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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 2 U 53/06
Rechtsgebiete: FernStrG, ZPO, EntG, BGB


Vorschriften:

FernStrG § 19
FernStrG § 19 Abs. 2 a
FernStrG § 19 a
ZPO § 282 Abs. 3
ZPO § 504
EntG §§ 18 ff.
EntG § 28 Abs. 1
BGB § 288
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Oktober 2006, Az. 11 O 482/05, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.129,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die jeweilige Gegenseite nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des für sie jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin - ein landwirtschaftlicher Betrieb - macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Entschädigung infolge von Straßenbaumaßnahmen (Ortsumgehung S.) geltend, bei denen Pachtflächen der Klägerin teils dauerhaft in Anspruch genommen, teils nur vorübergehend beeinträchtigt wurden. Im Hinblick auf die daraus folgende - dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitige - Entschädigungspflicht der Beklagten schlossen die Beteiligten unter dem 9./14. August 2002 eine Entschädigungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte, Positionen einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 162.348,95 € an die Beklagte zu zahlen. Dieser betraf unter anderem den Pachtausfall für den "Dauerentzug" und für "dauernd beschränkte Flächen" sowie den "Aufwuchs". Insoweit wird wegen des Inhalts der Vereinbarung im Einzelnen verwiesen auf § 1 dieser Vereinbarung (Bl. 20 d. A.). In § 3 der Vereinbarung heißt es (auszugsweise) weiter:

"Mit der Zahlung der vereinbarten Entschädigung in Höhe von 162.348,95 EURO (...) erklärt sich der Pächter hinsichtlich der hier geregelten Entschädigungsansprüche, ausgenommen der vorübergehenden Inanspruchnahme von Flächen (Arbeitsstreifen), für endgültig abgefunden.

Über die Entschädigung der vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen (Arbeitsstreifen) wird nach Baudurchführung durch ein neues Gutachten verhandelt und entschieden."

Im August 2002 begannen die Bauarbeiten auf den Pachtflächen der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt war die von der Klägerin in die Ackerflächen zwischen Ende Mai und Mitte Juni 2002 eingebrachte Rote Beete noch nicht erntereif. Zwischen den Parteien ist streitig, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin Kenntnis von dem (voraussichtlichen) Baubeginn hatte. Im Januar 2003 ließ die Klägerin von dem Gutachter H. den Aufwuchsschaden an den Roten Beeten für den gesamten Bereich der durch die Bauarbeiten - dauernd oder nur vorübergehend - in Anspruch genommenen Flächen mit gut 104.000,00 € feststellen (Gutachten vom 18. Januar 2003, Bl. 43 ff. d. A.). Auf dieser Grundlage erhob die Klägerin im Vorprozess zum Az. 11 O 12/04 Klage vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) und machte Entschädigungsansprüche für die "vorübergehende Inanspruchnahme von Flächen (Arbeitsstreifen)" geltend mit der Begründung, diese Ansprüche seien in der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 ausdrücklich vorbehalten worden.

Auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2004 wies das Landgericht diese Klage zum Aktenzeichen 11 O 12/04 mit Urteil vom 26. November 2004 ab mit der Begründung, Amtshaftungsansprüche bestünden nicht, weil die Klägerin Ersatz für die Folgen rechtmäßigen Verwaltungshandelns beanspruche. Für Ansprüche auf Entschädigung wegen der Folgen eines enteignenden Eingriffs sei die Zuständigkeit der Zivilkammer nicht begründet. Solche Ansprüche seien nach § 19 a FernStrG i. V. m. dem Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg (im Folgenden auch nur: Enteignungsgesetz - EntG) vor der Kammer für Baulandsachen zu verfolgen, wobei zunächst ein Entschädigungsverfahren vor dem Innenministerium als Enteignungsbehörde durchzuführen sei. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wurde durch den Senat wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen.

