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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 5 U (Lw) 159/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 167 Abs. 1
BGB § 596 Abs. 1
BGB § 985
ZPO § 286
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U (Lw) 159/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 15. März 2007

Verkündet am 15. März 2007

In der Landpachtsache

hat der Landwirtschaftssenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth, den Richter am Landgericht Boecker sowie die ehrenamtlichen Richter Dipl.-Agrar-Ing.-Ökonomin R... und Landwirt B...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 6. Juli 2006 - 42 Lw 5/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 2004 von der vormaligen Eigentümerin und Verpächterin S... die streitgegenständlichen Flurstücke erworben hat, verlangt von der beklagten Pächterin Herausgabe dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Gemarkung S..., Flur 5, Flurstück 62 und Flur 8, Flurstück 69.

Die Verpächterin S... hat mit der Beklagten sowohl unter dem 15. April 1992 über diese Flächen für die Dauer von zehn Jahren mit Verlängerungsklausel einen Landpachtvertrag geschlossen, den sie zum 31. Dezember 2004 gekündigt hatte, als auch einen weiteren Pachtvertrag unter dem 6. April 2000 mit einer Laufzeit bis zum Jahre 2011, dessen Wirksamkeit zwischen den Parteien umstritten ist, da dieser durch eine angeblich nicht bevollmächtigte Person unterzeichnet worden ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie den Feststellungen des Landwirtschaftsgerichts wird auf das Urteil vom 6. Juli 2006 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil vom 6. Juli 2006 hat das Landwirtschaftsgericht Neuruppin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne nicht Herausgabe der landwirtschaftlichen Nutzflächen nach §§ 985, 596 Abs. 1 BGB verlangen, weil das Landpachtverhältnis, in das der Kläger eingetreten sei, durch die seitens der Verpächterin S... erklärte Kündigung vom 27. Mai 2004 nicht zum 31. Dezember 2004 beendet worden sei, sondern bis zum 31. Dezember 2011, der vertraglich vereinbarten Zeit, fortbestehe.

Die Zeugin K... habe den Landpachtvertrag vom 6. April 2000 als Vertreterin der Verpächterin S... wirksam abgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Zeugin ausdrücklich bevollmächtigt sei.

Gegen das ihm am 18. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 18. August 2006 per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und dieselbe mit einem am 31. August 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Berufung des Klägers rügt unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens die Beweiswürdigung des Landwirtschaftsgerichts. Die Wertung, die Zeugin K... habe den Landpachtvertrag vom 6. April 2000 als Vertreterin der Frau S... abgeschlossen, sei fehlerhaft. Sowohl in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2006 als auch in der vom 6. Juli 2006 sei das Gericht davon ausgegangen, dass der Sachvortrag zu einer Duldungs-/Anscheinsvollmacht nicht substantiiert sei. Er habe das entsprechende Vorbringen nachhaltig bestritten. Die Beklagte habe trotz der Hinweise des Gerichts keine weiteren Tatsachen vorgetragen.

Es handele sich nicht um ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens. Die Art des Vertretergeschäftes sei zu berücksichtigen. Falle es gänzlich aus dem Rahmen, fehle eine Vertrauensgrundlage für den Geschäftsgegner. Zudem habe die Zeugin bei der Beklagten etwa zehn Jahre gearbeitet. Es sei unglaubwürdig, wenn die Zeugin sich nicht an den Namen des Mitarbeiters erinnern könne, von dem sie den Auftrag zur Führung des Telefonats erhalten habe, gleichzeitig aber ein derartiges Telefonat geführt haben will. Die Zeugin habe Frau S... weder in Angelegenheiten des täglichen Lebens - dies sei Herr M... Sch... gewesen - noch in Fragen wie Vertragsabschlüsse und Finanzangelegenheiten - dies sei durch den Neffen der Frau S... geschehen - unterstützt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 6. Juli 2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Neuruppin - 42 Lw 5/05 -, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Flächen in der Gemarkung S..., Flur 5, Flurstück 62, Größe 60.766 m² und Flur 8, Flurstück 69, Größe 19.618 m², herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit seiner Beweiswürdigung.

