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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 2 U 13/06
Rechtsgebiete: StHG, BauGB, EStG, BGB, GG, ZPO, OBG, BauO 1998, BauO NRW, VwVfG, HOAI


Vorschriften:

StHG § 1
StHG § 1 Abs. 1
StHG § 2
StHG § 3 Abs. 3
BauGB § 34
BauGB § 34 Abs. 1
EStG § 7 Abs. 4 Nr. 1
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 34
ZPO § 256 Abs. 1
OBG § 11 Abs. 1
OBG § 11 Abs. 2
OBG § 38
OBG § 38 Abs. 1
OBG § 38 Abs. 1 lit. b
OBG § 39 Abs. 1
OBG § 39 Abs. 2 lit. a
OBG § 39 Abs. 4
OBG § 41 Abs. 1
OBG § 44 Abs. 2 Satz 1
BauO 1998 § 63 Abs. 1 Satz 1
BauO NRW § 60 Abs. 2
VwVfG § 48
HOAI § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 13/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 30.01.2007

verkündet am 30.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2006 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Farke sowie die Richter am Oberlandesgericht Deller und Welten

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Januar 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 6 O 277/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges einschließlich der Kosten der Streithilfe hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Landkreis zuletzt noch die Feststellung der Ersatzpflicht für den Schaden, der ihm infolge der rechtswidrigen Erteilung einer Baugenehmigung entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Kläger betrieb auf einem Grundstück in S... einen Getränkemarkt und beantragte im Januar 1994 aufgrund einer Bauplanung des Streithelfers die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau/Anbau zum Zwecke des Betriebs einer Kleingaststätte mit Pension. Diese wurde ihm mit Bescheid vom 16. Februar 1994 erteilt, unter anderem verbunden mit der mit Schreiben des Beklagten vom 25. Februar 1994 gesondert erteilten Auflage, die benötigten Stellplätze sowie die Zustimmung des Nachbarn zur Grenzbebauung beziehungsweise zur Rücksetzung des Küchenbaus nachzuweisen. Auf der Rückseite des von dem Beklagten für die Erteilung der Baugenehmigung verwendeten Formulars heißt es unter Ziff. 8 der "Hinweise für den Bauherrn": "Von der etwaigen Einlegung eines Widerspruchs werden Sie verständigt". Unter dem 2. März 1994 erhoben drei Nachbarn Widerspruch gegen die Baugenehmigung, ohne dass der Kläger hiervon Kenntnis erlangte. Nach erfolgter Rohbauabnahme am 28. März 1994 teilte der Beklagte dem Kläger mit einem ihm am 21. April 1994 bekannt gegebenen Schreiben vom 19. April 1994 unter Hinweis auf eine fernmündliche Unterrichtung mit, es lägen vier Nachbarwidersprüche vor und ordnete zugleich an, dass "die Bauarbeiten bis zum Entscheid der Widerspruchsbehörde mit sofortiger Wirkung einzustellen" seien. Weiter heißt es in diesem Schreiben sinngemäß, die Gemeinde habe sich erneut positiv zur Baumaßnahme geäußert und den Widersprüchen könne durch die untere Bauaufsichtsbehörde nicht abgeholfen werden. Auf Antrag des Klägers stellte das Verwaltungsgericht ... mit Beschluss vom 25. April 1994 die aufschiebende Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs gegen diese Stilllegungsverfügung wieder her. Unter dem 26. April 1994 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Anordnung der Baueinstellung, über den bislang nicht entschieden ist. Im Zeitraum nach Erlass der Stilllegungsverfügung führte der Kläger an dem Bauvorhaben nur noch Malerarbeiten aus, deren Kosten er mit maximal 20.000,00 DM beziffert.

Nachdem das zuständige Landesamt am 19. Mai 1995 die Nachbarwidersprüche zurückgewiesen hatte, hob das Verwaltungsgericht ... mit Urteil vom 8. Dezember 1999 auf Antrag der klagenden Nachbarn die dem Kläger erteilte Baugenehmigung auf; dieses Urteil ist nach Ablehnung der Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. November 2001 rechtskräftig. Seit mehr als zehn Jahren nutzt der Kläger den Bau mit Ausnahme des 30 Plätze umfassenden Gesellschaftsraums, dessen Nutzung ihm mit Bescheid des Beklagten vom 8. September 2003 untersagt worden ist, entsprechend dem Inhalt der ihm ursprünglich erteilten Baugenehmigung.

Der Kläger hat seinen Schaden zunächst mit Investitionskosten in Höhe von 434.927,62 € sowie Finanzierungskosten über 129.207,49 € beziffert und hiervon mit der Klage zunächst einen nicht näher bezifferten Teilbetrag in Höhe von 198.000,00 € nebst Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes geltend gemacht. Er hat behauptet, von ernsthaften Widerständen der Nachbarn keine Kenntnis gehabt zu haben, auch habe ihn der Beklagte über die Widersprüche zu spät informiert. Eine Inanspruchnahme des Streithelfers sei wegen dessen fehlenden Verschuldens nicht Erfolg versprechend. Trotz der jahrelangen Nutzung des Objekts sei ihm schon deshalb ein Schaden entstanden, weil für eine weitere Nutzung die Rechtssicherheit nicht gegeben sei; jedenfalls seit der Nutzungsuntersagung für den Gesellschaftsraum könne er die Gaststätte nur noch eingeschränkt nutzen.

Nach Rücknahme seines Schmerzensgeldantrages und Umstellung der Klage hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm infolge der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung vom 16. Februar 1994 bezüglich seines Grundstückes ... in S... entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, sowohl die Klageänderung als auch der letztendlich gestellte Feststellungsantrag seien unzulässig, weil der Klageanspruch beziffert werden könne. Ferner hat er die Auffassung vertreten, seinen Mitarbeitern falle ein Verschulden bei Erteilung der Baugenehmigung nicht zur Last. Im Übrigen habe die erteilte Baugenehmigung schon deshalb keine Verlässlichkeitsgrundlage für die getätigten Investitionen dargestellt, weil sie ausdrücklich unter der Auflage einer Zustimmung der Nachbarn erteilt worden sei, an deren Nachweis es bis heute fehle. Jedenfalls sei der Kläger aufgrund seines überwiegenden Eigenverschuldens für den Schaden allein verantwortlich. Hierzu hat der Beklagte behauptet, der Kläger habe schon vor Beginn der Bauarbeiten Kenntnis von Nachbarwiderständen gehabt. Ferner sei dem Kläger ein Schaden nicht entstanden, da der Beklagte nicht beabsichtige, eine Nutzungsuntersagungs- oder Abrissverfügung zu erlassen. Die Untersagung der Nutzung des Gesellschaftsraumes beruhe allein darauf, dass der Kläger diesen abweichend von seinem Baugenehmigungsantrag genutzt habe. Zuletzt komme eine Haftung gemäß dem Staatshaftungsgesetz (StHG) nicht in Betracht, weil dem Kläger mit dem Anspruch gegen den Streithelfer eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zur Verfügung stehe.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 5. Januar 2006 nach dem Feststellungsantrag des Klägers erkannt und die uneingeschränkte Schadensersatzpflicht des Beklagten festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Feststellungsantrag sei zulässig, weil der Kläger seinen Schadensersatzanspruch (noch) nicht endgültig beziffern könne. Aufgrund der jahrelangen Nutzung des Objekts seien seine Aufwendungen für die Investition bislang nicht frustriert, vielmehr ziehe er nach wie vor Nutzen daraus. Damit verringere die laufende Nutzung den möglichen Schaden in dem Maße, wie sich im Zuge einer betriebswirtschaftlichen Amortisation die "Vergeblichkeit" der Investitionen reduziere. Es sei daher zurzeit überhaupt nicht absehbar, ob die gesamten baulichen Investitionen des Klägers einschließlich der Finanzierungskosten tatsächlich umsonst aufgewandt worden seien. Zugleich bestehe aber diese Möglichkeit, weil die Nachbarn den Beklagten unter Umständen durch das Verwaltungsgericht verpflichten lassen könnten, eine Nutzungsuntersagung auszusprechen.