Bereits während des laufenden Vorprozesses trafen die Parteien Absprachen im Hinblick auf die Einholung eines weiteren Gutachtens. Dabei kamen sie mit Schriftwechsel vom 2. und 26. November 2004 überein, den Sachverständigen Dr. G. mit der Ermittlung des Schadens betreffend die vorbehaltenen Entschädigungsansprüche zu beauftragen. Dabei sollte der Gutachter den Schaden sowohl auf der Grundlage eines Anbaus von Winterweizen wie auch eines Anbaus von Roter Beete berechnen. Dies teilte die Beklagte dem Sachverständigen unter dem 10. Januar 2005 mit. Mit Schreiben vom 1. Februar 2005 (Beiakte 11 O 12/04, Bl. 193) wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, eine Beauftragung des Gutachters sei nur sinnvoll, wenn das Ergebnis des Gutachtens als bindend angesehen werde. Hierauf unterzeichneten die Parteien unter dem 1. März 2005 (Bl. 29 d. A.) - offenbar noch vor Vorlage des unter dem 15. Februar 2005 erstellten Gutachtens - eine Vereinbarung, gemäß deren Ziffer II. sie sich "den Gutachten" über den Aufwuchsschaden auf der Grundlage des Anbaus von Roter Beete einerseits und des Anbaus von Weizen andererseits unterwerfen und diese als verbindlich anerkennen. In Satz 2 dieser Ziffer heißt es weiter:

"Können die Parteien sich nach Vorlage der Gutachten nicht darüber einigen, auf welcher Basis die ... (Klägerin)... zu entschädigen ist (Getreideanbau oder Anbau von Roter Beete), ist hierüber in einem gesonderten Verfahren eine Entscheidung herbeizuführen".

Unter dem 19. Dezember 2005 hat die Klägerin die vorliegende, der Beklagten am 2. März 2006 zugestellte, Klage erhoben, mit der sie den vom Sachverständigen Dr. G. ermittelten Aufwuchsschaden für "Rote Beete" in Höhe von 102.000,00 € geltend macht. Als Anspruchsgrund hat sie unter Hinweis auf die Vereinbarungen vom 9./14. August 2002 sowie vom 1. März 2005 eine "Vereinbarung mit Schiedsgutachtenvertrag" bezeichnet und ausdrücklich erklärt, Gegenstand der Klage sei die - in der Vereinbarung von August 2002 vorbehaltene - "Entschädigung der vorübergehenden Inanspruchnahme von Flächen (Arbeitsstreifen)". Zur Begründung hat sie sich darauf berufen, auf den noch streitgegenständlichen Flächen zu einem Zeitpunkt Rote Beete ausgesät zu haben, in dem sie weder von der Baumaßnahme als solcher, noch von dem Baubeginn am 14. August 2002, also vor Erntebeginn, Kenntnis gehabt habe.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Oktober 2006 abgewiesen mit der Begründung, die Klage sei insgesamt unzulässig. Im Hinblick auf Entschädigungsansprüche gelte dies bereits für den Rechtsweg zur Zivilkammer, weil sich das Verfahren nach dem EntG richte. Der Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen (etwa Amtshaftung) stehe die rechtskräftige Klageabweisung in der Sache 11 O 12/04 entgegen.

Gegen das ihr am 19. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 18. November 2006 (Bl. 169) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem innerhalb verlängerter Frist am 18. Januar 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie ist der Auffassung, Anspruchsgrundlage sei die - im Hinblick auf den Schuldgrund konstitutive - Vereinbarung der Parteien vom 1. März 2005. Weiterhin liege in der Vereinbarung jedenfalls eine stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung. Zuletzt rügt sie, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil die Richterin im Termin die Beklagtenvertreterin gefragt habe, ob die Rüge der Zuständigkeit aufrechterhalten werden solle. Dieser Verfahrensweise stehe § 504 ZPO entgegen, wonach der Hinweis auf ein rügeloses Einlassen nur im amtsgerichtlichen Verfahren zu erteilen sei. Auf diesem Fehler beruhe das Urteil auch. In der Sache trägt sie vor, auf den streitgegenständlichen Flächen habe unter Beachtung einer anbaugerechten Fruchtfolge im Jahr 2002 kein Weizen angebaut werden können.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte abändernd zu Zahlung von 102.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, der Umstand, dass sie die Klägerin noch unter dem 22. März 2005 aufgefordert habe, das Verfahren nach dem EntG einzuleiten, spreche dagegen, dass die Parteien am 1. März 2005 eine vom Enteignungsentschädigungsverfahren abgekoppelte Vereinbarung hätten treffen wollen. Weiterhin behauptet sie, die Klägerin habe bereits seit November 2001 Kenntnis von der geplanten Trasse und dem voraussichtlichen Baubeginn vor dem September 2002 gehabt. Dies ergebe sich schon daraus, dass ihr von der Beklagten unter dem 19. November 2001 eine Entschädigung unter Zugrundelegung eines Flächenentzuges im Frühjahr 2002 angeboten worden sei.

