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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 3 U 113/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 167
ZPO § 286
BGB § 203
BGB § 203 Satz 2
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 212
BGB § 242
BGB § 288
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 366 Abs. 1
BGB § 366 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 113/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 04.06.2008

Verkündet am 04.06.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Bunge, des Richters am Oberlandesgericht Jalaß sowie des Richters am Amtsgericht Cablitz

auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.06.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - Az. 4 O 249/05 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.716,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 244,10 € jeweils ab dem 05.01.2001, 05.02.2001, 05.03.2001, 05.04.2001, 04.05.2001, 05.06.2001, 05.07.2001, 04.08.2001, 05.09.2001, 05.10.2001, 05.11.2001, 05.12.2001, 05.01.2002, 05.02.2002, 05.03.2001, 04.04.2002, 06.05.2002, 05.06.2002, 04.07.2002, 05.08.2002, 05.09.2002, 05.10.2002, 05.11.2002, 05.12.2002, 06.01.2003, 04.0.22003, 04.03.2003, 03.04.2003, 06.04.2002, 03.06.2003, 03.07.2003, 05.08.2003, 03.09.2003, 06.10.2003, 04.11.2003, 03.12.2003, 05.01.2004, 03.02.2004, 03.03.2004, 06.04.2004, 04.05.2004, 03.06.2004, 06.07.2003, 03.08.2004, 06.09.2004, 05.10.2004, 04.11.2004 und 06.12.2004 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin sowie der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz tragen die Klägerin 63 % und die Beklagte 37 %. Von den Kosten der 2. Instanz tragen die Klägerin 32 % und die Beklagte 68 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat von der Beklagten in der 1. Instanz rückständigen Mietzins in Höhe von 17.331,16 € nebst Zinsen aus einem Gewerbemietverhältnis über eine Arztpraxis für den Zeitraum August 1998 bis Dezember 2004 verlangt.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme der Klage nur in Höhe von 5.858,40 € nebst Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte lediglich ein Anspruch auf Zahlung der nicht entrichteten Erhöhungsbeträge aus den Mietstaffeln in Höhe von 5.858,40 € für den Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2004 zustehen würde. Die Staffelmietvereinbarung sei trotz der vereinbarten Wertsicherungsklausel wirksam. Die übrigen Ansprüche auf Zahlung der rückständigen Miete für den Zeitraum von 1998 bis 2002 seien verwirkt. Die Klägerin sei bis zu ihrem Schreiben vom 23.09.2002 und dann nach einem Gespräch am 04.11.2002 bis zum Mahnantrag vom 30.12.2004 untätig geblieben. Auch das Umstandsmoment sei gegeben. Die Beweisaufnahme habe durch die Vernehmung der Zeugen P..., L... und S... ergeben, dass der Gesellschafter der Klägerin T... in dem Gespräch für die Klägerin deutlich erklärt habe, dass es bei der zur Zeit dieses Gesprächs tatsächlich gezahlten Miete auch für die Zukunft bleiben solle. Die Erklärung des Gesellschafters T... hätten die Zeugen nur dahin verstehen können, dass nicht die höhere Miete gezahlt werden solle, sondern der aktuelle Mietzins. Für die Restmieten der Jahre 2003 und 2004 sei das Zeitmoment des Rechtsinstituts der Verwirkung nicht erfüllt. Eine mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Staffelmiete sei aufgrund der Schriftformklausel im Mietvertrag nicht möglich gewesen.

Das landgerichtliche Urteil, auf das im Übrigen wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist der Klägerin am 27.06.2007 und der Beklagten am 28.06.2007 - jeweils zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten - zugestellt worden. Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schriftsatz am 10.07.2007 und die Beklagte hat ebenfalls mit anwaltlichem Schriftsatz am 26.07.2007 Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist für beide Parteien bis zum 15.10.2007 haben Klägerin und Beklagte ihre Berufungen jeweils mit Schriftsatz vom 15.10.2007 begründet.

