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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 3 U 158/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 197 a.F.
BGB § 535 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 158/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12.07.2006

Verkündet am 12.07.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge, den Richter am Oberlandesgericht Jalaß und den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen auf die mündliche Verhandlung vom 21.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 07.06.2005 - 4 O 222/04 -abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Landgericht den Beklagten zu einer Zahlung von mehr als 7.951,80 € nebst anteiliger Zinsen verurteilt hat.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 26 % und der Beklagte 74 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Betriebskostennachzahlungen für die abgerechneten Mietperioden 1997 bis 2002.

Der Rechtsvorgänger der Klägerin vermietete dem Beklagten gemäß Mietvertrag vom 19.8.1997 in einem Objekt ... in ... 74,34 m² zum Betrieb eines Bistros für 10 Jahre. Der Beklagte übernahm gemäß § 5 des Mietvertrages (vgl. Bl. 8 der Gerichtsakte) dort näher bezeichnete Nebenkosten. Die Klägerin rechnete diese im Jahre 2002 für die Zeiträume 1997 bis 2001 und im Jahre 2003 für 2002 ab (vgl. Anlage K 2 bis K 7, Bl. 14 ff. der GA). Der Beklagte hat den Einwand der Verjährung und Verwirkung erhoben sowie sich gegen die Prüfbarkeit der Abrechnungen gewandt. Die angesetzten Kosten wären teilweise überhöht und ihre Umlage verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, der Klage stattgegeben. Die Abrechnungen seien prüfbar und auf der Grundlage zutreffender Verteilungsschlüssel erstellt, wie die Beweisaufnahme ergeben habe. Die Einwände des Beklagten griffen nicht durch.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Er wiederholt und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 07.06.2005 - 4 O 222/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 21.06.2006.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung hat teilweise Erfolg, nämlich im Umfang von 2.740,08 €. Insoweit ist das Klagevorbringen unschlüssig aus den §§ 535 Abs. 2 BGB, 5 Mietvertrag.

Ein Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten lässt sich nur in Höhe von 7.951,80 € feststellen.

1. Der Abschluss eines Mietvertrages und die Übernahme von Nebenkosten durch den Beklagten sind unstreitig. Das Gleiche gilt für die Rechtsnachfolge der Klägerin auf Vermieterseite und die Abtretung von Nachzahlungsansprüchen des früheren Vermieters an die Klägerin.

2. Die Betriebskostenabrechnungen vom 2.5.2002 für 1997 (vgl. Anlage K 2, Bl. 14 der GA), vom 29.7.2002 für 1998 (vgl. Anlage K 3, Bl. 27 der GA), vom 21.8.2002 für 1999 (vgl. Anlage K 4, Bl. 43 der GA), vom 23.9.2002 für 2000 (vgl. Anlage K 5, Bl. 62 der GA), vom 20.12.2002 für 2001 (vgl. Anlage K 6, Bl. 94 der GA) und vom 9.12.2003 für 2002 (vgl. Anlage K 7, Bl. 99 der GA) sind entgegen der Ansicht des Beklagten prüffähig. Die Abrechnungen enthalten jeweils die Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angaben und Erläuterungen der zu Grunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Beklagten und den Abzug seiner Vorauszahlungen (vgl. zu diesen Voraussetzungen einer Betriebskostenabrechnung aus jüngerer Zeit etwa BGH, Urteil vom 20.07.2005 - VIII ZR 371/04 = NJW 2005, 3135 m.w.N.).

Die Gesamtkosten sind zu den jeweiligen Kostenarten und Kostenunterarten in den Rechnungen jeweils in der 2. Spalte von rechts aufgeführt. Der zu Grunde gelegte Verteilerschlüssel ist jeweils in der 2. Spalte von links angegeben und zudem in den Anlagen zu den jeweiligen Abrechnungen, soweit noch erforderlich, insbesondere für die Abrechnung 1997 im Einzelnen erläutert. Die Berechnung des Anteils des Mieters ergibt sich für die Abrechnungsperiode 1997 aus diesen Erläuterungen und für die Folgejahre unmittelbar aus der Größe der gemieteten Fläche und ihrem Verhältnis zur jeweils maßgeblich zu Grunde gelegten Gesamtfläche, die sich in den Abrechnungen für 1998 bis 2002 jeweils in der 3. Spalte von links unter der Bezeichnung Gesamtumlage unschwer finden lässt.

3. Das Klägervorbringen ist unschlüssig zu den Positionen Heizungsverbrauch, Straßenreinigung/Winterdienst/Fußwege/Außenanlagen sowie Versicherungen für Mietverlust.

Die Kosten der Heizung und Warmwasserversorgung müssen nach § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 der Heizkostenverordnung mit mindestens 50 % und höchstens 70 % nach dem erfassten Wärme- bzw. Warmwasserverbrauch verteilt werden, im Übrigen nach dem Verhältnis der Nutzflächen oder des umbauten Raums. Insoweit gehen diese Vorschriften entgegenstehenden und bereits praktizierten vertraglichen Regelungen vor (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts, 9. Aufl., Rn. 497 m.w.N.). Hier sind die Wärmemengen in den Jahren 2001 und 2002 erfasst (vgl. Bl. 96, 102 der GA). Damit sind die zuvor nicht erfassten Wärmewerte einer schätzweisen Ermittlung nach § 9 a Abs. 1 Heizkostenverordnung zugänglich. Die gebotenen Aufteilungen sind unterblieben.