Die Akten 11 O 12/04, Landgericht Frankfurt (Oder), lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie im erkannten Umfang teilweise Erfolg.

2. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Klägerin, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft die Frage der sachlichen Zuständigkeit der Zivilkammer im Verhandlungstermin problematisiert und damit eine entsprechende Rüge der Gegenseite "provoziert". Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte die Rüge bereits mit der Klageerwiderung vom 6. April 2006 und damit im Sinne des § 282 Abs. 3 ZPO rechtzeitig vor der Verhandlung zur Hauptsache erhoben hat.

3. Die Klage ist insgesamt zulässig. Dem steht weder die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess 11 O 12/04 noch eine abdrängende Sonderzuweisung in das Entschädigungsverfahren nach dem Enteignungsgesetz (und letztlich vor die Kammer für Baulandsachen) entgegen.

3.1. Das im Rechtsstreit 11 O 12/04 auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2004 ergangene Urteil vom 26. November 2004 steht der Geltendmachung des Klageanspruchs nicht entgegen. Allerdings hat die Klägerin einen Entschädigungsanspruch aus der vorbezeichneten Vereinbarung bereits im bezeichneten Vorprozess geltend gemacht und ist mit diesem Anspruch nach Verwerfung der Berufung rechtskräftig abgewiesen worden. Nunmehr beruft sie sich auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung vom 1. März 2005, wonach über die Frage, auf welcher Basis die Klägerin zu entschädigen sei, in einem gesonderten Verfahren eine Entscheidung herbeigeführt werden solle. Es kann offenbleiben, ob mit dieser Vereinbarung vom 1. März 2005 eine selbständige (Entschädigungs-)Verpflichtung begründet worden ist mit der Folge, dass es sich um einen neuen - abstrakten - Schuldgrund handelt, dem die rechtskräftige Klageabweisung im Vorprozess nicht entgegengehalten werden könnte. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre und in der Vereinbarung vom 1. März 2005 lediglich deklaratorisch die Entschädigungspflicht auf der Grundlage der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 beziehungsweise aus anderen Rechtsgründen in Bezug genommen worden sein sollte, so könnte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Einwand der rechtskräftigen Abweisung im Vorprozess nicht entgegenhalten. Ausweislich der Vereinbarung vom 1. März 2005 haben sich die Parteien auf die Verbindlichkeit eines - zu diesem Zeitpunkt bereits in Auftrag gegebenen - Schiedsgutachtens betreffend die Höhe des noch offenen und in der Vereinbarung vom August 2002 vorbehaltenen Entschädigungsbetrages geeinigt und für den Fall der Nichteinigung über die Entschädigungsgrundlage (Rote Beete oder Winterweizen) ausdrücklich die Herbeiführung einer Entscheidung in einem "gesonderten Verfahren" vereinbart. Dass dieses Verfahren ein "gerichtliches" sein sollte, ist zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Haben die Parteien aber zeitlich nach dem für die Bestimmung der Rechtskraft maßgeblichen Zeitpunkt des Vorprozesses durch übereinstimmende Vereinbarung die Klärung der Entschädigungshöhe bezüglich einer in der Vereinbarung vom August 2002 ausdrücklich ausgeklammerten Entschädigungsposition vereinbart, so kann einem Vollzug dieser Vereinbarung vom 1. März 2005 der Einwand der entgegenstehenden Rechtskraft nicht entgegengehalten werden. Andernfalls würde sich die Beklagte dem Vorwurf der Treuwidrigkeit aussetzen.