Die Klägerin ficht das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens in vollem Umfange ihrer Beschwer an. Im Übrigen verteidigt sie es. Dazu trägt sie insbesondere vor: Das Landgericht habe die für die Verwirkung einschlägigen Grundsätze fehlerhaft angewendet. Das Mahnschreiben der Verwalterin vom 23.09.2002 sowie das Antwortschreiben der Beklagten vom 07.10.2002 seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft. Der Gesellschafter T... habe bekundet, dass es sich nur um ein Informationsgespräch ohne konkretes Ergebnis gehandelt habe. Die Mietforderungen aus 1998 und 1999 seien auch nicht verjährt. 2003 und 2004 seien sporadisch Gespräche geführt worden. Am 14.02.2005 habe sich lediglich ein vorläufiges Verhandlungsergebnis ergeben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von weiteren 11.472,76 € nebst Zinsen zu verurteilen, und zwar im Einzelnen:

a) 4% Zinsen auf jeweils 122,05 € ab dem:

05.08.1998, 04.09.1998, 06.10.1998, 05.11.1998, 04.12.1998, 06.01.1998, 04.02.1999, 04.03.1999, 05.04.1999, 06.05.1999, 04.06.1999, 05.07.1999,

b) 4% Zinsen auf jeweils 244,10 € ab dem:

05.08, 1999, 04.09.1999, 05.10.1999, 04.11.1999, 04.12.1999, 06.01.2000, 04.02.2000, 04.03.2000, 06.04.2000,

c) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 244,10 € ab dem:

05.05.2000, 05.06.2000, 05.07.2000, 04.08. 2000, 05.09.2000, 06.10.2000, 04.11.2000, 05.12.2000, 05.01.2001, 05.02.2001, 05.03.2000, 05.04.2001, 04.05.2001, 05.06.2001, 05.07.2001, 04.08.2001, 05.09.2001, 05.10.2001, 05.11.2001, 05.12.2001, 05.01.2001, 05.02.2002, 05.03.2002, 04.04.2002, 06.05.2002, 05.06.2002, 04.07.2002, 05.08.2002, 05.09.2002, 05.10.2002, 05.11.2002, 05.12.2002. 05.01.2001,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Des Weiteren beantragt sie,

das oben genannte Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil im Umfange der Klagabweisung und ficht es, soweit sie zur Zahlung verurteilt worden ist, an. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus der 1. Instanz. Sie führt aus, sie habe sich darauf eingerichtet, nicht nur für den zurückliegenden Zeitraum, sondern auch für die laufenden und künftigen Mietzinsen die Staffelerhöhungen nicht mehr zahlen zu müssen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Zeuge T... zum Ausdruck gebracht habe, der bisher gezahlte Mietzins sei in dieser Höhe unbefristet weiterzuzahlen. Die Staffelmietvereinbarung sei aufgrund der Vereinbarung unwirksam geworden, weil die Schriftform nicht eingehalten worden sei. Die Klägerin habe sich bei anderen Mietern, die ebenfalls als Ärzte in der Liegenschaft tätig gewesen seien, ähnlich verhalten. Zudem sei sie, die Beklagte, aufgrund der Änderungen im Gesundheitswesen und der verschlechterten Ertragslage kaum noch in der Lage gewesen, die Mietsteigerungen aufzufangen. Von ihrer Kündigungsmöglichkeit habe sie im Vertrauen auf die Erklärung des Gesellschafters T... keinen Gebrauch gemacht.

Der Senat hat aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2008 verkündeten Beschlusses Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S..., L..., P... sowie die Beklagte und den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin, Herrn T... gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten der Vernehmungen der Zeugen sowie der Anhörung der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2008 (Bl. 487 bis 498 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Terminsprotokolle und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die von den Parteien eingelegten Berufungen waren zulässig (§§ 517 ff ZPO).

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg, während die Berufung der Beklagten unbegründet ist.

Dazu im Einzelnen:

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der nicht geleisteten Mieten aus der Staffelvereinbarung für den Zeitraum Januar 2001 bis Dezember 2004 in Höhe von 11.472,76 €.

Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag vom 01.07.1996 ist wirksam. Seiner Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter der Klägerin Po..., der auch im Mahnbescheid des Amtsgerichts Cottbus als ihr Vertreter benannt worden ist, den Mietvertrag auf der Klägerseite allein unterzeichnet hat. Ein Mangel seiner Vertretungsbefugnis ergibt sich nicht aus den Angaben des Gesellschafters T... in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, der lediglich erklärt hat, auch er sei vertretungsbefugt gewesen. Aus seinen weiteren Äußerungen folgte, dass er damit meinte, in praktischer Hinsicht für das Objekt in C... zuständig gewesen zu sein. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann dem nicht entnommen werden, dass nur jeweils zwei Gesellschafter gemeinsam vertretungsbefugt waren, weil die Konsensbildung der Gesellschafter nur das Innenverhältnis der Klägerin betrifft, nicht jedoch die Vertretungsbefugnis der jeweiligen Gesellschafter im Außenverhältnis berührt. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die gleichzeitige Vereinbarung der Wertsicherungsklausel im Mietvertrag die Wirksamkeit der Staffelmietvereinbarung nicht berührt, weil sich die möglichen Erhöhungstatbestände in den Klauseln zeitlich nicht überschneiden. Die vereinbarte Indexklausel sollte erst ein Jahr nach Beginn der letzten Staffelerhöhung ihre Wirkung entfalten.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 366 Abs. 2 BGB für die hier im Berufungsverfahren geltend gemachten Restmieten für den Zeitraum von August 1998 bis Dezember 2003 erloschen. Die von der Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung vom 23.05.2005 vorgenommene Verrechnung der laufend gezahlten Mieten auf die rückständigen Staffelerhöhungen war unbeachtlich. Gemäß § 366 Abs. 1 BGB ist der Schuldner bei der Leistung berechtigt zu bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll. Die Tilgungsbestimmung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Zahlt ein Mieter regelmäßig den Betrag des monatlichen Mietzinses, trifft er damit eine stillschweigende Tilgungsbestimmung für die jeweils fällige Mietzinsrate (AG Ulm WuM 1981, 60, 61). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat regelmäßig den ursprünglich vereinbarten Mietzins mittels Überweisung an die Klägerin gezahlt und ihr Verhalten auch nicht geändert, als es zu den Staffelerhöhungen kam. Da dieser Betrag unstreitig auch laufend und regelmäßig aufgrund des Dauerauftrags der Beklagten überwiesen worden ist, konnte und musste die Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände als Zahlungsempfängerin davon ausgehen, dass die Beklagte lediglich den laufenden Mietzins ohne die Staffelerhöhungen in dem jeweiligen Monat, in dem der Betrag fällig wurde, tilgen wollte. Das hat die Klägerin in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 23.09.2002 ebenfalls so gesehen, in dem sie die Zahlung der eingetretenen Staffelerhöhungen verlangte.

Die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der erhöhten Miete waren weder für den Zeitraum 1998 bis Dezember 2002 noch danach verwirkt. Der von der 1. Instanz bejahte Tatbestand der Verwirkung konnte schon dem von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt nicht entnommen werden.

