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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 5 U 163/05
Rechtsgebiete: AufbauG, MauerG, ZPO, BGB


Vorschriften:

AufbauG § 14
MauerG § 1
MauerG § 1 Abs. 1
MauerG § 1 Abs. 3 Nr. 2
MauerG § 2 Abs. 1 Nr. 1
MauerG § 2 Abs. 1 Satz 1
MauerG § 3 Abs. 1 Satz 3
MauerG § 3 Abs. 2 Nr. 1
MauerG § 3 Abs. 2 Satz 1
MauerG § 3 Abs. 2 Satz 2
MauerG § 7
MauerG § 7 Abs. 2
MauerG § 7 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 264 Nr. 3
BGB § 209 a. F.
BGB § 209 Abs. 1 a. F.
BGB § 477 Abs. 3
BGB § 639 Abs. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 163/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 31. August 2006

Verkündet am 31. August 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und die Richterin am Oberlandesgericht Kosyra

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 26. Oktober 2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 5 O 370/00 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger zu 2. (im folgenden Kläger) ist nach erfolgter Erbauseinandersetzung Alleinerbe des R... G... (Erblasser).

Der Erblasser war im Grundbuch von K... Blatt 4389 als Eigentümer des 939 m² großen Grundstücks, gelegen in der Gemeinde K..., ..., Flur 9, Flurstück 995 (Grundstück) eingetragen. Das Gebiet, in dem das Grundstück liegt, wurde 1962 zum Aufbaugebiet erklärt, wobei diese Erklärung mit Sicherungsmaßnahmen im Raum B... begründet worden war. Im Zuge dieser Sicherungsmaßnahmen sollten auf dem Flurstück 995 sowie Nachbarflurstücken zwei Kompaniegebäude und ein Dienstgebäude errichtet sowie mehrere kleinere Bauvorhaben der Grenzpolizei ausgeführt werden.

Mit Inanspruchnahmebescheid des Rates des Kreises P... vom 19. Juli 1962 wurde das Grundstück gemäß § 14 Aufbaugesetz enteignet, der Erblasser wurde am 2. Mai 1963 mit 4.851,50 M/DDR entschädigt. Rechtsträger des sodann im Grundbuch als volkseigen ausgewiesenen Grundstücks, auf dem eine Kaserne für die Grenztruppen errichtet wurde, war seit 1965 die Regierung der DDR/Ministerium für Nationale Verteidigung.

Die Kläger beantragten die Rückübertragung des Grundstücks nach dem Vermögensgesetz und mit Schreiben vom 27. August 1996 den begünstigten Rückerwerb des Grundstücks nach dem Mauergrundstücksgesetz. Die Oberfinanzdirektion C... lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Juli 2000 ab.

Bereits zuvor, mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1999 war das Grundstück im Wege des Investitionsvorrangs zu einem Preis von 462,00 DM/m² an die S... und L... W... GmbH verkauft worden, die am 12. November 2001 in das Grundbuch eingetragen wurde.

In dem Verfahren nach dem Vermögensgesetz erließ das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen am 13. Dezember 2004 einen Widerspruchsbescheid, durch den der Widerspruch der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid des ARoV zurückgewiesen wurde.

Der Bescheid ist seit dem 31. Januar 2005 bestandskräftig.

Die Parteien streiten darum, ob es sich bei dem in K... am ... gelegenen Grundstück um ein Mauer- und Grenzgrundstück im Sinne von § 1 MauerG handelt.

Die Kläger haben behauptet, das Grundstück sei zu Grenzsicherungszwecken enteignet worden. Die auf dem Grundstück errichtete Grenztruppenkaserne habe zwischen verschiedenen Sperranlagen gelegen und der Sicherung des gesamten Grenzgebietes einschließlich der Zugangskontrollen zu der Gemeinde K..., die vollständig im Grenzgebiet gelegen habe, gedient. Das Grundstück sei von Bewuchs/Bebauung befreit worden, um eine freie Sicht auf das Grenzvorfeld zu ermöglichen. Die Kaserne sei unmittelbar und räumlich mit den Sperranlagen verbunden gewesen. Die Grenztruppen seien zur Durchführung des Tötungsbefehles notwendig gewesen. In dem zwischen der Kaserne und den ehemaligen Grenzanlagen gelegenen Wohngebiet hätten nur staatstreue Mitarbeiter der Armee und der Staatssicherheit sowie hohe DDR-Funktionäre gewohnt.