3.2. Der Rechtsweg zur Zivilkammer ist auch nicht wegen einer abdrängenden Zuweisung nach dem Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg, gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 19, 19 a FernStrG, ausgeschlossen.

Eine abdrängende Sonderzuweisung in diesem Sinne kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann in Betracht, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen für einen gerichtlichen Entschädigungsprozess - hier etwa das Vorverfahren vor der Enteignungsbehörde nach §§ 18 ff. EntG - für den Rechtssuchenden hinreichend deutlich geregelt sind (BGH, NJW 2000, 1720, 1722 m.w.N.). Daran fehlt es nach der zitierten Entscheidung etwa bei Regelungen, wonach ein Beteiligter das Vorverfahren vor der Enteignungsbehörde einleiten "kann" (nicht "muss", BGH, a.a.O., zu § 28 HessEntG), das Vorverfahren mit anderen Worten nicht obligatorische Voraussetzung der Geltendmachung des Anspruches in gerichtlichen Verfahren ist (vgl. demgegenüber zu § 29 BayEntG: BGH, NJW 1993, 457). Nur letzterenfalls liegt eine abdrängende Sonderzuweisung vor.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lassen die Regelungen des Enteignungsgesetzes des Landes Brandenburg, gegebenenfalls in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes, eine solchermaßen abdrängende Sonderzuweisung nicht erkennen, weil die Sachurteilsvoraussetzungen für ein gerichtliches Entschädigungsverfahren im für den Streitfall maßgeblichen Verfahrensrecht jedenfalls nicht hinreichend eindeutig geregelt sind.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts folgt eine abdrängende Sonderzuweisung mit dem besagten hinreichend eindeutigen Inhalt nicht aus § 19 FernStrG. Danach steht gemäß Abs. 1 der Vorschrift den Trägern der Straßenbaulast der Bundesfernstraßen zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht zu. Weiterhin ist bestimmt, dass das Entschädigungsverfahren unmittelbar durchgeführt werden kann, wenn sich ein Beteiligter mit der Übertragung oder Beschränkung des Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt hat (§ 19 Abs. 2 a FernStrG); gemäß Abs. 5 der Vorschrift gelten im Übrigen die für die öffentlichen Straßen geltenden Enteignungsgesetze der Länder.

