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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 4 U 90/00
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 11 ff.
EGBGB § 11 Abs. 1 Satz 1
EGBGB § 11 Abs. 3 Satz 1
EGBGB § 12 Abs. 2 Nr. 2 c
EGBGB § 16 Abs. 2 Satz 1
EGBGB § 11 Abs. 1
EGBGB § 11 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 281 Abs. 1
BGB § 275 Abs. 2
ZPO § 711
ZPO § 711 S. 2
ZPO § 710
ZPO § 712
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 90/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 18 O 543/98 Landgericht Frankfurt (Oder)

Anlage zum Protokoll vom 11. April 2001

Verkündet am 11. April 2001

Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2001 durch

den Richter am Oberlandesgericht Pliester, die Richterin am Landgericht Rieckhof und den Richter am Amtsgericht Kopfmüller-Knabe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01. März 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder - Az.: 18 O 543/98 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werdendem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten zu 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können Sicherheit auch leisten durch Stellung einer unbedingten und unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse.

Tatbestand:

Die Beklagten sind der Sohn und die Ehefrau des 1962 verstorbenen Genossenschaftsbauern O K. Das klagende Land (im Folgenden: der Kläger) verlangt von den Beklagten die Herausgabe des Erlöses aus dem notariellen Kaufvertrag vom 3. April 1992 (vgl. Bl. 6 ff. d. A.), mit welchem die Beklagten das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von S Band 23, Blatt 644, Flur 12, Flurstück 425, zu einem Kaufpreis von 1.139.850,00 DM veräußerten. Das Flurstück 425 mit einer Größe von, 1 ha, 51 a und 58 m² war im Grundbuch Blatt 644 unter lfd. Nr. 4 des Bestandsverzeichnisses erfasst.

In der Fassung des Grundbuches vor dem 28. November 1994 war unter lfd. Nr. 1 der Grundstücke eine Ackerfläche von 2 ha, 1 a und 25 m² eingetragen. Unter der Rubrik Bestand und Zuschreibungen befindet sich in der Spalte 5 zur lfd. Nr. 2 der Grundstücke der Eintrag "von Blatt 521 übertragen am 16. November 1959". In der ersten Abteilung befindet sich unter der Rubrik 4 (Grundlage der Eintragung) lfd. Nr. 2 der Grundstücke im Bestandsverzeichnis die, Eintragung "aufgrund des 44. Nachtrages vom 19. Oktober 1957 eingetragenen (unleserlich) November 1959 (Unterschrift)". In der zweiten Abteilung befindet sich zur lfd. Nr. 1 der Eintragung und zur lfd. Nr. 1 der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis ein Bodenreformsperrvermerk. Im Grundbuch von S, Band 19, Blatt 521, in der Fassung vor dem 1. April 1998 befindet sich zur lfd. Nr. 1 der Grundstücke der Flur 8, Flurstück 145/3 ein Grundstück mit der Fläche von 1 ha, 51 a und 58 m² in der Rubrik 8 (Abschreibungen) befindet sich zur lfd. Nr. 1 der Grundstücke der Eintrag "übertragen sind von Nr. 1 die Parzellen Flur 12, Flurstück 419 und 425 nach Blatt 644 am 16. November 1959. In der 1. Abteilung ist zur lfd. Nr. 1 der Eintragung der Landwirt W K in S als Eigentümer eingetragen. In der 2. Abteilung befindet sich zur lfd. Nr. 1 der Eintragungen und lfd. Nr. 1 der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis ein Bodenreformsperrvermerk. Wegen des weiteren Inhaltes der Grundbücher zu Blatt 644 des Grundbuches von S und Blatt 521 des Grundbuches von S wird auf die beigezogenen Grundakten des Grundbuchamtes Bezug genommen.

Nachdem der Kläger von der Veräußerung des Grundstückes am 3. April 1992 erfuhr, wies er die Beklagten mit Schreiben vom 15. Dezember 1994 (Bl. 34 ff. d. A.) auf die Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform hin und gab den Beklagten gleichzeitig auf, gegenüber dem Land ihre Zuteilungsfähigkeit nachzuweisen.

