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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 15 WF 265/07
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII, BSHG


Vorschriften:

ZPO §§ 114 ff
ZPO § 115 Abs. 3
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
SGB XII § 94
SGB XII § 94 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbs.
BSHG § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 WF 265/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

des minderjährigen Kindes J... S..., geb. am ... 2006,

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Amtsgericht Neumann - als Einzelrichter -

am 18.09.2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Luckenwalde vom 19. Juli 2007 - 31 F 132/07 - hinsichtlich der Anordnung einer Ratenzahlungspflicht (Ziff. B. II. 1. u. 2. des Tenors) dahin abgeändert, dass die bewilligte Prozesskostenhilfe ratenfrei gewährt wird.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 19.07.2007 hat das Amtsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für seine Vaterschaftsfeststellungsklage bewilligt. Daneben hat es die Zahlung monatlicher Raten von 15,- € mit der Begründung angeordnet, der Kläger habe einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber seinen Großeltern, den er einsetzen müsse.

Gegen die Anordnung der Ratenzahlungspflicht richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Gründe tragen die Entscheidung nicht.

Für die Frage der Bedürftigkeit des Klägers i.S.d. §§ 114 f ZPO kommt es nicht darauf an, ob der Kläger gegenüber seinen Großeltern einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss hat.

Nach einer verbreiteten Meinung (vgl. nur Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., 2006, § 1610, Rdnr. 13; Staudinger/Engler/Kaiser, BGB, Bearb. 2000, § 1610, Rdnr. 136 f; früher auch OLG Koblenz, FamRZ 1997, 263) kann unterhaltsrechtlich - und der Prozesskostenvorschussanspruch ist seiner Natur nach ein unterhaltsrechtlicher Anspruch, gerichtet auf die Abdeckung eines Sonderbedarfs - grundsätzlich auch gegen Großeltern ein Prozesskostenvorschussanspruch in Betracht kommen (a.A. allerdings MünchkommZPO-Wax, 2. Aufl., 2000, § 115, Rdnr. 74; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., 2005, § 115, Rdnr. 67d; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., 2004, § 2 Rdnr. 613; § 6 Rdnr. 24; Philippi, FPR 2002, 479, 480, unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1984, 148, der das Bestehen eines Prozesskostenvorschussanspruchs von einer "besonderen unterhaltsrechtlichen Verantwortung" des Pflichtigen abhängig macht, die im Verhältnis zu Enkeln fehle). Ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist oder nicht, kann dahinstehen, denn selbst wenn dem Kläger ein solcher Anspruch zustünde, könnte er im Prozesskostehilfeverfahren nicht auf dessen Geltendmachung verwiesen werden.

Das Unterhaltsrecht wird durch das Prozesskostenhilferecht überlagert (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 1662, 1663 [zur Begrenzung der Prozesskostenvorschusspflicht, wenn dem Verpflichteten selbst Prozesskostenhilfe mit Raten bewilligt werden müsste]). Da es sich bei der Prozesskostenhilfe um eine der Sozialhilfe vergleichbaren staatliche Sozialleistung handelt, ist ferner, soweit die §§ 114 ff ZPO keine besonderen Regelungen enthalten, jedenfalls insoweit ergänzend das Sozialhilferecht heranzuziehen, als es grundsätzliche sozialrechtliche Wertungen enthält (Staudinger/Engler/Kaiser, a.a.O., Rdnr. 143). Dann aber kommt eine gegenüber der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorrangige Inanspruchnahme von Verwandten zweiten Grades für die Abdeckung dieses Sonderbedarfs auch aus sozialrechtlichen Gründen regelmäßig nicht in Betracht. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 94 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbs. SGB XII (früher § 91 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbs. BSHG).

§ 94 SGB XII regelt - ebenso wie früher § 91 BSHG - allgemein, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange nach bürgerlichem Recht bestehende Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten im Falle der Leistungsgewährung auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Einen solchen Anspruchsübergang kennt das Prozesskostenhilferecht zwar nicht (insoweit zutreffend Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., 2005, Rdnr. 363); jedoch eröffnet es über § 115 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, zu denen auch realisierbare Prozesskostenvorschussansprüche gegen unterhaltspflichtige Angehörige zählen können. Da im Prozesskostenhilferecht im Grundsatz nicht anders gewertet werden kann als im Sozialhilferecht, können letztere allerdings nur insoweit in Betracht kommen, als sie sich gegen solche Angehörige richten, die im Falle eines Sozialhilfebezugs infolge des Anspruchsübergangs auch dem Regress des Trägers der Sozialhilfe ausgesetzt wären (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., 2004, Rdnr. 380; a.A., jedoch ohne überzeugende Begründung, Kalthoe-ner/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O.). Dazu zählen Großeltern nicht. Gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbs. SGB XII ist der Übergang des Anspruchs ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Sozialhilferechtlich beschränkt sich die Inanspruchnahme von Personen, die nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtig sind, also auf Verwandte ersten Grades und Ehegatten. Insoweit tritt auch der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (vgl. § 2 SGB XII) zurück, mit der Folge, dass die nachfragende Person nicht darauf verwiesen werden kann, vorrangig vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe etwaige Unterhaltsansprüche gegen entferntere Verwandte zu realisieren (ausführlich zum Ganzen: Münder in: LPK-SGB XII, 7. Aufl., 2005, § 94, Rdnr. 29, 75, m.w.N.).

An dieser Wertung kann das Prozesskostenhilferecht nicht vorbeigehen. Deshalb kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls im Regelfall nicht von etwaigen Prozesskostenvorschussansprüchen des Klägers gegen seine Großeltern abhängig gemacht werden (ebenso Kalthoener/Büttner/ Niepmann, a.a.O.; jetzt auch OLG Koblenz, FamRZ 1999, 241 [unter Abkehr von der früheren Rechtsprechung desselben Senats; vgl. FamRZ 1997, 263]; ähnlich Staudinger/Engler/Kaiser, a.a.O.).

Ob dies im Einzelfall ausnahmsweise anders beurteilt werden kann - etwa dann, wenn Großeltern in besonderem Maße leistungsfähig sind oder wenn sie unterhaltsrechtliche Verantwortung für den Berechtigten tatsächlich übernommen haben (so OLG Koblenz, a.a.O., S. 242) -, bedarf in diesem Verfahren keiner abschließenden Entscheidung, denn für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls sind Anhaltspunkte nicht zu erkennen.

Das Amtsgericht hat im Beschluss vom 19.07.2007 festgestellt, dass der Kläger weder eigene Einkünfte noch Ansprüche auf Prozesskostenvorschuss gegenüber seiner Mutter hat. Die Sache ist somit entscheidungsreif.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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