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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 3 W 19/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 355
BGB § 177 Abs. 1
BGB § 249 Satz 1
BGB § 254
BGB § 781
BGB §§ 812 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 W 19/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Prozesshilfesache

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen als Einzelrichter

am 14.05.2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 08. Februar 2007 und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden sofortigen Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 01.02.2007 - 8 O 441/06 - in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 14. März 2007 teilweise abgeändert und der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt, soweit sie sich gegen eine Verurteilung in der Hauptsache von mehr als 5.162,68 € wendet.

In diesem Umfang wird ihr Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte erbittet Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen eine Klage, mit der sie die klagende Bank auf Ausgleich eines gekündigten Kontos in Anspruch nimmt.

Die Beklagte eröffnete gemäß schriftlicher Vereinbarung vom 26.10.1999 bei der Klägerin ein Konto (vgl. Anlage K 1, Bl. 13 GA) und erteilte unter dem 27.10.1999 ihrem damaligen Lebensgefährten, den sie am 04.05.2001 heiratete und von dem sie am 04.12.2003 geschieden wurde (vgl. Anlage B 7, Bl. 69 GA), eine Kontovollmacht auf einem dafür vorgesehenen Formular der Klägerin. Die Vollmacht berechtigte den Bevollmächtigten von der Möglichkeit vorübergehender Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen Gebrauch zu machen.

In einer Selbstauskunft vom 21.10.1999 hatte die Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500,00 DM angegeben (vgl. Anlage K 7, Bl. 51 GA). Das Konto wies am 15.11.1999 einen Soll-Stand von 4.872,46 DM auf (vgl. Anlage K 6, Bl. 148 GA) und entwickelte sich infolge der nächsten Buchung über eine Barabhebung von 700,00 DM sowie weiterer Lastbuchungen kontinuierlich in höhere Soll-Stände, so etwa durch eine Überweisung vom 27.12.1999 über 2.600,00 DM, eine Überweisung vom 31.01.2000 über 1.300,00 DM oder eine Überweisung vom 03.03.2000 über 3.100,00 DM.

Die Klägerin kündigte das Konto mit Schreiben vom 31.05.2002 bei einem Soll-Stand von 7.834,11 € (vgl. Anlage K 2, Bl. 15 GA).

Die Beklagte hat behauptet, alle Überweisungen gingen auf Kontoverfügungen des Bevollmächtigten zurück, die sie nicht gekannt habe und der ihr die Kontoauszüge verheimlicht habe, die ihr auch erst im Zuge des Scheidungsverfahrens zugänglich geworden seien.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 01.02.2007 das Prozesskostenhilfegesuch abgelehnt. Die Klägerin habe aufgrund wirksamer Vollmachtserteilung davon ausgehen können, dass der Bevollmächtigte für die Beklagte handele, die ihr gegenüber zudem verpflichtet gewesen sei, tatsächlich nicht genehmigte Überziehungen zu verhindern.

Die sofortige Beschwerde vom 07. Februar 2007 hat das Landgericht zeitgleich mit einem der Klage stattgebenden Urteil vom 14. März 2007 durch Nichtabhilfebeschluss dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten ist gegenüber dem aus den §§ 355 HGB; 781 BGB schlüssigen Klägervortrag im Umfang von 2.671,43 € erheblich.

1. Die Beklagte kann nach ihrem beweisbewehrten Vorbringen das Anerkenntnis über 7.834,11 € im Umfang von 5.342,86 € kondizieren.

a) Das nach Nr. 7 der klägerischen AGB fingierte Saldo-Anerkenntnis auf den 28.03.2002 kann unter den Voraussetzungen der §§ 812 ff BGB zurückgefordert werden (BGH, Urteil vom 24.04.1995 - I ZR 176/83 = NJW 1985, 3010 m.w.N.). Die danach erforderlichen Kondiktionsvoraussetzungen liegen vor, denn nach dem schlüssigen Beklagtenvorbringen berechnete die Klägerin den Saldo falsch, indem sie Passivposten zu Lasten der Beklagten einstellte, die diese nicht veranlasst hatte und die ihr nicht zuzurechnen waren.

Nach dem Beklagtenvorbringen hatte ihr Kontobevollmächtigter alle Kontoverfügungen vorgenommen. Dessen Vollmacht war schriftlich erteilt (§ 167 BGB) und - urkundlich belegt (vgl. Anlage B 1, Bl. 31 GA) - ausdrücklich beschränkt auf vorübergehende Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen. Unter banküblichen Umfang ist in der Regel ein Betrag von etwa 10 % über dem Volumen des eingeräumten Überziehungskredites zu verstehen; dieser beträgt in der Regel drei Nettomonatsgehälter oder das dreifache Monatseinkommen des Kontoinhabers. War ein Überziehungskredit nicht vereinbart, ist anzunehmen, dass sich der bankübliche Umfang von Überziehungen auf 10 % des nach den Umständen möglichen Überziehungskredites beläuft (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.10.1998, WM 1999, 1003; WM 2001, 2340; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 493 Rn. 7). Bei einem Monatseinkommen von 1.500,00 DM, wie es die Kontoinhaberin in ihrer Selbstauskunft vom 21.10.1999 angegeben hatte (vgl. Anlage K 7, Bl. 51 GA), lag diese Grenze damit bei 4.950,00 DM. Bei einem Kontostand von 4.872,46 DM (= 2.491,25 €) am 15.11.1999 (vgl. Anlage K 6, Bl. 148 GA) hat sie der Kontobevollmächtigte durch die Auszahlungsanweisung vom 16.11.1999 über 700,00 DM überschritten.