Am 4. Januar 1995 teilte der Beklagte zu 1. dem Kläger mit, dass das Grundstück verkauft worden sei (vgl. Bl. 42 d. A.). Mit Schreiben vom 18. Januar 1995 (vgl. Bl. 43 ff. d. A.) wurden die Beklagten nochmals unter Fristsetzung bis zum 10. Februar 1995 aufgefordert, ihre Zuteilungsfähigkeit gegenüber dem Kläger nachzuweisen, anderenfalls sei der erzielte Erlös an das Land Brandenburg herauszugeben.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an ihn 854.887,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1995 zu zahlen;

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 284.962,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1995 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass das Flurstück 425 nicht den Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform unterliege. Der Bodenreformsperrvermerk in Abteilung 2 des Grundbuches von S Blatt 644 beziehe sich nicht auf das später handschriftlich zugeschriebene Flurstück 425.

Die Beklagten haben weiter ausgeführt, dass der Kläger nicht besserberechtigt sei. Mit dem Tode des Erblassers seien sie kraft gesetzlicher Erbfolge Eigentümer des Grundstückes geworden. Bei Ablauf des 15. März 1990 seien sie noch Eigentümer des Flurstückes gewesen. Das DDR-Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 habe die bisherigen Besitzwechselverordnungen aufgehoben und das Bodenreformeigentum allein den Bestimmungen des ZGB unterstellt, wodurch die Beklagten eine gesicherte nicht mehr erzielbare Eigentumsposition erlangt hätten. Desweiteren ergebe sich die fehlende Besserberechtigung des Klägers aus der Notwendigkeit einer Verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB. Außerdem sei die Beklagte zu 2. als zuteilungsfähig anzusehen. Mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Küchengehilfin habe ihre Mitgliedschaft in der LPG nicht geendet, diese habe vielmehr lediglich entsprechend der Nr. 24 des Musterstatutes für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften des Typ 1 lediglich geruht.

Darüber hinaus sei eine weitere landwirtschaftliche Nutzung des Flurstücks durch den abgeschlossenen Kreispachtvertrag gewährleistet gewesen. Der Rat des Kreises und die zuständige Bodenreformbehörde hätten überdies mit dem Abschluss des Pachtvertrages bestätigt, dass die Beklagten das kraft Erbrecht erworbene Bodenreformgrundstück endgültig behalten dürften.

Die Beklagten haben überdies die Einreden der Verjährung und der Verwirkung erhoben. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 1. behauptet, dass der Erlös im Wesentlichen durch Schenkungen an seine Kinder, den Erwerb eines Kraftfahrzeugs, die Renovierung seines Wohnhauses und infolge der Gewährung eines Privatdarlehens an die Eheleute M verbraucht worden sei.

