Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2001
Aktenzeichen: 2 Ws (Reha) 13/01
Rechtsgebiete: DevG/DDR, StrRehaG, OWG-DDR, StPO


Vorschriften:

DevG/DDR § 19
DevG/DDR § 18 Abs. 1
DevG/DDR § 19 Abs. 1
DevG/DDR § 17 Abs. 1 Nr. 3
DevG/DDR § 17 Abs. 1
DevG/DDR § 18
StrRehaG § 1 Abs. 5
StrRehaG § 14 Abs. 1 u. 4
OWG-DDR § 2 Abs. 1
OWG-DDR § 6 Abs. 1 Nr. 3
OWG-DDR § 40 bis 42
OWG-DDR § 18 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ws (Reha) 13/01

In dem Rehabilitierungsverfahren

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Röper, die Richterin am Oberlandesgericht Pisal und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kühl

am 17. Oktober 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß der Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Cottbus vom 21. Dezember 2000 wird verworfen.

Kosten des Rehabilitierungsverfahrens werden nicht erhoben. Der Beschwerdeführer trägt die ihm entstandenen Auslagen selbst.

Gründe:

I. Das Kreisgericht H. verurteilte den Betroffenen B. am 3. Juli 1980 wegen "Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Nach den Feststellungen hatte der unbestrafte, 18 Jahre alte Betroffene geplant, mit einem Freund in die CSSR zu reisen und von dort illegal die Grenze nach Österreich zu überschreiten. Bei einer Kontrolle an der Grenze der Tschechoslowakei in B wurden sie festgenommen.

Wie sich aus den Akten ergibt, hatte der Betroffene von seinem Sparkonto vor der Reise einen Betrag von 1970 M abgehoben. 1.700 M davon führte er unter seinen Strümpfen versteckt bei sich, als er festgenommen wurde. Dieses Geld wurde durch das Grenzzollamt B eingezogen. In dem "Einziehungsentscheid" vom 7. Mai 1980 heißt es, es seien 1700 M "gemäß § 19 Devisengesetz vom 19.12.1973 eingezogen" worden. Der Betroffene habe "vorsätzlich die (ihm) obliegenden Rechtspflichten bei der Ausfuhr von Zahlungsmitteln verletzt und damit den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Devisengesetz erfüllt". Nach der gleichzeitig erteilten Rechtsmittelbelehrung stand dem Betroffenen innerhalb von vier Wochen das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Auf welchem Sachverhalt die Entscheidung beruhte, geht aus ihr nicht hervor. Der Zusammenhang ergibt aber, daß der Betroffene versucht hat, bei seiner Flucht 1700 M/DDR mitzunehmen.

II. Mit Schreiben vom 13. September 1999 hat der Betroffene unter Hinweis auf die erwähnte Entscheidung des Kreisgerichts H. "die Wiederauszahlung des zu Unrecht beschlagnahmten Betrages von 1700,- DM" beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht, das dies als Antrag auf Rehabilitierung aufgefaßt hat, das Urteil des Kreisgerichts für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Den gleichzeitig sinngemäß gestellten Antrag auf Aufhebung des Einziehungsbescheides hat es dagegen als unzulässig abgelehnt. Insoweit heißt es in den Gründen, die Einziehung sei nicht durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgt, sondern durch Einziehungsbescheid der Zollverwaltung. Solche Entscheidungen seien der strafrechtlichen Rehabilitierung entzogen, so daß gegen sie gerichtete Anträge in diesem Verfahren unzulässig seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen, mit der er sein Ziel, eine Rückzahlung des eingezogenen Betrages zu erreichen, weiterverfolgt.

III. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, daß der angegriffene "Einziehungsentscheid" der strafrechtlichen Rehabilitierung nicht zugänglich ist.

1. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des StrRehaG auf andere Akte als gerichtliche Entscheidungen ist, daß der angegriffene Akt für sich allein eine strafrechtliche Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 5 StrRehaG darstellt. Dagegen würde es nicht genügen, wenn er nur aus Anlaß eines Strafverfahrens oder sonst in einem wie immer gearteten Zusammenhang damit ausgesprochen wurde (BbgOLG VIZ 1995, 255; 1995, 679; OLG Dresden VIZ 1996, 483, alle zur verwaltungsmäßigen Enteignung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren). Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Danach sind nur "strafrechtliche Entscheidungen" (§ 1 Abs. 1 StrRehaG) und "strafrechtliche Maßnahmen, die keine gerichtlichen Entscheidungen sind" (Abs. 5 aaO) rehabilitierungsfähig. Jede einzelnen angegriffene Maßnahme muß deshalb in diesem Sinne als strafrechtlich qualifiziert werden können, wenn sie für eine Rehabilitierung in Betracht kommen soll.

