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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 4 U 109/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 123
BGB § 124 Abs. 1
BGB § 124 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 157
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 535 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 109/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19.03.2008

Verkündet am 19.03.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2008 durch die Richterin am Landgericht Brune als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.06.2007 (Az.: 14 O 396/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der "Kaffee-Partner"-Gruppe, die Getränkeautomaten und Befüllungsprodukte vertreibt. Der Beklagte unterhält ein Ingenieurbüro.

Am 02.05.2006 stellte der für die Klägerin tätige Systemberater H... dem Beklagten auf dessen telefonische Bitte hin in den Räumlichkeiten des Ingenieurbüros einen Kaffeeautomaten vor. Nachdem dieser nicht die Zustimmung des Beklagten gefunden hatte, verhandelten die Beteiligten über den Erwerb eines Wasserbereiters "W... Business". Schließlich bestellte der Beklagte den Getränkebereiter. Der Kaufpreis sollte über einen Leasingvertrag finanziert werden, den der Beklagte ebenso wie das Bestellformular unterzeichnete.

Zur Auslieferung des Wasserautomaten kam es in der Folgezeit nicht. Mit Schreiben vom 04.05.2006 trat der Beklagte sowohl von der Bestellung als auch von dem Leasingvertrag zurück mit der Begründung, aus Ziffer 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem Leasingvertrag ergebe sich entgegen der Zusage des Mitarbeiters H... der Klägerin, dass zusätzlich zu der Leasingrate von 90,- € pro Monat weitere Kosten für ihn entstünden.

In Ziffer 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem Leasingvertrag heißt es:

"Der Kunde hat das Leasingobjekt während der gesamten Vertragsdauer auf seine Kosten unter Beachtung der Betriebs- und Wartungsanweisungen des Lieferanten/Herstellers in einem ordnungsgemäßen und funktionsfähigen Zustand zu halten. Betriebskosten und Kosten für notwendige Reparaturen und Ersatzteile gehen zu Lasten des Kunden."

Mit Schreiben an den Beklagten vom 05.05.2006 wies die Klägerin auf das Zustandekommen eines rechtsverbindlichen Vertrages hin und forderte den Beklagten auf, seine Abnahmebereitschaft mitzuteilen.

Der Beklagte hat behauptet, mit dem Systemberater H... der Klägerin am 02.05.2006 über die bei Abschluss der Verträge entstehenden Nebenkosten gesprochen zu haben. Der Zeuge H... habe auf seine, des Beklagten, entsprechende Frage geantwortet, mit Ausnahme von Strom und Wasser seien sämtliche Kosten im Preis von monatlich 90,-€ enthalten.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweiserhebung stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe sich bei Unterzeichnung der Verträge nicht in einem rechtserheblichen Irrtum darüber befunden, welche Leistungen von dem Leasingvertrag umfasst seien. Zwar treffe den Verwender verklausulierter Vertragsbedingungen eine Aufklärungspflicht, der Beklagte habe aber nicht beweisen können, dass er sich während des Verkaufsgesprächs in einem Irrtum darüber befunden habe, welche Leistungen von der ausgehandelten Leasingrate umfasst seien.

