Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 3 U 191/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGZPO


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713 ZPO
ZPO § 543 Abs. 2
BGB § 765
EGZPO § 26 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

3 U 191/03

verkündet am 1.9.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2004 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Abänderung des am 27.10.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus - Az. 2 O 121/03 - die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen jedenfalls nach dem Schriftsatz der Klägerin vom 28.5.2004 nicht mehr. Zunächst ergaben sich Zweifel im Hinblick auf die Bestimmtheit des klägerischen Antrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen, die sich auf zwei Hauptforderungen, nämlich aus einem Darlehensvertrag und aus einem Kontokorrentkreditvertrag beziehen soll. Nach dem klägerischen Vortrag bestanden aus beiden Verträgen zunächst noch restliche Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin, wobei sich der Restbetrag des Darlehens auf 14.301,93 € und der des Kontokorrentkreditverhältnisses auf 228.920,00 € belaufen sollte. Da es sich bei der Bürgschaft nach der Behauptung der Klägerin um eine Höchstbetragsbürgschaft handelte, die nicht ausreichte, um alle offenen Forderungen abzudecken, war zunächst unklar geblieben, welche Beträge die Klägerin auf welche der beiden Forderungen von der Beklagten verlangte. Insoweit wäre gegebenenfalls unklar geblieben, welcher Teil der Hauptforderungen durch die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft getilgt werden sollte und nach Tilgung auf die Bürgin übergegangen wäre (§ 774 Abs. 1 BGB). Deshalb war für die hinreichende Bestimmtheit der Klageforderung eine nähere Konkretisierung der geforderten Beträge erforderlich. Diese ist zwischenzeitlich erfolgt. Mit Schriftsatz vom 28.5.2004 hat die Klägerin auf Seite 8 ausgeführt, die Bürgschaft der Beklagten für den nachrangigen Teil des Kontokorrentkredits sei durch die Zahlung der B...bank nicht erloschen und bestehe noch immer. Diese Schuld habe sich auf einen Betrag in Höhe von 3.398,14 € reduziert, welcher der Klägerin zustünde. Damit hat die Klägerin ihre Forderung aus der Bürgschaft auf den nachrangigen Teil des Kontokorrentkredits beschränkt.

Der Klägerin steht jedoch der geltend gemachte Anspruch aus § 765 BGB gegenüber der Beklagten nicht zu. Es fehlt an einer wirksamen Übernahme der Bürgschaft für eine bestimmte Hauptforderung seitens der Beklagten durch die Erklärung vom 22.9.1999. Diese Erklärung ist nicht hinreichend bestimmt. Der Inhalt einer möglicher Weise als Bürgschaft aufzufassenden Erklärung ist - wie bei jeder Willenserklärung - durch Auslegung zu ermitteln, wobei die allgemeinen Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Es kommt mithin darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung objektiv verstehen durfte. Es ist dabei vom Inhalt des schriftlichen Vertrages auszugehen und gegebenenfalls auf sonstige Umstände außerhalb der Urkunde zurückzugreifen (vgl. nur: Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 765 Rz. 6). Unter Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungskriterien ist es dem Senat nicht möglich, der Erklärung der Beklagten einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen zu entnehmen. Es mag noch hinreichend klar sein, dass die Beklagte als Bürgin haften sollte, und zwar bis zu einem Höchstbetrag von 30.000,00 DM, resultierend aus einem Kontokorrentkreditvertrag und einem Darlehen, das der Hauptschuldnerin, der M... GmbH, seitens der Klägerin gewährt worden war. Es ist jedoch unklar, ob Gläubigerin der Bürgschaftsforderung die Klägerin sein sollte oder nicht vielmehr die B...bank B.... . Auch die Art der Hauptschuld lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die Klägerin hat ein Formular verwendet und in dieses in sprachlich nicht einwandfreier Form einen "Hinweis" eingefügt. Dadurch wird die Regelung unklar. Der erste Teil des Satzes unter Ziffer 1. der Bürgschaftsurkunde scheint darauf hinzudeuten, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Bürgschaft übernehmen wollte. Aus dem "Hinweis" ergibt sich jedoch, dass die Sicherheit "für" die B...bank B... gelten solle. Was damit gemeint ist, erschließt sich weder aus der Urkunde, noch aus sonstigen Umständen. Ob die B...bank B... durch den "Hinweis" Gläubigerin der Bürgschaftsforderung (etwa in Form einer Rückbürgschaft) werden sollte, wird nicht ausreichend deutlich. Die nachfolgenden Bestandteile der Ziffer 1. machen die Regelung vollends unklar. Die Worte: "..., beim Kontokorrent 3115102061 speziell für einen nachrangigen Teilbetrag von DM 300.000,00" lassen nicht erkennen, ob ein Teilbetrag einer Bürgschaft der B...bank B... gemeint ist, oder ein Teilbetrag des Kontokorrentkredits. Sprachlich ist der Satz völlig misslungen, so dass sich aus dem Wortlaut keine Aufklärung ergibt. Die Ansicht der Klägerin, die Beklagte habe sich für einen Teilbetrag verbürgt, auf den sich die Bürgschaft der B...bank B... nicht beziehe, wird aus dem Text nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin zur Erläuterung der Formulierung auf einen Zusammenhang mit den Richtlinien der B...bank zu deren Ziffer 8.6 verweist, wird dieser aus dem Formular ebenfalls nicht erkennbar.

