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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2001
Aktenzeichen: 15 WF 33/00
Rechtsgebiete: FGG, BRAGO


Vorschriften:

FGG § 49 a
BRAGO § 12
BRAGO § 128 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

15 WF 33/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Kostenfestsetzungssache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gottwaldt, den Richter am Oberlandesgericht Langer und den Richter am Oberlandesgericht Wendtland

am 21. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2000 - Az: 46 F 167/99 - wie folgt abgeändert:

Die dem Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf

798,08 DM

festgesetzt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt macht gegenüber der Staatskasse Gebührenansprüche für die Vertretung der Antragstellerin in dem Ausgangsverfahren (isoliertes Sorgerechtsverfahren) geltend. Der Kostenbeamte hat die angemeldete Beweisgebühr mit der Begründung abgesetzt, die bloße Anhörung des Jugendamtes diene lediglich der Sachverhaltsfeststellung und löse daher eine Beweisgebühr nicht aus. Weiter hat es die mit 10/10 berechneten Gebühren auf die sog. Mittelgebühr (7,5/10 der vollen Gebühr) gekürzt.

Gegen beide Kürzungen richtet sich die Beschwerde. Den Nichtansatz der Beweisgebühr hält der beschwerdeführende Rechtsanwalt grundsätzlich für rechtsfehlerhaft; den Ansatz von vollen 10/10-Verfahrens- und Erörterungs- (Besprechungs-)gebühren hält er für gerechtfertigt, da er im Rahmen umfangreicher Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Scheidung und Folgesachen intensive Gespräche sowohl mit seiner Partei als auch mit dem gegnerischen Prozeßbevollmächtigten habe führen müssen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

1.

Zu Recht geht der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners in seiner Beschwerde davon aus, daß die Anhörung des Jugendamtes grundsätzlich eine Beweisgebühr anfallen läßt.

Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung, daß zur Entstehung der Beweisgebühr im Amtsermittlungsverfahren zu unterscheiden sei zwischen einer Phase vorbereitender, allgemeiner Stoffsammlung und der gezielten Beweiserhebung über Tatsachen, die bei jener Stoffsammlung ungeklärt, insbesondere unter den Beteiligten streitig geblieben sind (so KG RPfleger 1984, 116, 117; OLG München Anwaltsblatt 1998, 669). Ebenfalls vermag sich der Senat nicht der Ansicht anzuschließen, wonach die schriftliche Anhörung des Jugendamtes lediglich zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nach § 49 a FGG erfolge und deshalb nicht als Beweisaufnahme zu werten sei (so OLG Celle, Anwaltsblatt 1986, 254).

Eine Beweisaufnahme im gebührenrechtlichen Sinne liegt dann vor, wenn sich das Gericht zur Ermittlung rechtserheblicher Tatsachen auf Antrag oder - im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz - von Amts wegen eines Beweismittels bedient, um für die gerichtlichen Feststellungen wesentliche Tatsachen zu klären, wobei es der förmlichen Anordnung einer Beweisaufnahme nicht bedarf (BVerfG NJW 1997, 2668 m.w.N.). Das ist (auch) bei der schriftlichen Anhörung des Jugendamtes der Fall. Diese dient nämlich nicht nur der formellen Anhörung eines am Verfahren Beteiligten, sondern auch der Unterrichtung des Gerichts über die für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und der Abgabe einer Stellungnahme zu den in Frage stehenden gerichtlichen Anordnungen. Da das Jugendamt die von ihm selbst ermittelten Tatsachen wie auch jene, die die Parteien vorgetragen haben, aus seiner eigenen Verantwortung als Vertreter der Interessen des Kindes unter Zugrundelegung seiner besonderen Erfahrung selbst dann unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls zu würdigen hat, wenn die Angaben bzw. Anträge der Parteien übereinstimmen, steht seine schriftliche Stellungnahme im gebührenrechtlichen Sinne einem Sachverständigengutachten gleich (OLG Hamm, JurBüro 1979, 700, 701; FamRZ 1999, 1360).

Dieses Ergebnis allein ist auch sach- und interessengerecht. Die schriftliche Stellungnahme des Jugendamtes ist von dem beauftragten Rechtsanwalt genauso wie ein Sachverständigengutachten zur Kenntnis zu nehmen, inhaltlich zu prüfen und mit der Partei zu erörtern. Gegebenenfalls ist von ihm hierauf zu erwidern bzw. sind von ihm Anträge auf - ergänzende - Beweisaufnahme zu stellen. Nach alldem rechtfertigen sowohl die prozessuale Funktion der Stellungnahme des Jugendamtes als auch der mit ihr für den Rechtsanwalt verbundene Aufwand die Gleichstellung mit einem im Zivilprozeß vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten.

2.

Allerdings hat das Amtsgericht zu Recht die geltend gemachten Gebühren in Höhe einer vollen 10/10-Gebühr auf jeweils 7,5/10 (sogenannte Mittelgebühr) gekürzt. Zwar bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren - um solche geht es hier - den Gebührenansatz grundsätzlich nach billigem Ermessen selbst; der Gebührenansatz des Anwalts ist jedoch nicht verbindlich, soweit er bei einer Gesamtabwägung unbillig ist (Hartmann, KostG, 30. Aufl., § 12 BRAGO Rn. 23). So liegt der Fall hier: nach den Bemessungskriterien des § 12 BRAGO kommt lediglich ein Gebührenansatz im unteren Bereich der Rahmengebühr in Betracht. Die Einkommens- und Vermögenssituation des Auftraggebers ist Weit unterdurchschnittlich, so daß ihm ratenfrei Prozeßkostenhilfe zu bewilligen war; das Verfahren selbst war ohne jede rechtliche Schwierigkeit und von minimalem Umfang. Unerheblich ist, ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet, im Rahmen des parallel zum hiesigen - isolierten - Sorgerechtsverfahren geführten Ehescheidungsverfahren einschließlich der Folgesachen "erheblichen Aufwand" hatte. Hierfür erhält er jeweils gesonderte Vergütungen. Daß der Umfang seiner anwaltlichen Tätigkeit im vorliegenden Verfahren auch nur durchschnittlich oder gar überdurchschnittlich gewesen wäre, trägt er substantiiert nicht vor.

Wegen des Verbots der reformatio in peius ist dennoch entsprechend der vom Rechtspfleger vorgenommenen Festsetzung jeweils von der sogenannten Mittelgebühr (7,5/10) auszugehen.

3.

Danach ergibt sich folgende Berechnung (gekürzt gemäß Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt III, Ziffer 26 a zum Einigungsvertrag):

Geschäftsgebühr §§ 123, 118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO 7,5/10 216,00 DM Besprechungsgebühr §§ 123, 118 Abs. 1 Satz 2 BRAGO 7,5/10 216,00 DM Beweisaufnahmegebühr §§ 123, 118 Abs. 1 Satz 3 BRAGO 7,5/10 216,00 DM Post- und Telekommunikation § 26 BRAGO 40,00 DM Zwischensumme 688,00 DM 16% Umsatzsteuer 110,08 DM Gesamtsumme: 798,08 DM.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, § 128 Abs. 5 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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