Mit ihrer am 27. September 2000 eingereichten Klage haben die Kläger ursprünglich die Veräußerung und Übereignung des Grundstücks zu einem Kaufpreis in Höhe von 25 % des Verkehrswertes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 MauerG verlangt. Hilfsweise haben sie die Feststellung des Bestehens eines Erlösauskehranspruchs in Höhe von 75 % des Kauferlöses gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MauerG aus der Veräußerung des Grundstücks an die S... und L... W... GmbH in B... und weiter hilfsweise die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über den erzielten Erlös im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MauerG aus der Veräußerung des Grundstücks begehrt.

Nachdem das Verfahren mit Beschluss vom 23. Mai 2001 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Restitutionsantrag ausgesetzt und im Frühjahr 2005 wieder aufgenommen worden war, haben die Parteien den Rechtsstreit betreffend die Klage der Klägerin zu 1. nach Erbauseinandersetzung übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Hilfsanträge hat der Kläger zu 2. mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und seinen Hauptantrag in einen Antrag auf Zahlung in Höhe von 75 % des Bodenwertes (183.639,42 €) geändert.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe die Klagefrist nicht eingehalten. Sie sei nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides erhoben worden. Zwar sei mit den ursprünglichen Anträgen die Frist eingehalten worden. Denn der Bescheid vom 25. Juli 2000 sei bei dem Klägervertreter am 27. Juli 2000 eingegangen und die Klage am 27. September 2000 anhängig geworden, wobei es unschädlich sei, dass die Klageschrift erst am 25. Oktober 2000 zugestellt worden sei. Der Kläger habe jedoch die Klage mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005, also nach Ablauf der Klagefrist, geändert und nicht etwa eine bloße Berichtigung der Anträge oder bloße Klarstellung im Hinblick auf das erkennbare Klageziel vorgenommen. Die ursprünglichen Hilfsanträge habe er ausdrücklich zurückgenommen und statt des ursprünglichen Hauptantrags nicht nur das Surrogat gefordert. Der Annahme der verfristeten Klage stehe nicht entgegen, dass der Bescheid der OFD C... vom 25. Juli 2000 von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, da das Verfahren nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 MauerG ausgesetzt worden sei. Denn allein die Anfechtung und Aufhebung des Bescheides reiche zur Bejahung der geltend gemachten Ansprüche nicht aus. Das Mauergrundstücksgesetz habe in §§ 2 und 3 konkrete Ansprüche geregelt, die nur bei Vorliegen bestimmter Anspruchsvoraussetzungen zugesprochen werden könnten. Im Übrigen sei es den Klägern durchaus zuzumuten gewesen, den nunmehr geltend gemachten Anspruch auf Verkehrswertauskehr bereits als Hilfsantrag in der Klageschrift geltend zu machen. Schließlich entspreche die Bejahung der Verfristung der Klage auch dem Regelungszweck des § 7 MauerG. Ziel der in § 7 Abs. 2 Satz 1 MauerG bestimmten Klagefrist sei, das Rechtsmittelverfahren zu beschleunigen und damit für Rechtssicherheit zu sorgen, damit innerhalb eines überschaubaren Zeitraums feststehe, ob dem Berechtigten die geltend gemachten Ansprüche zustehen oder ob der Bund weiterhin über das Grundstück verfügen kann. Daraus werde auch ersichtlich, dass es entscheidend auf den geltend gemachten Anspruch ankomme.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger meint, er habe die Klage rechtzeitig erhoben. Den Erlösauskehranspruch habe er bereits hilfsweise mit der Klageschrift geltend gemacht. Nachdem die Höhe des von der Käuferin gezahlten Kaufpreises festgestanden habe, habe er mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005 den Leistungsantrag angekündigt und gleichzeitig die Hilfsanträge zurückgenommen. Dies stelle eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO dar, da statt des ursprünglichen Gegenstands ein anderer gefordert werde. Es beruhe auf einem offensichtlichen Versehen, dass im Hilfsantrag § 3 Abs. 2 Satz 1 MauerG genannt worden sei. Es sei ohne weiteres zu erkennen gewesen, dass er, der Kläger, Geldersatz für den Fall, dass ihm das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück wegen einer Veräußerung des Grundstücks nicht übertragen werden kann, verlange. Diesen Anspruch habe er beziffert, nachdem er von der Veräußerung und der Höhe des erzielten Kaufpreises erfahren habe. Auch der Klagegrund sei gleich geblieben. Der zuletzt geltend gemachte Zahlungsanspruch beruhe zwar nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 MauerG, sondern auf § 3 Abs. 1 Satz 3 MauerG. Dieser Anspruch verfolge den Zweck eines äquivalenten Wertausgleichs für den Fall, dass der Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 MauerG nicht erfüllt werde. Danach sei der Fall nicht anders zu behandeln, als wenn der Kläger zunächst auf Erfüllung geklagt und die Klage sodann, wegen Unmöglichkeit der Erfüllung, auf Schadensersatz umgestellt habe. Der Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes sei eröffnet. Entscheidend hierfür sei, dass das Grundstück für Maßnahmen zum Ausbau oder der Sicherung der Staatsgrenze in Anspruch genommen worden sei und es in einer räumlichen Nähe zur Staatsgrenze gelegen habe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Das Grundstück liege in unmittelbarer Nähe des heutigen Z... D... bzw. der früheren P...-M...-A.... Die Staatsgrenze zu Westberlin habe sich in nordöstlicher Richtung ca. 800 m Luftlinie und in nördlicher Richtung in ca. 1000 m Luftlinie befunden, sodass es in geographischer Nähe zur ehemaligen Staatsgrenze nach Westberlin gelegen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2005 - 5 O 370/00 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion vom 25. Juli 2000 (Az. O 1002-MauerG-PM-62-BV 34) 183.639,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist nach wie vor der Ansicht, dass das Grundstück nicht in den Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes falle.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 514, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landgerichts zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klage wurde rechtzeitig erhoben.