Der Tatbestand der Verwirkung setzt voraus, dass neben dem Zeitmoment auch ein so genanntes Umstandsmoment vorliegt (KG WuM 2004, 348, 349). Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BGH NJW 2003, 824). Macht der Vermieter den Erhöhungsbetrag längere Zeit nicht geltend, kann die Forderung des Nachzahlungsbetrages verwirkt sein, wenn der Mieter darauf vertrauen durfte, dass der Betrag auch in Zukunft nicht geltend gemacht wird. Dies kann bei längeren Zeiträumen der Fall sein, wenn der Vermieter in Besitz einer Einzugs- oder Abbuchungsermächtigung ist, von der er hinsichtlich des Erhöhungsbetrages keinen Gebrauch gemacht hatte (vgl. LG Hamburg, WuM 1997, 331, 332). Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob das Zeitmoment - wie das Landgericht meint - bereits nach Ablauf von drei Jahren gegeben war. Jedenfalls war das Umstandsmoment zu verneinen. Weder in dem Verhalten der Klägerin als Anspruchsinhaberin noch in dem der Beklagten als Verpflichtete lagen Umstände vor, die die Annahme eines Verwirkungstatbestandes rechtfertigen könnten. Allein die Tatsache, dass die Klägerin ohne weitere Erklärung über viele Jahre den Erhöhungsbetrag nicht geltend gemacht hat, genügt nicht. Ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beklagten ist dadurch nicht geschaffen worden. Die jährliche Erhöhung der Miete trat jeweils mit Ablauf von zwei Jahren ein, ohne dass es einer Erklärung der Klägerin bedurfte. Entsprechend konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, die Klägerin werde den Erhöhungsbetrag nicht mehr verlangen. Wenn der reine Zeitablauf und die Untätigkeit des Vermieters über einen längeren Zeitraum schon bei den Mietnebenkosten trotz der Verpflichtung zur Abrechnung für den Vermieter nicht zur Annahme einer Verwirkung im Sinne des § 242 BGB führt, so muss dies erst recht für den Mietzinsanspruch selbst, der anders als die Nebenkosten, keiner eigenen Abrechnung gegenüber dem Mieter bedarf, gelten (OLG Celle, NJW-RR 1988, 723; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1036). Die Beklagte hatte die Überweisungen selbst in die Hand genommen und allein Einfluss darauf gehabt, in welcher Höhe Mietzinsen an die Klägerin gezahlt werden. Weitere Umstände als die bloße Untätigkeit der Klägerin bis zum Schreiben vom 23.09.2002 wurden von der Beklagten nicht vorgetragen. Es ergibt sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 23.09.2002, dass sie an ihren Forderungen, soweit diese nicht von der Beklagten in der Vergangenheit beglichen worden sind, festhalten wollte. Die Beklagte selbst war mangels Vertrauens auch nicht schutzwürdig. In ihrem Antwortschreiben vom 07.10.2002 hatte sie eingeräumt, dass zumindest die Forderungen ab Oktober 2002 bestehen. Hinsichtlich der übrigen Ansprüche für die Vergangenheit hat sie in diesem Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass über die erforderlichen Nachzahlungen umgehend mit dem Gesellschafter T... gesprochen werden müsste. Aufgrund der Aufforderung der Klägerin zur Zahlung der Rückstände und ihrer eigenen Erwiderung konnte die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Klägerin ihre Forderung nicht mehr geltend machen würde. Auch lässt der Vortrag der Beklagten keinerlei Rückschlüsse zu, dass sie entsprechend des behaupteten Vertrauens disponiert hätte. Allein ihr Vortrag, dass sie aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen im Zuge der Gesundheitsreform kaum noch in der Lage gewesen sei, die Mietsteigerungen aufzufangen und sie das Mietverhältnis beendet hätte, ist ohne Substanz und lässt keinen Vertrauenstatbestand für die nicht gezahlten Mietstaffeln begründen, zumal der nächstmögliche Kündigungstermin erst im Jahre 2004 bestand. Inwiefern dadurch ein Vertrauenstatbestand schon für 2002 geschaffen worden sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Ebenso wenig war ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beklagten für die Mieten aus den Jahren 2003 und 2004 gegeben. Hier fehlt es bereits - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - an dem erforderlichen Zeitmoment.

Die Parteien haben keine Aufhebung der Staffelklausel vereinbart.

Die Regelung des § 24 des Mietvertrages, wonach nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen nur bei schriftlicher Vereinbarung gelten sollten, steht der von der Beklagten behaupteten mündlichen Vereinbarung über die Aufhebung der Staffelklausel zwar nicht entgegen. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine so genannte einfache Schriftformklausel, deren mündliche Abänderung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, jederzeit möglich ist (vgl. BGH NJW 2006, 138, 139). Denn der auch konkludent zum Ausdruck gebrachte Wille der Parteien, vom Inhalt des schriftlichen Vertrags abzuweichen, geht der Schriftformklausel vor, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Parteien der Kollision mit der Klausel bewusst sind.

Jedoch kann allein aus der Tatsache, dass die Klägerin jahrelang den geringeren Mietzins entgegengenommen hat, noch nicht auf eine konkludente Vereinbarung der Parteien über die Aufhebung der Klausel zur Staffelerhöhung geschlossen werden. Es liegen keine weiteren Anhaltspunkte vor, die eine Abänderungsvereinbarung nahe legen könnten. Die schlichte Minderzahlung des Mietzinses durch die Beklagte enthält schon keinen Antrag, den die Klägerin durch ihr Schweigen hätte annehmen können. Die Weiterzahlung eines zu geringen Mietzinses seitens des Mieters kann allenfalls dann ein konkludentes Angebot auf Erlass eines Mieterhöhungsbetrages beinhalten, wenn der Vermieter den Mieter zuvor ausdrücklich zur Zahlung der Miete in einer bestimmten Höhe aufgefordert hat (vgl. insoweit Bub/Treier, 3. Aufl., VI Rn. 112). Diese Voraussetzungen liegen unzweifelhaft nicht vor.

