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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 5 U 144/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 286
BGB §§ 320 ff.
BGB § 320 Abs. 1
BGB § 320 Abs. 2
BGB § 459
BGB § 459 Abs. 1
BGB § 459 Abs. 1 S. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 144/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26. Oktober 2006

Verkündet am 26. Oktober 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und Richterin am Oberlandesgericht Kosyra

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. September 2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 3 O 344/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten könnten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Durch notariellen Vertrag vom 28. März 2001 (Notar U... K... in C..., UR-Nr. 646/01) verkauften die Kläger den Beklagten unter Ausschluss der Gewährleistung für 910.000 DM ein in A..., ...straße 11, gelegenes, 1.518 m² großes, mit einem denkmalgeschützten, baufälligen und stark renovierungsbedürftigen Gebäude bebautes Grundstück. Besitz und Gefahr sollten mit der Zahlung des Kaufpreises auf die Erwerber übergehen. Fällig war der Kaufpreis vier Wochen nach notarieller Fälligkeitsanzeige. Diese ging den Beklagten am 17. August 2002 zu. Bereits zuvor war das Gebäude durch einen Brand beschädigt worden.

Aus diesem Grund erklärten die Beklagten mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 3. September 2002, ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB geltend zu machen. Zugleich boten sie die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen vertragsmäßige Übergabe des Kaufobjektes an. Im Oktober 2002 und im Januar 2003 erlitt das Dach des verkauften Hauses noch einen Sturmschaden, der auf Kosten der Kläger beseitigt wurde. Das im Auftrag der Versicherung gefertigte Gutachten zur Ermittlung der Höhe des Brandschadens vom 17. November 2002 kommt zu dem Ergebnis, dass dieser 14.382,76 € betrage, hiervon jedoch wegen des schlechten baulichen Zustandes ein Abschlag von 30 % vorzunehmen sei. In der Folgezeit erstattete die Versicherung den Klägern brandschadensbedingte Kosten in Höhe von 11.678,80 €.

Am 8. Juli 2003 wurde der Kaufpreis in Höhe von 910.000 DM im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben.

Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten die Zahlung von Zinsen auf den Kaufpreis, wobei sie den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 3 x 25.294,94 DM zugestehen.

Die Beklagten haben einen Verzug mit der Kaufpreiszahlung in Abrede gestellt, weil die Parteien Verhandlungen über die Frage, wie der Sturmschaden auf den Kaufpreis anzurechnen sei, geführt hätten. Sie haben sich ferner darauf berufen, dass bis Juni 2003 über die Abwicklung des Brand- und Sturmschadens verhandelt worden sei. Schließlich haben sie die Höhe des Brand- und Sturmschadens bestritten.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, an die Kläger 12.548,27 € zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Anspruch leite sich aus § 286 BGB her. Die Beklagten hätten sich mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug befunden. Der Kaufpreis sei mit Zugang der Fälligkeitsmitteilung des Notars am 17. August 2002 fällig geworden, so dass sie sich mit der Zahlung des Kaufpreises seit dem 18. August 2002 in Verzug befunden hätten. Zwar nicht mit dem Kaufpreis in voller Höhe, jedoch mit dem um 75.884,83 DM geminderten Kaufpreis. Nur in dieser Höhe habe den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Der Zinsschaden errechne sich daher wie folgt:

 Zinsen aus 824.115,17 DM in Höhe von 7,47 % für die Zeit vom 15. September bis 31. Dezember 2002 18.468,42DM (9.442,75 €)
Zinsen aus 824.115,17 DM in Höhe von 6,97 % für die Zeit vom 31. Januar bis 30. Juni 2003 28.879,79 DM (14.766,09 €)
Zinsen aus 824.115,17 DM in Höhe von 6,22 % für die Zeit vom 1. bis 7. Juli 2003996,72 DM (509,62 €)
Summe:24.718,46 €.

