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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.01.2007
Aktenzeichen: 2 U 6/06
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
BGB § 839
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 6/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.01.2007

verkündet am 08.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2006 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Farke, den Richter am Oberlandesgericht Deller und die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Dezember 2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin, Az.: 3 O 285/04, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land Schadensersatz und Schmerzensgeld mit der Behauptung, dieses sei seiner Räum- und Streupflicht am 19. Januar 2004 auf dem Autobahnrastplatz L...B... - und dort insbesondere auf dem zwischen den Parkbuchten befindlichen Gehweg - nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Die Klägerin sei gegen 17.00 Uhr glättebedingt auf diesem Gehweg gestürzt, habe sich erhebliche Verletzungen zugezogen und für die ärztliche Behandlung Zusatzkosten in Höhe von 801,34 EUR aufwenden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen (Ehemann und Tochter der Klägerin) mit Urteil vom 16. Dezember 2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es liege schon keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht auf belebten Parkplätzen sei die Gewährleistung einer Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Fahrzeuges und zum Erreichen derselben durch die Fahrzeugnutzer. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen, indem sie die Parkplätze selbst und die Fahrwege geräumt habe. Einer Räumung oder des Abstreuens auch des Gehweges habe es deshalb nicht bedurft. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass ihr Sturz auf die Glätte zurückzuführen gewesen sei. Angesichts ihrer Vorerkrankung im linken Kniegelenk bestehe durchaus die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache als der Glätte für den Sturz, die die Klägerin nicht auszuräumen vermocht habe. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegend zu bejahen wären, wäre eine Ersatzpflicht der Beklagten wegen überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausgeschlossen. Es sei offensichtlich gewesen, dass der Gehweg nicht geräumt und/oder abgestreut gewesen sei; die Klägerin habe die schon deshalb gebotene besondere Vorsicht bei Benutzung des Weges ersichtlich nicht walten lassen.

Gegen dieses ihr am 21. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem bei Gericht am 20. Januar 2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tage - mit einem am 21. März 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Klägerin rügt eine unzureichende Berücksichtigung ihres Tatsachenvortrages; sie habe bestritten, dass der Parkplatz selbst zum Unfallzeitpunkt geräumt und abgestreut gewesen sei. Sie ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter der Auffassung, dass das beklagte Land den Winterdienst auch auf den Gehweg hätte erstrecken müssen.

Das beklagte Land verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete, Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem beklagten Land schon keine Verletzung der Räum- und Streupflicht anzulasten ist, so dass die auf §§ 839, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestützten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht begründet sind.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das beklagte Land für den Autobahnrastplatz - jedenfalls in dem Bereich, in dem es zu dem glättebedingten Sturz der Klägerin gekommen sein soll - verkehrssicherungspflichtig ist. Unstreitig ist auch, dass die auf dem Rastplatz zwischen den Parkbuchten befindlichen Gehwege im behaupteten Unfallzeitpunkt mit Schnee bedeckt und überfroren waren. Im Hinblick auf den Zustand der ansonsten auf dem Rastplatz vorhandenen Verkehrsflächen brauchte das beklagte Land im Rahmen seines Winterdienstes allerdings für die in Rede stehende Unfallstelle tatsächlich keine besonderen Maßnahmen zu treffen.

Bei öffentlichen Parkplätzen genügt der Sicherungspflichtige den an ihn gestellten Anforderungen, wenn er eine Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Platzes oder zum gefahrlosen Erreichen der Wagen schafft. Insoweit gilt das, was die Rechtsprechung für sonstige öffentliche Plätze ausgesprochen hat: Der Pflichtige braucht große Plätze, die nicht im Zuge von Straßen liegen, keinesfalls für Fußgänger völlig zu bestreuen; er muss sie dort bestreuen, wo der Verkehr ein sicheres Betreten des Platzes verlangt, wobei es genügt, dass er eine sichere Verbindung schafft, falls sie den Verkehr tragen kann und die Verkehrsteilnehmer nicht zu übermäßigen Umwegen nötigt (BGH NJW 1966, 202/203; BGH, Beschluss vom 27. April 1989, Az. III ZR 193/88 - zitiert nach juris).

