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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 2 U 36/03
Rechtsgebiete: BGB, GG, BbgStrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 254
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
GG Art. 34
BbgStrG § 9 Abs. 3
BbgStrG § 10 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

2 U 36/03

verkündet am 22.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. F..., den Richter am Oberlandesgericht H... und den Richter am Oberlandesgericht Dr. M... auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. April 2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az. 11 O 476/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.676,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.352,76 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage macht der Kläger einen Anspruch wegen einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch das beklagte Land aufgrund eines Unfalles mit seinem PKW auf einer festgefrorenen Eis- und Schneedecke auf der Landesstraße 338 zwischen Hönow und Neuenhagen geltend.

Der Kläger hat behauptet, sein Sohn, der Zeuge K... G..., habe mit seinem, des Klägers, PKW ..., amtliches Kennzeichen ..., am 26. Dezember 2001 die Landesstraße 338 gegen 21.45 Uhr mit einer Geschwindigkeit von 60 - 65 km/h befahren. Während die Straße zuvor schnee- und eisfrei gewesen sei, habe sich auf einem ca. 100 Meter langen Teilstück im Bereich einer Rechtskurve eine Schicht aus angefrorenen Eisschollen befunden, auf der der PKW ins Schleudern geraten und von der Fahrbahn abgekommen sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage durch am 25. April 2003 verkündetes Urteil in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, an der fraglichen Stelle habe eine Streu- und Räumpflicht des beklagten Landes nicht bestanden. Eine solche bestehe außerhalb geschlossener Ortschaften nur an besonders gefährlichen Stellen. Um eine solche handele es sich bei der Unfallstelle nicht. Die Einlassung des Klägers, das fragliche Teilstück sei offenbar mutwillig bei der Beräumung ausgelassen worden, sei bereits wenig wahrscheinlich, da andere Ursachen für eine Entstehung der Glätte ursächlich sein könnten. Selbst wenn man aber unterstelle, das fragliche Teilstück sei beim Streu- und Räumvorgang ausgelassen worden, sei dies für einen sorgsam fahrenden Verkehrsteilnehmer erkennbar gewesen. Zumindest entfalle eine Haftung des beklagten Landes wegen eines Mitverschuldens des Kraftfahrers, hinter dem die Haftung des Straßenbaulastträgers zurücktrete.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seiner dortigen Ausführungen weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht habe seinen Vortrag zur mangelnden Vorhersehbarkeit der Glätte auf dem fraglichen Teilstück und seine Beweisanträge übergangen. Ein diesbezüglicher Hinweis des Landgerichts sei nicht ergangen. Ferner enthalte das Urteil keine hinreichenden Ausführungen zu der Frage, weshalb der Vortrag zur mangelnden Räumung oder Abstreuung nur des fraglichen Teilstücks unerheblich sei. Ergänzend führt der Kläger aus, das Eis habe sich nicht erst nach den letzten Kontrollen durch den Straßenwinterdienst gebildet, sondern sei von diesem übersehen worden. Jedenfalls handele es sich um eine die Streupflicht auslösende gefährliche Straßenstelle. Wegen der örtlichen Verhältnisse habe kein Anlass zu besonders vorsichtigem Fahrverhalten bestanden. Zu Unrecht habe das Landgericht auch ein überwiegendes Mitverschulden des Kraftfahrers angenommen. Im vorliegenden Fall sei die Gefahrenstelle für den Fahrer unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar gewesen. Den Bediensteten des beklagten Landes sei hingegen grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da sie die Vereisung weder bei der Beräumung am 25. Dezember 2001 noch bei einer Kontrolle aus der Gegenrichtung am 26. Dezember 2001 wahrgenommen und beseitigt hätten.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 3.352,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2002 zu zahlen,

Das beklagte Land beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung. Das beklagte Land ist mit dem Landgericht der Auffassung, eine Streupflicht habe an der Unfallstelle nicht bestanden. Die Unfallstelle neige gegenüber dem restlichen Teil der Landesstraße 338 nicht zu einer verstärkten winterlichen Glättebildung. Das beklagte Land behauptet, am 26. Dezember 2001 sei es östlich von Berlin zu mehreren Regen- und Schneeschauern gekommen. Es hätten winterliche Straßenverhältnisse mit überfrierender Nässe in den Abendstunden geherrscht. Am 26. Dezember 2001 seien auch im Bereich der Unfallstelle zahlreiche Schneeverwehungen vorhanden gewesen, sodass eine etwa vorhandene Eisschicht auch eine Folge einer solchen Verwehung sein könne. Von einem Verschulden des Kraftfahrers sei auch deswegen auszugehen, da er noch an der Unfallstelle verwarnt worden sei. Das beklagte Land bestreitet ferner, dass die fragliche Kurve als Einzige nicht beräumt worden sei. Vielmehr habe sich die Kurve nicht vom Zustand der Landesstraße an anderen Stellen unterschieden. Diese sei am 26. Dezember 2001 zwischen 4.00 Uhr und 10.00 Uhr morgens geräumt und abgestreut worden. Diese überobligatorischen Maßnahmen könnten dem Land nicht zum Nachteil gereichen. Ein Verschulden des Kraftfahrers liege auch in der behaupteten Geschwindigkeit von 65 km/h. Ferner sei die Gefahrenstelle auch erkennbar gewesen.

