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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: 2 U 29/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BbgStrG, BbgWG


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 539
ZPO § 540
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
EGZPO § 26 Nr. 5
EGZPO § 26 Nr. 7
BbgStrG § 9 Abs. 1
BbgStrG § 9 Abs. 4 Satz 1
BbgStrG § 9 Abs. 1 Satz 2
BbgStrG § 10 Abs. 1 Satz 1
BbgStrG § 10 Abs. 2 Satz 2
BbgWG § 64 Abs. 1
BbgWG § 68 Abs. 1
BbgWG § 66 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 29/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12. März 2002

verkündet am 12. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Farke sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und Kosyra

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 11 O 490/99 - nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren ab dem 29. Februar 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. in Verbindung mit § 26 Nr. 5 EGZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt, da das angefochtene Urteil auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht, § 539 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil das beklagte Land nicht verpflichtet sei, für eine Straßenentwässerung zu sorgen, die auch extremen Witterungsbedingungen standhalte. Am Schadenstag, dem 7. Juni 1998, sei es zu einem extrem hohen Niederschlag gekommen, für dessen Folgen das beklagte Land deshalb nicht einzustehen habe. Zu dieser Würdigung ist der Einzelrichter aufgrund mangelhafter Beweiswürdigung gelangt, die zu einem teil weisen Übergehen des klägerischen Vorbringens geführt hat. Die hierin liegenden schweren Verfahrensfehler führen zu einem Mangel des angefochtenen Urteils, aufgrund dessen der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht gemäß § 539 ZPO Gebrauch macht, da eine eigene Entscheidung angesichts der in erster Instanz nur mangelhaft durchgeführten Tatsachenfeststellung nicht sachdienlich erschien (§ 540 ZPO).

Dem Kläger könnte ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 GG gegenüber dem beklagten Land zustehen. Das Grundstück des Klägers liegt an der Landesstraße L. Für diese ist das beklagte Land Träger der Straßenbaulast gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BbgStrG. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG haben die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten. Diese Verpflichtung obliegt ihnen als Amtspflicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BbgStrG sind die technischen Bestimmungen und die anerkannten Regeln der Baukunst und Technik zu beachten. Zur Straßenbaulast gehört die ordnungsgemäße Entwässerung der Straßen (Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 13 Ziff. 28.1). Allerdings liegt die Zuständigkeit für die Abwasserbeseitigung im allgemeinen bei der jeweiligen Gemeinde, §§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 1 BbgWG. An die Stelle der Gemeinde kann je nach Satzungsinhalt ein Abwasserzweckverband treten, § 68 Abs. 1 BbgWG. Die Zuständigkeit der Gemeinde für die Abwasserbeseitigung im allgemeinen läßt jedoch nicht die Verantwortlichkeit des Landes als Straßenbaulastträger für die Entwässerung der Straße zurücktreten. Eine Befreiung von den Verpflichtungen aus der Straßenbaulast soll das Brandenburgische Wassergesetz nicht bewirken, da insoweit keine spezielle Regelung getroffen worden ist. Aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten ergibt sich, daß die Verpflichtung des beklagten Landes als Baulastträger sich ausschließlich darauf bezieht, Regenwasser, das unmittelbar auf den Straßenkörper auftrifft, ordnungsgemäß abzuleiten. Entwässern auch anliegende Grundstücke auf die Straße, so hat für eine ordnungsgemäße Versickerung oder Kanalisation nicht der Träger der Straßenbaulast Sorge zu tragen. Soweit ihm jedoch die Verpflichtung obliegt, unmittelbar auf die Straße auftreffendes Regenwasser zu beseitigen, ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen der Amtshaftung, daß der Träger der Straßenbaulast im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben den Bürgern, die die Straße nutzen bzw. als Grundstücksanlieger von ihr betroffen werden, keine Schäden zufügen darf. Für Fehler bei Planung, Herstellung oder Betrieb von Straßen, die zu Schädigungen Dritter führen, haftet demnach der Straßenbaulastträger aus Amtshaftungsgrundsätzen. Es treffen ihn deshalb auch Schutzpflichten zugunsten der Anlieger.

