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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 5 U 136/05
Rechtsgebiete: SachenRBerG, BGB


Vorschriften:

SachenRBerG § 111
SachenRBerG § 116
SachenRBerG § 116 Abs. 1
SachenRBerG § 116 Abs. 2
SachenRBerG § 122
BGB § 251 Abs. 2
BGB § 251 Abs. 2 S. 1
BGB § 912
BGB § 912 Abs. 1
BGB § 985
BGB § 1004
BGB § 1004 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 136/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.06.2008

Verkündet am 26.06.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, sowie die Richter am Oberlandesgericht Grepel und Dr. Huth auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. September 2005 - Az. 2 O 152/04 - wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. September 2005 - Az. 2 O 152/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren 33.333,33 € (Klage: 25.000,00 €, Widerklage: 8.333,33 €).

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Nutzung der Zufahrt zu dem im Eigentum der Beklagten stehenden Wohngebäude ...-Straße 53a-d, die teilweise über das Grundstück der Klägerin verläuft.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...-Straße 51e-g in O..., eingetragen im Grundbuch von O..., Blatt 7875, Flur 4, Flurstück 172/17. Die Klägerin hatte das Grundstück auf Grund einer Auflassung von 18./19. März 2002 von dem Voreigentümer Dr. K... K... erworben und wurde am 2. Juli 2002 als Eigentümerin Grundbuch eingetragen.

Die Beklagte ist Eigentümerin des Nachbargrundstückes ...-Straße 53a-d, eingetragen im Grundbuch von O..., Blatt 2162, Flur 4, Flurstück 253. Die Beklagte hatte das Grundstück im Jahre 1996 erworben. Das Grundstück der Beklagten ist mit einem Wohnkomplex in Blockbauweise bebaut; die vier Aufgänge zu den insgesamt 32 Wohnungen liegen an der östlichen, dem Grundstück der Klägerin zugewandten Seite des Gebäudes.

Die Beklagte nutzt einen ca. 5 Meter breiten und 70 Meter langen Streifen des im Eigentum der Klägerin stehenden Flurstückes 172/17 als Zugang zu ihrem Mehrfamiliengebäude. Das Grundstück der Klägerin ist ebenfalls mit einem Mehrfamiliengebäude (Plattenbauweise) bebaut.

Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um die Berechtigung der Beklagten zur Nutzung dieses Grundstücksstreifens. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe der genutzten Teilfläche, die Beklagte mit ihrer Widerklage die Bewilligung einer auf § 116 SachenRBerG gestützten Dienstbarkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der damalige Eigentümer des Grundstückes der Klägerin, Dr. K..., im Jahre 1997 darüber informiert gewesen sei, dass die Zuwegung teilweise über sein Grundstück verlaufe. Man sei sich seinerzeit über eine Veräußerung der genutzten Teilfläche einig gewesen, jedenfalls sei in Absprache mit dem damaligen Eigentümer dann die Wegefläche neu hergestellt und auch die Stellflächen für die Feuerwehr neu erstellt worden. Für den Eigentümer sei seinerzeit immer Herr B... aufgetreten, und dieser habe bereits mit Schreiben vom 10. Januar 1997 die Bereitschaft signalisiert, das Problem der Zuwegung durch Veräußerung einer Teilfläche zu regeln. Am 28. Juli 1997 habe es einen Ortstermin unter Beteiligung des Herrn B... gegeben, bei dem verbindliche Vereinbarungen getroffen worden seien. Erst danach habe man mit der Neuherstellung des Weges begonnen. Es habe dann Anfang September einen Vermessungstermin gegeben, bei dem ein Teilungsentwurf gefertigt worden sei.

Zwischen den Parteien ist in diesem Zusammenhang weiter streitig, ob es zumutbar ist, zumindest die Feuerwehrstellflächen auf die andere Gebäudeseite zu verlegen, insbesondere ob die Lichtgröße der Fenster auf der anderen Seite ausreichend ist und welcher Aufwand für eine Verlegung erforderlich wäre. Die Beklagte vertritt hierzu die Ansicht, für die Verlegung der Stellflächen falle ein Betrag von 100.000,00 € an, während die Klägerin davon ausgeht, dass hierfür ein Betrag von 8.000,00 € bis 9.000,00 € ausreichend sei.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht Klage und Widerklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe bestehe nicht. Es komme nicht darauf an, ob der Rechtsvorgänger der Kläger mit der Nutzung einverstanden gewesen sei oder die Klägerin nach § 912 BGB zur Duldung der Wegefläche verpflichtet sei. Eine Räumungs- und Beseitigungsanspruch sei ausgeschlossen, wenn er für den Schuldner mit einem unverhältnismäßigen, ihm bei Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen billigerweise nicht zumutbaren Aufwand verbunden wäre. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Jedenfalls für den im Brandfall erforderlichen zweiten Rettungsweg seien die Feuerwehrstellflächen erforderlich. Die Verlegung der Flächen wäre, selbst wenn eine solche möglich wäre, im jeden Fall mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Demgegenüber stelle die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin keine erhebliche Belastung dar. Das Gebäude der Klägerin befinde sich in einer deutlichen Entfernung von der Grundstücksgrenze, die dazwischen liegende Fläche werde als Grünfläche genutzt. Für die Klägerin bestehe keine Möglichkeit diesen Bereich unmittelbar zu bebauen. Die Vereitelung einer sonstigen Nutzung sei nicht erkennbar. Die für die Klägerin entstehenden unerheblichen Nachteile könnten durch die Zahlung einer Geldrente ausgeglichen werden.