Der Gehweg, den die Klägerin benutzt hat, war nicht geräumt, sondern mit Schnee bedeckt und - nach den Behauptungen der Klägerin und den Aussagen der Zeugen - unter dem Schnee überfroren und deshalb glatt. Die ansonsten für die Verkehrsteilnehmer eröffneten Flächen des Rastplatzes waren demgegenüber unstreitig jedenfalls geräumt. Darüber hinaus hat nicht einmal die Klägerin selbst behauptet, dass auf den Verkehrsflächen außerhalb des zwischen den Parkbuchten verlaufenden Gehweges Glätte herrschte. Sie hat in ihrer Anhörung im Termin am 24. Mai 2005 (Bl. 145 d.A.) lediglich erklärt, dass sie bei Einfahrt auf den Rastplatz zwei Polizisten gesehen habe, die Lkw eingewiesen hätten, und sie deshalb "angenommen" habe, dass die Straße glatt sei. Ihr Ehemann hat bei seiner Zeugenvernehmung am selben Tage zunächst erklärt, dass die Fahrbahnen auf dem Rastplatz gestreut gewesen seien, dann aber klargestellt, dass er nicht genau sagen könne, ob die Straße gestreut gewesen sei. Die Tochter der Klägerin hat ausgesagt, die Straße habe am Unfalltag "geglänzt", sei "aber wohl gestreut" gewesen.

Danach können Versäumnisse des beklagten Landes beim Winterdienst im Hinblick auf die übrigen Verkehrsflächen, d.h. diejenigen mit Ausnahme des Gehweges, nicht festgestellt werden. Der Klägerin wäre es - wenn auch unter Inkaufnahme eines sehr geringfügigen Umweges - danach möglich gewesen, auf den vom Winterdienst unstreitig behandelten Verkehrsflächen, die für das Betreten der Raststätte ohnehin hätten genutzt werden müssen, weil der von der Familie der Klägerin benutzte Gehweg schon nach wenigen Metern an der Fahrbahn endete, zu der Raststätte zu gelangen. Nach den o.g. Grundsätzen für den Winterdienst auf Rastplätzen hat das beklagte Land damit aber seiner Räum- und Streupflicht vollauf Genüge getan.

Dem Umstand, dass die Klägerin selbst den Gehweg für weniger gefährlich als die "glänzende" Fahrbahn gehalten haben will, kann keine der Klägerin günstige Bedeutung beigemessen werden. Diese Annahme war nämlich angesichts der äußeren Umstände durch nichts gerechtfertigt. Das "Glänzen" einer unstreitig feuchten Verkehrsfläche in der - vom Licht der Scheinwerfer der den Rastplatz frequentierenden Fahrzeuge erhellten - Dämmerung ist nicht einmal ein zuverlässiges Indiz für eine Glättebildung auf dieser Fläche. Zum anderen kann gerade deshalb, weil man nicht sieht, wie die Verhältnisse unter einer Schneedecke sind, auch die Nutzung schneebedeckter Wege nicht ohne Weiteres als ungefährlich eingestuft werden.

Soweit die Klägerin die besondere Gefährlichkeit der Fahrbahn gegenüber dem Gehweg mit dem fließenden Verkehr zu begründen sucht, kann auch das nicht überzeugen. Die Aussage der Tochter der Klägerin, "es mögen (am Unfalltag) schon 6 bis 15 Fahrzeuge gewesen sein", die die Zubringerstraße befahren haben, ist schon unergiebig, weil völlig offen bleibt, in welchem Zeitraum dieser Verkehrsfluss stattgefunden haben soll. Außerdem hat die Zeugin diese Angaben selbst als unsicher bezeichnet. Einen Verkehrsfluss, der die Nutzung der Fahrbahn für den Weg zur Raststätte gefährlich oder unzumutbar gemacht hätte, kann man daraus jedenfalls nicht herleiten. Im Übrigen ist gerade auf Autobahnrastplätzen regelmäßig ein nicht unerheblicher Fußgängerverkehr auf den für den fließenden Verkehr vorgesehenen Flächen zu beobachten, so dass die Fahrzeugführer in diesem Bereich entgegen der Auffassung der Klägerin durchaus mit Fußgängern rechnen und ihre Fahrweise darauf einstellen (müssen). Eine besondere Gefährlichkeit der geräumten Fahrbahn im Hinblick auf den fließenden Verkehr, der die Nutzung des schneebedeckten und deshalb mutmaßlich - und hier tatsächlich - gefährlicheren Gehweges veranlasst hätte, ist daher nicht zu erkennen.

Wenn nach alledem das beklagte Land mit der Durchführung des Winterdienstes auf allen Verkehrsflächen des Rastplatzes mit Ausnahme der zwischen den Parkbuchten verlaufenden Gehwege den an den Sicherungspflichtigen zu stellenden Anforderungen Genüge getan hat, fehlt es bereits an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, so dass die hier verfolgten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht gerechtfertigt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Mit Rücksicht darauf, dass die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassung der Revision nicht anfechtbar ist, sieht der Senat von Schutzanordnungen gemäß §§ 711, 713 ZPO ab.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.801,34 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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