Entgegen der Behauptung der insofern beweisbelasteten Beklagten ist zwischen den Parteien in dem Gespräch am 04.11.2002 kein Erlass der schon fällig gewordenen Restmieten und eine Abänderung der Staffelklausel vereinbart worden. Die Beweisaufnahme hat auch unter Berücksichtigung der ebenfalls im Termin erfolgten Anhörung der Beklagten und des Gesellschafters der Klägerin T... nicht die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten erbracht. Zwar hat die Beklagte in ihrer informatorischen Befragung angegeben, dass der für die Klägerin handelnde Gesellschafter T... - was dieser bestritten hat - erklärt habe, dass die Miete so weiter zu zahlen sei wie bisher, was von ihr so verstanden worden sei, dass die auf der Staffelmietvereinbarung beruhenden Erhöhungsbeträge nicht mehr hätten gezahlt werden sollen. Die Aussagen der hierzu gehörten Zeugen S... und L..., die ebenfalls an dem Gespräch am 04. November 2002 zugegen waren, haben dies aber nicht bestätigt. Beide Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass keine abschließende Regelung hinsichtlich der Staffelmiete getroffen worden sei. Der Zeuge M... S..., der Ehemann der Beklagten, hat ausgesagt, dass der Zeuge T... zwar erklärt habe, dass die alte Miete weitergezahlt werden solle, aber dass man noch einmal darüber sprechen solle. Er sei davon ausgegangen, dass die Parteien, nachdem dieses Gespräch beendet gewesen wäre, noch einmal aufeinander zugehen und alles besprechen würden. Auch der Zeuge L..., der Ehemann der Zeugin P..., hat bekundet, dass der Gesellschafter T... am Ende des Gesprächs gesagt habe, dass er die einzelnen Punkte mit der GbR noch einmal erörtern müsse. Die Aussage der Zeugin P..., die Untermieterin der Beklagten ist, war unergiebig. Zum einen hat sie ausgeschlossen, dass über den von der Beklagten behaupteten Erlass bereits fälliger Mietstaffeln gesprochen worden sei. Zum anderen hat die Zeugin zunächst weiter in der Vernehmung ausgesagt, dass sie nicht gewusst habe, wie der Gesellschafter T... es gemeint habe, als er in dem Gespräch gesagt habe, es solle "vorerst" bei der alten Miete bleiben. Nach Vorhalt ihrer Aussage aus dem Vernehmungsprotokoll in der ersten Instanz durch den Beklagtenvertreter hat die Zeugin zwar dann bekundet, dass ihre frühere Aussage zutreffend sei, nämlich dass der Gesellschafter T... erklärt habe, es bleibe alles beim Alten. Dies reicht aber - auch im Hinblick auf die Aussagen der vorgenannten Zeugen - nicht aus, um den nach § 286 ZPO erforderlichen Überzeugungsgrad zu erreichen, dass eine Vereinbarung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt zustande gekommen ist. Die Zeugin, die auf den Senat einen unsicheren Eindruck machte, sah sich trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht in der Lage, den Widerspruch ihrer Aussagen plausibel zu erklären, sondern äußerte lediglich, die frühere Aussage sei richtig, ohne dies inhaltlich anzureichern.

Die Ansprüche der Klägerin hinsichtlich der Mietrückstände für die Jahre 1998 bis 2000 sind jedoch verjährt. Die Verjährung der Mietzinsansprüche für das Jahr 1998 trat mit Ablauf des 04.02.2003, für das Jahr 1999 mit Ablauf des Jahres 2003 und für das Jahr 2000 mit Ablauf des Jahres 2004 ein.