Aber auch die Widerklage sei unbegründet, denn die Klägerin, die am 2. Juli 2002 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden sei, habe das Grundstück nach §§ 116 Abs. 1, 122, 111 Sachenrechtsbereinigungsgesetz gutgläubig lastenfrei erworben.

Gegen das ihr am 10. November 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Neuruppin hat die Klägerin mit am 17. November 2005 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 6. Januar 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat gegen das ihr ebenfalls am 10. November 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Neuruppin mit am 07. Dezember 2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Februar 2006, mit am 25. Januar 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung ihrer jeweiligen Rechtsmittel wiederholen und vertiefen die Klägerin und die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 22. September 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin - Az. 2 O 152/04 - die Beklagte zu verurteilen, die mit A, B, C, D, E, F markierte Teilfläche des Flurstückes 172/17 der Flur 4, Grundbuch von O..., Blatt 7875, UN 90 von den Holzbarrieren und der Bepflasterung zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 22. September 2005 - Az. 2 O 152/04 - im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, zu Gunsten der Beklagten sowie des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks 253 der Flur 4, Gemarkung O..., an der in der Anlage BK 5 farblich rot umrandeten und grün schraffiert näher gekennzeichneten Teilfläche des Flurstückes 172/17 bei einer Größe von ca. 314 m² eine Grunddienstbarkeit mit der Maßgabe zu bestellen und zu beantragen, den Zugang von der ...-Straße 51e bis d für die Wohnhäuser ...-Straße 53a bis d vom Flurstück 172/17 zum Flurstück 72/2 und umgekehrt hin zu ermöglichen mit der Maßgabe, dass die Ausübung der Dienstbarkeit auch Dritten gestattet wird, insbesondere zur Versorgung und Entsorgung des Flurstückes 72/2.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Gemäß Beweisbeschluss vom 20. Juni 2006 hat der Senat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G... D..., Dr. K... K..., D... F..., G... Re... und Dr. N... R.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 1. November 2007 und vom 22. Mai 2008 Bezug genommen.

II.

Sowohl das Rechtsmittel der Klägerin, als auch das Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig; beide Berufungen wurden insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg; die Klägerin kann von der Beklagten nicht Räumung und Herausgabe der von der Beklagten in Anspruch genommenen Teilfläche des Flurstückes 172/17 verlangen, der Beklagten steht der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit an dieser Teilfläche nicht zu.

A)

Das Landgericht hat die Widerklage zutreffend abgewiesen, weil die Klägerin im Jahre 2002 jedenfalls gutgläubig lastenfrei Eigentum erworben hat.

1.

Da die Klägerin auf Grund des notariellen Kaufvertrages vom 18./19. März 2002, und damit nach dem 31. Dezember 2000, Eigentum an dem Flurstück 172/17 erworben hat, ist über §§ 116 Abs. 2, 122 Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Vorschrift des § 111 Sachenrechtsbereinigungsgesetzes entsprechend anwendbar. Da entsprechende Belastungen insoweit im Grundbuch nicht eingetragen waren, wäre ein gutgläubiger Erwerb der Klägerin nur ausgeschlossen, wenn dieser positiv bekannt gewesen wäre, dass der Zugang zu dem Wohnblock der Beklagten über das Flurstück 172/17 führt und der Beklagten deswegen möglicherweise nach § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz eine entsprechende Dienstbarkeit zu bestellen wäre.

2.

Eine solche positive Kenntnis hat die Beklagte aber bereits nicht dargetan.

a) Die Beklagte hat vortragen, die Zufahrt sei schon mit der Errichtung des Wohnblockes im Jahre 1965 in dieser Weise unter Inanspruchnahme des Flurstückes 172/17 vorgenommen worden und dies sei der Klägerin bekannt gewesen.