Der Senat hat Beweis erhoben über den Unfallverlauf und die Verhältnisse an der Unfallstelle durch Vernehmung des Zeugen K... G... sowie über die Durchführung des Winterdienstes durch Vernehmung des Zeugen E... S.... Der Senat hat ferner ein schriftliches Sachverständigengutachten des Deutschen Wetterdienstes zu den Wetterverhältnissen am 26. Dezember 2001 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Januar 2004 (Bl. 109 ff. d.A.) sowie auf das Gutachten vom 24. März 2004 nebst Ergänzung vom 6. Mai 2004 (Bl. 135 ff., 165 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es gilt gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO das Berufungsrecht der ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes. Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land ein Anspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Höhe der Hälfte der ihm aus dem Unfallereignis vom 26. Dezember 2001 entstandenen Schäden zu. Auch die dem Träger der Straßenbaulast im Rahmen der Zumutbarkeit gemäß § 9 Abs. 3 BbgStrG obliegende Streu- und Räumpflicht ist gemäß § 10 Abs. 1 BbgStrG in Brandenburg als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet. Ein weitergehender Anspruch des Klägers ist wegen eines ihm zuzurechnenden Mitverschuldens i.S.d. § 254 BGB ausgeschlossen.

1. Zu Recht ist das Landgericht der Auffassung, dass im Grundsatz eine Streu- und Räumpflicht an der Unfallstelle nicht bestanden hat. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung für das Bestehen einer solchen Pflicht aufstellt und die durch § 9 Abs. 3 BbgStrG nicht verschärft werden, sind nicht erfüllt.

Außerhalb geschlossener Ortschaften besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der auch der erkennende Senat folgt, eine Streupflicht nur an besonders gefährlichen Stellen (BGH, NJW 1963, 37 ff; BGH, NJW 1970, 1682; BGH, VersR 1979, 57). Gefährlich sind solche Straßenstellen, die wegen ihrer eigentümlichen Anlage oder bestimmter Zustände, die nicht ohne weiteres erkennbar sind, die Möglichkeit eines Unfalls auch für den Fall nahe legen, dass der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt. Eine besonders gefährliche Stelle liegt erst dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straße zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der damit zu fordernden erhöhten Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann (BGH, NJW 1963, 37, 38). Solche Umstände sind etwa bei Brücken mit der Gefahr verstärkter Glatteisbildung oder Gefällestrecken gegeben (vgl. die Nachweise bei Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, 3. Auflage 2002, Rdnr. 205 ff.)

Der Kläger hat das Vorliegen einer besonders gefährlichen Stelle in diesem Sinne auch in zweiter Instanz nicht dargetan. Das bloße Vorhandensein einer Glättestelle in einer Kurve ist für das Vorliegen einer besonders gefährlichen Stelle nicht ausreichend. Gefälle oder anderen Umstände trägt der Kläger nicht vor. Mit Glättebildung in Kurven oder Waldstücken hat ein umsichtiger Kraftfahrer bei winterlichen Wetterverhältnissen jedoch stets zu rechnen. Im Ergebnis bestand daher keine Verpflichtung für das beklagte Land, die Landesstraße 338 im fraglichen Bereich abzustreuen und zu beräumen.

2. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ergibt sich jedoch aus der Art und Weise der vom beklagten Land veranlassten - nach den vorstehenden Ausführungen überobligatorischen - Räum- und Streumaßnahmen, durch die erst eine besonders gefährliche Stelle geschaffen worden ist.

a) Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Landesstraße 338 zwischen Hönow und Neuenhagen im Zeitraum des Unfalls geräumt und abgestreut war und lediglich auf dem fragliche Teilstück vor dem Ortseingang von Neuenhagen in einer Länge von ca. 100 Metern eine festgefahrene und vereiste Schneedecke vorhanden war.

