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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 2 Ws (Vollz) 17/05
Rechtsgebiete: StVollzG, VwVfG


Vorschriften:

StVollzG § 4 Abs. 2
StVollzG § 4 Abs. 2 S. 2
StVollzG § 37
StVollzG § 37 Abs. 3
StVollzG § 116 Abs. 1
VwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ws (Vollz) 17/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafvollzugssache

wegen Beendigung der Umschulung zum Koch

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Richterin am Oberlandesgericht Pisal, den Richter am Oberlandesgericht Grepel und den Richter am Oberlandesgericht Tscheslog

am 4. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Cottbus vom 4. Oktober 2005 wird als unbegründet verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten seines Rechtsmittels nach einem Gegenstandswert von 300,00 €.

Gründe:

I.

Der Antragsteller befindet sich seit dem 16. März 2004 zur Verbüßung mehrerer Freiheitsstrafen, deren Ende auf den 21. Juli 2010 notiert ist, in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen. Am 15. September 2004 begann er eine Umschulung zum Koch, die innerhalb der Justizvollzugsanstalt in der dortigen Anstaltsküche durchgeführt wurde. Vor Beginn der Umschulung war der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass der Missbrauch von Drogen zum Abbruch der Umschulung führen könne.

Die Untersuchung einer vom Antragsteller am 15. März 2005 abgegebenen Urinprobe erbrachte den Nachweis eines vorangegangenen Medikamentenmissbrauchs. Am 14. Mai 2005 wurden bei dem Antragsteller zwei Tetrapacks mit selbstgefertigtem Alkohol sichergestellt. Am 11. August 2005 verweigerte der Antragsteller die Abgabe einer Urinprobe mit der Begründung, er könne einen positiven Befund nicht ausschließen. Im Hinblick auf diese Ereignisse beendete die Antragsgegnerin am 17. August 2005 die Umschulung des Antragstellers.

Hiergegen beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, seine Umschulung zum Koch fortzusetzen. Zur Begründung führte er unter anderem sinngemäß an, gelegentlicher Cannabiskonsum auf dem Haftraum könne nicht als Sicherheitsrisiko angesehen werden. Der Antragsgegnerin sei von Anfang an bekannt gewesen, dass er drogengefährdet sei. Diese Schwäche, die auch weiterhin bestehe, da er Drogen benötige, um den trostlosen Gefängnisalltag zu überstehen, dürfe nicht zum Anlass genommen werden, ihm für die Zukunft alle Resozialisierungschancen zu nehmen.

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2005 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, der Widerruf der Ausbildungsmaßnahme finde seine Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG, weil die weitere Ausbildung des Antragstellers in der Anstaltsküche die Sicherheit der Anstalt gefährdet hätte.

Hiergegen richtet sich die jeweils in zulässiger Weise eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Er trägt vor, er habe während der Umschulung stets gute Leistungen erbracht und hätte, wenn überhaupt, schon früher von der Ausbildungsmaßnahme ausgeschlossen werden müssen. Zudem liege eine Ungleichbehandlung mit anderen Strafgefangenen vor, die ebenfalls die Abgabe von Urinproben verweigert hätten.

II.

Das Rechtsmittel des Antragstellers hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nach § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Dies folgt hier nicht aus den sachlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, die im Ergebnis nicht zu beanstanden sind, sondern aus deren rechtlicher Einordnung durch die Strafvollstreckungskammer.

2. Die Rechtmäßigkeit der Beendigung der Umschulung des Antragstellers beurteilt sich nicht nach § 4 Abs. 2 StVollzG. Diese Vorschrift ermöglicht es, dem Gefangenen "Beschränkungen seiner Freiheit" aufzuerlegen. Darum handelt es sich bei der Beendigung einer Ausbildungsmaßnahme nicht (vgl. OLG Zweibrücken, ZfStrVo 1983, 55).

3. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichts und das Schrifttum beurteilen die Rechtmäßigkeit der Beendigung einer Arbeits- oder Ausbildungsmaßnahme, die dem Gefangenen nach § 37 StVollzG zugewiesen worden ist, nach den Grundsätzen über den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG (OLG Zweibrücken, a.a.O.; OLG Celle NStZ 2000, 463; OLG Frankfurt ZfStrVo 2001, 372 auch in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 2 StVollzG; Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl., § 37 Rn. 28). Dieser Lösungsweg ist mangels einer spezielleren Regelung im Strafvollzugsgesetz überzeugend, denn die Zuweisung einer Ausbildungsstelle, die hier nach § 37 Abs. 3 StVollzG erfolgt ist, stellt einen den Gefangenen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Dieser begründet eine Rechtsstellung, in die nur auf gesetzlicher Grundlage eingegriffen werden kann. Die dafür vom Verwaltungsverfahrensgesetz getroffenen Regelungen ermöglichen einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Gefangenen an dem Erhalt der für ihn günstigen Rechtsposition und der Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt zur Förderung des Vollzugsziels und Aufrechterhaltung ihrer Sicherheit und Ordnung.

Nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG darf ein begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Da nach § 37 Abs. 3 nur geeigneten Gefangenen Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden soll, wird die Beendigung einer Ausbildungsmaßnahme insbesondere dann in Betracht zu ziehen sein, wenn sich der Gefangene nachträglich als ungeeignet dafür erweist. Die mangelnde Eignung kann dabei auf persönlichen, fachlichen oder vollzuglichen Gründen beruhen (vgl. dazu Schwind/Böhm/Jehle, § 37 Rn. 18). Sie wird vor allem festzustellen sein, wenn der Gefangen sich als unfähig oder unwillig erweist, die Ausbildungsmaßnahme erfolgreich abschließen zu können, aber auch, wenn die Fortführung der Ausbildung auf Grund des vom Gefangenen gezeigten Verhaltens die Sicherheit der Justizvollzugsanstalt gefährden würde. Im letzteren Fall ist evident, dass auch die weitere Voraussetzung des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsakts - die Gefährdung öffentlichen Interesses ohne denselben - erfüllt ist.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die von der Strafvollstreckungskammer getroffene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin die Umschulung des Antragstellers beenden durfte, weil deren Fortführung die Sicherheit der Anstalt gefährdet hätte. Die von der Strafvollstreckungskammer dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen diese Wertung. Bei den vom Antragsteller begangenen Verstößen gegen das Verbot des Drogenmissbrauchs während der Ausbildungsmaßnahme handelt es sich nicht nur um gelegentliche Disziplinarverstöße von untergeordnetem Gewicht, sondern um einen über Monate hin betriebenen Drogenmissbrauch, den der Antragsteller nach seiner eigenen Stellungnahme nicht einstellen konnte oder wollte. Da die Antragsgegnerin davon ausgehen musste, der Antragsteller werde auch in Zukunft zumindest Cannabis konsumieren, war es ihr nicht zuzumuten, diesen an einem besonders sicherheitsempfindlichen Bereich wie der Anstaltsküche weiter auszubilden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO, 121 Abs. 4 StVollzG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandswerts aus §§ 52 Abs. 1, 60, 65 GKG.

Ende der Entscheidung

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