II.

Die gemäß §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Herausgabe der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Gemarkung S..., Flur 5, Flurstück 62 und Flur 8, Flurstück 69, verlangen. Denn das zwischen den Parteien bestehende Landpachtverhältnis wurde durch die Kündigung vom 27. Mai 2004 nicht aufgelöst, sondern besteht auf Grund des Vertrages vom 6. April 2000 bis zum Jahre 2011 fort.

Soweit das Landwirtschaftsgericht im Klageantrag des Urteils das Flurstück der Flur 8 der Flurstück 49 erwähnt, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, wie sich dies bereits aus dem Tatbestand des Urteils des Landwirtschaftsgerichts ergibt.

Da der Kläger seit dem 10. März 2006 als Eigentümer dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen im Grundbuch eingetragen ist und damit kraft Gesetzes (§§ 585 Abs. 1, 581 Abs. 2, 566 Abs. 1 BGB) in das bestehende Landpachtverhältnis eingetreten ist, ist der Erfolg der Berufung allein davon abhängig, ob der Landpachtvertrag vom 6. April 2000 wirksam ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Zeugin K... mit Vollmacht der Verpächterin S... diesen Vertrag unterzeichnet hat.

Der Einwand des Klägers in der Berufungsbegründung, das Landwirtschaftsgericht habe darauf hingewiesen, dass der Sachvortrag zur ausdrücklichen Vollmacht bzw. Duldungsvollmacht/Anscheinsvollmacht unsubstantiiert sei, führt nicht dazu, die vom Landwirtschaftsgericht zu der Behauptung der Beklagten, der Pachtvertrag vom 6. April 2000 sei im Auftrag der Verpächterin und von dieser zur Unterzeichnung bevollmächtigt von der Zeugin K... unterzeichnet worden, durchgeführte Beweisaufnahme als unbeachtlich zu behandeln. Denn zum einen besteht selbst dann, wenn es sich bei der durchgeführten Beweisaufnahme um einen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte, kein Verwertungsverbot. Denn die Beweisaufnahme beruht auf dem Beschluss des Landwirtschaftsgerichts vom 6. Juli 2006 und dieser wurde ohne Verfahrensverstoß durchgeführt. Zum anderen war das Vorbringen, wovon das Landwirtschaftsgericht zutreffend ausgegangen ist, hinsichtlich der ausdrücklich erteilten Vollmacht hinreichend substantiiert. Zwar heißt es im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2006, dass an die Beklagtenseite der Hinweis ergeht, dass der Sachvortrag zur ausdrücklichen Vollmacht bzw. Duldungs-/Anscheinsvollmacht zu unsubstantiiert sei. Jedoch ergibt sich bereits nachfolgend aus dem Protokoll, dass das Vorbringen zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht als unsubstantiiert angesehen worden ist. Denn das Gericht hat ausdrücklich protokolliert, "sie (die Beklagte) hat zu einer ausdrücklichen Vollmacht dezidiert vorgetragen, wann, wo und mit welchem Inhalt eine Vollmachtserklärung der Frau S... abgegeben worden ist. Zum Sachvortrag einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht muss ebenfalls weiter vorgetragen werden. Insbesondere muss gegebenenfalls auf die Situation der Frau S... eingegangen werden". Mit Beschluss vom 9. März 2006 aber auch in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2006 hat das Landwirtschaftsgericht noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass lediglich das Vorbringen zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht als unsubstantiiert betrachtet wird. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landwirtschaftsgericht das Vorbringen zur ausdrücklichen Vollmachtserteilung als substantiiert betrachtet hat. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. In welchem Maße sie ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muss, hängt vom Einzelfall ab. Zu berücksichtigen ist insbesondere, ob sich die Geschehnisse, die Gegenstand des Parteivortrages sind, im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben und inwieweit der Vortrag der Gegenpartei Anlass zu einer weiteren Aufgliederung und Ergänzung der Sachdarstellung bietet. Die Bevollmächtigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 167 Abs. 1 BGB als Innenvollmacht oder gegenüber dem Geschäftsgegner als Außenvollmacht abgegeben werden kann. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt die Vollmacht als Innenvollmacht erteilt worden ist. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes - hier Erteilung einer Innenvollmacht - willkürlich Behauptungen aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellt hat, wobei anerkanntermaßen bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne Zurückhaltung geboten ist (BGH NJW-RR 2000, 273 (275); BGH MDR 2003 S. 45 f; BGH NJW-RR 1999, S. 361).