Den Feststellungsantrag hat das Landgericht gemäß § 1 StHG für begründet erachtet, weil der Beklagte in vollem Umfang schadensersatzpflichtig sei. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig, wie infolge der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bindend feststehe. Auf ein Verschulden von Amtswaltern komme es nicht an. Ein anderweitiger Ersatzanspruch im Sinne des § 3 Abs. 3 StHG bestehe ungeachtet der Pflicht des Architekten, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, nicht. Es fehle nämlich an einem Verschulden des planenden Streithelfers, der zwar die einschlägigen Vorschriften des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts kennen und diese im Rahmen seiner Planung umsetzen müsse, jedoch nicht zuständig für die Klärung und Lösung schwieriger Rechtsfragen, insbesondere kein Rechtsberater des Bauherren sei. Im Streitfall sei die Aufhebung der Baugenehmigung vom Verwaltungsgericht auf Umstände gestützt worden, die der Streithelfer nicht zu vertreten habe, etwa die Unklarheit, welche Pläne der Baugenehmigung zu Grunde gelegen hätten. Gleiches gelte im Ergebnis für die Frage, ob sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfüge. Da maßgeblich die Frage gewesen sei, ob die Größe der Gastwirtschaft noch der Versorgung der näheren Umgebung diene, sei entscheidend gewesen, in welchem Umkreis die Grenze für die nähere Umgebung zu ziehen sei. Da zu diesem Punkt auch eine von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweichende Auffassung zur Ausdehnung der "näheren Umgebung" und damit zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Gaststätte vertretbar sei, könne dem Architekten ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden.

Weiter hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Stilllegungsverfügung anrechnen lassen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führe selbst ein dem Bauherrn bekannter Widerstand der Nachbarschaft gegen sein Bauvorhaben nicht dazu, die Verlässlichkeitsgrundlage einer erteilten Baugenehmigung entfallen zu lassen. Von den Nachbarwidersprüchen selbst habe der Kläger bis zum Erlass der Stilllegungsverfügung keine Kenntnis gehabt; wegen der unterbliebenen Information falle Amtswaltern des Beklagten insoweit eine weitere und eigenständige Pflichtverletzung zur Last. Ungeachtet dessen, dass der Kläger sich ab dem Erlass der Stilllegungsverfügung einen hälftigen Mitverursachungsanteil anrechnen lassen müsse, stehe dies einer vollständigen Haftung des Beklagten ausnahmsweise nicht entgegen. Der Umstand, dass der Kläger nach Erlass der Stilllegungsverfügung weitergebaut und damit den "Schaden" bei erster Besicht erhöht habe, schlage sich in der Haftungsquote im Ergebnis nicht nieder. Denn nur durch diese weiteren Investitionen habe er überhaupt die Grundlage dafür geschaffen, den Bau für einen Zeitraum von bislang circa zehn Jahren gewerblich zu nutzen. Da ihm während der Nutzungszeit kein Schaden entstanden sei, habe er gerade durch die seiner Schadensminderungspflicht an sich widersprechenden weiteren Investitionen nach dem 19. April 1994 einen Schadenseintritt (bislang) verhindert, jedenfalls die Schadenshöhe minimiert. Ausgehend von einer gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz anzusetzenden Amortisationsrate in Höhe von jährlich drei Prozent für bauliche Investitionen sei der drohende Schaden nach einer zehnjährigen Nutzung bereits auf 70 Prozent der Investitionsund Finanzierungskosten reduziert. Unter Zugrundelegung eines auf Erfahrungswerten beruhenden Verhältnisses der Rohbaukosten zu den Ausbaukosten sowie der hälftigen Mitverursachungsquote des Klägers im Zeitraum nach Erlass der Stilllegungsverfügung, in dem nur noch der Ausbau erfolgt sei, ergebe sich eine Mithaftungsquote des Klägers am Gesamtschaden im Umfang von 30 Prozent. Dieser Anteil sei indes durch die Schadensreduzierung um 30 Prozent infolge der Nutzung über mehr als zehn Jahre bereits "erledigt", sodass der Beklagte für den noch bestehenden Schaden (von 70 Prozent) allein zu haften habe.

Gegen das ihm am 17. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 17. Februar 2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis Ostermontag, den 17. April 2006, mit einem am 18. April 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er ist der Auffassung, die Feststellungsklage sei unzulässig. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 2. September 2004 seinen Schaden mit 717.522,67 € beziffert; schon daraus folge, dass ihm die Geltendmachung eines bezifferten Schadensersatzbetrages möglich sei.

Im Übrigen habe das Landgericht verkannt, dass wohl ein Anspruch nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG als auch aus § 1 StHG bereits auf Tatbestandsebene entfalle, weil es für den Kläger an einer Verlässlichkeitsgrundlage für die getätigten Investitionen gefehlt habe.

Die Baugenehmigung scheide als Vertrauensgrundlage aus, wenn dem Bauherrn bekannt sei, dass Nachbarn gegen diese nicht von vorneherein aussichtslose Widersprüche eingelegt hätten oder diese einlegen werden, er aber dennoch sein Bauvorhaben durch weitere Investitionen vorantreibe. Dies habe er unter Beweisantritt vorgetragen. Nach Auffassung des Beklagten kommt jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Stilllegungsverfügung der Baugenehmigung keine Vertrauenswirkung mehr zu. Spätestens damit hätten sich die nachbarlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung als gravierend dargestellt. Weiterhin stehe dem Staatshaftungsanspruch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gemäß § 3 Abs. 3 StHG entgegen. Der Streithelfer habe jedenfalls seine Pflicht verletzt, den Bauherren auf zu erwartende Nachbarwiderstände hinzuweisen.

