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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.02.2004
Aktenzeichen: 2 U 52/03
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, GG, BbgStrG, StVO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
EGZPO § 26 Nr. 5
BGB § 254
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 839
GG Art. 34
BbgStrG § 9 Abs. 4
BbgStrG § 10 Abs. 1
StVO § 37
StVO § 44 Abs. 1
StVO § 45 Abs. 3 Satz 1
StVO § 45 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 52/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17.02.2004

verkündet am 17.02.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2004 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. August 2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az. 11 O 144/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 902,49 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der durch Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts F... entstandenen Mehrkosten; diese hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.809,98 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht Ansprüche wegen einer Beschädigung seines Kraftfahrzeuges durch einen funkgesteuerten, im Boden versenkbaren Poller geltend.

An der Kreuzung Se...straße und der Straße "A... K..." in einem verkehrsberuhigten Bereich im Gemeindegebiet der Beklagten befindet sich in der Mitte der Fahrbahn ein funkgesteuerter, im Boden versenkbarer Poller. Zu beiden Seiten stehen am Rand der Straße fest installierte seitliche Begrenzungspfähle aus Metall, von denen der jeweils in Fahrtrichtung links befindliche Pfahl mit einer kleinen Lichtzeichenanlage mit einem roten und einem grünen Licht versehen ist. Der geringe Abstand zwischen den Pfählen lässt nur die Durchfahrt jeweils eines Fahrzeuges zu.

Der Kläger hat behauptet, am 18. Oktober 2001 habe er vor dem Einbiegen mit seinem PKW Nissan Patrol, amtl. Kennzeichen ..., aus der Se...straße nach links in die zum T... führende Straße zunächst einen aus der Straße ausfahrenden Kleinbus vorgelassen, danach sei er beim Einbiegen auf den aus der Erde herausfahrenden Poller aufgefahren.

Im Übrigen wird wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch am 11. August 2003 verkündetes Urteil in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Amtspflichtverletzung der Beklagten als Trägerin der Straßenbaulast sei nicht gegeben. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt, auch versenkbare Poller als Durchfahrtsperren einzusetzen. Sie sei jedoch verpflichtet, die spezifischen Gefahren, die von einer solchen Sperreinrichtung ausgingen, so auszugestal-ten, dass sie auch von ortsunkundigen Verkehrsteilnehmern beherrscht werden könnten. Dieser Verpflichtung habe die Beklagte jedoch Genüge getan. Sowohl die Ausstattung der Anlage mit einer Lichtzeichenanlage als auch die örtlichen Gegebenheiten führten dazu, dass bei Beachtung der vorhandenen Gegebenheiten und Warnungen ein Schadenseintritt vernünftigerweise ausgeschlossen werden konnte. Hinweis- oder Warnschilder seien nicht erforderlich gewesen. Bereits im Hinblick auf die vorhandene Lichtzeichenanlage, die im Zeitpunkt des Durchfahrens zwischen den Begrenzungspfählen "rot" geleuchtet haben müsse, habe der Kläger damit rechnen müssen, dass er die Straße nicht ohne Weiteres habe befahren dürfen. Der Kläger habe nicht behauptet, dass die Anlage nicht ordnungsgemäß funktioniert habe. Das bloße Bestreiten des ordnungsgemäßen Funktionierens der Anlage reiche nicht aus. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Lichtzeichenanlage in die rechts und links befindlichen Poller integriert gewesen und nicht separat aufgestellt worden sei. Sie sei vielmehr als "Ampel" erkennbar gewesen. Auch wegen der übrigen örtlichen Gegebenheiten (Verkehrsberuhigung) hätte der Kläger die fragliche Straße nicht ohne Weiteres befahren dürfen. Unerheblich sei, ob aus der fraglichen Straße ein Kleinbus herausgefahren sei, wie vom Kläger behauptet. Diese Behauptung sei zudem nicht zureichend und unter Beweis gestellt worden. Eine Parteivernehmung des Klägers sei nicht angezeigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, es habe eine Hinweispflicht auf die von der Polleranlage ausgehenden Gefahren bestanden. Die "Lichtzeichenanlage", die lediglich aus kleinen Lämpchen bestanden habe, sei hierfür nicht ausreichend. Auch die rechts und links aufgestellten Begrenzungspfähle erfüllten keine hinreichende Warnfunktion. Der Kläger behauptet ergänzend, das rote Lämpchen sei beim Durchfahren zwischen den Begrenzungspfählen nicht erkennbar gewesen. Auch die übrigen örtlichen Gegebenheiten seien nicht geeignet, ein Einfahren in die Straße "A... K..." zu untersagen. Der Kläger ist ferner der Auffassung, er habe in erster Instanz im Wege der Parteianhörung angehört werden müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 11.08.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az. 11 O 144/03 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 1.810,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung. Sie hebt insbesondere die Funktionsweise des funkgesteuerten Pollers hervor. Hierzu behauptet sie, nur wenn der Poller vollständig versenkt sei, schalte das Lichtzeichen auf "grün". Sobald das berechtigte Fahrzeug den Poller überfahren und sich über 1 m vom Poller entfernt habe, beginne automatisch der Hub, dessen Laufzeit 11 Sekunden betrage. Nähere sich während der Hubphase ein Fahrzeug, senke sich der Poller automatisch wieder ab. Ein Stoß von unten gegen ein Fahrzeug sei daher ausgeschlossen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es gilt gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO das Berufungsrecht der ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes. Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Höhe der Hälfte der ihm aus dem Unfallereignis vom 18. Oktober 2001 entstandenen Schäden zu. Ein weitergehender Anspruch des Klägers ist wegen eines Mitverschuldens i.S.d. § 254 BGB ausgeschlossen.