Das Landgericht hat den Beklagten zu 1. verurteilt, an den Kläger 854.887,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1995 zu bezahlen. Die Beklagte zu 2. hat es verurteilt; an den Kläger 284.962,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Februar 1995 zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses gemäß Art. 233 §§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 12 Abs. 2 Nr. 2 c, 16 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit den §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB. Auch das Flurstück 425 falle in den Anwendungsbereich der. Normen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB. Dieses Grundstück sei zunächst im Grundbuch von S, Band 19, Blatt 521, unter der Bezeichnung Flur 8, Flurstück 145/3 eingetragen und in Abteilung 2 ebenfalls als Bodenreformgrundstück ausgewiesen gewesen. Werde ein Bodenreformgrundstück aus dem Bestand seines bisherigen Grundbuches herausgenommen und auf den eines anderen Grundbuches übertragen, welches ebenfalls als Bodenreformgrundstück ausgewiesen sei, so dürfe es nicht der gesonderten Kennzeichnung im Grundbuch, dass es sich bei dem übertragenen Grundstück weiterhin um ein Bodenreformgrundstück handele. Im Übrigen könne es dahingestellt bleiben, ob sich der Bodenreformsperrvermerk auch auf das erst am 19. Oktober 1957 insoweit zugeschriebene Flurstück 425 bezogen habe, denn die Eintragungen in das Grundbuch seien rein deklaratorischer Art gewesen, während sich die Verfügungsbeschränkungen unmittelbar aus den Vorschriften der Besitzwechselverordnungen ergeben hätten. Die Beklagten seien im Verhältnis zum Kläger auch nicht besserberechtigt gewesen. Da sie infolge des Grundstücksverkaufes nicht mehr in der Lage seien, das Grundstück an das klagende Land aufzulassen, seien sie von ihrer Leistungspflicht wegen subjektiver Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB frei geworden. Ihre Leistungsverpflichtung beschränke sich nunmehr darauf, dem klagenden Land das Erlangte, nämlich den Kaufpreiserlös entsprechend der jeweiligen Erbanteile von 3/4 hilfsweise, ihnen die Befugnis einzuräumen, gegen Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwenden und ihnen nachzulassen, eine nach § 711 ZPO zu erbringende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bankbürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten; in den der Revision unterliegenden Sachen zu ihren Gunsten als Gläubiger es bei der Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 711 S. 2, 710 ZPO zu belassen, als Schuldner die Schutzanordnungen aus § 712 ZPO zu treffen; hilfsweise in beiden Fällen ihnen zu gestatten, eine Sicherheitsleistung nach § 711 ZPO auch durch Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen; in den der Revision unterliegenden Sachen zu seinen Gunsten als Gläubiger es bei der Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 711 S. 2, 710 ZPO zu belassen; als Schuldner die Schutzanordnung aus § 712 ZPO zu, treffen; ihm nachzulassen, die gemäß § 711 ZPO oder § 712 ZPO zu bestimmende Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Er ist der Meinung, es sei ausreichend, dass sich der Bodenreformsperrvermerk in der Abteilung 2 des Grundbuchs von S, Band 19, Blatt 521, befinde, in dem das Grundstück früher eingegangen gewesen sei. Er weist darauf hin, dass sich darüber hinaus die Bodenreformeigenschaft des Grundstücks auch aus Abteilung 1 des Grundbuches von S Blatt 644, ergebe.

Auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, der Sitzungsniederschrift vom 28.2.2001 (Bl. 785 ff. d. A.), den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 1.3.2000 sowie die zu Informationszwecken beigezogenen Akten des Grundbuchamtes, Blatt 644 des Grundbuchs von S und Blatt 521 des Grundbuchs von S wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses betreffend das Grundstück Grundbuch von S, Band 23, Blatt 644, Flur 12, Flurstück 425, gemäß Art. 233 §§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 12 Abs. 2 Nr. 2 c, 16 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit den §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB schon deshalb nicht zu, da das Flurstück nicht im Grundbuch als Grundstück aus der Bodenreform gekennzeichnet ist oder war.

Das Flurstück 425 war am 29. Juli 1992, dem Tage des Inkrafttretens des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes, nicht im Grundbuch als solches aus der Bodenreform gekennzeichnet, sodass die erste Alternative des Art. 233 Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB ("gekennzeichnet ist") nicht vorliegt. Dem hier maßgeblichen Grundbuch von S, Band 23, Blatt 644, kann hinsichtlich des maßgeblichen Flurstücks 425 eine Kennzeichnung als Bodenreformland bzw. ein Bodenreformsperrvermerk nicht entnommen werden. Der in der 2. Abteilung eingetragene Bodenreformsperrvermerk bezieht sich auf die lfd. Nr. 1 der Eintragungen bzw. auf die lfd. Nr. 1 der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis. Die mit der lfd. Nr. 1 der Eintragungen bzw. der lfd. Nr. 1 der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis gekennzeichneten Grundstücksflächen sind aber andere als das Flurstück 425. Diese Grundstücksfläche war mit der lfd. Nr. 4 der Grundstücke und bisherige lfd. Nr. 2 der Grundstücke im Bestandsverzeichnis von Blatt 644 aufgeführt. Eine offensichtlich frühere Fassung des Grundbuches war unter Bestand und Zuschreibungen zu lfd. Nr. 2 der Grundstücke die Übertragung von Blatt 521 am 16. November 1959 eingetragen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um die grundstreitbefangene und später als Flurstück 425 bezeichnete Grundstücksfläche handelt, denn der Bodenreformsperrvermerk vom 20. April 1957 bezieht sich eindeutig lediglich auf die lfd. Nr. 1 der Eintragungen und bzw. die lfd. Nr. 1 der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis und damit nicht auf die am 16. November 1959, also über 2 Jahre später übertragene Grundstücksfläche von Blatt 521.

