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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.12.2002
Aktenzeichen: 4 U 93/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 325 Abs. 1 S. 1
BGB § 326
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 440
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 93/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 6.12.2002

verkündet am 6.12.2002

In dem Rechtsstreit

durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin - das am 23. Mai 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder - Az.: 14 O 195/01 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines notariellen Vertrages über die Veräußerung einer Eigentumswohnung. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 349 d.A.) Bezug genommen. Das Landgericht hat den auf Zahlung gerichteten Hauptantrag abgewiesen und auf den Hilfsantrag der Klägerin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Kaufvertrag rückabzuwickeln und den gezahlten Kaufbreis an die Kreditinstitute zurückzuzahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung des Besitzes an der Wohnung. Im Übrigen hat das Landgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich des steuerlichen Schadens festgestellt.

Gegen das ihr am 05. Juni 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 03. Juli 2002 eingegangenen Berufung. Sie hat das Rechtsmittel, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 06. September 2001, mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nachdem ihr die Berufungsbegründung am 17. September 2002 zugestellt worden war, beantragt die Klägerin mit der am 15. Oktober 2002 eingegangenen Anschlussberufung darüber hinaus,

abändernd der Klage insgesamt stattzugeben.

Die Klägerin wurde während des Berufungsverfahrens als Eigentümerin der Wohnung im Grundbuch eingetragen. Im Termin vom 20. November 2002 hat sie daraufhin ihren Antrag in folgender Form gestellt:

abändernd nach dem in erster Instanz gestellten Hauptantrag zu 1. zu erkennen, wobei die Rückzahlung Zug um Zug gegen Rückübertragung des Besitzes sowie Rückauflassung beantragt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage.

1.

Der Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 325 Abs. 1 S. 1 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung); denn die Pflicht der Beklagten zur Übereignung der Eigentumswohnung ist nicht unmöglich geworden, wie letztlich die Tatsache belegt, dass die Beklagte während des Prozessverfahrens zweiter Instanz als Wohnungseigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist. Die vorübergehenden Leistungsverzögerungen haben zu keinem Zeitpunkt zu einem - endgültigen - Unvermögen der Beklagten geführt.

2.

Auch die Voraussetzungen der §§ 440, 326 Abs. 1 BGB sind im Streitfall nicht gegeben. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Erhaltes der Fristsetzungen nebst Ablehnungsandrohungen (10. August 2000, Bl. 41; 15. Januar 2001, Bl. 43; 08. Februar 2001, Bl. 46) nicht in Verzug. Wie die Beklagte mit Recht ausführt, ist als Bezugspunkt für den Verzugseintritt nicht die Grundbucheintragung der Beklagten anzusehen; die Leistungspflichten der Beklagten waren vielmehr auf die Vornahme derjenigen Handlungen beschränkt, die - letztlich - erforderlich waren, um die Eigentumsumschreibung zu Gunsten der Beklagten herbeizuführen (vgl. RGZ 118, 100). Dass sich die Beklagte für den hier in Rede stehenden Zeitraum ab dem 10. August 2000 mit einzelnen Handlungen in Verzug befand, kann der Senat aber nicht feststellen.

Die Beklagte, deren Vorbringen die Klägerin insoweit nicht entgegengetreten ist, hat nämlich im Hinblick auf den genannten Zeitraum bereits in erster Instanz (Schriftsatz vom 02. Oktober 2001) ausgeführt: Nachdem das Vermögenszuordnungsverfahren mit Eintragung der Beklagten als Eigentümerin im Grundbuch in Bezug auf das letzte Grundstück durch Grundbucheintragung am 28. November 2000 abgeschlossen war, habe der Notar B... mit Schreiben vom 21. Februar 2001 den Entwurf der erforderlichen Identitätserklärung vorgelegt; diesem habe sie mit Schreiben vom 08. März 2001 zugestimmt. Dieses Prozedere entspricht der vertraglichen Vereinbarung (Ziff. 1.4, S. 6, letzter Absatz der notariellen Urkunde; Bl. 12 d.A.). In dieser Phase der Vertragsabwicklung schuldete die Beklagte zunächst nichts weiter; denn die Parteien haben die insoweit erforderlichen weiteren Vollzugsschritte einvernehmlich dem Notar übertragen (Ziff. 1.4, S. 6, erster Absatz). Weiterhin hat die Beklagte ausgeführt (Schriftsatz vom 26. November 2001; Bl. 274, 275 d.A. und vom 15. April 2002, Bl. 299 d.A.), dass sie die weiteren Vollzugsschritte jeweils unverzüglich vorgenommen hat; der Beklagten zurechenbare Verzögerungen sind auch bis zur schließlich erfolgten Eintragung der Beklagten nicht ersichtlich.

