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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.09.2005
Aktenzeichen: 4 U 89/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 282 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 2
ZPO § 356
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB § 491 Abs. 1
BGB § 498 Abs. 1
BGB § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BGB § 498 Abs. 1 Satz 2
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 89/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Verkündet am 23.09.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 09.09.2005 durch den Richter am Amtsgericht ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.02.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus, Az. 2 O 214/04, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Rückzahlungsansprüche nach Kündigung eines im Jahr 2000 abgeschlossenen Darlehensvertrags gelten. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

In dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht Cottbus den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die aufgelaufenen Rückstände die Klägerin zur Kündigung des Darlehensvertrages berechtigten. Der Beklagte habe diese Kündigung auch durch sein weiteres Verhalten akzeptiert. Das Vorbringen des Beklagten zu einer Vereinbarung mit der Klägerin vom 20.03.2003 dürfe bei der Entscheidung gemäß § 296 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden, da der hierzu erfolgte Beweisantritt erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt sei. Trotz der schon zuvor erfolgten Benennung eines Zeugen "NN" sei eine Fristsetzung nach § 356 ZPO durch die Kammer entbehrlich gewesen, da nicht klar gewesen sei, welche konkrete Person sich hinter dieser Benennung verbergen solle. Der dann erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgte zulässige Beweisantritt sei lange nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist und damit verspätet erfolgt.

Mit der Berufung verfolgt der in der ersten Instanz unterlegene Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung uneingeschränkt weiter. Er rügt rechtliche und tatsächliche Fehler des Landgerichts. Ein Hinweis auf die unzureichende Zeugenbenennung nebst Fristsetzung gemäß § 356 ZPO sei erforderlich gewesen. Die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Akzeptanz der Darlehenskündigung durch den Beklagten sei nicht haltbar. Soweit der Beklagte mit der Berufungsbegründung zunächst auch als neues Verteidigungsvorbringen gegen die Klageforderung eine Hilfsaufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch angekündigt hatte, hat er hieran nach einem rechtlichen Hinweis durch den Senat in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Hierzu wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Senat hat auf der Grundlage seines Beweisbeschlusses vom 09.09.2005 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin A.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.09.2005 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten nach der berechtigten Kündigung des Darlehensvertrages vom 14.09.2000 einen Rückzahlungsanspruch in der von dem Landgericht ausgeurteilten Höhe aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB.

a) Die von der Klägerin am 14.04.2003 wegen Zahlungsverzuges ausgesprochene Kündigung des Darlehensvertrages ist gemäß §§ 491 Abs. 1, 498 Abs. 1 BGB wirksam.

aa) Zum Kündigungszeitpunkt war der Beklagte unstreitig mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise in Verzug.

bb) Auch die weitere Voraussetzung des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, der eine Darlehenskündigung nur ermöglicht, wenn der Gesamtrückstand bei einer Laufzeit des Verbraucherdarlehensvertrages von mehr als 3 Jahren - hier war zwischen den Parteien eine Laufzeit von rund 4 1/2 Jahren vereinbart - mehr als 5 % des Nennbetrages des Darlehens ausmacht, ist vorliegend erfüllt. Unter Zugrundelegung der von der Klägerin am 22.09.2000 bestätigten Darlehensgesamtsumme in Höhe von 32.851,55 DM - zu Gunsten des Beklagten unter Außerachtlassung des an sich erforderlichen Abzug der laufzeitabhängigen Kosten (insbesondere Zinsen und Kreditgebühren), hier wohl 5.001,55 DM - ergibt sich, dass 5 % dieser Summe einen Betrag in Höhe von 839,84 € ausmachen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Rückstand des Beklagten zum Kündigungszeitpunkt auf insgesamt 897,42 € belief und damit mehr als 5 % des Nennbetrages des Darlehens ausmachte.

cc) Aus der von der Klägerin vorgelegten Korrespondenz ergibt sich zudem, dass dem Beklagten auch gemäß § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der erforderlichen Erklärung, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld zurückzahlen müsse, erteilt worden ist. Ebenso ist ihm mit dem Schreiben vom 18.03.2003 gemäß § 498 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Gespräch über die Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung ausdrücklich angeboten worden.

b) Entgegen der Behauptung des Beklagten hat es anlässlich des Telefongesprächs vom 20.03.2003, das der Beklagte unstreitig als Reaktion auf das fristsetzende Schreiben vom 18.03.2003 mit einer Mitarbeiterin der Klägerin geführt hat, keine Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Stundung der Rückstände und eine Fortsetzung der Ratenzahlung erst Anfang Mai 2003 gegeben.

aa) Der Senat ist im vorliegenden Fall dazu berechtigt gewesen, im Berufungsverfahren neue Tatsachenfeststellungen hinsichtlich dieses Vorbringens des Beklagten zu treffen, da er gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden ist.