Es mag zwar zutreffen, dass der Klägerin bekannt war, dass der Zugang zu dem Gebäude der Beklagten an der östlichen Seite dieses Grundstückes und damit der dem Flurstück 172/17 zugewandten Seite verläuft, es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte dafür, dass ihr weiter bekannt war, dass diese Zufahrt nicht allein auf dem Grundstück der Beklagten, sondern zu einem großen Teil auf dem Flurstück 172/17 erfolgte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Klägerin vor ihrem Erwerb im Jahre 2002 überhaupt eine Veranlassung gehabt haben könnte, sich mit dieser Frage zu befassen. Im Gegenteil hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr erst bei dem gemeinsamen Grenztermin vom 25. Juli 2002 aufgefallen sei, dass sich die Wegeflächen für das Haus der Beklagten auf ihrem Grundstück befinden und sie habe dann umgehend, etwa mit dem Schreiben vom 11. November 2002, von der Beklagten die Räumung verlangt.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht unstreitig, dass der Klägerin die mit dem Voreigentümer getroffenen Absprachen bekannt gewesen seien und sie schon deswegen gewusst habe, dass sich der Zugang teilweise auf dem Flurstück 172/17 befindet. Die Klägerin hat insoweit bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass sie bestreite, dass mit Herrn B..., dem Vertreter des Eigentümers, rechtsverbindliche Absprachen insoweit getroffen worden seien. Die Klägerin hat auch bestritten, dass die Zuwegung von Anfang an über ihr Grundstück erfolgt sei und sie hat bestritten, dass es zwischen der Beklagten und Dr. K... Gespräche über einen Verkauf der betroffenen Teilfläche gegeben habe. Sie hat zur Stützung ihres Vortrages darüber hinaus eine schriftliche Erklärung des vormaligen Eigentümers Dr. K... vom 24. Juli 2003 vorgelegt, worin dieser bestätigt, dass es mit der Beklagten keine schriftlichen oder mündlichen Absprachen über die Nutzung des Flurstückes 172/17 gegeben habe.

c) Konkrete Anhaltspunkte, aus denen sich aus dem Inhalt des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und dem Zeugen Dr. K... eine entsprechende Kenntnis der Klägerin ergeben könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

d) Soweit die Beklagte weiter vorträgt, die Klägerin habe über sämtliche Vermessungen vor Abschluss des Kaufvertrages vom März 2002 Kenntnis gehabt, insbesondere auch über den Teilungsentwurf vom September 1997, was durch das Katasteramt bestätigt werden könne, so kann dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist bereits in keiner Weise ersichtlich, wie das Katasteramt über den behaupteten Vortrag Auskunft geben könnte. Die von der Beklagten genutzte Teilfläche ist gerade nicht katastermäßig von dem Flurstück 172/17 abgeschrieben worden. Bei der Vermessung vom 8. September 1997 handelt es sich um eine rein private Vermessung, die von der Beklagten in Auftrag gegeben worden war und die allenfalls zu einem Teilungsentwurf geführt haben kann, den die beteiligten Grundstückseigentümer noch hätten umsetzen müssen. Dazu ist es aber gerade nicht gekommen. Die Beklagte vermag daher auch kein Grenzprotokoll vom 08. September 1997 vorzulegen. Da schon nicht konkret dargetan ist, welche Unterlagen sich bei dem Katasteramt insoweit befinden könnten, die einen Rückschluss auf die Kenntnis der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages über die teilweise Nutzung des Flurstückes 172/17 für die Zufahrt zu dem Grundstück der Beklagten ergeben könnten, war diesem Beweisanerbieten nicht nachzugehen.

Dies gilt entsprechend für den nunmehr in der Berufungsinstanz vorgelegten Antrag auf Abweichung hinsichtlich des Geh- und Fahrrechtes vom Oktober 1999 (Anlage BB1) und dem amtlichen Lageplan zu dem Teilungsentwurf ebenfalls vom Oktober 1999. Diese Unterlagen betreffen Vorgänge, die über zwei Jahre vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Klägerin den Kaufvertrag abgeschlossen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesen Vorgängen Kenntnis hatte, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht hinsichtlich der Frage, ob die Nutzung des Flurstückes 172/17 in dieser Weise auch bereits vor dem 3. Oktober 1990 erfolgt ist.

3.

Da bereits aus den vorgenannten Gründen ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht in Betracht kommt, kommt es auf die weitere Frage, ob das Sachenrechtsbereinigungsgesetz deshalb nicht anwendbar ist, weil die Grundstücke im Bereich der so genannten "... Stadt" in O... liegen, die von Mitgliedern der Sowjetarmee bewohnt worden waren und nicht frei zugänglich waren, nicht mehr an.

Das Landgericht hat die Widerklage daher zu Recht abgewiesen.

B)

Aber auch der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von der Beklagten genutzten Teilfläche des Flurstückes 172/17 aus §§ 985, 1004 Abs. 1 BGB besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Zwar ist die Klägerin Eigentümerin dieser genutzten Teilfläche, sie muss allerdings die Nutzung durch die Beklagte dulden und kann insoweit nicht Räumung und Herausgabe verlangen.