Für eine Kennzeichnung als Grundstück aus der Bodenreform reicht auch nicht der in der 1. Abteilung unter der Rubrik 4 (Grundlage der Eintragung) zur lfd. Nr. 2 der Grundstücke im Bestandsverzeichnis eingetragene Vermerk "aufgrund des 44. Nachtrages vom 19. Oktober 1957 eingetragen am (unleserlich) November 1959 (Unterschrift)". Insoweit bedarf es notwendigerweise der Eintragung eines Bodenreformsperrvermerkes. Lediglich dieser weist eine Grundstücksfläche im Grundbuch mit hinreichender Sicherheit als Bodenreformland aus. Bis zum 16.3.1999 musste nämlich aufgrund der bestehenden gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen, denen Bodenreformland unterlag, zwingend der Bodenreformsperrvermerk bei der Eintragung eines Grundstückes aus der Bodenreform im Grundbuch eingetragen werden. Der Bodenreformsperrvermerk, weist daher andererseits wiederum zwingend die maßgeblichen Grundstücksflächen als Bodenreformland aus. Der Bodenreformsperrvermerk ist daher zur Kennzeichnung eines Grundstückes als Bodenreform ausreichend, aber andererseits auch erforderlich. Fehlt ein Bodenreformsperrvermerk im Grundbuch, so unterliegt das Grundstück trotz anderer Hinweise auf die Möglichkeit, dass das Grundstück letztlich der Bodenreform entstammen könnte, nicht der Abwicklung nach Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB. Es kann dahingestellt bleiben, ob der grundbuchliche Eintrag aufgrund eines 44. Nachtrages vom 19. Oktober 1957 auf ein Grundstück aus der Bodenreform hinweist, denn der Umstand des fehlenden Bodenreformsperrvermerks schließt eine Kennzeichnung als Grundstück aus der Bodenreform aus.