Dem Beklagten ist es infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) nicht ermöglicht worden, bereits vor dem Landgericht die Vernehmung der von ihm benannten Zeugin A... zu erreichen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war ungeachtet seines terminsvorbereitenden Hinweises vom 01.10.2004 ("Der Beweisantritt für die behauptete Vereinbarung ... ist unzulässig") auch eine Fristsetzung gegenüber dem Beklagten nach § 356 ZPO erforderlich. Die landgerichtlichen Zweifel an der ausreichenden Individualisierung des zunächst unzureichend benannten Zeugen ("Zeuge NN") teilt der Senat nicht, da es sich hierbei naheliegend nur um den telefonischen Gesprächspartner des Beklagten auf Klägerseite gehandelt haben kann. Andeutungen dahin, dass eine andere Person aus dem Umfeld des Beklagten das Telefongespräch mitgehört haben könnte und daher Gegenstand dieses Beweisantrages sein könnte, ergeben sich aus dem Beklagtenvorbringen nicht. Insbesondere wäre es dann nicht verständlich, dass der Beklagte schriftsätzlich den Namen dieser Person nicht eingeführt hat. Somit bestand keine tatsächliche Grundlage dafür, von einer Fristsetzung gemäß § 356 ZPO abzusehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 05.05.1998, NJW 1998, 2368 m. w. N.).

Selbst bei unterstellter Richtigkeit des landgerichtlichen Verfahrens wäre eine Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung erfolgten vollständigen Beweisantritts nicht auf der Grundlage des § 296 Abs. 1 ZPO berechtigt gewesen. Aufgrund des vom Landgericht unter dem 01.10.2004 erteilten Hinweises musste es dem Beklagten möglich sein, auch nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist sein Vorbringen - hinweisgerecht - zu ergänzen. Insoweit könnte ihm die verspätete Benennung der Zeugin A... allenfalls als verspätetes Vorbringen im Sinne des § 282 Abs. 1 ZPO angelastet werden, so dass in diesem Fall die Verspätungsvorschrift des § 296 Abs. 2 ZPO einschlägig wäre. Bereits die Benennung einer fehlerhaften Grundlage für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens erfordert nach ständiger Rechtsprechung die Zulassung des zurückgewiesenen Vorbringens in der Berufungsinstanz. Aufgrund der eindeutigen Vorgaben durch den Bundesgerichtshof (vgl. zuletzt: Urteil vom 04.05.2005, Az.: XII ZR 23/03), denen der 4. Zivilsenat insoweit in ständiger Rechtsprechung folgt, darf das Berufungsgericht die fehlerhafte Begründung der Verspätung nicht durch eine andere - fehlerfreie - ersetzen. Somit kann es dahinstehen, ob das sicherlich nachlässige prozessuale Verhalten des Beklagten tatsächlich gegen ihre Prozessförderungspflicht gemäß § 282 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Die Zurückweisung des verspäteten Vorbringens des Beklagten ist von dem Landgericht nicht auf den dann einschlägigen § 296 Abs. 2 ZPO gestützt worden und damit rechtsfehlerhaft. Zudem fehlt es ausweislich des Sitzungsprotokolls an dem zur Wahrung des rechtlichen Gehörs stets gebotenen Hinweis des Landgerichts, dass es von einer Verspätungsvorschrift Gebrauch machen will (vgl. hierzu Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 296 Rn. 32 m. w. N.).

bb) Ungeachtet der Zulassungsfähigkeit des Beklagtenvorbringens hat die Beweisaufnahme vor dem Senat nicht den von dem Beklagten behaupteten Inhalt des Telefonats bestätigt.

Die glaubhafte und inhaltlich gut nachvollziehbare Aussage der Zeugin A..., die das Telefongespräch mit dem Beklagten zwar nicht selbst führte, jedoch über die Einsichtnahme in einen im Computersystem der Klägerin enthaltenen Aktenvermerk dessen wesentlichen Inhalt kannte, hat vielmehr ergeben, dass zwar mit dem Beklagten über seine finanziellen Probleme und über eine Erhöhung der Rate gesprochen worden ist. Aus den damaligen Notizen der Klägerin ergibt sich jedoch, dass dem Beklagten im Hinblick auf seine Rückstände eine erhöhte Rate angeboten worden ist, die bereits ab Ende März 2003 zu zahlen gewesen wäre.

Bei einer solchen Sachlage erfordert das Zustandekommen einer Stundungsvereinbarung -eine ausdrückliche Annahmeerklärung hat der Beklagte in diesem Rechtsstreit nicht vorgetragen -, dass jedenfalls die erste erhöhte Rate vereinbarungsgemäß gezahlt wird. Dies hat der Beklagte jedoch nicht getan, sondern nach seinem eigenen Vorbringen erst Anfang Mai 2003 - also mehr als zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung - eine erhöhte Ratenzahlung an die Klägerin geleistet. Damit stand der am 14.04.2003 von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung des Darlehensvertrages keine wirksame Stundungsvereinbarung der Parteien entgegen.

c) Aufgrund der dargestellten Wirksamkeit der Kündigung vom 14.04.2003 kommt es auf die Erwägungen des Landgerichts zu einer aus dem nachfolgenden Verhalten des Beklagten geschlussfolgerten Akzeptanz der Kündigung nicht mehr an. Allein in der Unterstellung des unfallbeschädigten Fahrzeugs in einer Werkstatt - ausweislich der Bewertung durch den von der Klägerin beauftragten Sachverständigen vom 21.07.2003 erforderte die Unfallinstandsetzung lediglich einen Kostenaufwand in Höhe von 1.868,76 € netto, so dass bei dem weniger als drei Jahre alten Fahrzeug von keinem Totalschaden auszugehen ist - kann weder eine freiwillige Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit noch eine konkludente Einverständniserklärung mit der vorzeitigen Beendigung des streitgegenständlichen Darlehensverhältnisses gesehen werden.

d) Die Höhe des Rückzahlungsbetrages und die Berechtigung der Zinsforderung sind zwischen den Parteien - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - unstreitig und bedürfen damit keiner Feststellung durch den Senat.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.975,73 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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