Gemäß § 7 Abs. 2 MauerG ist die Klage innerhalb einer Frist (einer Notfrist im Sinne der Zivilprozessordnung) von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides zu erheben. Im vorliegenden Fall war der ablehnende Bescheid am 25. Juli 2000 erlassen worden und dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Juli 2000 zugestellt worden. Am 27. September 2000 ist die Klage auf Verkauf des Grundstücks nach dem Mauergrundstücksgesetz, hilfsweise auf Auskehr von 75 % des Verkaufserlöses bei dem Landgericht eingegangen. Sie ist aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Kläger gelegen haben, erst am 25. Oktober 2000 zugestellt worden, sodass die Klage als rechtzeitig erhoben gilt (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.).

Die Unterbrechung durch Klageerhebung gemäß § 209 a. F. BGB erstreckte sich auch auf den hilfsweise geltend gemachten Anspruch, das ist der Zahlungsanspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses. Seit dem 1. Januar 2002 ist die Verjährung insoweit gehemmt. Die Aussetzung des Verfahrens hatte auf die hemmende Wirkung keinen Einfluss (Palandt/Heinrichs, § 204 Rn. 48).

Die Verjährung wurde durch Klageerhebung zwar nur in der Gestalt und in dem Umfang unterbrochen und ist nur in der Gestalt nunmehr gehemmt, wie der Anspruch mit der Klage rechtshängig gemacht worden ist und grundsätzlich von dem geltend gemachten Streitgegenstand bestimmt wird. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage gemäß § 209 Abs. 1 BGB a. F. über den Streitgegenstand hinausgehen kann. Schon das Reichsgericht hat §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB a. F. auf vergleichbare Ansprüche erstreckt, ebenso der BGH (BGHZ 39, 287, 292; 48, 108, 112 f.; 58, 30, 35 ff.) und entschieden, dass die auf Ersatz des vollen Schadens gerichtete Klage die Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch insoweit unterbricht, als der Schaden sich nach Klageerhebung erweitert und der Anspruch auch nach Eintritt der Verjährung umgestellt werden kann (BGH NJW 1985, 1152, 1154). Darüber hinaus ist anerkannt, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage gemäß § 209 Abs. 1 BGB a. F. die mit dem Klageanspruch materiell wesensgleichen Ansprüche erfasst (BGHZ 104, 268, 274 f.; 132, 240, 243). Entscheidend ist insoweit, ob der später geltend gemachte Anspruch demselben Ziel wie der zunächst erhobene Anspruch dient und sich nach Grund und Rechtsnatur als Ausprägung des geltend gemachten Anspruchs darstellt. Verhält es sich so, muss der Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger die gesetzlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung des mit der Klage verfolgten Interesses ausschöpft (BGH NJW 1974, 1327 f.). Die Unterbrechung der Verjährung des später geltend gemachten Anspruchs ist in diesem Fall vom Zweck der Unterbrechung der Verjährung des zunächst geltend gemachten Anspruchs gedeckt und tritt mit der Unterbrechung der Verjährung des zunächst erhobenen Anspruchs ein.