Bereits der zitierte Wortlaut des § 19 Abs. 2 a FernStrG spricht gegen eine im Sinne der genannten Voraussetzungen für den Rechtsuchenden eindeutige Zuweisung des Entschädigungsverfahrens in das Verfahren nach dem Enteignungsgesetz (hier) des Landes Brandenburg. Insoweit kann offenbleiben, ob es sich bei der genannten Vorschrift um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung in das Enteignungsgesetz handelt. Geht man von einer Rechtsfolgenverweisung aus, welche die Voraussetzung der Durchführung des Entschädigungsverfahrens gemäß §§ 18 ff. EntG abschießend festlegt, so handelt es sich schon dem Wortlaut nach nicht um eine zwingende Vorschrift. Danach stellt die Durchführung des Entschädigungsverfahrens lediglich eine Möglichkeit dar ("kann"), welche nicht zwingend beschritten werden muss. Nichts anderes gilt, wenn es sich bei § 19 Abs. 2 a FernStrG um eine Rechtsgrundverweisung handeln sollte, welche auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Durchführung eines Entschädigungsverfahrens nach dem Enteignungsgesetz verweist. Denn auch die Regelungen des Enteignungsgesetzes geben für die Annahme eines zwingenden Charakters des Entschädigungsverfahrens nach diesem Gesetz in der gegebenen Konstellation nichts her. So setzt § 28 Abs. 1 EntG voraus, dass eine Teileinigung im Enteignungsverfahren selbst erfolgt. In der vorliegenden Fallgestaltung ist ein solches aber gar nicht in Gang gesetzt worden. Auch Absatz 2 der Vorschrift, wonach die Behörde auch dann nach Absatz 1 verfahren kann, wenn eine Teileinigung außerhalb des Verfahrens getroffen wird, führt nicht zu einer die Zulässigkeit des allgemeinen Zivilrechtsweges ausschließenden Sonderzuweisung. Abgesehen davon, dass unklar ist, ob auch insoweit ein förmliches Enteignungsverfahren eingeleitet sein muss, besteht jedenfalls lediglich die Möglichkeit, nach § 28 Abs. 1 EntG zu verfahren, jedoch - insbesondere für den Entschädigungsberechtigten - keine Verpflichtung. Entsprechendes gilt auch für § 41 Enteignungsgesetz, wonach bei allein wegen außerhalb der förmlichen Enteignung eingetretener Nachteile die Festsetzung der Entschädigung im Verfahren nach dem Enteignungsgesetz beantragt werden "kann". Abgesehen von der Frage, ob diese Regelung überhaupt auf den vorliegenden Fall, in dem eine förmliche Enteignung gerade nicht eingeleitet wird, anzuwenden ist, kann auch ihr eine zwingende Verweisung in das enteignungsrechtliche Entschädigungsverfahren nach dem Enteignungsgesetz nicht entnommen werden.

4. Auf der Grundlage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen von August 2002 und März 2005 steht der Klägerin in Verbindung mit dem Gutachten des Dr. G. vom 15. Februar 2005 der Entschädigungsanspruch in zuerkannter Höhe zu.

Zu Recht geht die Klägerin davon aus, dass sie hinsichtlich der von den Parteien in der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 offen gelassenen Entschädigungsposition auf der Basis des Anbaus von Roten Beeten zu entschädigen ist (nachfolgend 4.1.). Allerdings bezieht sich dieser Entschädigungsanspruch unter Berücksichtigung der Parteivereinbarung nur auf eine geringere Fläche, als von der Klägerin angenommen (4.2.).

4.1. Ausgangspunkt für die Entschädigungshöhe ist nach den von den Parteien in ihrer Vereinbarung vom 9./14. August 2002 in Bezug genommenen Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft 78 (dort Ziffer 4.2.1) im Falle eines Flächenentzuges vor Aberntung die tatsächlich angebaute Frucht. Hierbei stellt die Entschädigung für den Ernteausfall einen Ausgleich für die entgangene Nutzung der in Anspruch genommenen Fläche dar. Folglich steht der Klägerin im Grundsatz eine Entschädigung für die tatsächlich angebaute Fruchtart, hier Rote Beete, zu.

Nichts anderes ergibt sich unter dem Gesichtspunkt einer Beurteilung nach dem sogenannten Deckungsbeitragsverlust (Ziffer 4.1 Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft 78). Insoweit sind bei der Ermittlung des Verlustes die Fruchtarten zu Grunde zu legen, die nach dem Entzug entfallen oder eingeschränkt werden können. Die Klägerin hat vorgetragen, dass auf der streitgegenständlichen Fläche auch im Hinblick auf Erfordernisse der sachgemäßen Fruchtfolge keine Möglichkeit bestand, Winterweizen anzubauen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Vielmehr hat sie behauptet, die Klägerin habe die Möglichkeit gehabt, Rote Beete auf Ersatzflächen anzubauen. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag pauschal geblieben und nicht erkennbar ist, wie der hierzu angetretene Sachverständigenbeweis auf dieser Grundlage (noch) hätte erhoben werden können, hat sich die Beklagte nicht mit der Behauptung der Klägerin auseinandergesetzt, dass auf den streitgegenständlichen Flächen der Anbau von Weizen unter Berücksichtigung einer anbaugerechten im Anbaujahr nicht in Betracht gekommen wäre. Abgesehen davon hätte sie beim Anbau von Roter Beete auf anderen Flächen im Hinblick auf die dort vorgesehene Nutzung weitere Verluste erlitten, deren Höhe mangels Kenntnis der einzelnen Anbauarten nicht bekannt und auf der Grundlage des Parteivortrages auch nicht zu ermitteln ist. Bei dieser Sachlage bleibt - die von der Beklagten behauptete Möglichkeit zum Anbau von Roter Beete auf Ausweichflächen unterstellt - offen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine solche Maßnahme den Schaden gemindert hätte. Auf dieser Grundlage kann weder ein den Anspruch reduzierendes Mitverschulden, für das die Beklagte darlegungspflichtig wäre, angenommen werden, noch könnte dessen Anteil an der Schadensverursachung bemessen werden.