b) Die weiteren Kontoverfügungen, die sämtlich zu einem darüber hinausgehenden Soll-Stand geführt haben, hat der Bevollmächtigte außerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht veranlasst (§ 174 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Sie binden die Beklagte nicht, da sich ihre nach § 177 Abs. 1 BGB insoweit erforderliche Genehmigung nicht feststellen lässt. Das fiktive Saldo-Anerkenntnis nach Nr. 7 der klägerischen AGB stellt keine rechtsgeschäftliche Genehmigung anderweitiger Verfügungen der Bank über die mitgeteilten Buchungen dar (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1994 - XI ZR 194/93 = NJW 1995, 320 m.w.N.).

Eine konkludent erteilte Vollmacht hat angesichts des klaren Wortlautes der Vollmacht vom 27.10.1999 und bei einer fehlenden Betrauung des Bevollmächtigten mit einer die Vollmacht überschreitenden Aufgabe auszuscheiden.

Eine Rechtsscheinsvollmacht liegt nicht vor, da sich nicht feststellen lässt, dass die Beklagte wiederholte Verfügungen des Kontobevollmächtigten außerhalb der erteilten Kontovollmacht bewusst hingenommen hätte. Angesichts der in kurzer Zeit außerordentlich wechselhaft verlaufenden Beziehung zwischen der Beklagten und dem Kontobevollmächtigten drängt sich eine derartige Kenntnis auch nicht zwingend auf. Zur Abwicklung ihres Geldverkehrs unterhielt die Beklagte ein Konto bei einem anderen Geldinstitut.

Die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht fehlen ebenfalls. Die Klägerin durfte nicht ohne Fahrlässigkeit annehmen, die Beklagte kenne und dulde das Verhalten des für sie auftretenden Vertreters. Die Klägerin hätte bei ordnungsgemäßer Prüfung der schriftlichen Kontovollmacht vielmehr feststellen können und müssen, dass die Beklagte die Verfügungen weit oberhalb der schriftlich erteilten Vollmacht weder kannte noch duldete. Die giroführende Bank ist verpflichtet, Kontoverfügungen vor ihrer Durchführung auf Rechtsmäßigkeit zu überprüfen. Dazu gehört auch die Feststellung, ob die Verfügung eines Kontobevollmächtigten durch die Kontovollmacht gedeckt ist. Die Klägerin musste daher aufgrund der ihr vorliegenden Vollmacht bei jeder Verfügung des Bevollmächtigten prüfen, ob diese von der Vollmacht gedeckt war. Hätte sie diese Prüfung ordnungsgemäß und sorgfältig durchgeführt, wären die oben genannten Verfügungen nicht ausgeführt worden, weil mit ihnen die Grenze der Vertretungsbefugnis eindeutig überstiegen wurde und überstiegen war. Auf den Eindruck, möglicherweise kenne und dulde die Klägerin das Verhalten ihres Bevollmächtigten, durfte sie sich unter diesen Umständen nicht einfach verlassen; vielmehr hätte sie zunächst bei der Beklagten als Kontoinhaberin und Vollmachtgeberin rückfragen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.1982 - II ZR 53/81 = NJW 1982, 1513). Dies gilt hier umso mehr, als sich anhand der Kontobewegungen, die die Klägerin zunächst nur bis zum 29.10.1999 dargestellt und erst auf Aufforderung des Senates für die gesamte kontogegenständliche Zeit nachgereicht hat, entgegen der Klägerbehauptung keine Anhaltspunkte für eine Selbstnutzung durch die Beklagte nach Überschreiten des banküblichen Kreditrahmens feststellen lassen (vgl. Anl. K6).

Die die Kontovollmacht überschreitenden Verfügungen des insoweit nicht mehr kontobevollmächtigten Vertreters ab dem 16.11.1999 führten zu weiteren Kontobelastungen von 5.342,86 € (7.834,11 € - 2.491,25 €).

2. In dieser Höhe kommt zunächst ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Betracht. Der Klägerin ist insoweit ein Schaden entstanden, als sie gegenüber der Beklagten mangels wirksamer Bevollmächtigung keinen girovertraglichen Ausgleichsanspruch erlangt hat. Dieser Schaden ist auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen, denn diese hat es entgegen Nr. 11 Abs. 4 der klägerischen AGB unterlassen, die Kontoauszüge auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1986, 791; Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 676 f Rn. 16 m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auf Naturalrestitution gerichtet, § 249 Satz 1 BGB, also auf Wiederherstellung des girovertraglichen Ausgleichsanspruchs.

3. Er ist gemäß § 254 BGB um den Mitverschuldensanteil der Klägerin zu kürzen, der in ihrem eigenen, oben dargestellten Verhalten liegt.

Der Senat bewertet die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Parteien gleich hoch, so dass sich der girovertragliche Ausgleichsanspruch der Klägerin im Ergebnis auf 5.162,68 € bemisst (2.491,25 € + 2.671,43 €).

Ende der Entscheidung

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