Schließlich komme ein Ersatzanspruch gegen die Verfahrensbevollmächtigte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Stilllegungsverfügung in Betracht. Diese hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Baueinstellungsverfügung nicht bedeute, dass die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens geklärt sei. Selbst wenn man von einer Haftung dem Grunde nach ausgehen wolle, müsse der Mitverursachungsanteil des Beklagten wegen des überwiegenden Mitverschuldens des Klägers vollständig zurücktreten. Wenn der Kläger in Kenntnis gravierender Nachbarwiderstände das Bauvorhaben weiter betreibe, habe er sich den eingetretenen Schaden selbst zuzuschreiben. Die Erwägungen des Landgerichts zur Frage der Bemessung der Haftungsquote seien nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 198.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2001 zu zahlen sowie

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm den weiteren Schaden zu ersetzen,

der ihm durch die rechtswidrig erteilte Baugenehmigung vom 16. Februar 1994 bezüglich seines Grundstückes ..., S..., Gemarkung T..., Flur 4, Flurstück 62, entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, die Stilllegungsverfügung vom 19. April 1994 könne schon deswegen nicht zur vollständigen Entlastung des Beklagten führen, weil zu diesem Zeitpunkt das Gebäude nahezu fertig gestellt und nur noch unbedeutende Restarbeiten zu erledigen gewesen seien.

Der hilfsweise bezifferte Teilschaden in Höhe von 198.000,00 € beziehe sich auf den Gesellschaftsraum, dessen Nutzung zwischenzeitlich untersagt worden sei. Wegen der Bezifferung dieses Schadens bezieht er sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Die Akten 3 K 388/95, Verwaltungsgericht ..., sowie die Verwaltungsvorgänge 63/1/00057/94 K (1270/94) des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Ersatzpflicht des Beklagten für die Schäden des Klägers ausgesprochen, die ihm infolge der rechtswidrigen Erteilung der Baugenehmigung vom 16. Februar 1994 entstanden sind und noch entstehen.

1. Die Klage ist mit dem erhobenen Feststellungsbegehren gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ohne weiteres zulässig. Insbesondere steht ihr - anders als der Beklagte meint - nicht entgegen, dass der Kläger seine Investitionskosten, die den Ausgangspunkt seiner Schadensberechnung bilden, beziffern kann und in diesem Rechtsstreit auch bereits beziffert hat. Entscheidend ist - worauf der Beklagte in der Klageerwiderung selbst hingewiesen und das Landgericht zutreffend abgestellt hat -, dass der Schaden aufgrund der jahrelangen Nutzung der Baulichkeit nicht mit den Investitionskosten gleichzusetzen und daher gegenwärtig noch nicht endgültig zu beziffern ist. Ist aber ein Schaden noch nicht entstanden oder in seinem Umfang nicht zu beziffern, weil er sich noch in der (hier mit der zunehmenden Nutzugsdauer zurückgehenden) Entwicklung befindet, so ist der Feststellungsantrag insgesamt zulässig und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch im Hinblick auf einzelne Schadenspositionen teilweise beziffern lässt (vgl. nur Zöller, Rn. 7 a zu § 256 ZPO m. w. N.). Daher ist im Streitfall insbesondere unschädlich, dass im Hinblick auf die untersagte Nutzung des Gesellschaftsraums ein Schaden möglicherweise schon entstanden ist.

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet, weil der Beklagte für den Schaden einzustehen hat, der dem Kläger infolge der rechtswidrigen Erteilung der Baugenehmigung vom 16. Februar 1994 entstanden ist und noch entstehen wird. Das Landgericht hat die Ersatzpflicht des Beklagten auf den Haftungstatbestand des § 1 Abs. 1 StHG gestützt. Durchgreifende Bedenken hiergegen weist die Berufung nicht auf; jedenfalls lässt sich der Anspruch auf § 38 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden - Ordnungsbehördengesetz (OBG; vom 13. Dezember 1991, GVBl. 1991 S, 636, zurzeit geltend in der Fassung vom 21. August 1996, GVBl. I S. 266, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2006, GVBl. I S. 188) - stützen.

2.1. Gemäß § 38 Abs. 1 lit. b OBG ist der Schaden, den jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme einer Ordnungsbehörde erleidet, zu ersetzen, gleichgültig, ob die Behörde ein Verschulden trifft oder nicht. Der Anwendungsbereich dieser ordnungsrechtlichen Entschädigungsnorm ist auch in Ansehung der Tätigkeit der brandenburgischen Bauordnungsbehörden eröffnet. Insoweit entspricht die Rechtslage in Brandenburg derjenigen nach dem Ordnungsbehördengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), dessen Verwaltungsaufbau im Bereich der (Vollzugs-) Polizeibehörden und der Ordnungsbehörden Vorbild für das Land Brandenburg war und durch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen nachgezeichnet wurde (vgl. Müller, Ordnungs-Behörden-Gesetz für das Land Brandenburg, Kommentar, 1992, Einleitung a.E.). Zu § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW, der dem § 38 Abs. 1 lit. b OBG und der Vorschrift auch im Übrigen wörtlich entspricht, hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung der zuständigen Oberlandesgerichte bereits vielfach entschieden, dass dieser als Anspruchsgrundlage auch bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln der Baubehörden in Betracht kommt (vgl. etwa BGHZ 125, 258 m. w. N.; sowie - jeweils dokumentiert bei juris - Beschluss vom 29. Juni 1989, III ZR 274/88, m. w. N.; Beschluss vom 16. Januar 1992, III ZR 18/90; Beschluss vom 27. Februar 1992, Az.: III ZR 204/90; NJW 1993, 2615, 2616; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2001, 18 U 233/01, dokumentiert bei BeckRS 2006, Nr. 11375; OLG Köln, Urteil vom 14. Mai 1992, 7 U 136/91, dokumentiert in der Entscheidungsdatenbank des Landes NRW, www.justiz.nrw.de/nrwe). Die Bauordnungsbehörden in Brandenburg sind Sonderordnungsbehörden im Sinne des § 11 Abs. 1 OBG, da ihnen nach der Landesbauordnung auf dem Sachgebiet des Bauordnungsrechts Aufgaben der Gefahrenabwehr übertragen sind. Dies ist in § 51 Abs. 1 Satz 1 BauO 2003 in Fortführung von § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO 1998 ausdrücklich klargestellt. Aber auch für die zum Zeitpunkt der Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung maßgebliche Bauordnung in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 1990 (GVBl. DDR I, S. 929), welche erst ab dem 1. Juli 1994 durch die BauO 1994 (GVBL. I S. 126) abgelöst wurde, gilt in der Sache nichts anderes. Anknüpfungspunkt für die Stellung als Sonderordnungsbehörde ist nicht ihre Bezeichnung als solche, sondern gemäß § 11 Abs. 1 OBG allein der Umstand, dass der Behörde durch das jeweilige Fachrecht - hier die Bauordnung - Aufgaben der Gefahrenabwehr zugewiesen sind. Dementsprechend werden die Baubehörden bei der Entscheidung über Baugesuche auch und gerade als (Sonder-) Ordnungsbehörden tätig. Maßgebliche Rechtsgrundlage bilden dabei nach § 11 Abs. 2 OBG die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht in anderen Gesetzen oder Verordnungen Abweichendes bestimmt ist.