Gegen ihn sprächen zunächst die von ihm unterzeichneten Vertragsurkunden - die Vernehmung des Zeugen D... habe nichts Gegenteiliges erbracht. Dieser sei seinen Bekundungen zufolge nicht die gesamte Zeit während des Gesprächs zwischen dem Beklagten und dem Zeugen H... anwesend gewesen, insbesondere nicht, als es um die Aushandlung der monatlichen Leasingrate gegangen sei. Deshalb könne eine Zusicherung des Mitarbeiters H... der Klägerin gegenüber dem Beklagten dahingehend, dass keine weiteren Kosten als 90,- € pro Monat entstünden, nicht angenommen werden. Dass die Parteien möglicherweise nicht über alle Punkte des Vertrages vor dessen Unterzeichnung verhandelt hätten, stehe der Wirksamkeit der Vereinbarungen nicht entgegen, weil es dem Beklagten möglich gewesen sei, sich vor Unterzeichnung auch über die Wartungsproblematik aufklären zu lassen. Anlass, von sich aus den Beklagten hierüber zu informieren, habe für den Zeugen H... nicht bestanden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er macht geltend, rechtsfehlerhaft gehe die angefochtene Entscheidung davon aus, dass der Zeuge D... den Mitarbeiter H... der Klägerin erst nach entstehenden Nebenkosten befragt habe, nachdem die Verträge bereits unterzeichnet gewesen seien. Darüber hinaus habe den Zeugen H... eine Verpflichtung getroffen, von sich aus diese - unverhältnismäßig hohen -Kosten zu thematisieren. Schließlich, so meint der Beklagte, seien seinen Schreiben vom 03. und 04.05.2006 Anfechtungserklärungen wegen Irrtums und Täuschung zu entnehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.06.2007 (Az.: 14 O 396/06) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Klausel in Ziffer 8 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen sei geschäftsüblich und für den Beklagten nicht überraschend gewesen. Vom Vertragstext abweichende mündliche Nebenabreden seien nicht getroffen worden. Zu Recht habe das Landgericht die Unergiebigkeit der Angaben des Zeugen D... angenommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch nochmalige Vernehmung der Zeugen D... und H.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 20.02.2008 (Bl. 155 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen.

II.

Die zulässige, namentlich gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von monatlich 104,40 €, beginnend mit dem 01.08.2006 bis einschließlich 01.07.2011, steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Aspekt zu, namentlich nicht aus § 535 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Leasingvertrag vom 02.05.2006.

a) Der Leasingvertrag ist gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig, weil der Beklagte ihn am 04.05.2006 wirksam gemäß § 123 BGB angefochten hat.

aa) Seinem "Rücktritt" in dem genannten Schreiben ist gemäß §§ 133, 157 BGB ohne weiteres eine Anfechtungserklärung zu entnehmen. Die Erklärung erfolgte innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB, die mit Kenntnisnahme von dem Anfechtungsgrund zu laufen beginnt.

bb) Der Beklagte ist durch arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB zur Abgabe seiner auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung bestimmt worden.

Die Klägerin, handelnd durch ihren Systemberater H..., hat dem Beklagten im Rahmen der Vertragsverhandlungen vor Unterzeichnung der Bestellung des Wasserautomaten und des Leasingvertrages wahrheitswidrig vorgetäuscht, in der monatlichen Leasingrate von 90,- € seien sämtliche Nebenkosten mit Ausnahme derjenigen für Wasser und Strom enthalten, aus den auf der Rückseite des Vertrages abgedruckten Leasingbedingungen ergebe sich nichts anderes.

Das steht nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.

Der Zeuge D... hat glaubhaft bekundet, sich deutlich daran zu erinnern, den Verkaufsvertreter H... im Rahmen der Vertragsverhandlungen in Anwesenheit des Beklagten präzise danach befragt zu haben, ob außer der monatlichen Rate von 90,- € für den Wasserspender und den Kosten für die Verbrauchsmaterialien weitere Kosten entstünden. Der Zeuge H... habe geantwortet, dass außer der monatlichen Rate keine weiteren Kosten entstünden, selbst für notwendig werdende Reparaturarbeiten nicht, solange die Beschädigung des Gerätes nicht auf Mutwillen beruhe.

Diese Angaben des Zeugen D... waren im Sinne der Behauptung des Beklagten positiv ergiebig. Indem der Zeuge bekundete, den Mitarbeiter der Klägerin H... "draußen auf der Terrasse" nach zusätzlich entstehenden Kosten befragt zu haben, hat er klargestellt, dass das entsprechende Gespräch zeitlich vor Unterschriftsleistung - die erst später im Büro des Beklagten erfolgte - stattfand.

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen D... bestehen keine Zweifel. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Zeuge, der damals wie heute im Unternehmen des Beklagten angestellt ist, mittelbar ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben mag. Anhaltspunkte dafür, dass er sich angesichts persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Beklagten zu einer wahrheitswidrigen Gefälligkeitsaussage hinreißen ließ, ergaben sich indes nicht. Anschaulich und detailreich berichtete der Zeuge von den Ereignissen, die Gegenstand der Beweiserhebung waren. Erinnerungslücken räumte er unumwunden ein, so vermochte er sich etwa nicht an den Wochentag zu erinnern, an dem der Zeuge H... in den Räumlichkeiten des Ingenieurbüros des Klägers erschien - das ist angesichts eines Zeitablaufs von mehr als eineinhalb Jahren nachvollziehbar und unterstreicht die Glaubwürdigkeit des Zeugen D.... Der Inhalt der Aussage des Zeugen deckt sich mit dessen Angaben vom 09.05.2007 vor dem Erstgericht und überdies mit der Darstellung des Klägers.