1.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Duldungsanspruch der Beklagten aus § 912 BGB unmittelbar nicht ergeben kann.

In tatsächlicher Hinsicht ist unabdingbare Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift die Errichtung eines Gebäudes, also eines Bauwerkes, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (BGH DB 1972, 2298). Um ein Gebäude in diesem Sinne handelt es sich bei der streitgegenständlichen Wegefläche zweifelsfrei nicht. Ob der Normzweck des § 912 BGB die Einbeziehung weiterer größerer Bauwerke, wie etwa Brücken erfordert, kann offen bleiben, da in diesem Sinne mit einem Gebäude vergleichbare Bauwerke ebenfalls nicht vorliegen.

2.

Sind danach die Voraussetzungen des § 912 BGB schon deswegen nicht erfüllt, weil es an einem Gebäude im Sinne dieser Vorschrift fehlt, so führt dies noch nicht zwangsläufig dazu, dass die Klägerin nach § 1004 Abs. 1 bzw. § 985 BGB Räumung und Herausgabe verlangen kann.

a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend gesehen, dass in Situationen, in denen die Anwendbarkeit des § 912 BGB deswegen ausgeschlossen ist, weil es an der Bebauung mit einem Gebäude fehlt, eine Duldungspflicht ausnahmsweise aus anderen Gründen hergeleitet werden kann. Aus der Vorschrift des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB hat die Rechtsprechung den Gedanken hergeleitet, dass die Beseitigung des Überbaus nicht verlangt werden kann, wenn sie für den Überbauenden mit unverhältnismäßig großen, ihm bei der Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen sowie aller sonstigen Umstände nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden wäre (BGHZ 62, 388, 391; Münchener Kommentar/Säcker, § 912 BGB, Rn. 5).

Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung den, einen Anspruch aus § 1004 BGB einschränkenden, Gedanken allein auf § 251 Abs. 2 BGB gestützt und darauf abgestellt, ob das Verlangen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, rechtsmissbräuchlich ist, weil der in Anspruch genommene ihm nur mit einem unzumutbaren Aufwand nachkommen kann.

b) In Anwendung dieses Grundsatzes, hat das Landgericht seine Prüfung auf eine reine Verhältnismäßigkeitsprüfung beschränkt und die Umstände, wie es zu dem Überbau gekommen ist, offen gelassen. Dies ist aber nicht zutreffend. Die Frage, ob eine Duldungspflicht für andere Bauwerke als Gebäude auch unter Berücksichtigung des Artikels 14 Grundgesetz dem Eigentümer des betroffenen Grundstückes zugemutet werden kann, kann nicht unabhängig davon beantwortet werden, unter welchen Umständen es zu dem "Überbau" gekommen ist, insbesondere ob diese mit § 912 Abs. 1 BGB vergleichbar sind. Fällt danach etwa dem Eigentümer eines Grundstückes bei der Errichtung des betreffenden Bauwerkes auf dem Grundstück des Nachbarn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last, so wird der Nachbar, der im Falle der Errichtung eines Gebäudes dessen Beseitigung verlangen könnte, in diesem Falle ebenfalls nicht zur Duldung verpflichtet sein. Dass solche subjektiven Elemente in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, zeigt auch die weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10. Dezember 1976 (WM 1977, 536 f.). Die Entscheidung, ob ein Beseitigungsverlangen rechtsmissbräuchlich ist, ist danach unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles zu beurteilen. Danach ist ein Beseitigungsverlangen, das mit einem möglicherweise erheblichen Aufwand verbunden ist, dann berechtigt, wenn sich der Überbauende vorsätzlich über gesetzliche Bestimmungen hinweg gesetzt hatte.

c) Danach hängt die Entscheidung, ob die Klägerin zur Duldung verpflichtet ist, nicht nur davon ab, ob die Räumung und Herausgabe für die Beklagte mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist, sondern auch davon, ob der Beklagte insoweit grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz bei dem "Überbau" im Jahre 1997 vorzuwerfen ist.

4.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Zufahrt zu dem Gebäude der Beklagten von Anfang an, das heißt, seit der Errichtung des Gebäudes, in der jetzigen Form erfolgt ist, da bereits vor dem 03. Oktober 1990 Teile des Flurstückes 172/17 in Anspruch genommen worden waren und die Beklagte bei der Neuherstellung der Zufahrt im Jahre 1997 im Zuge der Renovierung und Sanierung der Gebäude zwar wusste, dass sie eine Teilfläche des Flurstückes 172/17 in Anspruch nimmt, aber berechtigterweise darauf vertrauen dürfte, dass der damalige Eigentümer des Grundstückes, der Zeuge Dr. K..., mit dieser Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden war.

a) Die Vernehmung der Zeugen F... und Re... zu der Situation der Zuwegung vor dem 03. Oktober 1990 war weitgehend unergiebig.

