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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.01.2007
Aktenzeichen: 4 W 67/06
Rechtsgebiete: JVEG, ZSEG, ZPO, RVG


Vorschriften:

JVEG § 4 Abs. 7 Satz 1
JVEG § 7
JVEG § 7 Abs. 2
JVEG § 7 Abs. 2 Satz 1
JVEG § 7 Abs. 2 Satz 3
JVEG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
ZSEG § 11 Abs. 2
ZPO § 397
ZPO § 402
ZPO § 411 Abs. 3
RVG § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

4 W 67/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und Richterin am Amtsgericht Dr. Lammer

am 05.01.2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 13. September 2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Sachverständige H... W... ist mit Schreiben des Landgerichts Potsdam vom 29.07.2004 ( Bl. 310 a d.A.) beauftragt worden, ein Gutachten über die im Beweisbeschluss vom 27.05.2004 ( Bl. 303 f. d.A.) genannten Fragen zu erstellen.

Der Sachverständige stellte u.a. für eine Kopie seines 91 Seiten umfassenden Gutachtens einschließlich 28 Farbfotoabzüge für die Handakte 32, 43 € brutto in Rechnung. Deren Festsetzung wurde von der Kostenbeamtin mit der Begründung abgelehnt, dass gem. § 7 JVEG eine Erstattung der Kopierkosten einer Handakte nicht mehr möglich sei.

Auf Antrag des Sachverständigen hat das Landgericht Potsdam durch Beschluss vom 13. September 2006 (Bl. 442 d.A.) eine weitere Vergütung in Höhe von 32, 43 € festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Gegen diese Festsetzung richtet sich die Beschwerde der Staatskasse vom 04. 10. 2006 (Bl. 451 d.A.), welcher die Einzelrichterin durch Beschluss vom 10. 10. 2006 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist wegen ihrer Zulassung durch die Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam zulässig (§ 4 Abs. 3 JVEG). Die nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG zuständige Einzelrichterin des Oberlandesgerichts hat die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat übertragen (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Sachverständige hat einen Anspruch auf Erstattung der Kopierkosten in Höhe von 32, 43 €, die für die Fertigung einer Kopie seines Gutachtens für seine Handakte angefallen sind.

Da der Gutachtenauftrag nach Inkrafttreten des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (01. Juli 2004) erteilt wurde, unterliegt er dem neuen Kosten- und Entschädigungsrecht ( § 25 JVEG).

Ein Sachverständiger hat neben seinem Anspruch auf ein Honorar für seine Leistung (§ 9 ff. JVEG) einen Anspruch auf Ersatz für sonstige (§ 7 JVEG) und besondere (§ 12 JVEG) Aufwendungen. Die für die Handakte des Sachverständigen von diesem gefertigte Ablichtung seines Gutachtens stellt eine gem. § 7 Abs. 2 JVEG ersatzfähige sonstige Aufwendung dar.

Im Gegensatz zu dem bis zum 30. Juni 2004 geltenden § 11 Abs. 2 ZSEG findet sich im JVEG zwar keine ausdrückliche Regelung des Ersatzes der Aufwendungen für eine Kopie des Gutachtens für die Handakten des Sachverständigen. Deren Ersatz wird im JVEG jedoch auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 und 3 JVEG eine Pauschale für die Erstattung von Kopierkosten gewährt, wenn der Sachverständige Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten fertigt, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Vorbereitung oder Bearbeitung der Angelegenheit geboten war. Da das Original des Gutachtens Bestandteil der Gerichtsakte wird, ist die Herstellung einer Kopie für den Sachverständigen jedenfalls dann geboten, wenn mit einer späteren Ladung zu einer Verhandlung zwecks Erläuterung des Gutachtens zu rechnen ist. Denn der Sachverständige ist in solchen Fällen verpflichtet, sich auf die Verhandlung vorzubereiten, um zu einer möglichst effektiven Durchführung der Verhandlung beizutragen (OLG Stuttgart, v. 12.09.2005 , 1 Ws 211/05, zitiert nach juris, Rn. 8; OLG Düsseldorf, v. 03.01.2006, III -3 Ws 493/05; zitiert nach Luchterhand Volltext, s. JurBüro 2006, 324 .; LG Itzehoe, v. 24.01.2006, 3 O 554/03, zitiert nach juris, Rn. 14; Der Sachverständige 2005, S. 279; Hartmann, Kostengesetzte, 36 A., § 7 JVEG, Rdnr. 17; Kamphausen, Praxiskommentar JVEG, Rn. 2.7.3.2.3).