1. Die Beklagte hat durch die Errichtung und den Betrieb des funkgesteuerten versenkbaren Pollers die ihr gemäß §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG als hoheitliche Aufgabe obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt.

a) Der Senat deutet die Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Weise, dass der Kläger nicht ausdrücklich eine nicht ordnungsgemäße Funktionsweise der Lichtzeichen an der Polleranlage behaupten möchte. Der Kläger hat in seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO lediglich ausgeführt, er habe keine Lichter wahrgenommen. Hieraus und auch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht in hinreichender Weise, dass und inwieweit eine Fehlfunktion der Lichtanlage vorgelegen haben soll. In seinem schriftsätzlichen Vorbringen in der Berufungsinstanz zieht der Kläger aus dem Umstand, dass er kein rotes Licht wahrgenommen habe, lediglich den Schluss, dass das grüne Licht geleuchtet haben müsse. Eine ausdrückliche diesbezügliche Tatsachenbehauptung stellt der Kläger hingegen nicht auf und bietet hierfür auch keinen Beweis an.

b) Auch bei einer ordnungsgemäßen Funktionsweise des Pollers in der von der Beklagten dargelegten Weise, begründet der Betrieb dieser Anlage jedoch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Der Senat folgt insoweit dem Ansatz der bereits vom Landgericht angeführten Entscheidung des OLG Hamm (Urt. v. 3. Juli 1998 - 9 U 36/98 - NJW-RR 1999, 753). Danach ist es zwar grundsätzlich zulässig, auch funkgesteuerte versenkbare Polleranlagen in den Straßenraum einzubringen. Zum Zeitpunkt des hier fraglichen Unfallereignisses am 18. Oktober 2001 gilt im Land Brandenburg jedenfalls außerhalb städtischer Ballungsräume die Annahme der zitierten Entscheidung fort, dass es sich bei einer funkgesteuerten versenkbaren Polleranlage um eine Gefahrenquelle handelt, die von den Kraftfahrern allgemein nicht als technische Einrichtung wahrgenommen und bei ihrem Verkehrsverhalten nicht in Rechnung gestellt wird. Hierdurch ergeben sich für die verkehrssicherungspflichtige Beklagte besonders hohe Anforderungen, damit die Gefahr auch von ortsunkundigen Verkehrsteilnehmern beherrscht werden kann (OLG Hamm, NJW-RR 1999, 753, 754).