Von diesem Betrag sei der von der A... an die Kläger für den Brandschaden gezahlte Betrag in Höhe von 11.678,80 € abzusetzen, so dass eine Restforderung von 13.039,66 € verbleibe.

Der von den Kläger geltend gemachte Betrag bleibe dahinter zurück.

Gegen das Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie machen geltend, dass ihnen aus der Einrede des nicht erfüllten Vertrages ein Leistungsverweigerungsrecht in voller Höhe des Kaufpreises zugestanden habe. Denn das Gesetz sehe grundsätzlich keine Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts im Rahmen des § 320 BGB vor. Die Kläger seien nicht schutzwürdig im Sinne von § 320 Abs. 2 BGB gewesen, denn sie hätten sich selbst nicht vertragstreu verhalten, indem sie die für den Brandschaden gezahlte Versicherungssumme nicht den Beklagten auf den Kaufpreis gutgeschrieben, sondern den gesamten Kaufpreis beigetrieben und auch zunächst erstinstanzlich noch die Versicherungssumme nicht bei ihrer Klageforderung berücksichtigt hätten. Damit stehe fest, dass eine Beschränkung der Beklagten auf ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der dreifachen Schadenssumme nicht zu einer Beseitigung des Schadens durch die Kläger geführt hätte.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 28. September 2005 - 3 O 344/04 -abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Den Klägern stehen die in § 2 Ziffer 2 und 4 des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Fälligkeitszinsen zu.

Nach dieser Regelung war der Kaufpreis vier Wochen nach Fälligkeitsanzeige des Notars, die am 17. August 2002 den Beklagten zugegangen war, zur Zahlung fällig (§ 284 Abs. 3 Satz 1 BGB) und, wie vertraglich vereinbart, vier Wochen nach Zugang dieser Erklärung, also jedenfalls vom 18. September 2002 an zu verzinsen. Die Fälligkeit, und damit die Verpflichtung zur Entrichtung von Fälligkeitszinsen, entfiel nicht etwa deswegen, weil die Beklagten berechtigt gewesen wären, die Zahlung des Kaufpreises nach § 320 BGB zu verweigern und dies in einer Höhe, die den den Beklagten von den Klägern zugestandenen Einbehalt der dreifachen Schadenssumme übersteigt.

Nach Vertragsabschluss war das auf dem Kaufgrundstück befindliche Gebäude zwar durch einen Brand beschädigt worden. Durch diesen Brand sind an dem Gebäude gemäß dem von der Versicherung eingeholten Gutachten, welches die Beklagten nicht substantiiert angegriffen haben, auch Schäden entstanden, die mit einem Reparaturaufwand von 14.382,76 € zu beheben waren, weshalb davon auszugehen ist, dass sich der ohnehin schon renovierungsbedürftige Zustand des Gebäudes nach Vertragsabschluss weiter verschlechtert hat. Dies stellt auch einen Mangel der Kaufsache dar, denn im Kaufvertrag war vereinbart, dass die Kläger das Grundstück im Zustand des Vertragsabschlusses zu übergeben hatten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass vor Gefahrübergang die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, namentlich der §§ 320 ff. BGB, uneingeschränkt anwendbar sind. Dies wird damit begründet, dass die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften gemäß § 459 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst nach dem Gefahrübergang geltend gemacht werden könnten. Erst mit der Annahme verliere der Käufer seine originären Erfüllungsanspruch auf Leistung einer mangelfreien Sache (BGH NJW 1995, 1337). Diese Einrede bestehe auch trotz des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses (BGH, a. a. O.). Auch wenn der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil nicht speziell über das Recht aus § 320 BGB entschieden hat, so hat er für die Zeit vor Gefahrübergang die "allgemeinen Vorschriften" jedoch für anwendbar gehalten, wozu auch die Vorschrift des § 320 BGB gehört. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass er bei Vorliegen eines Sachmangels die Einrede gemäß § 320 BGB bis zum Gefahrübergang für zulässig hält; lässt sich doch die Anerkennung eines Leistungsverweigerungsrechts bei einem Mangel nach § 320 BGB auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 1991 (BGH NJW 1991, 1675, 1676, vgl. auch BGH DB 1957, 88) folgern.