Dies ergibt sich zunächst aus der Aussage der Zeugen K... G... vor dem Senat. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, nach dem Durchfahren einer Kurve sei die Straße plötzlich mit einer festgefahrenen bzw. -gefrorenen Schneedecke bedeckt gewesen, die sich etwa zwei Finger dick über dem Niveau der Straße erhoben habe und die durch einen deutlichen Absatz, eine Art Stufe, von der zuvor schnee- und eisfreien Fahrbahn abgegrenzt gewesen sei. Diese Aussage wird durch die in der Unfallmitteilung niedergelegten Feststellungen der Polizeibeamten am Unfallort bestätigt, nach denen die gesamte Straße in diesem Bereich schnee- und eisfrei gewesen und mit der Höchstgeschwindigkeit befahrbar gewesen sei und sich nach einer plötzlichen Veränderung der Fahrbahnverhältnisse nur auf einem Teilstück von ca. 100 Metern Länge im Bereich einer Kurve angefrorene Eisschollen teilweise über die gesamte Fahrbahnbreite befunden hätten. Ausweislich der Unfallmitteilung sahen sich die Polizeibeamten veranlasst, für eine Beseitigung der Gefahrenstelle durch die Straßenmeisterei noch in der gleichen Nacht zu sorgen (Bl. 5 f. d.A.).

Diese Gefahrenstelle kann, wie weiterhin zur Überzeugung des Senats feststeht, nur durch eine unzureichende oder unterbrochene Räumung der Landesstraße 338 hervorgerufen worden sein. Wie sich aus den übrigen Straßenverhältnissen, bestätigt insoweit auch durch die Aussage des Zeugen Scholz, ergibt, war die Landesstraße aus Richtung Hönow kommend am 26. Dezember 2001 zunächst beräumt und abgestreut. Sie war, wie im polizeilichen Unfallprotokoll niedergelegt, mit der Höchstgeschwindigkeit befahrbar. Es steht ferner fest, dass die eigentliche Unfallstelle bei diesem Räumvorgang - aus welchen Gründen auch immer - ausgespart oder jedenfalls unzureichend beräumt worden ist. Dies folgt aus der bewiesenen Beschaffenheit der überfrorenen Schneedecke am Unfallort in Verbindung mit den durch das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes nachgewiesenen Wetterverhältnissen. Nach diesem Gutachten hatte es bis zum Morgen des 25. Dezember 2001 stark geschneit, die Schneedecke war auf ca. 20 cm angewachsen. Danach ist es nicht mehr zu Schneefall gekommen. Niederschlag ist nur noch in Form von leichtem Regen in den frühen Morgenstunden des 25. Dezember 2001 und in sehr geringem Umfang in Form von Regen und Sprühregen am 26. Dezember 2001 gefallen. Die Dicke der Schneedecke hat sich dadurch auf ca. 14 cm in den Morgenstunden des 26. Dezember 2001 und auf 13 cm am 27. Dezember 2001 verringert. Danach ist es ausgeschlossen, dass sich nach einem Räumvorgang - sei es am Morgen des 26. Dezember 2001, sei es am 25. Dezember 2001 - durch Niederschlag eine neue Schneedecke auf der Landesstraße 338 bilden konnte. Die gefrorene Schneeschicht konnte auch nicht durch Verwehungen entstehen. Dies folgt aus den Ergänzungen zum Gutachten des Deutschen Wetterdienstes. Unter Berücksichtigung des Zustandes der Schneedecke und der Windverhältnisse kann nach den dortigen Feststellungen ausgeschlossen werden, dass es im Tagesverlauf des 26. Dezember 2001 zu Verwehungen gekommen ist. Im Hinblick auf die Vielzahl von Messpunkten in unmittelbarer Nähe zum Unfallort hat der Senat auch keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Gutachtens. Soweit das Gutachten des Wetterdienstes ausweist, am 26. Dezember 2001 habe es zu Glättebildung kommen können, ist dies entgegen den Ausführungen des beklagten Landes unerheblich, da sich an der Unfallstelle kein Glatteis, sondern eine gefrorene Schneeschicht befunden hat. Eine plausible Erklärung, wie es anders als durch einen unzureichenden oder unterbrochenen Räumvorgang bei den nachgewiesenen Wetterverhältnissen zu der gefrorenen Schneeschicht auf dem Teilstück hätte kommen können, ist nicht ersichtlich. Den ergänzenden Beweisangeboten des beklagten Landes im Schriftsatz vom 24. Mai 2004 zum Vorhandensein von Schneeverwehungen am 26. Dezember 2001 war nicht nachzugehen. Entscheidend ist nicht das Vorhandensein von Schneeverwehungen am 26. Dezember 2001, sondern deren Entstehung im Tagesverlauf nach dem Räumvorgang in den Morgenstunden. Hierzu fehlt es an entsprechendem Sachvortrag des beklagten Landes.