Die Herstellung einer Kopie für die Handakte ist darüber hinaus aber auch dann für die sachgemäße Bearbeitung der Angelegenheit geboten, wenn noch nicht abzusehen ist, ob mit einer späteren Ladung gerechnet werden muss. Der Beschleunigungsgrundsatz der Zivilprozessordnung gilt auch im Rahmen der Beweiserhebung durch Sachverständige ( vgl. Zöller-Greger, 26.A., § 411 ZPO, Rn. 6). Der unter dem Gesichtspunkt einer zeitsparenden Bearbeitung der Angelegenheit günstigste Zeitpunkt zur Erstellung der Kopie ist der Moment unmittelbar nach Fertigstellung und vor Versendung des Gutachtens an das Gericht. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gutachtens ist für den Sachverständigen jedoch noch nicht absehbar, ob es zu einer Erläuterung des Gutachtens durch ihn kommen wird, zumal dies nicht allein von dem ihm bekannten Inhalt des Gutachtens abhängt. Denn unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO ist das Gericht auf Antrag einer Partei gem. §§ 402 i.V.m. 397 ZPO zur Vorladung des Sachverständigen verpflichtet (BGH, NJW-RR 2001, 1431). Wartet der Sachverständige mit der Fertigung der Kopie ab, bis absehbar ist, ob das Gericht die Erläuterung des Gutachtens anordnet, hätte dies zur Folge, dass der Sachverständige das Gericht zunächst um Rücksendung des Gutachtenoriginals bitten müsste, um sich hiervon eine Kopie ziehen zu können. Dies entspräche jedoch nicht der gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 JVEG vorausgesetzten sachgemäßen Bearbeitung der Angelegenheit. Denn sachgemäß kann nur eine zeitnahe, das heißt eine unnötige Verzögerungen vermeidende, Bearbeitung sein.

Hinzu kommt, dass ein Sachverständiger eine Kopie seines Gutachtens nicht allein für die Erläuterung des Gutachtens in einer mündlichen Verhandlung benötigt. So kann das Gericht den Sachverständigen um eine schriftliche Erläuterung von Fragen bitten, die sich aufgrund des Gutachtens seitens des Gerichts oder einer Partei (§ 411 Abs. 4 ZPO) nach Durchsicht des Gutachtens ergeben haben. Zur sachgemäßen Beantwortung dieser Fragen bedarf der Sachverständige seines Gutachtens.

Schließlich benötigt der Sachverständige eine Kopie seines Gutachtens auch, um telefonische Rückfragen des Gerichts zu missverständlichen Bezeichnungen von Anlagen, möglichen Übertragungsfehlern, unvollständigen Quellenangaben etc., beantworten zu können. Hier wird besonders deutlich, dass eine Versendung der Akte an den Sachverständigen zu Verzögerungen führen würde, die einer sachgemäßen Bearbeitung der Angelegenheit nicht entspräche.

Soweit das Hessische Landessozialgericht hierzu ausführt, dass das Gericht den Sachverständigen auffordern solle, ein Mehrexemplar seines Gutachtens für seine Handakten vorzuhalten, soweit es sicherstellen will, dass der Sachverständige für eventuelle Rückfragen mit den erforderlichen Unterlagen ausgestattet ist ( Beschluss v.11.04.2005, L 2/9 SF 82/04, zitiert nach juris, Rn. 19) bleibt hierbei unberücksichtigt, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 3 JVEG Alternativen aufweist nämlich zum einen die vom Hessischen Landessozialgericht gemeinte Erstattungsfähigkeit von Kopien, die nach Aufforderung der heranziehenden Stelle gefertigt werden, zum anderen aber auch die Erstattungsfähigkeit von Kopien, die zur sachgemäßen Bearbeitung geboten waren. Diese Alternative setzt keine entsprechende Anweisung des Gerichts voraus. Vielmehr hängt die Erstattungsfähigkeit der Kopierkosten in diesem Fall davon ab, ob sich die Einschätzung des Sachverständigen, die Kopien seien für die Bearbeitung erforderlich gewesen, als zutreffend erweist. Zudem dürfte sich seitens des Gerichts regelmäßig frühestens bei der Durchsicht des Gutachtens feststellen lassen, ob sich Fragen ergeben, die mit dem Sachverständigen zu erörtern sind.

Die Frage, ob das Gutachten nach seiner Fertigstellung, jedoch vor dessen Übersendung an das Gericht, bereits Teil der Gerichtsakte ist (bejahend OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 8 a.E., ablehnend Hanseatisches OLG Hamburg, v. 24.02.2006, 8 W 24/06, zitiert nach juris, Rn. 7) , kann dahingestellt bleiben. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 3 JVEG kommt es lediglich darauf an, dass es sich bei dem kopierten Dokument zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Sachverständigen um einen Teil der Gerichtsakte handelt. Eine andere Betrachtung stellt eine in der Sache nicht gerechtfertigte Förmelei dar (OLG Düsseldorf, a a.O.). Daher ist es unerheblich, ob der Sachverständige die Kopie vor Übersendung des Gutachtens zur Gerichtsakte erstellt hat oder erst nach einer Rückübersendung der Akte durch das Gericht ( a.A. Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O).