Erforderlich dafür ist zwar nicht unbedingt, daß die Maßnahme im Verfahren nach der StPO-DDR ergeht; beispielsweise die ungesetzliche "Bestrafung" durch eine vollkommen unzuständige öffentliche Stelle müßte nach Sinn und Zweck des StrRehaG im Rehabilitierungsverfahren als rechtsstaatswidrig aufgehoben werden können. Notwendig ist aber, daß die Behörde, die den angegriffenen Akt erlassen hat, diesen gerade als strafrechtliche Vergeltung für das mißbilligte Verhalten ansah (BbgOLG VIZ 1995, 679). Keine strafrechtliche Maßnahme ist dagegen eine Anordnung, die nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten vom 12. Januar 1968 (GBl. DDR I 101; zu den vorliegend erheblichen Tat- und Entscheidungszeiten in der Fassung des Devisengesetzes vom 19. Dezember 1973, GBl. I 574, und des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979, GBl. I 139) ergangen ist (OLG Naumburg VIZ 1993, 517; VG Chemnitz VIZ 2000, 607).

2. Der hier angegriffene Akt diente der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit und war deshalb nicht strafrechtlicher Natur.

Angewendet wurde das Devisengesetz vom 19. Dezember 1973 (GBl. I 574) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Devisengesetzes vom 28. Juni 1979 (GBl. I 147). Nach § 19 Abs. 1 aaO, auf den der angegriffene Entscheid gestützt ist, konnten "neben der Strafe oder dem Ausspruch einer Ordnungsstrafmaßnahme ... die Werte, die Gegenstand einer Straf- oder Ordnungsstrafrechtsverletzung waren, ... entschädigungslos eingezogen werden". Nach Abs. 3 konnte "die Einziehung ... auch selbständig erfolgen". Gegenstand des Entscheides war vermutlich eine Zuwiderhandlung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 DevG/DDR, wonach bestraft wird, wer "Devisenwerte an der Zoll- oder Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik der Devisenkontrolle vorenthält". Nach § 18 Abs. 1 DevG/DDR, den der Einziehungsentscheid ausdrücklich erwähnt, konnte "durch die Dienststellen der Zollverwaltung ... durch eine Strafverfügung bis zu 20000 Mark bestraft werden", "wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Handlung nach § 17 Abs. 1 begeht und dadurch den ordnungsmäßigen Devisenverkehr über die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik stört, ohne daß die Interessen der sozialistischen Gesellschaft erheblich beeinträchtigt werden".

Wenn die Zollverwaltung so verfuhr, dann handelte es sich dabei um eine Ordnungsstrafmaßnahme. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Devisengesetz, aber aus anderen Rechtsvorschriften:

Nach § 2 Abs. 1 OWG-DDR waren Ordnungswidrigkeiten "schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die eine Disziplinlosigkeit zum Ausdruck bringen und die staatliche Leitungstätigkeit erschweren oder die Entwicklung des sozialistischen Gemeinschaftslebens stören, jedoch die Interessen der sozialistischen Gesellschaft oder einzelner ihrer Bürger nicht erheblich verletzen und deshalb keine Straftaten sind" (vgl. auch die Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit in § 3 StGB/DDR). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 OWG/DDR konnten außer Ordnungsstrafen oder Verwarnungen mit Ordnungsgeld (§ 5 OWG) in gesetzlichen Bestimmungen "als weitere Ordnungsstrafmaßnahmen" die "Einziehung von Gegenständen, Erlösen oder Wertersatz" vorgesehen werden. §§ 40 bis 42 OWG treffen für die ordnungsstrafrechtliche Verfolgung von Devisenverstößen ähnliche Regelungen.

Bereits hieraus ergibt sich, daß die Einziehung von Geld durch die Zollverwaltung eine ordnungsstrafrechtliche Maßnahme war. Die Verwaltungsbehörde konnte aufgrund von § 18 Abs. 1 OWG/DDR, der hier angewandten Vorschrift, überhaupt nur dann tätig werden, wenn keine Straftat vorlag.

Die zum Devisen- und Zollrecht ergangenen Verfahrensvorschriften (Verordnung über die Verfolgung von Zoll- und Devisenverstößen und das Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen im grenzüberschreitenden Waren- Devisen- und Geldverkehr vom 24. Juni 1971, GBl. I 480, in einem hier nicht einschlägigen Punkt geändert durch die Verordnung vom 29. April 1976, GBl. I 300; vgl. § 18 Abs. 3 DevG/DDR) bestätigen dies. Danach kann die Zollverwaltung, wenn die Zuwiderhandlung "nicht wegen ihrer Schwere als Straftat zu verfolgen ist", Strafverfügungen und Einziehungsentscheide (hierzu § 2) erlassen, wobei die Vorschriften des OWG grundsätzlich entsprechend anwendbar sind (§ 9).

3. Der Senat ist an dieser Entscheidung nicht nur den Beschluß des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. März 1993 - 2 Ws 617/93 - nicht gehindert. Zwar wird dort die Ansicht vertreten, ein auf § 19 DevG/DDR gestützter Einziehungsbescheid der Zollverwaltung sei rehabilitierungsfähig, wenn er - wie hier - in untrennbarem Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen beabsichtigten unerlaubten Verlassens der DDR steht und an einen Verstoß gegen § 18 DevG/DDR anknüpft. Das Oberlandesgericht Dresden hat aber auf Anfrage des Senats mitgeteilt, daß es an dieser Ansicht nicht festhält.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 1 und 4 StrRehaG sowie auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück