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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 15 WF 441/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 91a Abs. 1
ZPO § 91a Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 567
ZPO § 767
ZPO § 843
ZPO § 845
ZPO § 845 Abs. 2
ZPO § 930
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 WF 441/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gottwaldt, den Richter am Oberlandesgericht Langer und den Richter am Amtsgericht Neumann

am 7. Mai 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 01.06.2006 - 31 F 99/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien tragen der Kläger 54 % und die Beklagte 46 % der Kosten des Rechtsstreits.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Luckenwalde vom 26.08.2005 wird der Gebührenstreitwert des Verfahrens erster Instanz wie folgt festgesetzt:

bis zum 14.07.2005: 2.659,61 €,

ab dem 15.07.2005: bis 7.000,00 €

3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 51 %, die Beklagte 49 %.

Gründe:

I.

Der Kläger hatte sich mit Prozessvergleich vom 29.9.2004 vor dem Amtsgericht Luckenwalde (Az.: 31 F 403/02) u. a. verpflichtet, an die Beklagte als Zugewinnausgleich 12.079,- € zu zahlen. Auf Antrag der Beklagten hatte das Amtsgericht Luckenwalde am 1.2.2005 wegen einer Restforderung aus diesem Vergleich einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, von dem Lohnansprüche des Klägers gegenüber seinem Arbeitgeber von 5.762,61 € zuzüglich Zinsen und Kosten erfasst waren. Nachdem der Kläger dies gegenüber der Beklagten beanstandet hatte, teilte diese über ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15.2.2005 dem Kläger mit, dass die mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vollstreckte Forderung bis auf einen Teilbetrag von 4.492,48 € "unter Vorbehalt" erloschen sei.

Am 17.03.2005 stellte eine Gläubigerin der Beklagten dem Kläger wegen einer titulierten Forderung von 1.389,48 € ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO zu, mit dem sie die Pfändung des Anspruchs der Beklagten auf Zahlung von Zugewinnausgleich gegenüber dem Kläger in dieser Höhe ankündigte. Mit Beschluss des Amtsgericht Luckenwalde (Az.: 15 M 406/05) vom 01.04.2005 ließ die Gläubigerin diesen Anspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Daraufhin führte der Kläger den gepfändeten Betrag von 1.389,48 € an die Gläubigerin der Beklagten ab. Gleichwohl setzte die Beklagte die Zwangsvollstreckung fort. Sie zog auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 24.02.2005 den Betrag von 1.870,86 €, am 29.03.2005 den Betrag von 1.367,37 € sowie am 27.05.2005 weitere 104,14 € vom Arbeitgeber des Klägers ein.

Der Kläger hatte zunächst mit seiner am 31.03.2005 bei Gericht eingegangenen Vollstreckungsabwehrklage sinngemäß beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Amtsgerichts Luckenwalde vom 29.09.2004 für unzulässig zu erklären, soweit mehr als 3.103,00 € vollstreckt würden. Mit der Begründung, die Beklagte habe im Wege der Zwangsvollstreckung 414,07 € mehr erhalten als ihr zustehe, beantragte er im August 2005 klageerweiternd, die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 3.529,95 € zu verurteilen.

Die Beklagte ist der Vollstreckungsabwehrklage nicht entgegengetreten, soweit mit ihr die Unzulässigkeit der Vollstreckung eines Teilbetrages von 1.393,84 beantragt wurde, im übrigen hat sie Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Erklärung ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.2.2005 sei als teilweiser Vollstreckungsverzicht auszulegen. Der Kläger habe insoweit keine Veranlassung zur Klageerhebung gehabt. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Einreichung seiner Vollstreckungsabwehrklage bis auf den Betrag von 1.493,62 € die Zwangsvollstreckung vollzogen gewesen, die Klage deshalb unbegründet.

Das Zahlungsverbot ihrer Gläubigerin über 1.389,48 € hindere sie nicht daran, Forderungen des Klägers gegen seinen Arbeitgeber einzuziehen.

Nachdem die Beklagte sich außergerichtlich verpflichtet hatte, aus dem vollstreckten Betrag einen Teil von 159,- € dem Kläger zurückzuerstatten, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 1.6.2006 beiden Parteien jeweils 50 % der Gerichtskosten auferlegt, und die außergerichtlichen Kosten gegeneinander aufgehoben.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie unter Abänderung des Beschlusses vom 1.6.2006 eine Kostenverteilung von 69,47 % zu 30,53 % zu Lasten des Klägers anstrebt.

Sie ist der Ansicht, die Kostenentscheidung habe sich daran zu orientieren, wie das Verfahren ohne die übereinstimmend erklärte Hauptsacheerledigung ausgegangen wäre. Da die Vollstreckung zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bis auf einen Teilbetrag von 1.493,62 € abgeschlossen gewesen sei, sei die Vollstreckungsgegenklage von Anfang an über diesen Umfang hinaus unbegründet gewesen.

II.

Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hat sie auch teilweise Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, war über die Kosten gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diesem Maßstab wird die Entscheidung des Amtsgerichts nicht gerecht.

Bei der nach § 91 a Abs. 1 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung ist grundsätzlich darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte. Dabei sind die Umstände, die Anlass zu der Erledigungserklärung gegeben haben, zu berücksichtigen.

A.

Der Kläger wäre nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung aller Voraussicht nach mit seinem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 3.529,95 € wegen zu Unrecht aus dem Prozessvergleich vom 29.9.2004 vollstreckter Forderungen ganz überwiegend unterlegen. Er selbst hat behauptet, die titulierte Forderung sei nur i.H.v. 414,07 € überzahlt. Auch seiner Klagebegründung ist nicht zu entnehmen, woraus sich ein Anspruch auf Rückzahlung von weiteren 3.115,88 € herleiten könnte. Schließlich haben die Parteien sich außergerichtlich auf die Rückzahlung eines Betrages von 159,- € an ihn verständigt. Es erscheint deshalb angemessen, bei der Kostenentscheidung eine Erfolgsaussicht der Leistungsklage lediglich in diesem (geringen) Umfang zu unterstellen.

B.

Hinsichtlich des Teils der Klage, mit dem gemäß § 767 ZPO (teilweise) Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 29.9.2004 gefordert wurde, erscheint es unangemessen, den Kläger mit den Kosten des von der Beklagten veranlassten Verfahrens zu belasten.

Es kann dahinstehen, inwieweit aufgrund der von der Beklagten fortgesetzten Vollstreckung zum Zeitpunkt der Klageeinreichung ein Anspruch auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollsteckung fortbestand. Hätte der Kläger die Klage zurückgenommen, wären der Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen, weil sie durch ihr vorausgegangenes Verhalten Anlass zur Klage gegeben hat. Es wäre auch nicht darauf angekommen, dass der Klagegrund unmittelbar vor Klageeinreichung durch die Fortsetzung der Vollstreckung teilweise weggefallen ist. Anders als die Beklagte meint, können ihr gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch dann die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn der Klageanlass - vom Kläger unbemerkt - bereits vor Einreichung der Klage entfallen ist (Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, Rnr. 18 d zu § 269 m.w.N.). Dafür, dass dem Kläger bei Einreichung der Vollstreckungsgegenklage die zwei Tage zuvor erfolgte Zahlung seines Arbeitgebers von 1.367,37 € an die Beklagte bekannt war, ist dem Vortrag der Parteien nichts zu entnehmen. Einigen sich die Parteien gleichwohl auf eine einvernehmliche Erledigungserklärung, wäre es unbillig, den Kläger mit den Kosten des Verfahrens zu belasten. Vielmehr ist der Rechtsgedanke des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch bei der gem. § 91a ZPO vorzunehmenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., Rnr. 25 zu § 91a).

1. Die Beklagte hat dem Kläger Anlass zu der Vollstreckungsklage gegeben, indem sie selbst erklären ließ, die mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 1.2.2005 vollstreckte Forderung i.H.v. 5.762,61 € bestehe "unter Vorbehalt" nur noch im Umfang von 4.492,48 €. Anders als die Beklagte meint, kann einer derart bedingten Erklärung nicht die Bedeutung eines vorbehaltlosen Pfändungs- und Einziehungsverzichts gem. § 843 ZPO beigemessen werden (OLG München, OLGR 99, 277). Der Vollstreckungsfortsetzung hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.270,13 € konnte der Kläger nur mit der Vollstreckungsgegenklage begegnen.

2. Der Kläger hatte auch Anlass zur Vollstreckungsgegenklage wegen der gemäß § 845 ZPO erfolgten Vorpfändung durch die Gläubigerin der Beklagten i.H.v. 1.389,48 €.

Die Ansicht der Beklagten, das Zahlungsverbot ihrer Gläubigerin gegenüber dem Kläger hindere sie nicht an der Fortsetzung der Vollstreckung aus dem Vergleich, ist unzutreffend. Gemäß § 845 Abs. 2 ZPO hat die Benachrichtigung über die bevorstehende Pfändung die Wirkung eines Arrestes und somit der Beschlagnahme ihrer Zugewinnausgleichsforderung. Auf Grund der Arrestwirkung gem. §§ 845 Abs. 2, 930 ZPO war die Beklagte nicht mehr befugt, diese Forderung vom Kläger einzuziehen (Zöller/ Vollkommer, ZPO, Rnr. 4 zu § 930 ZPO m.w.N.). Mit Überweisung der gepfändeten Forderung wird die Beklagte nur ermächtigt, das Recht des Klägers im eigenen Namen geltend zu machen. Sie wird nicht zur Inhaberin der gepfändeten Forderung (BGH MDR, 1978, 743). Ihr Zugewinnausgleichsanspruch erlischt nicht schon mit der Pfändung und Überweisung, sondern erst mit der Einziehung der Forderung vom Drittschuldner (Zöller/ Stöber, ZPO 26. Aufl., Rnr. 7 zu § 835 m.w.N.). Gegen die mit der Pfändung und Überweisung bewirkte (alleinige) Einziehungsbefugnis kann der Kläger jedoch die Arrestwirkung der Vorpfändung nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen (BAG, NJW 1997, 1868).

Mithin entspricht es unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens wie folgt zu verteilen:

a. Wert der Vollstreckungsgegenklage: 2.659,61 € (1.270,13 € + 1.389,48 €)

Den Anteil der hierdurch verursachten Verfahrenskosten trägt die Beklagte.

b. Wert des Leistungsklageantrages: 3.529,95 €

Der Kläger trägt die hinsichtlich eines Teilwertes von 3.370,95 verursachten Verfahrenskosten, die Beklagte hinsichtlich 159,- €.

Die Beklagte hat demnach einen Anteil von 46 % [(2.659,61 € + 159,00 € : (3.529,95 + 2.659,61 €) x 100] der Verfahrenskosten zu tragen.

III.

Nach alldem ist die Wertfestsetzung, die das Amtsgericht für das erstinstanzliche Verfahren mit Beschluss vom 26.08.2005 vorgenommen hat, unrichtig. Sie war gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu ändern.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 92 ZPO.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: bis zu 600,- €.

Ende der Entscheidung

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