Hat der Entschädigungsberechtigte einen nachvollziehbaren Nutzungswillen dargelegt und wie im Streitfall in die Tat umgesetzt, so stellt dieser grundsätzlich die Grundlage für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs dar. Da die Klägerin durch die Baumaßnahme in der ihr obliegenden freien Nutzung der Flächen (wirtschaftlich) beeinträchtigt worden, ist ihr der hierdurch eingetretene Vermögensnachteil zu entschädigen. Insoweit würde nichts anderes gelten, wenn die Klägerin im Hinblick auf die Baumaßnahmen von der Bewirtschaftung der Flächen mit Roter Beete gänzlich abgesehen hätte. Auch in diesem Falle wäre die Entschädigung gemäß der Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft 78 (Ziff. 4.1.2.) nach der Frucht (Nutzungsart) zu bemessen gewesen, die nach dem Entzug der Flächen entfallen wäre, also grundsätzlich nach der vorgesehenen Nutzung.

Ausgehend von dem durch die Parteien in ihrer Vereinbarung vom 1. März 2005 für die Berechnung als verbindlich erklärten Gutachten des Sachverständigen Dr. G. ist die Entschädigung des Aufwuchsschadens damit auf der Grundlage eines Betrages von 7.702,50 €/ pro ha unter Anrechnung von eingesparten variablen Erntekosten in Höhe von 300,00 €/ pro ha zu berechnen.

4.2. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr eine Entschädigung allerdings nur für eine Anbaufläche von 1,3725 ha zu. Nur insoweit haben die Parteien ausweislich der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 die Entschädigungsfrage offen gelassen. Im Einzelnen haben die Parteien in § 1 dieser Vereinbarung im Hinblick auf sieben ausdrücklich aufgezählte Entschädigungspositionen eine Gesamtentschädigung in Höhe von 162.348,95 € vereinbart. Weiterhin hat sich die Klägerin gemäß § 3 der Vereinbarung als Pächterin hinsichtlich der "hier geregelten Entschädigungsansprüche (...) für endgültig abgefunden" erklärt, ausdrücklich (nur) "ausgenommen der vorübergehenden Inanspruchnahme von Flächen (Arbeitsstreifen)". Demzufolge ist in § 3 Satz 2 der Vereinbarung Folgendes formuliert: "Über die Entschädigung der vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen (Arbeitsstreifen) wird nach Baudurchführung durch ein neues Gutachten verhandelt und entschieden".