An diesem Maßstab gemessen hat die am 25. Oktober 2000 erhobene Klage auf Verpflichtung der Beklagten, das Grundstück zu 25 % des Verkehrswertes an die Kläger zu veräußern und zu übereignen, auch die Klage auf Zahlung von 75 % des Verkehrswertes unterbrochen. Dieser Zahlungsanspruch war zwar nicht Gegenstand der Klage und damit auch nicht mit dem geltend gemachten Anspruch identisch. Er mag auch ein rechtlich selbständiger Anspruch sein. Der Zahlungsanspruch tritt jedoch an die Stelle des Verkaufsanspruchs und dient damit demselben Ziel wie dieser, dass er in Gestalt des Verkehrswertes dem Gläubiger das Surrogat der geschuldeten Leistung verschafft. Dies rechtfertigt es, die Unterbrechung der Verjährung durch die Erhebung einer Klage auf Erfüllung des Primäranspruchs auf den Anspruch auszudehnen, der an die Stelle des Primäranspruchs getreten ist (vgl. BGH NJW RR 2006, 736, 739). Dem Unterschied im Gegenstand des Anspruchs kommt insoweit keine Bedeutung zu. Nach dem Zweck des § 209 Abs. 1 BGB a. F. kann sich die verjährungsunterbrechende Wirkung zwar nur dann auf einen nicht streitgegenständlichen Anspruch erstrecken, wenn der zur Begründung dieses Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt in seinem Kern bereits Gegenstand der Klage war. Dem steht es jedoch gleich, wenn sich der später geltend gemachte Anspruch - wie hier - aus dem Verteidigungsvorbringen des Beklagten ergibt, was hier mit Schriftsatz der Beklagten vom 26. März 2001 (Bl. 69 d.A.) geschehen ist. Denn in diesem Fall muss der Schuldner von vornherein damit rechnen, dass der Gläubiger sein Interesse gegebenenfalls mit Hilfe eines neuen, wesensgleichen Anspruchs weiterverfolgt. Anderenfalls hätte es der Schuldner in der Hand, den entscheidenden Sachverhalt erst nach dem Eintritt der Verjährung vorzutragen und damit beide Ansprüche zu Fall zu bringen (BGH, a. a. O.). Damit wirkte die verjährungshemmende Wirkung der Klage auch nach Änderung des Hauptantrags für diesen Antrag fort.

Der Antrag des Klägers auf Zahlung des Verkehrswertes von 75 % des Grundstücks hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Bei dem 1962 enteigneten Grundstück handelt es sich nicht um ein Mauer- und Grenzgrundstück im Sinne von § 1 MauerG.

Nach § 1 Abs. 1 MauerG sind Mauer- und Grenzgrundstücke solche Grundstücke, die in den § 8 des Gesetzes über die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 11 Seite 197) bezeichneten Grenzgebiet liegen und zum Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) in Volkseigentum überführt und genutzt worden sind.

Dahingestellt bleiben kann, ob das Grundstück im Grenzgebiet liegt. Denn der Senat vermag nicht festzustellen, dass es zum Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen Berlin (West) und der Deutschen demokratischen Republik in Volkseigentum überführt und genutzt worden.

a.

