprüfung gem. § 120 ZPO wird auch nicht etwa das ursprüngliche Bewilligungsverfahren "wieder aufgenommen" (so allerdings BAG, NZA 2006, 354) oder gar "fortgesetzt" (a.A. Brandbg. OLG, 1. u. 2. FamS., FamRZ 2008, 72, 1356). Vielmehr ist das Überprüfungsverfahren ex nunc auf eine Abänderung der getroffenen Bewilligungsentscheidung im Sinne einer Anpassung an veränderte Umstände (vergleichbar dem Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO bzw. § 238 f. FamFG) gerichtet (so auch: OLG Dresden, NJ 2008, 315). Jedenfalls dann, wenn nicht nur das Verwaltungsannexverfahren hinsichtlich der Entscheidung über den PKH-Antrag, sondern auch das Hauptsacheverfahren beendet ist, erstreckt sich eine für das beendete Hauptsache- bzw. Bewilligungsverfahren erteilte Prozessvollmacht nicht auf das Überprüfungsverfahren, weil es sich insoweit nicht um denselben "Rechtsstreit" i.S.d. § 81 ZPO handelt (so zu Recht: OLG Naumburg, FamRZ 2006, 1401; OLG Koblenz, FamRZ 2009, 898; OLG Hamm, MDR 2009, 826).

Der Senat lässt nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zu, da dies angesichts der oben genannten abweichenden Entscheidungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl gleichartiger Fälle auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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