Ausgehend hiervon erfolgt die Bescheidung eines Baugesuchs nicht nur in Wahrnehmung der Aufgaben einer Sonderordnungsbehörde; vielmehr liegt darin - gerade auch in der Erteilung einer Baugenehmigung - zugleich eine ordnungsbehördliche Maßnahme im Sinne des § 38 Abs. 1 lit. b OBG gegenüber dem antragstellenden Bauherrn. Dies folgt daraus, dass der Begriff der "Maßnahme" in diesem Sinne bewusst weit gefasst ist und auch begünstigende Verwaltungsakte einschließt (vgl. wiederum zum gleich lautenden § 39 Abs. 1 lit b OBG NRW die oben zitierten Entscheidungen des BGH, Beschluss vom 29. Juni 1989, III ZR 274/88; zum Inaussichtstellen einer positiven Entscheidung über eine Bauvoranfrage: Beschluss vom 16. Januar 1992, Az.: III ZR 18/90; Beschluss vom 27. Februar 1992, Az.: III ZR 204/90; zum Bauvorbescheid: OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der Senat sieht mit Rücksicht auf die insoweit wortgleichen Bestimmungen des brandenburgschen Landesrechts keinen Anlass, die Rechtslage abweichend zu beurteilen. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 60 Abs. 2 BauO NRW die den Bauaufsichtsbehörden obliegenden Aufgaben ausdrücklich als solche der Gefahrenabwehr "gelten", wogegen es in der Bauordnung des Landes Brandenburg an einer entsprechenden Regelung fehlt. Hieraus lässt sich schon nicht der Schluss ziehen, die Tätigkeit der Brandenburger Bauordnungsbehörden sei nur dann als Gefahrenabwehr anzusehen, soweit der Erlass "klassischer" Ordnungsverfügungen (Eingriffe) wie etwa Baueinstellungsverfügungen oder Abrissverfügungen in Rede steht. Einer solchen Betrachtungsweise steht nämlich entgegen, dass auch die Baugenehmigung materiell dem Recht der Gefahrenabwehr zuzuordnen ist. Die gesamte Tätigkeit der Bauordnungsbehörden besteht darin, die Einhaltung des formellen und materiellen Baurechts sicherzustellen und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Hierzu zählt namentlich auch die Erteilung einer Baugenehmigung, welche das auf die Prüfung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften abzielende Genehmigungsverfahren abschließt. Außerdem darf trotz des (formalen) Charakters der Baugenehmigung als begünstigendem Verwaltungsakt nicht unbeachtet bleiben, dass der grundrechtlich verbürgte Anspruch auf ihre Erteilung bei Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften gleichsam nur der "Ausgleich" für das generelle Bauverbot ist und dieses zugleich rechtfertigt. Betrachtet man den Gesamtzusammenhang zwischen präventivem Bauverbot als grundrechtsbeschränkendem Akt einerseits und "begünstigender" Baugenehmigung andererseits erschließt sich ohne weiteres der gefahrenabwehrende Charakter des Baugenehmigungsverfahrens und auch der Baugenehmigung selbst. Weiterhin hat der Gesetzgeber mit der Fassung des § 38 Abs. 1 lit. b OBG die Anwendung der Entschädigungsnorm gerade nicht auf "klassische" Ordnungsverfügungen beschränkt, wie der Begriff der "Maßnahme" etwa im Vergleich zu lit. a der Vorschrift zeigt, der an die "Inanspruchnahme" anknüpft.

Der Anspruch nach § 38 OBG richtet sich gemäß §§ 41 Abs. 1, 44 Abs. 2 Satz 1 OBG gegen den beklagten Landkreis.

2.2. Die Erteilung der Baugenehmigung war rechtswidrig. Dies steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Veraltungsgerichts mit Bindungswirkung für dieses Verfahren fest.

Auf das Verschulden eines Amtswalters kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 38 Abs. 1 lit. b OBG nicht an. Da der dort geregelte Anspruch eine spezialgesetzliche Ausprägung des gewohnheitsrechtlichen Entschädigungsanspruchs infolge "enteignungsgleichen Eingriffs" darstellt, der eine pflichtwidrige Handlung im Sinne von persönlicher Vorwerfbarkeit gerade nicht voraussetzt, besteht kein Anhalt für eine solch weitgehende und dem Wortlaut entgegenstehende Einschränkung (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Im Übrigen wäre im Streitfall eine solche Pflichtwidrigkeit im amtshaftungsrechtlichen Sinne auch festzustellen. Zwar stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine schuldhafte (Amts-) Pflichtverletzung dar; vielmehr ist für eine pflichtgemäße Amtshandlung ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Amtswalter auf der Grundlage einer sorgfältigen tatsächlichen und rechtlichen Prüfung zu einer Rechtsansicht kommt, die als vertretbar angesehen werden kann. Diesen Anforderungen genügte der Erlass der Baugenehmigung im Streitfall nicht. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts beruht die Rechtswidrigkeit der vom Beklagten erteilten Baugenehmigung auf zwei Gesichtspunkten, nämlich einmal der fehlenden Bestimmbarkeit ihres Regelungsinhalts sowie der grundsätzlichen planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens.

Wie sich aus den zeichnerischen Darstellungen des Bauantrages ergibt, bestanden zwei Planungsvarianten, nämlich mit dem Stand "10/93" und "1/94". Diese unterschieden sich im Wesentlichen in Bezug auf die Lage (und Größe) der Gaststättenräume, nämlich entweder im Bereich des bestehenden Getränkemarktes oder in dem zu errichtenden Neubau. Einen "Grünstempel" weisen die Pläne nicht auf, sodass letztlich offen ist, welches Vorhaben vom Beklagten genehmigt worden ist. Darin liegt jedenfalls eine Pflichtwidrigkeit bei Erteilung der Baugenehmigung, deren Bestimmtheit den Kerngehalt des Verwaltungsgakts betrifft.

Aber auch hinsichtlich der Entscheidung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 BauGB beruht die Erteilung der Baugenehmigung auf einer Pflichtverletzung. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht in einem Hinweisbeschluss hierzu ausgeführt, der Beklagte müsse mit Rücksicht auf die objektiv feststehende Rechtswidrigkeit zunächst darlegen, dass seinen Amtswaltern ein Verschulden nicht zur Last falle. Dies gilt jedenfalls im Rahmen der sekundären Darlegungslast, weil die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine tatsächliche und rechtliche Prüfung vor Erteilung der Genehmigung stattgefunden hat, den Bereich des Beklagten betrifft, dessen Kenntnis sich dem Kläger vollständig entzieht und der auch in der Bauakte nicht ausreichend dokumentiert ist. Der Vortrag des Beklagten lässt jedoch offen, welcher Einzugsbereich der geplanten Gaststätte der Beurteilung zu Grunde gelegt wurde und auf welcher Tatsachengrundlage dies beruhte. Auch die Behauptung, die Größe der Gaststätte habe in vertretbarer Weise die Annahme gerechtfertigt, das Vorhaben diene (noch) der Versorgung des Gebiets, ist jedenfalls vor dem Hintergrund unzureichend, dass es an einer nachvollziehbaren Eingrenzung des Gebietes offenbar fehlte und das Verwaltungsgericht gerade beanstandet hatte, eine Beschränkung der Gaststättengröße auf ein der Versorgung des Gebiets noch dienendes Maß ergebe sich aus der Baugenehmigung nicht.

