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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 309/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 42
StGB § 227 Abs. 2
StPO § 459a
StPO § 459a Abs. 1 S. 1
StPO § 462
StPO § 462a
StPO § 462a Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ws 309/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafvollstreckungssache

wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gemeinschaftlichen Betruges

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

am 26. Oktober 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel vom 18. Juni 2000 aufgehoben, soweit darin der Antrag des Verurteilten, die Geldstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 1997 nach seiner Entlassung in Teilbeträgen zahlen zu können, zurückgewiesen wird.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 12. Januar 1996 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte der Verurteilte dem Opfer zum Tode führende Verletzungen bei, nachdem es versucht hatte, ihn sexuell zu nötigen. Das Landgericht ging von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten aus und bewertete die Tat insgesamt als minderschweren Fall im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB.

Am 9. April 1996 verurteilte dasselbe Landgericht den Beschwerdeführer wegen gemeinschaftlichen Betruges in 96 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 250,00 DM. Nach den Feststellungen gründeten der Verurteilte und seine Mittäter B... und K... die "N... GmbH" in der Absicht, von Darlehenssuchenden Vermögenswerte zu vereinnahmen, ohne dafür wirtschaftlich eine Gegenleistung zu erbringen. Dies geschah in der Weise, dass in Tageszeitungen - vorwiegend in Berlin und im ostdeutschen Raum - Anzeigen gestellt wurden, die mit schneller und unbürokratischer, nicht an den Nachweis banküblicher Sicherheiten geknüpfter Kreditvergabe warben; die übliche Schufa-Auskunft würde entfallen. Dem Verurteilten und seinen Mittätern war aus früheren Tätigkeiten bekannt, dass mit derartigen Annoncen vorwiegend ein Kundenkreis angesprochen wird, dem sich auf Grund eines zu geringen Einkommens, mangelnder Sicherheiten oder bereits bestehender Verbindlichkeiten nicht die Möglichkeit eröffnete, bei einer üblichen Bank oder Sparkasse einen Kredit aufzunehmen oder um die Aufstockung eines schon laufenden Kredits nachzusuchen. Insgesamt mehr als 300 Kunden meldeten sich zwecks Erlangung eines Darlehens bei der N... GmbH oder bei ihren Vermittlern, die als freie Mitarbeiter beschäftigt waren und in dem Glauben gelassen wurden, dass es sich um seriös betriebene Geschäfte handelte. Von den Kunden wurde zunächst eine sogenannte Auslagenpauschale erhoben (insoweit wurde die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO beschränkt), sodann wurde ihnen eröffnet, dass die Ausreichung eines Darlehens nur in Betracht käme, falls von ihnen ein weiterer Geldbetrag in Höhe von in der Regel 12 % des gewünschten Darlehensbetrages als sogenannte stille Gesellschaftseinlage in bar bezahlt werde, der als Sicherheit für die GmbH diene und für den Kunden verzinslich angelegt würde. In einigen Fällen wurde den Kunden auch vorgespiegelt, die Einlage würde im 10. und letzten Laufjahr des Darlehens als Rückzahlungsbetrag verrechnet. Sofern sich die Kunden nach den Geldquellen der N... GmbH erkundigten, wurde ihnen bedeutet, dass die GmbH mit privaten Geldgebern, - solventen Privatpersonen wie Ärzten, Professoren und Rechtsanwälten - zusammenarbeite, die in den Genuss steuerlicher Vorteile kämen, indem sie der GmbH Geld zur Verfügung stellen. In anderen Fällen wurde den Kunden erklärt, die GmbH finanziere sich über Immobilien-, Leasing- und Factoringgeschäfte. Außerdem stünde für Immobilienfinanzierungen die A...-Bank, ein Geldinstitut der katholischen Kirche, zur Verfügung. Tatsächlich standen dem Beschwerdeführer und seinen Mittätern keine Geldmittel zur Verfügung, die ihren Auszahlungsverpflichtungen auch nur annähernd entsprochen hätten. Sie verfügten weder über die behaupteten privaten Geldgeber noch hatten sie geschäftliche Kontakte zu Banken oder Einnahmen aus Immobilien- , Leasing- oder Factoringgeschäften. Die letzte der vom Landgericht abgeurteilten Betrugstaten wurde im Mai 1994 begangen. Der aus den 96 Taten entstandene Gesamtschaden betrug etwa 803.600,00 DM.

Mit Beschluss vom 19. Juni 1997 bildete das Landgericht Berlin aus den genannten Freiheitsstrafen eine Gesamtstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und hielt die Geldstrafe aus dem Urteil vom 9. April 1996 aufrecht. Hinsichtlich dieser Geldstrafe ordnete die Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin am 17. März 1998 die Vollstreckung von 209 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe an.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 15. Februar 1995 in Haft. Zwei Drittel der Freiheitsstrafe hatte er am 16. Juni 1999 verbüßt. Strafende - einschließlich der Ersatzfreiheitsstrafe - ist auf den 13. März 2002 notiert.

Am 1. Juli 1999 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam die Aussetzung des nicht verbüßten Teils der Freiheitsstrafe ab; seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf der Senat mit Beschluss vom 2. November 1999.

Am 13. Januar 2000 hat der Beschwerdeführer erneut die Aussetzung des Strafrestes beantragt; außerdem hat er den Antrag gestellt, die Geldstrafe nach seiner Entlassung in monatlichen Raten in Höhe von 1.000,00 DM zahlen zu dürfen. Beide Anträge hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Juni 2000 zurückgewiesen. Auf Grund seiner "äußerst problematischen Persönlichkeitsstruktur" könne dem Verurteilten nur eine ungünstige Kriminalprognose gestellt werden. Seinen Antrag auf Ratenzahlung hat die Kammer mit dem Argument zurückgewiesen, es sei nicht ersichtlich, wie der Verurteilte nach seiner Entlassung auch nur Teilbeträge von 500,00 DM pro Monat (die er in seiner Anhörung genannt hatte) zu leisten in der Lage sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit der er sich im wesentlichen gegen die ungünstige Prognose der Strafvollstreckungskammer wendet.