Allerdings darf es sich bei dem geltend gemachten Mangel nicht um einen unwesentlichen Sachmangel im Sinne des § 459 BGB handeln. Denn nur in diesem Fall greift die Einrede des § 320 BGB gemäß §§ 242, 459 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. analog (BGH DB 1957, 88; BGHZ 24, 242) ein.

Die Parteien haben für das Hausgrundstück einen Kaufpreis von 910.000 DM vereinbart. Dem steht der vom Sachverständigen für den Brandschaden ermittelte Wert von 14.382,76 € gegenüber, der um 30 % auf 10.068 € zu kürzen ist. Damit macht der Brandschaden an dem Gebäude nicht einmal 1/40 des gesamten Kaufpreises aus. Hinzu kommt, dass bereits im Kaufvertrag festgehalten ist, dass es sich bei dem Gebäude um ein baufälliges und stark renovierungsbedürftiges handelte. Dann kann der Brandschaden aber kaum als wesentlicher Mangel angesehen werden, der allein die Einrede des § 320 BGB rechtfertigen könnte. Aber auch wenn der Schaden grundsätzlich Rechte aus § 320 Abs. 1 BGB begründen könnte, so wäre das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten deswegen ausgeschlossen gewesen, weil Treu und Glauben entgegengestanden hätten. § 320 Abs. 2 BGB hebt das zur Klarstellung für einen wichtigen Sonderfall, nämlich die Unverhältnismäßigkeit, besonders hervor. Vorliegend war jedenfalls die Zurückbehaltung des vollen Kaufpreises unverhältnismäßig und verstieß und gegen Treu und Glauben. Wegen des baufälligen und stark renovierungsbedürftigen Zustands des gekauften Gebäude konnten die sich aus dem Brandschaden ergebenden Nachteile kaum messbar ins Gewicht fallen. Denn die zur Reparatur erforderlichen Maßnahmen (vgl. die Ermittlung der schadensbedingten Reparaturarbeiten Bl. 74 ff d.A.) waren ohnehin wegen der erforderlichen Instandsetzung des Hauses erforderlich. Sie konnten jedenfalls keinen höheren als den von den Klägern zugestandenen Einbehalt des dreifachen Schadensbeseitigungsaufwandes rechtfertigen. Die Zurückbehaltung des vollen Kaufpreises war auch nicht etwa deswegen gerechtfertigt, weil die Kläger davon abgesehen haben, den Brandschaden zu beseitigen. Denn gerade wegen des schlechten Allgemeinzustandes des ohnehin reparaturbedürftigen Gebäudes konnten sie davon ausgehen, dass die Beklagten, wenn sie denn an Stelle der Auskehr der Versicherungsleistung vor der Übergabe des Grundstücks trotz der ohnehin notwendigen Wiederherstellung des Gebäudes eine Reparatur des Brandschadens verlangten, dies den Klägern anzeigen.

Da aus den genannten Gründen jedenfalls im Fälligkeitszeitpunkt eine Forderung von mehr als 420.000,00 € offen war, auf die die Beklagten Zinsen zu entrichten hatten, die, wie das Urteil zeigt, den Versicherungsschaden bei weitem überstiegen, kann den Klägern schließlich auch nicht angelastet werden, dass sie den vollen Kaufpreis beigetrieben haben.

Lag damit jedenfalls seit dem 19. September 2002 ein teilweiser Leistungsverzug der Beklagten vor, konnten sie das Leistungsverweigerungsrecht darüber hinaus nicht mehr auf den danach eingetretenen Sturmschaden stützen (BGH NJW-RR 1995, 564).

Gegen die Berechnung der Forderung der Höhe nach erheben die Beklagten mit ihrer Berufung keine Einwendungen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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