Dementsprechend geht es vorliegend auch nur um die Frage einer ausdrücklich erteilten Vollmacht. Eine solche Vollmachtserteilung hat das Landwirtschaftsgericht auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt. Die Frage des Vertrauenstatbestandes den die Berufungsbegründung anspricht als Grundlage für eine Rechtsscheinsvollmacht in Form der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht spielt keine Rolle, insbesondere nicht, ob es sich um ein außergewöhnliches, außerhalb des Rahmens des Alltäglich liegenden Geschäftes handelt.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an diese von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellte Tatsache gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen. Es fragt sich deshalb, ob die Beweiswürdigung des Landwirtschaftsgerichts aus Rechtsgründen (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) zu beanstanden ist, weil es die gesetzlichen Vorgaben nach § 286 ZPO nicht eingehalten hat. Nach § 286 ZPO hat der Richter nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/ Greger, ZPO, 26. Aufl., § 286 Rn. 30).

Das Gericht hat die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen um Beweismittel ausführlich einzugehen, es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat sich das Landwirtschaftsgericht gehalten.

Die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei den Vorgang der Vollmachtserteilung geschildert. Sie hat den in einem Umschlag befindlichen Vertrag, der ihr von einem Herrn Sch... übergeben worden ist, als Bote zum Büro der Beklagten mitgenommen, weil auch sie einen eigenen Pachtvertrag abgeben wollte. Bei der Beklagten stellte man fest, dass der Vertrag von der Verpächterin nicht unterzeichnet war. So kam es zum Telefongespräch der Zeugin mit der Verpächterin S.... Diese wies die Zeugin an, den Vertrag für sie zu unterschreiben. Dass die Zeugin auch bei der Beklagten beschäftigt war, reicht für eine Unglaubwürdigkeit der Zeugin nicht aus. Das Landwirtschaftsgericht hat die Zeugin für glaubwürdig gehalten. Die Berufung zeigt keine Umstände auf, und solche ergeben sich auch nicht aus der protokollierten Aussage, dass die Zeugin sich bei ihrer Aussage von dieser Bindung als Arbeitnehmerin hat leiten lassen. Auch wenn die Verpächterin S... mit Schreiben vom 14. Juni 2004 um Übersendung des Vertrages vom 6. April 2000 gebeten hat, ergeben sich hieraus keine Zweifel. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sie das ihr nach den Bekundungen der Zeugin übergebene Exemplar des Vertrages unauffindbar verlegt hat. Die Zeugin hat bekundet, sie habe das von ihr unterschriebene Exemplar Frau S... in einem verschlossenen Umschlag zurückgereicht; was diese sodann damit gemacht habe, könne sie nicht sagen. Schließlich hat die Verpächterin im Jahre 2001 und 2002 ff. 1.409,30 DM bzw. 721,00 € Pachtzins entgegen dem früheren Pachtzins von 1.056,98 DM entgegengenommen. Die Differenz von 352,32 DM bzw. 180 € erklärt sich nicht mit höheren Kosten für den Wasser- und Bodenverband. Diese waren nach der vertraglichen Vereinbarung vom Pächter zu tragen. Zur Höhe dieser Kosten hat der Kläger nichts vorgetragen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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