Bei den Gesamtkosten für Straßenreinigung/Winterdienst/Fußweg/Außenanlagen handelt es sich um unzulässige Globalangaben. Die in der Abrechnung aufzuführenden Gesamtkosten sind nach den einzelnen, jeweils vereinbarten Kostenpositionen zu spezifizieren, wobei bloße Globalangaben, wie hier, nicht genügen (MüKo-Schmid, BGB Kommentar, 4. Aufl., § 565 Rn. 70 m.w.N.). Die Parteien haben hier die Kostenart Gartenpflege/Außenanlagen deutlich abgegrenzt von der Kostenart Straßenreinigung und von der Kostenart Fußwegreinigung (vgl. § 5 Rn. 1 a des Mietvertrages, Bl. 8 der GA).

Schließlich sind die Kosten für die Mietausfall-Versicherung nicht von den in § 5 Ziffer 1 b als umlagefähig vereinbarten Kosten für Sach- und Haftpflichtversicherung gedeckt, da es sich insoweit um keine Sach- und Haftpflichtversicherung handelt (vgl. Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rn. 5266). Ihre Umlage bedarf daher einer gesonderten Vereinbarung (vgl. Schmid, a.a.O., Rn. 5531), die hier nicht feststellbar ist.

Die damit zu Unrecht angesetzten Positionen summieren sich auf 2.740,08 €. Berechtigt ist die Klageforderung somit nur in Höhe von 7.951,80 €.

4. Die weiteren Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch.

Die Nachzahlungsforderungen für verauslagte Betriebskosten sind nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für Forderungen aus abgerechneten Betriebskosten betrug früher 4 Jahre nach § 197 BGB a.F. und beträgt nunmehr 3 Jahre, § 195 BGB. Sie beginnt, wie der Beklagte verkennt, erst mit Zugang der nachprüfbaren Abrechnung beim Mieter (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 513 m.w.N.). Die Verjährungsfrist für die älteste Forderung auf Grund der Abrechnung vom 2.5.2002 für 1997 begann somit frühestens mit dem eben genannten Abrechnungsdatum und war bei Einrechung der Klage am 28. Juni 2004, die demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde, noch nicht abgelaufen.

Die Betriebskostennachzahlungsansprüche der Klägerin sind nicht verwirkt (§ 242 BGB). Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung auf Grund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es für längere Zeit nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2005 - XII ZR 224/03 = NJW 2006, 219). Der Beklagte hat weder dargetan, dass er sich darauf eingerichtet hätte, Betriebskosten nicht nachzahlen zu müssen, noch hat er besondere Umstände vorgebracht, die die Feststellung rechtfertigen können, der Vermieter habe die Forderungen nicht mehr geltend machen wollen.

Die Klägerin war entgegen der Ansicht des Beklagten zu keiner Trennung von Nebenkosten für Wohn- und Gewerbeeinheiten verpflichtet. Rechnet der Vermieter über Betriebskosten in gemischt genutzten Abrechnungseinheiten ab, ist - soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben - ein Vorwegabzug der auf die Gewerbe- oder Wohnraumflächen entfallenden Kosten für alle oder einzelne Betriebskostenarten jedenfalls dann nicht geboten, wenn diese Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung des Abrechnungsempfängers führen (vgl. BGH, Urteil vom 8.3.2006 - VIII ZR 78/05 = NJW 2006, 1419). Aufteilungspflichtige Kosten, die zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung des Beklagten führen könnten, fehlen unstreitig.

Die Betriebskostenabrechnung für 1998 enthält, wie der Beklagte übersieht, keine Doppelansätze, sondern zeitliche Differenzierungen für die Zeit bis April und ab Mai.

Die Gehörsrüge, wonach das Landgericht gegen seine Hinweispflicht verstoßen hätte, ist schon nicht ordnungsgemäß ausgeführt; der Beklagte hat auch in der Berufungsbegründung nicht mitgeteilt, was er auf den von ihm vermissten Hinweis hin vorgetragen hätte.

Soweit der Beklagte erstinstanzlich die Höhe der geltend gemachten Kosten anzugreifen versucht hat, ist das Landgericht dem zutreffend nicht gefolgt. Sein Bestreiten ist unsubstantiiert. Auch zweitinstanzlich hat der Beklagte keinen Kostenansatz der Klägerin konkret, das heißt unter Verwertung der ihm einsehbaren und damit innerhalb seines Wahrnehmungsbereichs liegenden Abrechnungsgrundlagen angegriffen (vgl. auch OLG Düsseldorf, NZM 2000, 762).

Schon aus dem gleichen Grund bleibt auch das namentlich erstinstanzlich erhobene Vorbringen zu einem angeblichen Verstoß der Klägerin gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ohne Erfolg. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz darf der Vermieter nur solche Betriebskosten umlegen, die "bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind" (vgl. § 20 Abs. 1 S. 2 NMV, § 24 Abs. 2 II. BerVO). Maßgeblich ist der Standpunkt eines "vernünftigen Vermieters", der ein "vertretbares Kosten-Nutzungen-Verhältnis im Auge behält" (Langenberg, Betriebskostenrechts der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Aufl., G Rn. 9 m.w.N.). Im Hinblick hierauf hat der Mieter im Prozess die Erforderlichkeit der Leistung oder die Höhe der Vergütung anzugreifen, wenn er den Vorwurf des Verstoßes des Vermieters gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ins Blaue hinein erheben will. Insoweit muss er darlegen, welche Leistungen im Einzelnen in der Abrechnungsposition erfasst sind und welche Vergütungen auf die jeweilig erfasste Leistung entfallen. Diese Umstände liegen in seinem Wahrnehmungsbereich, denn er hat ein Einsichts- und Erläuterungsrecht. Ohne entsprechendes Vorbringen lässt sich die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der auf die spezifischen Leistungen entfallende Vergütung nicht beurteilen.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.691,88 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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