Mit dieser Regelung haben die Parteien sich zum einen auf bestimmte Entschädigungspositionen und den hierfür zu leistenden Entschädigungsbetrag abschließend geeinigt und für weitere, ebenfalls abstrakt bestimmte, Flächen eine Klärung noch vorbehalten. Diese - von der Einigung ausgenommenen - Flächen haben sie zweifach, nämlich in Satz 1 und Satz 2 von § 3 der Vereinbarung mit Flächen "der vorübergehenden Inanspruchnahme" beziehungsweise mit "vorübergehend in Anspruch genommene Flächen" bezeichnet und die so umschriebenen Flächen - ebenfalls zweifach - als "Arbeitsstreifen" definiert. Bei den so bezeichneten Flächen, die sich dadurch auszeichnen, dass die Inanspruchnahme für Straßenbauarbeiten gerade nur vorübergehend und damit nicht endgültig erfolgt, handelt sich aber nicht um sämtliche Flächen, welche der Gutachter G. in seinem Gutachten vom 15. Februar 2005 zu Grunde gelegt hat. Dieser ist von einer Trassenlänge von 1.142 m und einer Breite von 72 m ausgegangen und legt somit eine geschädigte Fläche von 8,2224 ha zu Grunde, die er insgesamt als "Arbeitsstreifen" bezeichnet. Diese Annahme steht jedoch erkennbar nicht in Übereinstimmung mit der Vereinbarung der Parteien, welche sich eine Einigung ausschließlich hinsichtlich solcher Flächen vorbehalten wollten, welche nur "vorübergehend in Anspruch genommen" werden. Vorübergehend in Anspruch genommen wurden aber nur diejenigen Flächen, die nach Durchführung der Bauarbeiten wieder der Klägerin als Pachtflächen zur Verfügung standen, nicht jedoch solche, welche durch die Baumaßnahmen endgültig entzogen wurden, namentlich die Fläche der Straßentrasse selbst. Mit Rücksicht auf ihren klaren Wortlaut erscheint weder eine Auslegung der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 naheliegend noch besteht Anlass für die Annahme, dass die Parteien die Entschädigung für weitergehende als nur die vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen, namentlich für endgültig entzogene, offenhalten wollten und es sich bei Abfassung der Vereinbarung damit um eine übereinstimmende - und (nur) dann unschädliche - Falschbezeichnung des eigentlich Gemeinten gehandelt hat. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass weder im Vorprozess noch in dem vorliegenden Rechtsstreit diese Frage - was an sich seitens der Beklagten zu erwarten gewesen wäre - problematisiert worden ist. Gleichwohl ist dieser Umstand nicht geeignet, den Senat von einem dem Wortlaut der Vereinbarung widersprechenden Verständnis der Regelung zu überzeugen. Denn das dem Wortlaut entsprechende Verständnis der Vereinbarung steht mit weiteren Indizien in Einklang und stellt - anders als die Klägerin meint - eine in sich schlüssige und auch nachvollziehbare Regelung dar. So haben sich die Parteien in § 1 der genannten Vereinbarung etwa auf eine Entschädigung für den "Aufwuchs" geeinigt und diesen mit einem Entschädigungsbetrag von 21.453,32 € bewertet; auch insoweit hat sich die Klägerin gemäß § 3 der Vereinbarung für endgültig abgefunden erklärt. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass der Aufwuchsschaden sich auf bereits eingebrachte Pflanzen bezieht und damit bereits einen Teil der angebauten Früchte umfasst. Mit dem in der Vereinbarung vom 9./14. August 2002 dokumentierten Regelungsprogramm einer bindenden Einigung auf bestimmte Entschädigungspositionen einerseits und dem Vorbehalt für nicht in dieser Vereinbarung enthaltene Entschädigungsansprüche andererseits wäre es nicht vereinbar, für ein und dieselben Flächen - nämlich die endgültig in Anspruch genommenen Flächen der Trasse selbst - zum einen eine Entschädigung gemäß § 1 der Vereinbarung sowohl für den Aufwuchs vorzusehen, zum anderen aber für die Trasse als Teil eines "Arbeitsstreifens" zugleich eine weitergehende Entschädigung vorzubehalten. Ein solches Verständnis würde nicht nur dem Wortlaut der Entschädigungsvereinbarung entgegenstehen, sondern auch ihrer Regelungssystematik, die zwischen endgültig abgefundenen Entschädigungspositionen einerseits und noch zu klärenden Entschädigungspositionen andererseits deutlich unterscheidet. Im Übrigen entspricht das von den Parteien in der Entschädigungsvereinbarung von August 2002 niedergelegte und dort definierte Verständnis des Arbeitsstreifens im Sinne der (nur) vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen auch der Terminologie, welche die Parteien im Vorfeld der Vereinbarung verwendet haben. So weist die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006 vorgelegte Karte (Bl. 134 d. A.), welche nach ihrem unstreitigen Vortrag dem Schreiben vom 19. November 2001 beigefügt gewesen war, die verschiedenen Flächen entsprechend ihrer Inanspruchnahme gesondert aus, nämlich als Flächen, die auf die neue Trasse entfallen und zu erwerben sind, darüber hinaus zu erwerbende Flächen für den neuen Wirtschaftsweg, weitere dauernd zu beschränkende Flächen und zuletzt solche Flächen, die (nur) einer vorübergehenden Inanspruchnahme unterliegen. Dem entspricht es, dass die Parteien für eben diese Flächen der vorübergehenden Inanspruchnahme in der Vereinbarung von August 2002 eine gesonderte Regelung im genannten Sinne getroffen haben. Dem folgend hat die Beklagte auch bereits mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 (Anlage K 14, Bl. 98 d. A.) darauf hingewiesen, dass bereits mit der Entschädigungsvereinbarung vom 9./14. August 2002 eine Entschädigung für den Aufwuchs gezahlt worden sei. Hiermit hat sie sich, als bereits der Streit über die Grundlage der Entschädigungsberechnung nach Roter Beete einerseits oder Weizen andererseits aufgekommen war, genau darauf berufen, dass hinsichtlich der dauerhaft entzogenen Flächen in der Entschädigungsvereinbarung eine Position für den Aufwuchs enthalten und auf dieser Grundlage eine Entschädigung ausgezahlt worden sei.