Soweit die Gegenmeinung argumentiert, der Aufwand der Fertigung einer Gutachtenkopie für die Handakten solle nach dem Willen des Gesetzgebers mit dem Honorar abgegolten sein und dies damit begründet, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 JVEG bewusst abweichend von der Vorgängerregelung des § 11 Abs. 2 ZSEG die Kopien für Handakten nicht aufgenommen hat (OLG München, Beschluss v. 28.11.2005, 2 Ws 1194/05, zitiert nach juris, Rn. 9 f.; ebenso LG Hannover, v. 21.03.2006, 25 O 144/04 zitiert nach juris, Rn. 12; Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.; Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O., Meyer/Hövder/Bach, JVEG, 23. A., Rn. 7.22 zu § 7), kann dem nicht gefolgt werden.

Der Gesetzesbegründung zu § 7 JVEG ist nicht zu entnehmen, warum die Passage "oder für die Handakten des Sachverständigen" in den neuen Gesetzestext nicht übernommen wurde (vgl. BT-Drucksache 15 /1971, S. 181 zu § 7). Ein erkennbarer entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist nicht ersichtlich.

Zudem sollen nach der Gesetzesbegründung die Regelungen des § 7 Abs. 2 und 3 JVEG inhaltlich der Nr. 7000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG entsprechen, soweit die dort betroffenen Bestimmungen auf das Verhältnis des Erstattungsberechtigten zu der ihn heranziehenden Stelle übertragen werden können. Nach Nr. 7000 Ziffer 1 a der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG sind pauschale Kopierkosten erstattungsfähig, die für Ablichtungen aus Gerichtsakten entstanden sind, deren Herstellung für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Auch nach dem RVG sind Kopien aus der Gerichtsakte erstattungsfähig, jedoch unter der Bedingung, dass dies zu einer sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache durch den Rechtsanwalt erforderlich war. Entscheidend ist daher sowohl nach dem JVEG als auch nach dem RVG, dass die Fertigung der Kopien geboten war, um die Angelegenheit sachgemäß, und dies heißt auch zeitnah bearbeiten zu können. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er in § 7 Abs. 2 JVEG, anders als in § 11 Abs. 2 ZSEG die Gutachtenkopie für die Handakten nicht ausdrücklich für erstattungsfähig erklärt hat, nicht die Erstattung dieser Kosten grundsätzlich ausschließen wollen; vielmehr wollte er dies an die Bedingung knüpfen, dass dies zu einer sachgemäßen Bearbeitung geboten war. Das ergibt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 3 JVEG, darüber hinaus aber auch aus der Bezugnahme in den Gesetzesmaterialien auf Nr. 7000 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG.

Soweit Kopien der eigenen Schriftsätze eines Rechtsanwaltes für dessen Handakte nicht gem. 7000 VV Ziffer 1 a erstattungsfähig sind (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17 A., 7000, Rn 71) können die Bestimmungen des RVG nicht auf die Erstattung von Auslagen eines Sachverständigen übertragen werden. Denn während es für das Gericht und den jeweiligen Prozessgegner unerheblich ist, ob sich der Prozessbevollmächtigte einer Partei Kopien von Schriftsätzen für seine Handakte fertigt, besteht ein Interesse aller Verfahrensbeteiligten - wie oben ausgeführt insbesondere zur Vermeidung von Verzögerungen - dass der Sachverständige sich ein Handexemplar seines Gutachtens fertigt, um dieses später ergänzen oder erläutern zu können. Daher sind die Bestimmungen des RVG insoweit auf das Verhältnis des erstattungsberechtigten Sachverständigen zu dem ihn heranziehenden Gericht nicht übertragbar (so auch LG Itzehoe, a.a.O., Rn. 15).

Dem Hanseatischen OLG Hamburg ist zwar zuzugestehen, dass eine Erstattung von Kopierkosten für die Handakte nach § 7 Abs. 2 JVEG im Widerspruch zu der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG steht, wenn diese Kopie Lichtbilder enthält ( a.a.O., Rn. 10). Denn eine uneingeschränkte Anwendung des § 7 Abs. 2 JVEG führte zu einer pauschalierten Erstattung i.H.v. 2,00 € je Seite, während nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG für weitere Bildabzüge lediglich 0, 50 € zu ersetzen sind. Dieser Wertungswiderspruch ist jedoch entgegen der Ansicht des Hanseatischen OLG Hamburg nicht dahingehend zu lösen, dass § 7 Abs. 2 JVEG insgesamt nicht für anwendbar erachtet wird. Vielmehr ist es geboten, aber auch ausreichend, unter Berücksichtigung der Wertung in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG eine teleologische Reduktion dahingehend vorzunehmen, dass, soweit Kopierkosten für eine Handakte geltend gemacht werden, diese bei Abzügen von Fotoaufnahmen lediglich in Höhe von 0, 50 € zu erstatten sind. Der Sachverständige W... hat in seiner Rechnung vom 20.12.2005 (Bl. 355 d.A.) für die Abzüge von Farbfotos für seine Handakte lediglich einen Einzelpreis von 0,50 € geltend gemacht, so dass auch unter diesem Gesichtpunkt die Erstattung der beanspruchten Kopierkosten in voller Höhe gerechtfertigt ist.

Das Landgericht Potsdam hat daher zu Recht 32,43 € Kopierkosten als erstattungsfähig anerkannt.

III.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG)

Ende der Entscheidung

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