Der Zeuge F... war für die Firmengruppe des Zeugen Dr. K... erst seit 1993 auf dem Gelände der ehemaligen "... Stadt" in O... tätig, konnte also aus eigener Anschauung zu dem Zustand vor dem 3. Oktober 1990 keine Angaben machen. Der Zeuge Re... hatte vor dem 3. Oktober 1990 lediglich von dem höher gelegenen Bahndamm aus, auf dem er öfters spazieren ging, Einblick in dieses Gelände. Er konnte auf dieser Grundlage lediglich bestätigen, dass sich die Hauseingänge der Gebäude nicht verändert haben und die Zuwegung zu den Gebäuden mit vor Ort gefertigtem Beton hergestellt worden waren.

Dagegen konnte aber der Zeuge Dr. R..., auch auf Grund seiner Tätigkeit vor Ort und auch schon vor 1991 und einer von ihm mitverfassten Dokumentation über die "... Stadt" detaillierte Angaben zu dieser Frage machen.

Der Zeuge, dem als Projektingenieur der Forschungsstelle O... Bau- und Montagekombinat Ost die Örtlichkeit auch schon aus der Zeit vor 1991 aus eigener Anschauung bekannt ist, hat angegeben, die Straße, die zu dem Gebäude der Beklagten führe, sei schon vor dem 3. Oktober 1990 vorhanden gewesen. Er kenne sie aus eigener Anschauung, denn er habe sie in dieser Zeit auf dem Weg zu dem Heizhaus, das hinter diesem Block liege, selbst genutzt. Er habe auch den Auszug der russischen Truppen aus diesem Gebäude miterlebt. Zu dieser Zeit hätten natürlich Lastkraftwagen zum Abtransport vor dem Gebäude gestanden. Veränderungen in den Jahren 1990 bis 1993 seien ihm nicht bekannt, jedenfalls von russischer Seite seien solche nicht mehr vorgenommen worden. Die Straße sei so breit gewesen, dass sie von einem Lastkraftwagen habe genutzt werden können, jedenfalls so breit wie die südlich von dem Block verlaufende Straße, die noch vorhanden sei.

Daneben hat aber auch der Zeuge D... anlässlich seiner Vernehmung, das Vorhandensein und den Verlauf der Straße vor dem Gebäude der Beklagten bestätigt und weiter bekundet, bereits die alte Straße habe die Grenze zum Flurstück der Klägerin überschritten.

b) Hinsichtlich der Frage, ob die Inanspruchnahme der Teilfläche des Flurstücks 172/17 bei der Neuherstellung der Zufahrt durch die Beklagte mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Grundstücksnachbarn erfolgte, war die Vernehmung des Zeugen Dr. K... unergiebig.

Der Zeuge hatte, auch nach Vorlage verschiedener Unterlagen und Pläne, keine konkrete Erinnerung mehr an die damaligen Vorgänge. Er hat zwar nach Vorlage der Anlage K17 (Bl. 302 d.A.) die Abfassung dieses Schreibens bestätigt, aber auch hier erklärt, bei Abfassung des Schreibens seien bereits 6 Jahre vergangen gewesen und die Problematik sei ihm im Detail nicht bekannt.

Demgegenüber hat der Zeuge D... bestätigt, dass die Neuherstellung der Zufahrt zu dem Gebäude der Beklagten teilweise auf dem Flurstück 172/17 mit dem ausdrücklichen Einverständnis des damaligen Grundstücksnachbarn erfolgt sei.