Dem steht im Ergebnis auch nicht die Aussage des Zeugen S... entgegen, der die Räumung am Unfalltag vorgenommen haben soll. Der Zeuge konnte sich - im Hinblick auf die unterdessen verstrichene Zeit und die Vielzahl gleichartiger Vorgänge verständlich - nicht mehr an den einzelnen Vorgang erinnern und lediglich Angaben zu seiner üblichen Vorgehensweise machen, bei der keine Teilstücke der Strecke ausgespart werden. Auch nach dieser Aussage ist nicht mit hinreichender Eindeutigkeit ausgeschlossen, dass der Räumvorgang an dem fraglichen Tag - aufgrund welcher Umstände auch immer - vorzeitig abgebrochen worden oder ihm jedenfalls der Erfolg versagt geblieben ist.

b) Der bewiesene Zustand der Landesstraße 338 nach einer teilweisen und unvermittelt noch innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des beklagten Landes unterbrochenen oder erfolglos durchgeführten Räumung begründet eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch das beklagte Land. Dass eine Räum- und Streupflicht auf der Landesstraße 338 nach den Ausführungen zu Ziffer 1 zunächst nicht bestanden hat und die durchgeführte Räumung danach überobligatorisch war, vermag das beklagte Land nicht zu entlasten. Es versteht sich von selbst, dass durch eine Handlung des Verkehrssicherungspflichtigen, auch wenn sie rechtlich nicht geboten ist, eine besondere Gefahrenlage in der als bewiesen anzusehenden Art nicht geschaffen werden darf. Das Räumen und Streuen der gesamten übrigen Straße erweckt die Erwartung der Verkehrsteilnehmer, dass der Räumvorgang jedenfalls bis zum Erreichen einer Zuständigkeitsgrenze etwa an einem Ortseingang fortgesetzt werde, und beeinflusst damit ihr Fahrverhalten. Die völlig unzureichende oder gänzliche fehlende Beräumung eines nur unzureichend einsehbaren Teilstücks in der hier vorliegenden Weise stellt dann eine Verkehrssicherungspflichtverletzung dar. Entgegen den Ausführungen des beklagten Landes liegt in dieser Feststellung auch keine Änderung der Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat sich zu dieser Frage vielmehr bislang nicht geäußert.

Der erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Hinweis des beklagten Landes, der Winterdienst sei vorliegend einer privaten Firma übertragen worden, ist aus prozessualen Gründen unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO für die Zulassung dieses neuen Verteidigungsmittels liegen nicht vor.

3. Der Kläger hat sich als Halter vorliegend neben der allgemeinen Betriebsgefahr seines Fahrzeuges auch das Mitverschulden des Fahrers seines PKW, des Zeugen K... G..., als gefahrerhöhenden Umstand zurechnen zu lassen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 254 Rn. 61 m.w.N.). Das Mitverschulden ergibt sich aus der nicht situationsangemessenen Fahrweise des Zeugen. Nach dem Vortrag des Klägers und der Aussage des Zeugen hat er die Landesstraße 338 mit einer Geschwindigkeit von 60 - 65 km/h befahren. Er hat hierbei zwar die Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h nicht überschritten. Im Hinblick auf die Sichtverhältnisse um 21.47 Uhr und die Witterungsverhältnisse, die zwar nicht die plötzliche Entstehung einer gefrorenen Schneedecke, aber eine Bildung von Glatteis begünstigten, hätte der Zeuge seine Fahrgeschwindigkeit bereits vor und in der Kurve deutlich herabsetzen müssen, um sich rechtzeitig auf etwaige Gefahrenstellen einstellen zu können. Bei einer solchen Fahrweise wäre der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden worden, wie sie auch aus dem Umstand ergibt, dass andere Verkehrsteilnehmer die schon länger vorhandene Glättestelle offenbar schadlos haben passieren können. Dieses Mitverschulden bewertet der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände mit 1/2.

4. Die Höhe des Wiederbeschaffungswertes des PKW abzüglich des Restwertes nach wirtschaftlichem Totalschaden ist durch Sachverständigengutachten belegt. Daneben sind die Gutachterkosten, die Abschleppkosten sowie die Kosten der Abmeldung ansatzfähig. Als Kostenpauschale setzt der Senat vorliegend einen Betrag von 20 € an. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

Wiederbeschaffungswert ./. Restwert 2.800,00 €

Gutachten netto 314,94 €

Abschleppkosten 211,75 €

Abmeldekosten 5,62 €

Kostenpauschale 20,00 €

Summe 3.352,31 €

hiervon 50 % 1.676,15 €

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nach der endgültigen Zahlungsverweigerung durch das beklagte Land im Schreiben vom 15. April 2002.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Zulassung der Revision bedurfte es gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.



Ende der Entscheidung

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