Umstände außerhalb der Urkunde, die zur Auslegung herangezogen werden könnten, sind durch die Parteien nicht vorgetragen worden. Die Vereinbarungen in den beiden maßgeblichen Verträgen mit der Hauptschuldnerin können zur Auslegung schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die Beklagte an ihnen - soweit vorgetragen - nicht beteiligt gewesen ist. Aber selbst wenn man aus ihnen Rückschlüsse ziehen wollte, so wäre auch dies nicht mit hinreichender Sicherheit möglich. Hinsichtlich des Kontokorrentkredits ist eine Bürgschaft der Beklagten als "Untersicherheit" für eine Bürgschaft des Herrn ... H... betreffend einen nachrangigen Teilbetrag von 300.000,00 DM bezeichnet, hinsichtlich des Darlehensvertrages jedoch als "Untersicherheit" für die Sicherheit der B...bank, letzteres ohne weiteren Zusatz. Aus einer Zusammenschau dieser Verträge wird deshalb ebenfalls nicht deutlich, zu wessen Gunsten und für welche Hauptforderung die Beklagte genau haften sollte. Da die Klägerin nicht vorgetragen hat, welche Umstände zur Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch die Beklagte geführt haben und worüber die Parteien in diesem Zusammenhang gesprochen haben, kann auch aus der Vorgeschichte nicht auf den Willen der Beklagten, der in der Urkunde zum Ausdruck kommen sollte, geschlossen werden. Angesichts dieser Unklarheiten, die nicht ausgeräumt werden können, ist von einer wirksamen Bürgschaftsübernahme durch die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht auszugehen.

Zwar haben die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Umstände bei den Erörterungen in erster Instanz keine Rolle gespielt, dies hindert den Senat jedoch nicht an deren Heranziehung. Auch das neue Vorbringen beider Parteien in zweiter Instanz, insbesondere zur Beteiligung der B...bank B... hinsichtlich des Kreditengagements der M... GmbH ist nicht novenrechtlich ausgeschlossen. Da sich aus der bereits erstinstanzlich vorgelegten Bürgschaftsurkunde die Problematik hinsichtlich der Auslegung ergab, ohne dass dies vor dem Landgericht erörtert worden ist, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der vom Gericht im ersten Rechtszug übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, so dass gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO neuer Vortrag zuzulassen war.

Kann die Verbürgung der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht festgestellt werden, so kommt es auf die weiter zwischen den Parteien streitigen Punkte, nämlich die Forderungsberechtigung der Klägerin, eine mögliche Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen Übervorteilung, Bestehen und Höhe der Hauptforderung oder Freiwerden der Beklagten von der Leistungspflicht durch Umschuldung nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.

Die Entscheidung steht im Einklang mit höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.338,76 € festgesetzt (§§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO, Art. 1 § 72 Nr. 1 KostRMoG).



Ende der Entscheidung

Zurück