Desweiteren handelt es sich bei der hier maßgeblichen Grundstücksfläche Flurstück 425 auch nicht um ein Grundstück, welches im Grundbuch als Grundstück aus der Bodenreform im Sinne des Art. 233 § 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB gekennzeichnet "war". Insoweit lässt sich zunächst feststellen, dass es sich bei der im Grundbuch S, Band 19, Blatt 521 unter lfd. Nr. 1 eingetragene Grundstücksfläche Flur 8, Flurstück 145/3 mit einer Größe von 1 ha, 51 a und 58 m² um ein Grundstück aus der Bodenreform handelt. Dies folgt zwingend aus dem dort in der 2. Abteilung eingetragenen Bodenreformsperrvermerks. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Grundstücksfläche mit der hier streitbefangenen Grundstücksfläche aus dem Grundbuch von S mit Blatt 644, Flur 12, Flurstück 425 identisch ist, denn der dort enthaltene Bodenreformsperrvermerk stellt keine hinreichende Kennzeichnung im Sinne des Art. 133 § 11 Abs. 1 EGBGB dar. Das dort enthaltene Tatbestandsmerkmal der früheren Kennzeichnung als Bodenreformgrundstück bedeutet nämlich nicht, dass als Anknüpfungspunkt jede irgendwann einmal gegebene Erfassung einer Grundstücksfläche von einem Bodenreformsperrvermerk ausreicht. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, dass der Bodenreformsperrvermerk entweder am 15.3.1990 noch im Grundbuch eingetragen war oder ein solcher Vermerk später gelöscht worden war (vgl. hierzu Eickmann-Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, Art. 233 § 11 EGBGB, Rz. 7 a unter Hinweis auf BGH MDR 1997, 31 f.). Der Gesetzgeber des zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes wollte insoweit klarstellen, dass soweit die Bodenreformsperrvermerke in der Abteilung 2 des Grundbuches jetzt gelöscht worden sind, dies zur Kennzeichnung als Grundstück aus der Bodenreform ausreiche (vgl. den Gesetzesentwurf der Fraktion der CDU, CSU und F.D.P. Bundestagsdrucksache 12/2480 S. 86). Auf eine entsprechende Anfrage hat die Bundesregierung am 10.2.1995 sich zu diesem Themenkomplex noch mal geäußert (vgl. Bundestagsdrucksache 13/471 vom 7.2.1995). Die Bundesregierung hat dort noch mal betont, dass ein Grundstück nur dann als Bodenreformgrundstück angesehen werden könne, wenn es im Grundbuch als Grundstück aus der Bodenreform gekennzeichnet ist öder war, was der Fall sei, wenn im Grundbuch ein Bodenreformvermerk entweder noch eingetragen oder ein solcher Vermerk gelöscht worden sei. Fehle ein solcher Vermerk, dann liege kein Bodenreformgrundstück vor und es bestehe dann auch kein Auflassungsanspruch des Landesfiskus. Hierbei sei allerdings zu berücksichtigen, das Grundbuch im Sinne des Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB enthalte nicht nur das aktuelle Grundbuchblatt, sondern auch frühere Blätter, in denen das Grundstück eingetragen gewesen sei. Es komme gerade in den neuen Ländern häufig vor, dass Grundbücher umgeschrieben würden, weil sie unübersichtlich geworden seien. Dann enthalte das Grundbuch ein neues Blatt, in welches gewöhnlich von den bisherigen das Grundstück betreffenden Eintragungen nur noch die aktuellen Eintragungen, nicht jedoch die gelöschten Eintragungen übernommen würden. Vor Inkrafttreten des zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes hätten die Ämter gelöschte Bodenreformvermerke oft als gegenstandslos angesehen und deshalb bei Umschreibungen nicht übernommen. Der (gelöschte) Bodenreformvermerk finde sich dann noch im früheren Grundbuchblatt. Auch dann sei ein Grundstück im Sinne von Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB im Grundbuch als Grundstück als Bodenreform gekennzeichnet und würde dann dem Auflassungsspruch des Landesfiskus unterliegen.

Die Bundesregierung bezieht sich hinsichtlich der früheren Eintragungen somit nicht auf irgendwelche in früheren Blättern befindliche Bodenreformsperrvermerke, sondern auf solche Bodenreformsperrvermerke, welche in der Zeit zwischen dem 15. März 1990 bis zum Inkrafttreten des zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes gelöscht worden seien. Auch eine Löschung des Bodenreformsperrvermerkes bis zum 15. März 1990 führt naturgemäß dazu, dass die fragliche Grundstücksfläche nicht mehr als Grundstück aus der Bodenreform gekennzeichnet ist, auch wenn in früheren Blättern ein nicht gelöschter Bodenreformsperrvermerk enthalten wäre. Nur dies entspricht dem Sinn und Zweck der insoweit durch das zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz eingeführten Vorschriften, welche aus Gründen der Rechtssicherheit zur Frage der Kennzeichnung eines Grundstückes als Bodenreformgrundstück die grundbuchliche Anknüpfung über den Bodenreformsperrvermerk gewählt hat, aber auch solche Grundstücke erfassen wollte, bei welchen der Bodenreformsperrvermerk nach dem 15.3.1990 im Grundbuch gelöscht worden war.

Im vorliegenden Fall kann damit im Ergebnis - selbst bei unterstellter Identität des streitgegenständlichen Grundstückes aus dem Grundbuch von S Blatt 644, Flur12, Flurstück 425 mit dem ehedem im Grundbuch von S Blatt 521, Flur 8, Flurstück 145/8 eingetragenen Grundstück - eine hinreichende Kennzeichnung als Grundstück aus der Bodenreform nicht festgestellt werden. Bereits deshalb fehlt es an einer Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch des Verkaufserlöses aus der materiellen Veräußerung vom 3. April 1992. Die Klage ist bereits daher abzuweisen, sodass es auf die übrigen Einwendungen der Beklagten kommt es nicht mehr ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der Beschwer des Klägers:

1.139.850,00 DM

Ende der Entscheidung

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