Der Zeuge hat bekundet, dass er seinerzeit von Herrn D... Di... den Auftrag erhalten habe, die Wohnblöcke, das heißt die Wohnanlagen insgesamt zu modernisieren und wieder bewohnbar bzw. nutzbar zu machen. Zu Beginn seiner Tätigkeit sei die alte Betonstraße vor dem Haus der Beklagten noch vorhanden gewesen. Im Vorfeld der Planung sei von Feuerwehr und Bauamt gefordert worden, dass von der Hauswand bis zur Straße ein Abstand von drei Metern vorhanden sein müsse. Für die Straße selbst - und zwar für den Fahrstreifen - müsse eine Breite von 3,50 Metern vorhanden sein, insgesamt müsse eine Breite von 5,50 Metern gewährleistet sein. Der Fahrstreifen müsse für ein Feuerwehrfahrzeug von 10 t ausgerichtet sein. Die Breite der Fahrbahnen von 5,50 Metern sei erforderlich, damit die Drehleitern der Feuerwehrfahrzeuge ausgefahren werden könnten und gleichzeitig noch Rettungsfahrzeuge an dieser Drehleiter vorbeifahren könnten. Diese Anforderungen hätten dazu geführt, dass das Nachbargrundstück teilweise habe mitgenutzt werden müssen und deswegen eine Verständigung mit dem damaligen Eigentümer hätte gesucht werden müssen. Er habe diese Gespräche mit dem damaligen Eigentümer, Dr. K..., nicht selbst geführt, es habe aber eine Zustimmung von dieser Seite vorgelegen. Als er, nachdem der Vermessungsplan vorgelegen habe, festgestellt habe, dass der Grund und Boden, der im Eigentum des Herrn Di... stehe, für die Planung nicht ausreiche, sondern wegen der Anforderungen des Bauamtes und der Feuerwehr an die Straßenplanung fremder Grund und Boden in Anspruch genommen werden müsse, habe er dies Herrn D... mitgeteilt. Dieser habe sich als Bauherr dann mit Herrn Dr. K... in Verbindung gesetzt. Bei dem Gespräch, bei dem Herr Dr. K... dann das Einverständnis erklärt habe, sei er zugegen gewesen. Dieses Gespräch sei im Büro des Herrn K... geführt worden. Er, der Zeuge, habe registriert, dass bei diesem Gespräch auch Herr B..., der mittlerweile verstorben ist, dabei gewesen sei, es seien auch noch andere Personen zugegen gewesen, deren Funktion ihm im Einzelnen nicht bekannt gewesen sei. Dieses Gespräch sei im Hinblick auf die von ihm geschilderte Grundstücksproblematik geführt worden, mit dem Ergebnis, dass Einverständnis erzielt worden sei, dass eine Einigung in jedem Fall erreicht werden könne und er mit der Planung und dem Bau der Straße weiter machen könne. Gegen die weitere Herstellung der Straße in dem von ihm geschilderten Umfange sei dann auch zu keiner Zeit Einspruch erhoben worden, und zwar auch nicht von Herrn B..., der für die Firma des Herrn Dr. K... immer vor Ort gewesen sei. Er sei sich auch sicher, dass Herr Dr. K... persönlich bei dem von ihm genannten Gespräch das Einverständnis erklärt habe. Er habe in seinem Terminkalender, den er zur Vorbereitung des Termins noch einmal überprüft habe, zwar mehrere Termine mit Herrn Dr. K... eingetragen, dieser habe die Termine aber nicht immer wahrgenommen. Er sei sich aber ganz sicher, dass er dieses eine Mal bei diesem Termin anwesend gewesen sei, wobei er das exakte Datum 28. Juli 1997 nicht bestätigen könne. Es sei auch so gewesen, dass Herr Dr. K... wegen eines weiteren Hauses an Planungen von ihm interessiert gewesen sei. Er habe für ein identisches Haus im Rahmen der Di... Planung solche Planungen durchgeführt. Herr Di... habe ihn dann gefragt, ob er seine Autorenrechte an der Planung betreffend dieses Hauses abgeben wolle. Herr Dr. K... sei dann aber nicht mehr auf ihn zugekommen.

c) Insbesondere auf Grund der überzeugenden Aussage des Zeugen Dr. R..., an dessen Glaubwürdigkeit und Erinnerungsvermögen der Senat auch im Hinblick auf die von dem Zeugen Dr. R... miterstellte Dokumentation keinerlei Zweifel hat, steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Zufahrt zu dem Gebäude der Beklagten auch schon vor dem 3. Oktober 1990 an der dem Grundstück der Klägerin zugewandten Seite erfolgte und bis zur Neuherstellung der Straße in den Jahren 1996/1997 keine Änderungen erfahren hat.

Es steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass der damalige Eigentümer des Nachbargrundstücks, der Zeuge Dr. K..., von der Beklagten darüber informiert worden ist, dass wegen öffentlich-rechtlicher Anforderungen jedenfalls die Neuherstellung der Zufahrt zu dem Gebäude der Beklagten nur unter Inanspruchnahme einer Teilfläche des Flurstückes 172/17 erfolgen könne und er mit einer solchen Inanspruchnahme grundsätzlich einverstanden war und weiter die damaligen Beteiligten keinen Zweifel daran hatten, dass man, entweder in Form der Veräußerung einer Teilfläche oder in Form der Bewilligung einer Dienstbarkeit, eine Einigung in rechtlicher Form noch erzielen werde, zu der es letztlich dann nicht deswegen nicht gekommen ist, weil die Firmengruppe des Zeugen Dr. K... in finanzielle Schwierigkeiten geriet.