Der Kläger macht geltend, die behaupteten Überschwemmungsschäden auf seinem Grundstück beruhten zum einen auf dem Fehlen der Straßenentwässerung, zum anderen auf der Änderung der Straßenoberfläche durch das beklagte Land. Soweit er rügt, das Landgericht habe fehlerhaft das Sachverständigengutachten verwertet und das ursprüngliche Beweisthema geändert, greifen diese Vorwürfe allerdings nicht durch. Der Kläger hat in erster Instanz keinerlei Einwände gegen das Gutachten vorgebracht, sondern lediglich aus diesem Schlußfolgerungen gezogen, die der Einzelrichter nicht teilen konnte. Die Änderung des Beweisthemas ist nicht gesondert anfechtbar.

Soweit der Kläger in der Sache geltend macht, die im Zuge der Bauarbeiten aufgebrachte neue Deckschicht auf der Straße habe die Möglichkeit der Versickerung von Regenwasser ungünstig beeinflußt, hat sich das angefochtene Urteil mit seiner Argumentation nicht auseinandergesetzt und sein Vorbringen übergangen. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil allerdings nicht, da nach derzeitigem Sachstand festgestellt werden kann, daß die Baumaßnahmen für den Überschwemmungsschaden nicht kausal geworden sind. Durch die Veränderung der Deckschicht mag die Straßenoberfläche durchaus im Vergleich zum vorherigen Zustand geglättet worden sein. Aufgrund des von dem Sachverständigen D in erster Instanz insoweit erstatteten schriftlichen Gutachten kann jedoch festgestellt werden, daß der ebenere Belag keine meßbaren Auswirkungen auf das Versickerungsverhalten des Oberflächenwassers am Schadenstag hatte. Der Sachverständige führt nachvollziehbar und widerspruchsfrei aus, daß die Muldenverluste, die durch Vertiefungen in einer Oberfläche gebildet werden, geringer geworden sein dürften als vor der Erneuerung der Deckschicht. Die Muldentiefe betrüge in aller Regel 1 bis 2 mm und könne deshalb allenfalls Bedeutung für geringfügige Niederschläge gewinnen. Für ein fünfjähriges Bemessungsregenereignis oder auch für weit seltener vorkommende stärkere Regenfalle sei diese Veränderung des Muldenverlustes jedoch wegen der großen Niederschlagshöhe und Niederschlagsdauer bedeutungslos. Diese Angaben des Sachverständigen, die auch vom Kläger nicht substantiell angegriffen werden, sind durchaus nachvollziehbar. Daß bei erheblichem Regen geringfügige Änderungen in der Oberflächenstruktur das Ablauf- und Versickerungsverhalten nicht nennenswert beeinflussen können, liegt auf der Hand. Warum dies nicht so sein soll, wie der Kläger auch in zweiter Instanz vermutet, legt er nicht sachlich dar, so daß von den zutreffenden Feststellungen des Sachverständigen auszugehen ist.