Nach Sinn und Zweck des Mauergrundstücksgesetzes muss die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum dem Zweck der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen gedient haben, um eine Anspruchsberechtigung der ehemaligen Eigentümer feststellen zu können. Diese Zweckrichtung muss dem Überführungsakt unmittelbar zu Grunde gelegen haben. In diesem Zusammenhang ist es allerdings ausreichend, dass die Enteignung lediglich dem Motiv des Mauer- oder Grenzanlagenbaus diente. Auf die tatsächliche Durchführung dieser Maßnahmen nach der Enteignung kommt es dagegen nicht an (Erlass des BMF vom 12. September 1996 - Az. VI A Ziffer 2 01002 - 30.3 - 66/96 - [VIZ 1996, 636]). Mit dem Begriff der Sperranlagen nimmt § 1 Abs. 1 MauerG insgesamt Bezug auf die von der DDR zur Sicherung der Grenze durchgeführten Maßnahmen, die mit einer Überführung der dazu genutzten Grundstücke in das Volkseigentum verbunden waren. Dabei ist der Begriff weit auszulegen. Dies gebietet bereits der Normzweck des § 1 Abs. 1 MauerG, der Bund solle sich an Grundstücken, die einer besonders verwerflichen Verwendung gedient haben, nicht bereichern. Angesichts dieses Normzweckes kommt es nicht darauf an, ob die Verwendung der enteigneten Grundstücke unmittelbar oder lediglich mittelbar dazu diente, die innerdeutsche Grenze unpassierbar zu gestalten. Auch Einrichtungen, die für sich genommen keine Sperrfunktion erfüllten, aber etwa Hilfseinrichtungen für Anlagen mit direkter Sperrwirkung waren, haben als funktionale Einheit der Absicherung der Grenze gedient und nehmen damit am Unrechtscharakter der Grenzsicherung teil. Im Übrigen erfasst § 1 Abs. 1 MauerG ausdrücklich Grundstücke nicht nur im Schutzstreifen, sondern im gesamten Grenzgebiet. In den damit auch umfassten Sperrzonen waren jedoch unmittelbar als Hindernis aufgestellte Sperranlagen, also Sperranlagen im engeren Sinne, grundsätzlich nicht vorhanden (Wasmuth, a. a. O., § 1 Rn. 28 ff.). Für eine weite Begriffsdeutung sprechen schließlich die Gesetzesmaterialien selbst. Der Entwurf des Bundesrates zu einem Gesetz zur Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das Vermögensgesetz (BT Drucksache 13/120 Seite 4) sah noch vor, dass die Grundstücke unmittelbar zum Zwecke der Errichtung von Sperranlagen entzogen worden sein mussten. Auf die Beschränkung der Unmittelbarkeit verzichtet aber § 1 Abs. 1 MauerG. In den Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes fallen danach sämtliche Grundstücke, die nach der Gesamtkonzeption des DDR-Grenzregimes unmittelbar oder mittelbar dazu gedient haben, die innerdeutsche Grenze gegenüber einem Überschreiten abzusperren. Sperranlagen sind damit nicht nur solche Anlagen, denen für sich genommen eine direkte Sperrwirkung zukam. Es ist vielmehr ausreichend, dass sie jedenfalls im Zusammenspiel mit anderen Einrichtungen darauf abzielten, die Grenze unpassierbar zu gestalten.

Sperranlagen sind danach zunächst alle körperlichen Hindernisse, die selbst Fluchtversuche verhindern oder erschweren sollten. Dazu gehören Mauern, Grenzzäune, Gräben, Beobachtungstürme, Panzerreiter, Überwachungseinrichtungen, Kontrollstellen, Selbstschussanlagen oder Munitionsfelder einschließlich der die Munition auslösenden Stolperdrähte. Daneben sind Sperranlagen aber auch unbebaute Flächen, die in einem funktionalen Zusammenhang mit den eigentlichen Sperranlagen stehen, also etwa Kontrollstreifen, Kolonnenwege oder Sichtschneisen, die den Grenztruppen ein Aufspüren von Personen erleichtern sollten (Wasmuth, a. a. O., § 1 MauerG Rn. 29 ff.).

b.

Im vorliegenden Fall war das Grundstück zum Zwecke der Vornahme von Sicherungsmaßnahmen im Raum Berlin enteignet worden. Dieser sehr weit formulierte Enteignungszweck deckt zwar auch den Mauerbau im Sinne von § 1 MauerG ab. Vorgesehen war das Grundstück jedoch als Standort für Kompaniegebäude etc.. Tatsächlich ist auf dem Grundstück unter Einbeziehung der Nachbargrundstücke eine Kasernenanlage für Grenztruppen errichtet worden. Dieser Anlage kam in Bezug auf die Grenze aber keine direkte Sperrwirkung zu. Ein Bezug zu ihr ergab sich erst daraus, dass auf dem Grundstück in den Kasernen Grenzsoldaten wohnten, deren Aufgabe es war, die durch Absperrungen gesicherte Grenze überwachten. Dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, auch die Kasernenanlage selbst schon als Sperranlage anzusehen. Denn hierdurch wurden die Kasernengebäude kein funktionaler Bestandteil der Absperrung. Als solcher könnten sie nur dann angesehen werden, wenn sie selbst im Zusammenspiel mit Sperrmaßnahmen dazu gedient hätten, die Grenze unpassierbar zu gestalten, wie dies bei den Kontrollstreifen etc. der Fall war. Ein anderes Verständnis würde dem Ausnahmecharakter des Mauergrundstücksgesetzes, der es rechtfertigt, diese Mauergrundstücke wegen ihres hohen Symbolwertes (BT-Drucks. 13/3734 S. 7) anders als das sonstige Verwaltungs- und Finanzvermögen, welches dem Bund mit der Wiedervereinigung zufiel, zu behandeln, nicht gerecht werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 711.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Richterin am Oberlandesgericht Kosyra ist ortsabwesend und kann nicht unterschreiben.

Ende der Entscheidung

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