Der Zeuge D..., der an dem Ausgang des Prozesses kein erkennbar eigenes Interesse besitzt, hat glaubwürdig und nachvollziehbar berichtet, wie es zu den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Zufahrt gekommen ist, und wie auf der Grundlage der zwischenzeitlich vorgenommenen Vermessungen festgestellt wurde, dass diese Anforderungen nur erfüllt werden können, wenn hierfür eine Teilfläche des Nachbargrundstückes in Anspruch genommen wird. Er hat dann weiter dargelegt, wie er als der mit den entsprechenden Planungen beauftragte Architekt an seinen Auftraggeber herangetreten ist und diesen entsprechend informiert hat und wie dieser dann Kontakt zu dem Eigentümer des Nachbargrundstückes aufgenommen hat. Er hat, auf Nachfrage, auch ausdrücklich bestätigt, dass er das Gespräch mit dem Zeugen Dr. K... zwar nicht persönlich geführt habe, weil dies nicht seine Aufgabe gewesen sei, dass er aber bei diesem Gespräch, bei dem der Zeuge Dr. K... sein Einverständnis, auch mit Fortführung der Baumaßnahme, gegeben habe, anwesend gewesen sei. Der Zeuge konnte in diesem Zusammenhang auch noch den Ort des Gespräches erinnern und Angaben zu den Gesprächsteilnehmern machen. Der Umstand, dass er nicht mehr das genaue Datum des Gespräches angeben konnte, ist angesichts des Zeitablaufes verständlich und hinsichtlich der Glaubwürdigkeit seiner Aussage insgesamt ohne Bedeutung. Die Aussage des Zeugen D... wird darüber hinaus durch weitere Umstände gestützt. So ist tatsächlich seitens des damaligen Eigentümers des Flurstückes 172/17 im Zuge der Neuherstellung des Straße diesen Baumaßnahmen zu keinem Zeitpunkt widersprochen worden, obwohl dem Zeugen Dr. K..., wie sich aus dem Schreiben vom 10. Januar 1997 (Bl. 312 d. A.) ergibt, bekannt gewesen sein muss, dass die Zufahrt teilweise auf seinem Grundstück verläuft. In diesem Schreiben wird ausdrücklich die Veräußerung einer entsprechenden Teilfläche angeboten, sodass das von dem Zeugen D... geschilderte spätere Einverständnis des Zeugen Dr. K... mit der Herstellung der Zufahrt in ihrer jetzigen Form ohne weiteres nachvollziehbar ist. Ohne ein solches grundsätzliches Einverständnis hätte auch für die Beklagte kein Anlass bestanden, ihrerseits eine Teilungsvermessung bei dem Zeugen F... in Auftrag zu geben.

Das Schreiben des Zeugen Dr. K... vom 24. Juli 2003 (Bl. 302 d.A.) vermag an dieser Überzeugung des Senats nichts zu ändern. Zwar hat der Zeuge Dr. K... bei seiner Vernehmung bestätigt, dass dieses Schreiben von ihm stamme, er hat aber inhaltlich seine Aussage dahingehend eingeschränkt, dass zwischen der Baumaßnahme und dem Schreiben bereits 6 Jahre lägen und ihm die Problematik im Detail nicht bekannt sei. Danach liegt es nahe, dass sich der Zeuge Dr. K... an das von dem Zeugen D... geschilderte Gespräch, auch weil zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die Situation seine Firmengruppe insgesamt für ihn andere Probleme im Vordergrund standen, nicht mehr erinnern kann.

5.

Damit steht einem Duldungsanspruch der Beklagten hinsichtlich der in Anspruch genommenen Teilfläche des Flurstückes 172/17 nicht entgegen, dass die Beklagte selbst gewusst hat, dass die Stellflächen für die Feuerwehr und Teile der Zufahrt auf dem Nachbargrundstück liegen, denn sie durfte berechtigterweise davon ausgehen, dass der Eigentümer des Nachbargrundstückes zum Zeitpunkt der Herstellung der Zufahrt mit dieser Vorgehensweise einverstanden war. Es ist nämlich anerkannt, dass über den Wortlaut des § 912 Abs. 1 BGB hinaus der Bauende auch dann ohne Verschulden handelt, wenn er zwar die Grenze des Grundstückes bewusst überschreitet, aber annimmt, zu diesem Vorgehen berechtigt zu sein und diese Annahme selbst weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (RGZ 51, 15, 17; Münchener Kommentar/Säcker, BGB, 4. Aufl., § 912 BGB Rdnr. 16). Solche Umstände hat, wie ausgeführt, die Beklagte dargelegt und zur Überzeugung des Senates auch bewiesen. Die Beklagte durfte angesichts der Absprachen mit dem damaligen Grundstückseigentümer und der Tatsache, dass dieser die Herstellung der Zufahrt in dieser Form geduldet hat, ohne grob fahrlässig zu handeln, darauf vertrauen, dass sie die Zufahrt in dieser Form herstellen darf und eine entsprechende Vereinbarung, die diesen Zustand auch rechtlich absichert, mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks noch getroffen werden wird.

Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Beseitigung des Überbaus für die Beklagte mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden ist und die unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen sowie der sonstigen Umstände für sie nicht zumutbar ist.

Auf der Grundlage der Auskunft des Landkreises Ob... vom 2. November 2004 (Bl. 253 d. A.) muss für das Mehrfamilienhaus der Beklagten zwingend ein zweiter Rettungsweg vorhanden sein, das heißt, weil es keinen zweiten Ausgang gibt, muss jede Wohnung für die Feuerwehr über eine Fenster- oder Türöffnung erreichbar sein, die mindestens ein lichtes Maß von 0,90 Metern x 1,20 Metern hat. Diese Voraussetzungen sind auf der Giebelseite des Gebäudes naturgemäß nicht gegeben, jedenfalls aber auf der dem Grundstück der Klägerin zugewandten Längsseite. Ob die Fenster auch auf der gegenüberliegenden Seite hinreichend groß sind und deswegen die Stellflächen für die Feuerwehr auf die andere Seite verlegt werden könnten, ist zwischen den Parteien streitig. Streitig sind auch die Kosten, die für eine solche Verlegung erforderlich wären. Während die Klägerin auf Grund eines Kostenangebotes (Bl. 344, 346 d.A.) davon ausgeht, dass dies mit einem Aufwand von 8.653,60 € zu realisieren sei, geht die Beklagte auf Grund einer Kalkulation (Bl. 341 f. d.A.) davon aus, dass hierfür ca. 100.000,00 € erforderlich wären. Zwischen den Parteien ist in diesem Zusammenhang auch streitig, ob bei einer solchen Verlegung die auf der anderen längst Seite stehenden Birken gefällt werden müssten und die Beklagte entsprechende Ersatzpflanzungen vornehmen müsste. Auf diese Streitfrage kommt es hinsichtlich des Erfordernisses eines unangemessen hohen Aufwandes aber indes nicht an. Denn allein mit der Verlegung der Stellflächen für die Feuerwehr auf die andere Seite wäre die Beeinträchtigung des Grundstückes der Klägerin noch nicht beseitigt.

Auch der Weg selbst zu den vier Aufgängen des Gebäudes der Beklagten verläuft nämlich teilweise über das Grundstück der Klägerin. Zwar wird man wohl mit der Klägerin davon ausgehen können, dass auf dem noch im Eigentum der Beklagten stehenden Streifen zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze jedenfalls ein Fußweg hergestellt werden könnte, aber auch dieser Weg müsste naturgemäß erst neu angelegt und die darüber hinausgehende Teilfläche beseitigt werden. Es kommt hinzu, dass es damit noch nicht getan wäre. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist der Weg in der gegenwärtigen Form, Teil der Gesamtzufahrtsregelung (Einbahnstraßenregelung) auf dem Grund und Boden der Beklagten, der mit mehreren Wohnblöcken und Plattenbauten bebaut ist. Dieses System müsste ebenfalls in dem hier streitgegenständlichen Bereich geändert werden und jedenfalls für Personenkraftwagen der Anwohner und deren Besucher, aber auch für Anlieferverkehr neue Wege angelegt werden, wenn der teilweise auf dem Grundstück der Klägerin verlaufende Weg nicht mehr genutzt werden könnte.

Demgegenüber sind die Nachteile für das Grundstück der Klägerin vergleichsweise gering, weil eine Bebauung an dieser Stelle weder möglich noch vorgesehen ist und der angrenzende Grundstücksteil bis zum ersten Wohnblock (ca. 60 Meter) als Grünfläche genutzt wird. Ein konkretes Nutzungskonzept hat die Klägerin insoweit auch nicht vorgetragen, sondern nur Möglichkeiten in den Raum gestellt, etwa, dass dort Mülltonnen untergebracht werden könnten oder etwa ein Spielplatz angelegt werden könnte.

Nimmt man hinzu, dass sich historisch, wie die Zeugen bestätigt haben, die Zufahrt von Anfang an, also seit dem Jahre 1965, an dieser Stelle befand, so ist bei einer Gesamtabwägung festzustellen, dass die mit einer Verlegung der Wegefläche verbundenen Nachteile gegenüber der konkreten Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes in einer Weise überwiegen, dass eine solche Verlegung für die Beklagte nicht zumutbar ist.

Ist die Klägerin danach aber zur Duldung insoweit verpflichtet, so kann sie Räumung und Herausgabe der überbauten Teilfläche von der Beklagten nicht verlangen.

Ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin nur gegen Zahlung einer Geldrente zur Duldung der Inanspruchnahme ihres Grundstücks verpflichtet ist, bleibt die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage und somit auch das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg.

C)

Die Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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