Damit sind zugleich die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben wie auch einer Haftung nach § 1 Abs. 1 StHG, wobei für letztere offen bleiben kann, ob dieser Tatbestand mehr erfordert als nur die objektive Rechtswidrigkeit der zu Grunde liegenden Maßnahme.

2.3. Der Haftung steht auch nicht entgegen, dass die Baugenehmigung schon keine "Verlässlichkeitsgrundlage" für die Investitionen des Klägers bot.

Zunächst liegt der zu befürchtende Schaden nicht außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Amtspflicht (vgl. zu diesem schon den Tatbestand begrenzenden Kriterium: BGH NVwZ 1995, 620). Zwar soll die Baugenehmigung den Bauherrn nicht vor allen denkbaren wirtschaftlichen Nachteilen bewahren, die mit der Durchführung des Bauvorhabens verbunden sind (etwa die fehlende Benutzbarkeit eines vorhandenen Trinkwasseranschlusses, BGH a.a.O.) So liegt der Streitfall aber nicht. Die Rechtswidrigkeit der Genehmigung betrifft vielmehr den Kern der bauplanungsrechtlichen Prüfung und damit die ureigene Aufgabe der Genehmigungsbehörde, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften festzustellen.

Auch rechtfertigen die weiteren Umstände nicht die Annahme, der Anspruch sei schon auf Tatbestandsebene ausgeschlossen. Zwar ist in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass nicht nur objektive, sondern auch subjektive Gesichtspunkte der Annahme eines haftungsrechtlich schutzwürdigen Vertrauens bereits in einer den Haftungstatbestand als solchen ausschließenden Weise entgegenstehen können (vgl. BGH, NZBau 2004, 103f). Solche subjektiven Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten sind etwa in Betracht zu ziehen, wenn der Verwaltungsakt mit Mängeln behaftet ist, die nach § 48 VwVfG seine entschädigungslose Rücknahme rechtfertigten (a.a.O.). Unter den gegebenen Umständen ist ein Totalverlust des Anspruchs bereits auf Tatbestandsebene nicht gerechtfertigt.

Das Argument des Beklagten, der Kläger habe vor Erteilung der Genehmigung mit dem Bau begonnen, trägt nicht. Zwar handelt der Bauherr bei einem vorzeitigen Baubeginn auf eigene Gefahr und außerdem mit Rücksicht auf den die Baufreigabe erst verfügenden Teil der Baugenehmigung "formell" illegal. Er kann folglich einen Schaden, der ihm - etwa bei Ablehnung der Baugenehmigung - gerade infolge des zu frühen Beginns der Bauarbeiten entsteht, nicht ersetzt verlangen. Anders liegt es jedoch, wenn die Baugenehmigung wie im Streitfall tatsächlich erteilt wird. Sofern die Baugenehmigung überhaupt eine hinreichende Verlässlichkeitsgrundlage darstellt, ist es haftungsrechtlich unerheblich, ob der Bauherr vor oder nach ihrer Erteilung den Bau in Angriff nimmt. Einer Beweisaufnahme über den bestrittenen Vortrag des Beklagten bedarf es daher nicht.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, der Kläger habe schon deshalb nicht auf die Rechtmäßigkeit seines Baus setzten dürfen, weil er eine Auflage zur Baugenehmigung nicht erfüllt, nämlich die "Zustimmung der Nachbarn" nicht eingeholt habe. Dieser Vortrag, der sich auf das Schreiben des Beklagten vom 25. Februar 1994 bezieht, mit dem nachträglich (weitere) Auflagen zur Baugenehmigung erteilt wurden, findet in dem unstreitigen Sachverhalt keine Stütze. Wie sich bereits aus dem Schreiben selbst ergibt, betraf die Auflage nicht die Zustimmung "der" Nachbarn, sondern allein "des" Nachbarn und bezog sich ausdrücklich auf den geplanten Bau der Küche auf der Grenze zum Nachbargrundstück. Wenn der Beklagte darauf abstellen wollte, der Kläger habe nach dem Inhalt dieser Auflage gerade die Zustimmung derjenigen Nachbarn einholen müssen, die schließlich Widerspruch eingelegt haben, wäre dies unzutreffend. Wie der Kläger in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Schreibens vom 25. Februar 1994 wiederholt und unwidersprochen vorgetragen hat, bezog sich die Auflage allein auf die Zustimmung des Nachbarn, dessen Grundstück eine gemeinsame Grenze zum Baugrundstück des Klägers aufweist. Das ist, wie sich aus dem Lageplan (Bl. 31 der Baugenehmigungsakte) ergibt, der Eigentümer des Flurstücks 61. Insoweit steht aber aufgrund des unstreitigen Vortags des Klägers fest, dass die Zustimmung durch Eintragung einer entsprechenden Baulast zu Lasten des Flurstücks 61 längst erfolgt ist. Eine beglaubigte Abschrift aus dem Baulastverzeichnis befindet sich mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt ebenfalls in der Baugenehmigungsakte (Bl. 61). Auch wenn die Eintragung auf die "Darstellung nach dem Lageplan" Bezug nimmt und nicht bekannt ist, welcher Lageplan gerade der Baulasteintragung zu Grunde lag, stützt die Urkunde den unstreitigen und im Übrigen auch nahe liegenden Vortrag des Klägers, dass die Auflage damit erfüllt war, die Baulast sich also auf die Grenzbebauung bezog. Dementsprechend ist auch weder vom Beklagten noch vom Verwaltungsgericht je beanstandet worden, der Kläger sei einer Auflage nicht nachgekommen. Ebenso unstreitig ist der Vortrag des Klägers, sämtliche Widerspruchsführer hätten keine gemeinsame Grenze mit seinem Grundstück, sondern wohnten - wie sich auch aus dem Rubrum des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergibt - zwar in derselben Straße wie der Kläger, aber "einige Hausnummern" weiter. Auch daher erscheint es ausgeschlossen, gemäß der Auflage hätten diese Nachbarn eine Zustimmung zur Grenzbebauung erteilen müssen.

Die Kenntnis von einem - ohnehin nicht näher qualifizierten - "Nachbarwiderstand" kann im Streitfall ebenso nicht zu einem Totalverlust des Anspruchs schon auf Tatbestandsebene führen. Aus den vom Landgericht ausgeführten Gründen vermag allein die Kenntnis davon, dass Nachbarn unter Umständen Widerspruch einlegen werden, die Verlässlichkeitsgrundlage der Baugenehmigung nicht in einem Maße zu erschüttern, welches es rechtfertigen würde, allein den Bauherrn mit dem Risiko ihres Bestandes zu belasten. Maßgeblich war im Genehmigungsverfahren mit § 34 BauGB die Prüfung einer zentralen Norm des Bauplanungsrechts. Da es kraft ihrer gesetzlichen Aufgaben gerade der Baugenehmigungsbehörde obliegt, die Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts richtig anzuwenden, ist es nicht gerechtfertigt, das hiermit verbundene "Rechtsanwendungsrisiko" einseitig auf den Adressaten der Baugenehmigung zu verlagern. Die nicht zu leugnenden Schwierigkeiten, welche die im Rahmen der Rechtsanwendung zu treffenden Wertungen mit sich bringen können, stehen dem nicht entgegen, sondern sprechen gerade dafür, den Beklagten als Baugenehmigungsbehörde nicht auf Kosten des Klägers zu entlasten. Gerade bei Vorhaben, die bauplanungsrechtlich "schwierig" sind und auf Widerstand stoßen, besteht ein evidentes Interesse des Bauherrn daran, dass durch die Erteilung der Baugenehmigung die Rechtmäßigkeit des Vorhabens geklärt und verbindlich festgestellt wird. Nur eine solche Sichtweise trägt hinreichend dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Baugenehmigungspflicht um ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt handelt: Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein auch grundrechtlich (Art. 14 GG) verbürgter Anspruch auf Genehmigung. Werden dieser (Bau-) Freiheit aber Grenzen durch eine generelle Genehmigungspflicht gesetzt, so geht es nicht an, das Risiko einer Fehlbeurteilung vollständig auf den Bauherrn abzuwälzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Fehlbeurteilung den Kernbereich des öffentlichen Baurechts betrifft. Dies hat der Bundesgerichtshof wiederholt klargestellt (BGH NJW 2002, 432ff.) und sich damit insbesondere gegen eine Fehlinterpretation seiner "Mühlheim-Kärlich-Entscheidung" (NJW 1997, 2174) gewandt, auf die sich die Beklagte beruft. Eine andere Beurteilung ist auch nicht gerechtfertigt, weil der Kläger einen Architekten eingeschaltet hatte (vgl. BGH, NZBau 2004, 103f, betreffend die Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung an eine Architekten GbR).

Würde man dies anders beurteilen, müsste dem Bauherrn zugemutet werden, nach Erteilung der Baugenehmigung abzuwarten, ob Nachbarn Widerspruch einlegen und im Anschluss möglicherweise ein mehrjähriges Verfahren vor den Verwaltungsgerichten führen. Dies erscheint besonders vor dem Hintergrund unzumutbar, das Dritte gemäß der Bauordnung im Genehmigungsverfahren nur ausnahmsweise, nämlich bei Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen von zwingenden Vorschriften zu beteiligen sind. Auch die Nachbarschaft erfährt daher regelmäßig - wie offenbar auch im Streitfall - überhaupt erst durch die Aufnahme der Bauarbeiten von dem Vorhaben und seiner Genehmigung. Finge der Bauherr aber nicht an zu bauen, um auf mögliche Widersprüche zu warten, bestünde für Dritte mangels Kenntnis von der Genehmigung regelmäßig gar kein Anlass, Widerspruch einzulegen. Hinzu kommt im Streitfall, dass der Beklagte den Kläger nicht einmal von der Erhebung der Widersprüche in Kenntnis gesetzt hat. Dies hätte nicht nur seinen Amtspflichten entsprochen, sondern insbesondere auch den von ihm selbst auf der Baugenehmigung formularmäßig erteilten Hinweisen an den Bauherrn.

Schließlich hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZBau 2004, 103f.) zu Recht darauf abgestellt, dass selbst die Einlegung eines Rechtsbehelfs das schutzwürdige Vertrauen des Bauherrn nicht vollständig in Wegfall bringe, sondern lediglich zu einer größeren Eigenverantwortung führe, der über § 254 BGB Rechnung zu tragen sei. Hiermit setzt sich die Berufung inhaltlich nicht auseinander, wenn sie die Auffassung des Landgerichts unter Hinweis auf ältere Urteile des Bundesgerichtshofs pauschal als "unhaltbar" bezeichnet.

Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Landgericht zu Recht davon abgesehen, Beweis über die Behauptung zu erheben, der Kläger sei über den zu erwartenden Widerstand der Nachbarn informiert gewesen.

Zuletzt stellen den Haftungstatbestand auch nicht die vom Verwaltungsgericht erhobenen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung in Frage. Der Umstand, dass der Baugenehmigung in Verbindung mit den Bauunterlagen nicht ohne weiteres zu entnehmen ist, welche Planung genehmigt wurde, vermag die Vertrauensgrundlage der Baugenehmigung nicht in einem die Haftung des Beklagten ausschließenden Maße zu erschüttern. Zwar kann im Einzelfall zweifelhaft sein, ob eine Baugenehmigung, deren Inhalt wegen widersprüchlicher Pläne nicht eindeutig bestimmbar ist, Grundlage für die Inangriffnahme eines Bauvorhabens sein und schutzwürdiges Vertrauen auf ihren Bestand vermitteln kann. Abgesehen davon, dass einiges dafür spricht, jedenfalls aus Sicht des Bauherrn sei die letzte und aktuelle Planungsvariante Gegenstand der Genehmigung, ergibt sich auch aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts nichts dafür, dass gerade die Lage der verschiedenen Nutzungen innerhalb des Gebäudes bauplanungsrechtliche oder nachbarrechtliche Spannungen auslöste. Materiellrechtlich scheiterte das Vorhaben ausschließlich an der Frage der Nutzungsart, der Größe der Gaststätte und der Ausdehnung des maßgeblichen Gebietes, dessen Versorgung diese zu dienen bestimmt sein sollte und durfte. Insoweit wiesen die Planungsvarianten jedoch keinen Unterschied auf. Im Übrigen durfte der Kläger davon ausgehen, ihm sei die Nutzugsart "Gaststätte mit Pension" genehmigt worden. Unklarheiten hinsichtlich der "Planungsvariante" hätten - bei einer Rechtmäßigkeit des Vorhabens im Übrigen - ohne weiteres durch nachträgliche Genehmigung behoben werden können; an ihnen wäre das Projekt jedenfalls nicht endgültig gescheitert.

Aus den dargelegten Gründen kommt eine vollständige Haftungsfreistellung des Beklagten - unbeschadet der Frage der Schadensminderungspflichten des Klägers - auch nicht ab Zugang der Stilllegungsverfügung vom 19. April 1994 in Betracht. Zwar erhielt der Kläger nunmehr Kenntnis davon, dass Widersprüche eingelegt waren. Darüber ging der Inhalt des Schreibens, welches noch nicht einmal in Bescheidform gekleidet war und dementsprechend auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, nicht hinaus. Damit bot das Schreiben für den Kläger keine Grundlage, eine (negative) Prognose über den Ausgang der Widerspruchsverfahren anzustellen. Es ist noch nicht einmal ersichtlich, ob dem Kläger die Widersprüche selbst zur Kenntnis gegeben wurden, er sich also mit deren Begründung hätte auseinandersetzen können. Im Gegenteil dokumentierte es die Auffassung der unteren Bauaufsichtsbehörde, dass die Widersprüche unbegründet seien und enthielt ferner den Hinweis, die Gemeinde habe "erneut die Baumaßnahme positiv bestätigt". Damit war es eher geeignet, mögliche Bedenken des Klägers auszuräumen als diese zu bestätigen.

2.4. Der Anspruch ist auch nicht wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ausgeschlossen. Für den Anspruch aus § 38 Abs. 1 lit. b OBG folgt dies schon daraus, dass dieser anders als der Anspruch nach § 839 Abs. 1 BGB und nach § 1 StHG (vgl. §§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB beziehungsweise § 3 Abs. 3 StHG) nur ausgeschlossen ist, "soweit der Geschädigte auf andere Weise Ersatz erlangt hat" (§ 38 Abs. 2 lit. a OBG). Zur entsprechenden Regelung des § 39 Abs. 2 lit. a OBG NRW hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Dezember 1986, Az.: III ZR 242/85, dokumentiert bei juris) ausgeführt: "Diese Regelung ist bewusst abweichend von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, der bereits eine anderweitige Ersatzmöglichkeit für den Ausschluss des Ersatzanspruchs genügen lässt, getroffen worden. Das Gericht, das über den Entschädigungsanspruch nach § 39 Abs. 1 NRWOBG zu entscheiden hat, darf nur berücksichtigen, was die Kl. bereits endgültig erlangt hat".

Dabei hat es im Streitfall sein bewenden, soweit der Anspruch auf § 38 OBG gestützt ist.

Im Übrigen tritt der Senat auch im Hinblick auf die Frage, ob dem Kläger anderweitige Ersatzansprüche zustehen, der Auffassung des Landgerichts bei. Zwar obliegt es dem Architekten ohne Zweifel, in sich widerspruchsfreie Bauvorlagen einzureichen. Allerdings ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass aus den bereits angeführten Gründen entscheidend für die Rechtswidrigkeit des Vorhabens letztlich allein die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der beabsichtigten Nutzung war und nicht die Lage der Räume innerhalb des Vorhabens. Mit Rücksicht darauf, dass - abgesehen von der planungsrechtlichen Problematik - anderweitige Genehmigungshindernisse nicht ersichtlich und auch im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht erwähnt werden, hätte ein allein in der Vorlage unterschiedlicher Planungsvarianten liegender Pflichtverstoß des Architekten die Realisierbarkeit des Vorhabens insgesamt nicht verhindert und wäre damit folgenlos geblieben; damit lässt sich ein Haftungsanspruch gegen den Streithelfer hierauf nicht stützen.

Soweit die Haftungsfrage das Erstellen einer genehmigungsfähigen Planung angeht, welche der Architekt dem Auftraggeber zweifellos schuldet, hat das Landgericht mit überzeugender Begründung ausgeführt, dass es mit Rücksicht auf die Beantwortung schwieriger bauplanungsrechtlicher Fragen und Wertungen jedenfalls an einem Verschulden des Streithelfers fehle. Dieser braucht insoweit nicht "klüger" zu sein als die Genehmigungsbehörde. Eine Haftung des Streithelfers wäre auch nicht gegeben, wenn er Hinweise auf bauplanungsrechtliche Bedenken unterlassen haben sollte. Es ist nicht Aufgabe des Architekten, dem Bauherrn von der Ausnutzung einer Baugenehmigung abzuraten, deren Rechtswidrigkeit sich ihm nicht aufdrängen muss.

Auch ein unterstellter Pflichtverstoß der vom Kläger mit der Vertretung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Baueinstellungsverfügung betrauten Rechtsanwältin würde eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht begründen. Dieser hätte nämlich jedenfalls nicht zu einem Schaden des Klägers geführt. Eine solche (unterstellte) Pflichtverletzung der Rechtsanwältin konnte sich nur auf den Zeitraum nach Erlass der Stilllegungsverfügung vom 19. April 1994 beziehen. Der Umstand, dass der Kläger das Bauvorhaben nach diesem Zeitpunkt nicht unvollendet gelassen sondern fertig gestellt hat, führte - wie unten auszuführen ist - unter den besonderen Umständen dieses Falles gerade nicht zu einer Erhöhung des Schadens, sondern mit Rücksicht auf die hierdurch ermöglichte jahrelange Nutzung zu seiner Reduzierung.

2.5. Der damit grundsätzlich gegebene Anspruch auf Ersatz des infolge der rechtswidrigen Genehmigungserteilung erlittenen Schadens ist auch nicht infolge eines anspruchsmindernden Mitverschuldens nach § 39 Abs. 4 OBG beziehungsweise §§ 2 StHG oder 254 Abs. 1 BGB zu kürzen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass den Kläger ein zurechenbarer Mitverursachungsanteil bis zum Erlass der Stilllegungsverfügung gar nicht treffe, er sich ab diesem Zeitpunkt aber grundsätzlich eine hälftige Mithaftung anrechnen lassen müsse, die sich allein wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht anspruchsmindernd auswirke. Dem tritt der Senat im Ergebnis bei.

Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass der Bauherr jedenfalls bis zur Kenntnis von Nachbarwidersprüchen grundsätzlich und uneingeschränkt auf den Bestand der Baugenehmigung vertrauen darf. Ob dies ausnahmsweise anders zu beurteilen ist, richtet sich nach den Unständen des Einzelfalls.

Soweit im Streitfall die Baugenehmigung über die planungsrechtliche Problematik hinaus auch deswegen notleidend war, weil sie sich auf widersprüchliche Bauvorlagen bezog und damit inhaltlich unklar war, vermag dies ein Mitverschulden des Klägers nicht zu begründen. Wie bereits ausgeführt hätte dieser Mangel für sich genommen einer Realisierung des Vorhabens nicht entgegengestanden; außerdem durfte der Kläger die erteilte Genehmigung dahin verstehen, dass der aktuelle Planungsstand genehmigt sei. Auch ein dem Kläger zurechenbares Verschulden seines Architekten, des Streithelfers, kann darin nicht gesehen werden. Dass dieser die Baugenehmigung entgegennahm, ohne den Kläger auf die Unbestimmtheit des genehmigten Vorhabens hinzuweisen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem unstreitigen Vortrag des Streithelfers war er mit den Leistungsphasen 1 bis 4 nach § 15 HOAI beauftragt; dazu zählt in LPH 4 lediglich die Einreichung der Genehmigungsunterlagen bei der Behörde, aber keine Leistung nach Erteilung der Baugenehmigung, die im Streitfall auch an den Kläger persönlich adressiert war.