Auch die Veränderung der Höhenlage der Straße, die der Kläger in erster Instanz selbst nicht einmal behauptet hatte, hat nicht zu einer meßbaren ungünstigen Veränderung geführt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten unter Bezugnahme auf ein Schreiben des beklagten Landes an die Klägervertreter vom 2. September 1998 ausgeführt, es habe eine leichte Veränderung der Höhenlage der Straße stattgefunden. Diese Feststellung hat sich der Kläger im Schriftsatz vom 22. Februar 2001 zu eigen gemacht, allerdings ohne seinen Vortrag zu konkretisieren. Weder gibt er an, an welchen Stellen der Straßenbelag erhöht worden sein soll, noch macht er Ausführungen zum Umfang der Erhöhung. Der Sachverständige stellt in seinem Gutachten fest, eine Erhöhung des Fahrbahnbelages habe keine relevante Auswirkung auf die zu entwässernde Fläche. Gemäß der Richtlinie RAS Ew "Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Entwässerung" von Juni 1987 sei sogar bei einer Neuplanung einer Straße ein Höhenunterschied zwischen Oberkante Fahrbahnrand und Bankett von rund 3 cm vorzusehen. Dieser Höhenunterschied solle das Hochwachsen der Bankettbereiche verzögern, um eine Wulstbildung entlang des Fahrbahnrandes zu verhindern. Der Wulst seinerseits verhindere nämlich das gleichmäßige Abfließen des Niederschlags von der Straße in den Seitenstreifen und könne dazu führen, daß abfließendes Wasser - über längere Strecken seitlich gefaßt - schließlich punktuell zu einer Überlastung der Versickerung im unbefestigten Seitenstreifen führe. Da der Sachverständige bereits zuvor in seinem Gutachten festgestellt hatte, die Höhe des Fahrbahnrandes betrage in etwa 3 cm, ergibt sich aus diesen Ausführungen, daß die Straße genau entsprechend den Richtlinien aufgebaut worden ist. Dies soll gerade die gebotene Versickerung gewährleisten. Da sich das beklagte Land im Rahmen der Richtlinien gehalten hat, ist nicht ersichtlich, daß insoweit ein Verstoß gegen Amtspflichten vorliegen könnte. Der Kläger hat einen solchen durch Erhöhung des Straßenbelages auch in zweiter Instanz nicht näher ausgeführt. Soweit der Kläger aus den Bemerkungen des Sachverständigen am Ende des Gutachtens, die Schwachstelle der Entwässerung liege in der gegenüber der Straße deutlich tieferliegenden Grundstückszufahrt des Klägers, folgert, daß diese Schwachstelle durch die Erhöhung des Straßenbelages noch vergrößert worden ist, sind diese Ausführungen unbeachtlich, weil sie nicht näher substantiiert worden sind. Mangels konkreter Angaben zu den Verhältnissen vor und nach den Bauarbeiten ist der Kläger bislang darlegungsfällig für einen Pflichtverstoß des beklagten Landes im Hinblick auf die Durchführung der Bauarbeiten geblieben. Der Kläger hätte zudem vortragen müssen, wieso ein etwaiger Pflichtverstoß schuldhaft sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Umständen für das beklagte Land erkennbar gewesen sein soll, daß die nur geringfügige Erhöhung der Straße ein besonderes Risiko für das Grundstück des Klägers barg. Hierbei ist zu berücksichten, daß es zuvor offenbar zu keiner Zeit zu Überschwemmungen des klägerischen Grundstücks gekommen war, das beklagte Land somit davon ausgehen konnte, die bisherige Entwässerung durch Versickerung sei ausreichend gewesen.