Ohnedies war die Klägerin für den Zeitraum, nachdem sie die Rückabwicklung begehrt hatte, gehindert, vom Vertrag gemäß § 326 BGB Abstand zu nehmen, setzt dies doch die eigene Vertragstreue voraus (vgl. hierzu MünchKomm-Emmerich, 4. Aufl., § 326 RN 32, 34).

3.

Die Klägerin macht für den Zeitablauf bis zur Eintragungsreife - abgesehen von dem vorerwähnten Zeitraum - auch den Umstand verantwortlich, dass es zu Beginn der Vertragsdurchführung Verzögerungen gegeben hat. Unstreitig ist insoweit, dass der Vorerwerb eines Teils der betroffenen Grundstücke von der Fa. E... AG sich mehrere Jahre verzögert hat, weil - anders als im Verhältnis zur Fa. E... AG zunächst vorgesehen - eine zügige Löschung der dort eingetragenen Golddollarhypotheken nicht herbeigeführt werden konnte. Ein Recht der Klägerin, sich im Hinblick auf diese anfänglichen, aus der Sphäre der Beklagten herrührenden Verzögerungen aus dem Vertrag nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu lösen, besteht jedoch ebenfalls nicht.

Es ist schon zweifelhaft, ob auf dieses Rechtsinstitut zurückgegriffen werden kann, wenn der Schuldner sich nicht in Verzug befindet, der Gläubiger aber wegen eingetretener Verzögerungen sich vom Vertrag loslösen will (vgl. zum Vorrang des Verzugs Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 284 RN 4). Selbst wenn man in einem solchen Fall die Loslösung vom Vertrag zulassen wollte, so wäre Voraussetzung jedenfalls, dass die Verzögerung - auch wenn ein eingetretener Verzug zwischenzeitlich beendet ist - den Vertragszweck derart gefährdet, dass ein weiteres Festhalten am Vertrag für den anderen Teil unzumutbar geworden ist. Dies kann im Streitfall nicht festgestellt werden. Die Klägerin macht insoweit nur geltend, wegen der Entwicklung der Wohnanlage und aus persönlichen Gründen kein Interesse mehr daran zu haben, in der Wohnung zu bleiben. Solche Umstände wären indes auch eingetreten, wäre es zu einer baldigen Eintragung der Beklagten als Eigentümerin im Wohnungsgrundbuch gekommen. Auf dem Zeitablauf seit dem Vertragsschluss beruhen diese Umstände nicht; sie haben deshalb unberücksichtigt zu bleiben.

4.

Die Klägerin hat schließlich im Termin vom 20. November 2002 darauf hingewiesen, die Verwertung der Wohnung werde durch die fortbestehende Eintragung der Golddollarhypothek erschwert oder gar unmöglich gemacht. Dieser Gesichtspunkt führt ebenfalls nicht zu einer Haftung der Beklagten aus § 326 BGB. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob sich die Beklagte mit ihrer Pflicht zur Herbeiführung der Löschungsvoraussetzungen in Verzug befindet oder ob solches drohen könnte. Jedenfalls hat die Klägerin in ihren Fristsetzungsschreiben nicht auf diese Pflicht Bezug genommen, sondern ausschließlich auf die Frage der Eigentumsverschaffung.

5.

Aus alledem folgt, dass die Klage hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags unbegründet ist. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage mithin abzuweisen, während die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 711 ZPO. Gründe, die die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

Streitwert für die Berufungsinstanz: bis 65.000,00 EUR

Ende der Entscheidung

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