An einer Beschränkung der Entschädigung auf diejenigen Flächen, bezüglich derer sich die Parteien in der Vereinbarung vom August 2002 eine Einigung noch vorbehalten haben, sieht sich der Senat auch nicht durch den Inhalt der Schiedsgutachtenabrede vom 1. März 2005 gehindert, wonach das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. verbindlich sein solle. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Parteien bei Abfassung dieser Vereinbarung vom 1. März 2005 bewusst waren, dass der Sachverständige Dr. G. - möglicherweise infolge eines Missverständnisses - davon ausging, die Entschädigung für den gesamten Aufwuchsschaden sei zwischen den Parteien noch offen. Entscheidend für die Einschaltung des Gutachters war die Frage, in welcher Höhe der Ernteausfall für die beiden Fruchtarten zu berechnen ist. Die von den Parteien ausweislich der Vereinbarung vom 1. März 2005 gesuchte Sachkunde des Gutachters bezog sich darauf, den anzusetzenden Betrag für den Ernteausfall zu berechnen. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Schiedsgutachtenabrede auch auf die - vom Gutachter gar nicht problematisierte - Frage des Verständnisses der Entschädigungsvereinbarung der Parteien beziehungsweise auf die schlichte Multiplikation des Entschädigungsbetrages pro Hektar mit der zu entschädigenden Fläche beziehen sollte.

Auf dieser Grundlage steht der Klägerin ein Entschädigungsanspruch nur für die Flächen zu, welche vorübergehend in Anspruch genommen worden sind. Diese umfassen, was der Senat den insoweit unstreitigen Angaben des Gutachters Dr. G. entnehmen kann, 1,3725 ha. Damit beläuft sich die der Klägerin zustehende Entschädigung unter Zugrundelegung eines Anbaus von Roter Beete auf 10.571,68 € (7.702,50 €/ha x 1,3725 ha). Von diesem Betrag sind, ebenfalls von den Angaben des Sachverständigen Dr. G. ausgehend, 411,75 € (300,00 €/ha x 1,3725 ha) an ersparten Erntekosten abzuziehen.

Mit Rücksicht auf die Entschädigungsvereinbarung von August 2002 hat es mit diesem Betrag in Höhe von 10.159,93 € sein Bewenden.

Die Nebenforderung hat ihre Grundlage in §§ 288, 291 BGB.

Der am 29. Juni 2009 eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 26. Juni 2009 rechtfertigt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) nicht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, der grundsätzliche Rechtsfragen nicht aufwirft. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht geboten.

Ende der Entscheidung

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