Etwas anderes gilt für die Behauptung des Klägers, es fehle an einer ordnungsgemäßen Kanalisation zur Entwässerung der Straße. Entgegen der Ansicht des Landgerichts läßt sich ohne weitere Beweisaufnahme noch nicht feststellen, ob dieser Vorwurf zutrifft. Die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Verpflichtung der Gemeinden zur Entwässerung aufgestellt hat, können sinngemäß auf die beim Straßenbau einzuhaltenden Entwässerungspflichten angewendet werden. So hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, der Verpflichtete sei nicht gehalten, eine Kanalisation einzurichten, die alle denkbaren Niederschlagsmengen bewältigen könne. Wirtschaftliche Gründe zwängen dazu, das Fassungsvermögen einer Regenwasserkanalisation nicht so groß zu bemessen, daß es auch für ganz selten auftretende, außergewöhnlich heftige Regenfalle ausreiche. Der Bundesgerichtshof hat weiter darauf hingewiesen, es dürfe nicht schematisch auf einen bestimmten Bemessungsregen bei der Dimensionierung der Anlage Bezug genommen werden. Zwar stelle dieser einen Faktor für die Berechnung dar, es seien aber stets auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, insbesondere das Höhenniveau des betroffenen Gebiets und die Wasserführung. Der Berechnungsregen könne - auch bei längeren Wiederkehrzeiten - dann nicht alleiniger Maßstab für die Dimensionierung der Anlage sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß auch eine auf ihn zugeschnittene Anlage außerstande ist, das anfallende Regenwasser nicht nur in seltenen Ausnahmefällen, sondern darüber hinaus auch bei häufigeren, auch im Rahmen einer generalisierenden Betrachtungsweise zu berücksichtigenden Anlässen zu bewältigen. Es bedürfe einer umfassenden Würdigung aller maßgeblichen abwasserwirtschaftlichen, technischen und topographischen Gegebenheiten (BGHZ 109, 8/10 f.; BGHNJW-RR 1991, 733/734; BGHZ 115,141/148 f.; BGHNJW 1998, 1307; BGHZ 140, 380/384 ff). Im Einzelfall hat der Bundesgerichtshof erkennen lassen, daß ein Berechnungsregenereignis mit einer fünfjährigen Wiederkehrzeit in vollem Umfang den Beurteilungskriterien entsprechen kann, wenn gleichzeitig die topographischen Gegebenheiten wie Hanglage und Bodenversiegelung berücksichtigt werden (BGH NJW 1998, 1308). Weiter hat er in mehreren Fällen, wenn auch nicht in den tragenden Entscheidungsgründen, ausgeführt, ein Anwohner müsse allerdings das Risiko tragen, daß sich eine Anlage, die bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise fachgerecht geplant und ausgelegt worden sei, in einem Einzelfall bei besonders ungünstig gelegenen Anwesen in Ausnahmefällen als nicht ausreichend erweise (BGHZ 115, 141/150; BGH NJW 1998, 1307/1308). Nichts anderes als für die Verpflichtung einer Gemeinde zur Entwässerung im Gemeindegebiet kann für die Verpflichtung des Straßenbaulastträgers für Oberflächenwasser, welches auf die Straße auftrifft, gelten. Die Interessenverteilung zwischen Verpflichtetem und Bürger ist in beiden Fällen gleich. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, vor Gefahren von Überschwemmung geschützt zu werden, soweit dies dem jeweils Verpflichteten zumutbar ist. Der Senat sieht deshalb keinen Grund dafür, für die Haftung des beklagten Landes andere Maßstäbe anzulegen als für die Haftung der Gemeinden bei Überschwemmungsschäden. Auch der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließt sich der Senat an, da diese eine vernünftige Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten trifft. Unter Anlegung der genannten Maßstäbe durfte das Landgericht nicht ohne weitere Beweisaufnahme über den klägerischen Vortrag die Klage abweisen. Der Sachverständige D auf dessen Gutachten das angefochtene Urteil sich bezieht, hat ausdrücklich keine eigenen Berechnungen dazu angestellt, ob im konkreten Fall die Versickerung generell und unter Abwägung der schutzwürdigen Belange der Anlieger und der Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte ausreichend gewesen ist oder ob nicht die Anlage einer Kanalisation geboten gewesen wäre. Er hat vielmehr darauf Bezug genommen, daß es sich bei dem Schadensereignis um einen solchen Starkregen gehandelt hat, wie er nur einmal in 10 bis 20 Jahren - so das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 24. November 2000 - vorkomme. Er hat daraus geschlossen, "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" hätten die außerordentlich hohen Niederschlagsintensitäten zum Versagen der "nach meiner Einschätzung ansonsten ordnungsgemäß funktionierenden Straßenentwässerung und somit - zumindest zu einem Teil - zur Überflutung des Grundstücks des Klägers über die Grundstückszufahrt" geführt. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, mit großer Wahrscheinlichkeit hätten Auswirkungen außergewöhnlicher Regenfälle im Grundstücksbereich des Klägers allgemein verringert, nicht jedoch mit Sicherheit vermieden werden können, wenn man den erkennbaren Schwachpunkt der gegenüber der Straße deutlich tieferliegenden Grundstückszufahrt durch bauliche Maßnahmen an der Grundstücksgrenze entschärft hätte.

Aus diesen Einschätzungen des Sachverständigen schließt das Landgericht, für Niederschläge, wie sie nur einmal in 10 bis 20 Jahren vorkämen, müsse eine Entwässerungseinrichtung nicht konzipiert sein, deshalb hafte das Land nicht. Dabei kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden, ob das Landgericht hier schon eine Pflichtverletzung verneinen will, weil die Versickerung grundsätzlich ausreichend sei oder ob es ein rechtmäßiges Alternativverhalten annimmt, wonach auch bei einer ordnungsgemäßen Entwässerungsanlage der Schaden eingetreten wäre. Die Begründung für die Klageabweisung ist jedenfalls so knapp gehalten, daß sie nicht nachvollziehbar wird. Das Urteil geht nicht einmal darauf ein, daß der Sachverständige keine eigene Berechnung vorgenommen hat, sondern nur eine allgemeine Einschätzung abgibt.