Der Senat hat den Beschwerdeführer am 24. Oktober 2000 angehört.

II.

Die statthafte (§ 454 Abs. 2 S. 1 StPO) und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist teilweise begründet.

1. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, soweit darin der Antrag auf Zahlungserleichterungen zurückgewiesen wird. Für diese Entscheidung war die Strafvollstreckungskammer nicht zuständig.

Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen die Vollstreckungsbehörde (§ 459a Abs. 1 S. 1 StPO). Eine gerichtliche Zuständigkeit ist erst bei Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde gegeben (§ 459h StPO).

Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer - auch nicht aus §§ 462, 462a, 459a StPO. Zwar wird durch § 462a Abs. 1 S. 1, der die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer regelt, über die Verweisung auf § 462 StPO auch die Bestimmung über die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde in § 459a Abs. 1 S. 1 StPO in Bezug genommen. Doch dieser Bezug bedeutet nicht, dass die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde für die Entscheidung über Zahlungserleichterungen auf die Strafvollstreckungskammer übergeht; vielmehr ergibt sich aus diesem Verweisungszusammenhang allein, dass die Regel, wonach über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde das erkennende Gericht zu entscheiden hat, dann eine Ausnahme erfährt, wenn sich der Beschwerdeführer in Haft befindet; dann nämlich ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt.

Die Vollstreckungsbehörde, also die Staatsanwaltschaft, ist zwar schon mehrfach mit Anträgen des Verurteilten auf Zahlungserleichterungen befasst gewesen; über den am 13. Januar 2000 gestellten Antrag auf Ratenzahlung in Höhe von 1.000,00 DM pro Monat nach der Entlassung hat sie bisher aber keine Entscheidung getroffen. Aus diesem Grunde war die Strafvollstreckungskammer für diese Entscheidung unzuständig.

Bei einer erneuten Entscheidung dürfte aus Sicht des Senats von Bedeutung sein, dass der Verurteilte in seiner Anhörung am 24. Oktober 2000 erklärte, nach seiner Entlassung als Kraftfahrer für die "A... GmbH" arbeiten zu können und dafür Lohn in Höhe von 1.700,00 DM netto und 1.200,00 DM für Spesen zu erhalten, so dass er 500,00 DM monatlich für die Bezahlung der Geldstrafe verwenden könne. Bedeutsam erscheint ferner, dass der Beschwerdeführer mehrfach - so bereits durch Schreiben seines Verteidigers vom 2. April 1998 (Bl. 207 Bd. I VH) und auch in der Anhörung vor dem Senat - erklärt hat, nicht mehr über das Vermögen zu verfügen, das das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 9. April 1996 festgestellt hat, weil der Mittäter B... auf Grund weiterbestehender Vollmachten darüber verfügt habe. Im übrigen sind Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu gewähren, sofern ihre Voraussetzungen erfüllt sind; in diesem Sinne ist diese Regelung "zwingender Natur" (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., Rn. 2 zu § 42), auch wenn aus der Höhe der Geldstrafe eine langandauernde Ratenzahlung folgen sollte.

2. Die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung sind nicht erfüllt; sie kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Allerdings gründet diese Prognose nicht auf der Tat vom August 1987; sie ist offensichtlich auf Grund kaum wiederholbarer Bedingungen entstanden. Prognostisch aufschlussreich hingegen sind die Betrugstaten des Jahres 1994. Dabei hat der Beschwerdeführer zusammen mit seinen Mittätern über einen längeren Zeitraum einen Zusammenhang von Verfahrensweisen und unwahren Tatsachendarstellungen ersonnen und praktiziert, durch den Personen, die nicht selten auf Grund schon bestehender Schulden oder aus anderen Gründen unter Druck standen, geschädigt wurden und wodurch am Ende ein beträchtlicher Gesamtschaden entstanden ist. Diesen Betrugsstraftaten lag die Einstellung zu Grunde, mit Hilfe immer wieder neuer unwahrer Behauptungen die eigenen Interessen zu Lasten der Interessen anderer durchsetzen zu dürfen. Der Senat hat sich weder auf Grund des Inhalts der Akten noch auf Grund der Anhörung des Verurteilten davon überzeugen können, dass der Verurteilte diese Einstellung aufgegeben hat. Obwohl er, wie die Urteilsgründe ergeben, vor dem Landgericht Berlin eingeräumt hat, dass der N... GmbH keine Geldgeber zur Verfügung standen, hat er in der Anhörung vor dem Senat erklärt, er hätte über 850.000 Dollar, gelegen in der Ukraine, verfügen können, um die versprochenen Darlehen auszureichen; über die Herkunft dieses Geldes wollte er sich nicht äußern. Daraus und aus weiteren ähnlichen Anhaltspunkten hat der Senat geschlossen, dass der Verurteilte dazu neigt, jeweils neu zu bestimmen, worin er seinen Vorteil sieht, und dabei unbedenklich unwahre Behauptungen aufzustellen. Diese beobachtbare Neigung begründet den Zweifel des Senats, dass der Verurteilte die Einstellung, die seinen Betrugstaten zu Grunde lag, wirklich aufgegeben hat. Deshalb besteht derzeit für ihn eine ungünstige Kriminalprognose.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Da der Antrag auf Ratenzahlung als weniger bedeutsam zu bewerten ist als der auf Aussetzung des Strafrestes, erscheint es nicht unbillig, die Gebühr nicht zu ermäßen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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