Auch im Hinblick auf die planungsrechtliche Problematik ist ein Mitverursachungsanteil des Klägers bis zum Erlass der Stilllegungsverfügung nicht gegeben. Vom Kläger selbst kann eine eigene Kenntnis des Bauplanungsrechts ohnehin nicht erwartet werden. Allein der vom Beklagten behauptete Widerstand in der Nachbarschaft rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger habe das Bauvorhaben nicht in Angriff nehmen dürfen. Vielmehr durfte er sich auf das der Erteilung der Genehmigung zu Grunde liegende Ergebnis der bauaufsichtsrechtlichen Prüfung durch den Beklagten verlassen. Der vom Beklagten nicht näher erläuterte "Widerstand" besagt nichts darüber, worauf dieser im Einzelnen gestützt wurde. Dies schließt eine eigene "Prüfung" der zu Grunde liegenden Erwägungen und damit der Erfolgsaussichten eines solchen Widerstandes seitens des Bauherrn aus.

Auch ein (Mit-) Verschulden des Streithelfers braucht sich der Kläger insoweit nicht zurechnen zu lassen. Grundsätzlich war das beabsichtigte Vorhaben auch nach dem Gebietscharakter der Umgebung genehmigungsfähig. Daher konnten planungsrechtliche Bedenken allenfalls die konkrete Größe des Projekts betreffen. Dass diese im Rahmen der Genehmigung von dem Beklagten nicht begrenzt wurde, fällt in einem überwiegenden und die Alleinhaftung rechtfertigenden Maße dem Beklagten zur Last. Aus den bereits dargelegten Gründen ist für eine Verpflichtung des Streithelfers, nach Erteilung der Genehmigung für den Kläger tätig zu werden, nichts ersichtlich.

Für den Zeitraum nach Erlass der Stilllegungsverfügung, das heißt richtigerweise ab deren Bekanntgabe am 21. April 1994, ist mit dem Landgericht an sich eine hälftige Haftung anzunehmen. Dies führt im Normalfall dazu, die Feststellung der Ersatzpflicht mit der Maßgabe auszusprechen, dass bezüglich der nach diesem Zeitpunkt getroffenen Vermögensdispositionen nur hälftiger Ersatz beansprucht werden kann. Der Streitfall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der Kläger gerade durch die Fertigstellung des Bauvorhabens in die Lage versetzt wurde, dieses seit mehr als zehn Jahren wirtschaftlich zu nutzen. Unabhängig von der Berechnung im Einzelnen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass dadurch der Schaden gemindert wurde, weil die Aufwendungen im Umfang der Nutzung nicht vergeblich waren. Dies zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel. Soweit es aber im Rahmen des § 39 Abs. 4 OBG beziehungsweise nach den anderen hier maßgeblichen Vorschriften darauf ankommt, ob der Geschädigte den Schaden teilweise mitverursacht hat, ist durchaus maßgeblich, ob ein bestimmtes, den Schaden bei erster Sicht auslösendes oder erhöhendes Verhalten diesen bei einer nachträglichen Betrachtung tatsächlich erhöht oder nicht sogar zu seiner Reduzierung geführt hat. Letzteres ist hier der Fall.

Dies folgt aus dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Klägers, er habe nach Erlass der Stilllegungsverfügung nur noch 10.000,00 bis 20.000,00 DM investiert. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die Rohbauabnahme bereits am 28. März 1994 erfolgt war. Dass der Schaden durch die Nutzung innerhalb von zehn Jahren um mindestens diesen Betrag reduziert wurde, ist mit Rücksicht auf die Höhe der gesamten Investition nicht zweifelhaft (§ 287 ZPO). Damit hat der Beklagte im Ergebnis aber in vollem Umfang für den Schaden des Klägers einzustehen.

Allerdings vermag der Senat insoweit dem angefochtenen Urteil nur im Ergebnis, nicht in der Begründung sowie hinsichtlich der zu Grunde liegenden Berechnung zu folgen. Abgesehen davon, dass sich mit Rücksicht auf den unstreitigen Vortrag des Klägers zu den nach dem 19. April 1994 getätigten Investitionen ein Verhältnis der Roh- und Ausbaukosten von 40 Prozent zu 60 Prozent gerade nicht feststellen lässt, ist die Begründung des angefochtenen Urteils nicht schlüssig. Danach soll der Kläger seinen Haftungsanteil von 30 Prozent an den Gesamtkosten durch die Ermöglichung der schadensmindernden Nutzung über 10 Jahre, die das Landgericht ebenfalls mit 30 Prozent ansetzt, gleichsam "abgelöst" haben. Dies würde allerdings bedeuten, dass sich die Minderung des Gesamtschadens durch die Nutzung der Baulichkeiten ausschließlich auf den Haftungsanteil des Klägers ausgewirkt haben würde. Für eine solche Annahme besteht aber keine Grundlage, weil die Reduzierung des Gesamtschadens in gleicher Weise auch der Beklagten zugute kommen müsste.

Gleichwohl erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als zutreffend. Denn der unstreitige Sachvortrag der Parteien rechtfertigt die Feststellung, dass der Weiterbau nach Erlass der Stilllegungsverfügung, den Schaden wegen der zurückliegenden und im Wesentlichen bestimmungsgemäßen Nutzung des Gebäudes nicht erhöht, sondern verringert hat. Dann hat aber das Verhalten des Klägers nach dem 19. April 1994, dessen Beurteilung bei der Frage nach einem anspruchsmindernden Mitverschulden zu beurteilen ist, gerade nicht zu einer Erhöhung des Schadens geführt, sondern diesen im Gegenteil reduziert. Folglich fehlt es an einer Grundlage für die Annahme eines anspruchsmindern Mitverschuldens.

2.6. Der Anspruch nach § 38 OBG umfasst mit der Entschädigung für den unmittelbaren Vermögensschaden nach § 39 Abs. 1 OBG in Fällen der rechtswidrigen Erteilung einer Baugenehmigung den Ersatz im Vertrauen auf deren Bestand getätigter Aufwendungen (OLG Köln, Urteil vom 14. Mai 1992, OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2003, jeweils a.a.O.). Dass dem Kläger danach nicht entschädigungsfähige Schadenspositionen entstanden wären, ist nicht ersichtlich und wäre - abgesehen davon, dass die Haftung des Beklagten auch auf §§ 1 StHG, 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG beruht - erst in einem Verfahren über die Höhe des Ersatzanspruchs zu klären.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Vorschrift des § 38 OBG um revisibles Recht handelt, sind die hiermit verbundenen grundsätzlichen Rechtsfragen, soweit sie sich in diesem Rechtsstreit stellen, durch die zitierte obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Im Übrigen handelt es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, ohne dass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder andere in § 543 Abs. 2 ZPO genannte Gründe eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern würden.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 317.470,49 € festgesetzt (vom Kläger angegebene Gesamtkosten in Höhe von 566.911,58 €, hiervon geschätzte 70 Prozent wegen Schadensreduzierung durch zwischenzeitliche Nutzung: 396.838,11 €; hiervon 80 Prozent wegen des Feststellungsantrags: 317.470,49 €).

Ende der Entscheidung

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