Die Bekundungen des Zeugen H... vermochten die Glaubwürdigkeit des Zeugen D... nicht in Zweifel zu ziehen. Der Zeuge H... vermochte sich an die Einzelheiten der Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten betreffend den Wasserbereiter ebenso wenig zu erinnern wie daran, ob er mit dem Zeugen D... darüber sprach, ob weitere Kosten für den Wasserbereiter zusätzlich zu der monatlichen Leasingrate entstünden.

Dass der Beklagte sich durch seine Unterschrift auf dem Bestellformular verpflichtete, Nebenkosten zu tragen, namentlich den Feinstofffilter und die UV-Lampe auf seine Kosten regelmäßig auswechseln zu lassen, führt schon deshalb nicht zu einer abweichenden Bewertung, weil diese Bestellung, wie der Beklagte wusste, bei Zustandekommen eines Leasingvertrages hinfällig wurde.

Der Zeuge H... handelte vorsätzlich, denn er hatte als erfahrener Verkaufsberater der Klägerin positive Kenntnis vom Inhalt der dem Leasingnehmer in Ziffer 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen auferlegten Pflichten. Eigenen Bekundungen zufolge führt der Zeuge H... jährlich 120 bis 130 Verkaufsgespräche gleicher Art wie bei dem Beklagten.

cc) Durch die Täuschung hat der Zeuge H... bei dem Beklagten, der sowohl die Frage des Zeugen D... an den Zeugen H... als auch dessen Antwort hörte, den Irrtum erregt, in der monatlichen Leasingrate von 90,- € seien mit Ausnahme derjenigen für Wasser und Strom alle Nebenkosten enthalten. Tatsächlich verhielt es sich gemäß Ziffer 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem Leasingvertrag so, dass nicht nur alle Betriebskosten, sondern auch die Kosten für notwendige Reparaturen und Ersatzteile dem Beklagten zur Last fielen.

Den Irrtum des Beklagten hindert es nicht, dass es auf dem ebenfalls am 02.05.2006 von ihm unterschriebenen Bestellformular heißt, der Kunde verpflichte sich für den Fall, dass kein Servicevertrag abgeschlossen werde, Feinstofffilter und UV-Lampe in den vorgesehenen Intervallen auf seine Kosten auswechseln zu lassen. Abgesehen davon, dass die Bestellung des Wasserspenders beim Zustandekommen eines Leasingvertrages als aufgehoben gelten sollte, geht die aus Ziffer 8 des Leasingvertrages folgende Verpflichtung des Kunden über die in der Bestellung enthaltene hinaus, weil er nicht nur zur Übernahme der Kosten für den Austausch des Filters und der Lampe verpflichtet wird, sondern das Gerät während der Vertragsdauer auf seine Kosten unter Beachtung der Betriebs- und Wartungsanweisungen des Lieferanten in einem ordnungsgemäßen und funktionsfähigen Zustand zu halten sowie sämtliche Betriebs- und Reparaturkosten zu tragen hat.

dd) Die Täuschung durch den Zeugen H... war kausal für die Abgabe der auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Beklagten, der von der Klägerin nicht bestritten vorgetragen hat, bei Kenntnis von der weiteren Kosten von dem Geschäft Abstand genommen zu haben.

b) Darüber hinaus war der Beklagte wegen der Täuschung durch den Zeugen H... aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes berechtigt, Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen.

2. In Ermangelung vertraglicher Verpflichtung zur Abnahme des Wasserbereiters befindet sich der Beklagte nicht in Annahmeverzug mit der Folge, dass die Klage auch mit dem Antrag zu 2) nicht begründet ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzlich Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.264,- € festgesetzt (104,40 € x 60 Monate).

Ende der Entscheidung

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