Diesen Anforderungen genügen die Ausgestaltung der Polleranlage selbst und die übrigen örtlichen Gegebenheiten nicht. Zu berücksichtigen ist zwar, dass sich die Anlage in einem verkehrsberuhigten Bereich befindet (Zeichen 325 zu § 42 StVO), in welchem dem Fahrzeugverkehr lediglich Schrittgeschwindigkeit gestattet ist. Seine gegenteilige Behauptung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr aufrecht erhalten, indem er das Vorhandensein eines entsprechenden Verkehrsschildes auch aus seiner Einfahrtrichtung für möglich erachtet hat. Auch gebieten die geringe Straßenbreite, die Art der Pflasterung und das Vorhandensein der Begrenzungspfähle auf beiden Seiten des versenkbaren Pollers eine zurückhaltende Fahrweise. Diese Umstände verhindern jedoch nicht die Einfahrt ortsunkundiger Verkehrsteilnehmer in die Straße zum T.... In Ermangelung eines durch Verkehrszeichen oder andere Verkehrseinrichtungen angeordneten Zufahrtsverbotes ergibt sich die Unzulässigkeit der Einfahrt in diese Straße lediglich durch die im linken Begrenzungspfahl integrierte Signalanlage und den versenkbaren Poller selbst. Eine sichere Beherrschung der Gefahrenquelle durch ortsunkundige Verkehrsteilnehmer garantiert dies jedoch nicht in allen Verkehrssituationen. Hat ein Verkehrsteilnehmer den versenkten oder in der Bewegung befindlichen Poller selbst nicht wahrgenommen, so hat er auch keine Veranlassung auf Lichtzeichen in einem im linken Bereich der Fahrbahn stehenden Begrenzungspfahl zu achten, zumal sich der Sinn der eher unscheinbaren Lichtanlage, die wegen ihrer geringen Größe und ihres Standortes nicht als ausreichende Lichtzeichen i.S.d. § 37 StVO anzusehen ist, dem Unkundigen nicht unmittelbar erschließt. Dies gilt umso mehr, wenn ein berechtigtes Fahrzeug in der Gegenrichtung die Polleranlage durchquert, dabei notwendigerweise die Aufmerksamkeit des einfahrenden Kraftfahrers auf sich zieht und beim Abbiegen nach rechts zudem die Signalanlage zeitweilig verdeckt. Um eine hinreichende Absicherung vor den Gefahren der Polleranlage vorzunehmen, wäre es nach Ansicht des Senats entweder geboten, diese mit einer weithin sichtbaren und als solche in jeder Situation erkennbaren Ampelanlage auszustatten, ein Einfahrtsverbot für die durch den Poller abgesperrte Straße durch Verkehrszeichen vorzusehen oder durch Hinweisschilder, sei es an der Einfahrt zum verkehrsberuhigten Bereich, sei es an der jeweiligen Polleranlage, auf die Gefahren hinzuweisen. Vergleichbare Absicherungen sind dem Senat aus anderen Orten (z. B. bei einer vergleichbaren Anlage in der Innenstadt von G...) bekannt. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nicht sie, sondern gemäß §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 StVO die Straßenverkehrsbehörde für die Aufstellung von Verkehrszeichen zuständig ist. Vorliegend geht es - anders als etwa auch im Urteil des BGH vom 15. Juni 2000 (III ZR 302/99 - NVwZ 2000, 1209) - nicht um eine von einer widersprüchlichen oder unzureichenden Beschilderung ausgehende Gefährdung des Verkehrs, sondern um eine von der Beklagten durch den Betrieb der Polleranlage hervorgerufene Gefahr, für deren hinreichende Absicherung auf die eine oder andere Weise sie in erster Linie verantwortlich ist. Ohne eine solche Absicherung begründet der Betrieb der Anlage eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

2. Der Kläger hat sich neben der mitwirkenden Betriebsgefahr sein Fahrzeuges jedoch ein beträchtliches Mitverschulden i.S.d. § 254 BGB anrechnen lassen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Kläger den zum Zeitpunkt der Durchfahrt wegen des Anstoßes im vorderen Bereich des Fahrzeuges notwendigerweise bereits weit ausgefahrenen Poller wahrnehmen müssen. Dass es der Kläger an der gebotenen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er das Verkehrszeichen 325, dessen Vorhandensein in seiner Einfahrtsrichtung er zunächst bestritten hatte, offenbar nicht bewusst wahrgenommen hat. Auch die weiteren örtlichen Gegebenheiten hätten den Kläger zu einer angepassten und besonders aufmerksamen Fahrweise mit ständiger Bremsbereitschaft veranlassen müssen. Diesen Anforderungen hat der Kläger auch im Hinblick auf den Umfang des Schadens an seinem Fahrzeuges erkennbar nicht genügt. Der Senat bewertet den Mitverschuldensanteil des Klägers unter Berücksichtigung aller Umstände vorliegend mit 50 %.

3. Die Höhe der Sachschäden ist durch Sachverständigengutachten belegt. Danach sind die Nettokosten der Reparatur sowie die Gutachterkosten ansatzfähig. Als Kostenpauschale hält der Senat vorliegend einen Betrag von 20 € für ausreichend. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

Reparaturkosten 1.532,25 € Gutachten netto 252,73 € Kostenpauschale 20,-- € Summe 1.804,98 € hiervon 50 % 902,49 €

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO bedurfte es nicht. Die Sache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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