Daß die Versickerung grundsätzlich ausreichend und eine Kanalisation nicht erforderlich gewesen wäre, läßt sich aufgrund des Sachverständigengutachtens, welches bislang vorliegt, nicht feststellen. Der Sachverständige hat zwar eine Einschätzung geäußert, diese ist jedoch auf keinerlei Tatsachen gestützt, die nachvollzogen werden könnten. Vielmehr stellt der Sachverständige ausdrücklich klar, er habe keinerlei Berechnungen vorgenommen. Daß er durch bloßen Augenschein feststellen konnte, für welches Regenereignis die Versickerung ausreicht, ist weder ersichtlich, noch hat er dafür eine Begründung abgegeben. Es bleibt deshalb nach der bislang durchgeführten Beweisaufnahme durchaus möglich, daß grundsätzlich eine Kanalisation erforderlich gewesen ist und damit ein objektiver Pflichtverstoß des beklagten Landes vorliegt. Ob dies so ist, kann nur durch Einholung eines weiteren Gutachtens geklärt werden. Dies ist auch erforderlich, weil eine Klageabweisung nach dem jetzigen Sach- und Streitstand nicht mit einem rechtmäßigen Alternativverhalten begründet werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, daß ein etwaiger objektiver Pflichtverstoß nicht kausal für das Schadensereignis geworden ist. Es wäre nämlich denkbar, daß eine Kanalisation, deren Notwendigkeit unterstellt, wenn sie ordnungsgemäß eingebaut worden wäre, in der Lage gewesen wäre, das am 7. Juni 1998 angefallene Wasser aufzunehmen. Zwar ist das beklagte Land, wie das Landgericht insoweit zu Recht feststellt, nicht verpflichtet gewesen, für ein Regenereignis Vorsorge zu treffen, welches nur alle 10 bis 20 Jahre vorkommt. Es ist jedoch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht auszuschließen, daß eine ordnungsgemäße Kanalisation gleichwohl in der Lage gewesen wäre, die anfallenden Regenmengen aufzunehmen, auch wenn sie hierauf nicht speziell ausgerichtet worden ist. Diese Frage muß geklärt werden, bevor von einem rechtmäßigen Alternativverhalten ausgegangen werden kann (so auch der Bundesgerichtshof in BGHZ 140, S. 380/389).

Schließlich bleibt auch die vom Sachverständigen selbst bereits angesprochene Variante denkbar, wonach durch eine ordnungsgemäße Kanalisation jedenfalls das Schadensereignis in weit geringerem Umfange eingetreten wäre, nämlich dadurch, daß eine den Anforderungen entsprechende Kanalisation jedenfalls einen Teil des Wassers hätte aufnehmen können, wodurch es möglicherweise zu geringeren Schäden gekommen wäre. Auch in diesem Fall träfe das beklagte Land eine - zumindest anteilige - Haftung.

Da somit verschiedene Varianten jedenfalls derzeit nicht ausgeschlossen werden können, wonach ein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land gegeben sein könnte, hätte das Landgericht nicht ohne eine weitere Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Dadurch, daß sich die Urteilsbegründung nicht ausreichend mit den zu klärenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen befaßt, ist der klägerische Vortrag in unzulässiger Weise mißachtet worden. Zugleich liegt in der unzureichenden Würdigung des Sachverständigengutachtens ein Verstoß gegen § 286 ZPO. Es liegen damit wesentliche Verfahrensmängel gemäß § 539 ZPO vor. Der Senat hält aufgrund der noch durchzuführenden umfangreichen Beweisaufnahme zum Grund und gegebenenfalls zur Höhe eine eigene Sachentscheidung nach § 540 ZPO nicht für sachdienlich.

Das Landgericht wird bei der erneuten Beweisaufnahme den Sachverständigen darauf hinzuweisen haben, daß es ausschließlich um die ordnungsgemäße Ableitung von Oberflächenwasser geht, welches unmittelbar auf die Straße (Straßenkörper und etwaige Nebenanlagen gemäß § 2 Abs. 2 BbgStrG) auftrifft und daß die Entwässerung des sonstigen Oberflächenwassers außer Betracht zu bleiben hat. Es wird den Sachverständigen außerdem auf die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur Erforderlichkeit einer Kanalisation hinzuweisen haben.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 n. F. i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO ist nicht geboten, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Die Entscheidung des Senats beruht auf der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus kommt ihr nicht zu.

Streitwert und Beschwer der Parteien: 7.451,29 €

Ende der Entscheidung

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