Die Verjährung war nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO gehemmt. Für eine wirksame Hemmung der Verjährung ist es erforderlich, dass der Mahnbescheid den geltend gemachten Anspruch bezeichnet. Eine Individualisierung reicht aus (BGH NJW 1996, 2152). Der Schuldner muss erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird (BGH NJW 1992, 1111; 2000, 1420). Wird eine Mehrheit von Forderungen geltend gemacht, müssen alle Forderungen individualisiert werden (BGH NJW 1993, 862; 2001, 305). Die Klägerin hat in dem Mahnbescheid Mietzinsansprüche für den Zeitraum von Dezember 2003 bis Dezember 2004 geltend gemacht. In dem Mahnbescheid, der von der Klägerin ausgefüllt wurde, heißt es wörtlich: "Forderung Kaltmietzins gemäß Mietvertrag vom 01.07.1996 für die Arztpraxis ... (12/03 - 12/04)". Erstmalig mit der Anspruchsbegründung vom 23.08.2005, welche der Beklagten am 05.09.2005 zugestellt worden ist, wurden die Restmieten für den Zeitraum 1998 bis 2000 im Rahmen eines Hilfsantrages gerichtlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits verjährt.

Ein Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 BGB ist mit dem Schreiben der Beklagten vom 07.10.2002 nicht ausgelöst worden. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Beklagte die klägerischen Ansprüche in irgendeiner Form anerkannt hat. Anerkenntnis im Sinne des § 212 BGB ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt (BGHZ 58, 104, BGH NJW-RR 1994, 373). Das Anerkenntnis kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen. Erforderlich ist aber, dass das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld zum Ausdruck bringt. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 07.10.2002 unter Bezugnahme auf das klägerische Mahnschreiben vom 23.09.2002 zwar erklärt, dass der aktuelle Mietzins, so wie er im klägerischen Schreiben vom 23.09.2002 dargestellt worden ist, ab November 2002 überwiesen werden würde. Hinsichtlich der Beträge für die Vergangenheit kann mit dieser Aussage ein Anerkenntnis nicht angenommen werden. Denn zu den übrigen Ansprüchen hat sie lediglich ausgeführt, dass die erforderlichen Nachzahlungen mit dem Gesellschafter T... umgehend besprochen werden würden, und zum Ausdruck gebracht, dass sie Gesprächsbedarf habe und dies geklärt haben möchte. Inwieweit welche Beträge - nach den Vorstellungen der Beklagten - erörterungswürdig waren, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Insofern ist offen, in welchem Umfang die Beklagte bereit war, weitere Zahlungen für die Vergangenheit (insbesondere für welche Zeiträume) vorzunehmen. Die Verjährung war durch die Verhandlungen, die die Parteien bis zum Gespräch am 04.11.2002 geführt haben, gemäß § 203 BGB gehemmt. Jedoch läuft die Hemmung für die Mietzinsansprüche aus den Jahren 1999 und 2000 gemäß § 203 Satz 2 BGB ins Leere, weil keine weiteren Verhandlungen geführt wurden und die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Frist eingetreten wäre, hier also frühestens mit Ablauf des Jahres 2003. Für die Ansprüche aus dem Jahre 1998 hat sich dadurch die Verjährungsfrist bis zum 04.02.2003 verlängert. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf die Verjährung der Ansprüche. Der Vortrag der Klägerin in diesem Zusammenhang, dass es in den Jahren 2003 und 2004 sporadisch Gespräche zwischen den Parteien über die Ansprüche gegeben habe, ist nicht ausreichend substantiiert. Es besagt noch nicht einmal, dass zwischen den Parteien Vergleichsgespräche stattgefunden haben. Es kann dahin gestellt bleiben, ob im Februar 2005 weitere Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden haben. Die Hemmung der Verjährung ist nämlich nur bei noch nicht verjährten Ansprüchen möglich. Bei bereits verjährten Ansprüchen - wie hier - tritt diese Wirkung nicht ein.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Schutzanordnungen zu Gunsten der Parteien haben gemäß § 713 zu unterbleiben, weil die Voraussetzungen, unter denen nach § 543 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

Der Senat hat den Gebührenstreit für die erste Instanz auf 31.641,16 € festgesetzt. Dieser setzt sich aus dem Hauptantrag von 17.331,16 € und dem Hilfsantrag von 14.310,00 € zusammen. Bei dem Hilfsantrag war zu berücksichtigen, dass die Mietstaffelerhöhungen für den Zeitraum Dezember 2003 bis Dezember 2004 auch im Hauptantrag geltend gemacht waren und insofern bei der Bemessung des Gebührenstreitwertes für den Hilfsantrag keine Berücksichtigung finden konnten.

Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt gemäß § 3 ZPO in Verbindung mit § 47 Satz 1 und § 48 Abs. 1 Satz GKG 17.331,16 €

Ende der Entscheidung

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