Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 5 U 164/06
Rechtsgebiete: GVG, ZGB/DDR, VermG, AGVG, EGBGB, BGB


Vorschriften:

GVG § 13
GVG § 17 Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 1
GVG § 17 a Abs. 3 Satz 2
GVG § 17 a Abs. 5
ZGB/DDR § 33 Abs. 2
ZGB/DDR § 70
ZGB/DDR § 70 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz
ZGB/DDR § 70 Abs. 2 Satz 1
ZGB/DDR § 305 Abs. 3
VermG § 1 Abs. 1
VermG § 1 Abs. 3
VermG § 3
VermG § 3 Abs. 1
VermG § 4 Abs. 1
VermG § 4 Abs. 2
VermG § 4 Abs. 2 Satz 2
VermG § 7 Abs. 7 Satz 1
VermG § 7 Abs. 8 Satz 1
AGVG § 17
EGBGB Art. 233 § 2
EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 1
EGBGB Art. 233 § 7
EGBGB Art. 233 § 7 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
BGB § 985
BGB § 987 Abs. 1
BGB § 988
BGB § 894
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 164/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.08.2007

Verkündet am 09.08.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 02. August 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. Juli 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 422/04 - abgeändert:

Der Beklagte wird auf die zweitinstanzliche Klageerweiterung verurteilt, an die Klägerin 971,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. März 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 16/17, der Beklagte zu 1/17. Die Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien könnnen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus einem hängengebliebenen Ausreisekaufvertrag.

Die Klägerin war im Grundbuch von G... Blatt 498 als Eigentümerin des 336 m² großen Gartengrundstücks Flur 1, Flurstück 363/2 (Grundstück) eingetragen. Nachdem ihre Söhne die DDR verlassen hatten, entschloss sich auch die Klägerin aus der DDR auszureisen. Am 22. September 1989 verkaufte die Klägerin dem Beklagten durch notariell beurkundeten Vertrag (Staatliches Notariat ..., Geschäftszeichen 1-20-851-89) das Grundstück zu einem Kaufpreis von 11.700,00 M/DDR. Hiervon sollte lt. Ziff. 2 des Vertrages für von der Klägerin entnommenen Aufwuchs ein Betrag von 6.240,00 M/DDR in Abzug gebracht werden.

Anfang November 1989 übersiedelte die Klägerin in die Bundesrepublik. Im Jahr 1990 erhob die Klägerin Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages vor dem Kreisgericht P.... Diese Klage wies das Kreisgericht als unzulässig ab, da die Sache in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes falle.

Im Jahr 1994 erfuhr die Klägerin, dass sie nach wie vor als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen sei. Sie reichte vor dem Landgericht Potsdam Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages ein. Dieses Verfahren (1 O 252/95) wurde nicht weiter betrieben. Ab dem Jahr 1996 verfolgte die Klägerin sodann gegenüber dem Landkreis P... ihre Restitutionsansprüche vor dem Verwaltungsgericht Potsdam. In diesem Verfahren nahm die Klägerin ihren Hauptantrag auf Rückübertragung zurück. Daraufhin stellte das Verwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Verfahren ein und verwies die Sache wegen des Hilfsantrags der Klägerin auf Herausgabe des Grundstücks nach § 17 a GVG durch Beschluss vom 03. Februar 2007 an das Landgericht Potsdam.

Nachdem der Beklagte am 10. Februar 2006 als Eigentümer des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen worden war, hat die Klägerin die Klage auf Grundbuchberichtigung erweitert.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe gegenüber dem Beklagten mit am 25. April 1990 versandten Schreiben die Anfechtung des Kaufvertrages wegen Nötigung nach § 70 ZGB/DDR erklärt. Dieses Schreiben habe der Beklagte auch erhalten.

Gestützt auf die Anfechtung hat die Klägerin die Ansicht vertreten, der Grundstückskaufvertrag sei wegen wirksamer Anfechtung nichtig. Denn sie, die Klägerin, sei nach der Flucht ihrer beiden Söhne einer Vielzahl von Schikanen ausgesetzt gewesen und habe deswegen schließlich die Ausreise beantragt. Die Ausreise aus der DDR sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sie ihren Grundbesitz veräußere.

Der Kaufvertrag sei auch deswegen nichtig, weil es Nebenabreden hinsichtlich des Aufwuchses gegeben habe, die nicht im Kaufvertrag beurkundet worden seien. Die Notarin habe erklärt, diese solle man herauslassen, da der Beklagte ansonsten noch Steuern auf den Aufwuchs zahlen müsse. Hierzu hat die Klägerin auf ihre Klagesschrift vom 20. Juni 1995 in Sachen 1 O 252/95 Bezug genommen, worin es heißt, dass der Kaufvertrag einen Kaufpreis von 11.700 M angebe, obwohl das Wertgutachten einen Sachwert von 17.900 M ausgewiesen habe. Der Zusatz, dass der Aufwuchs von der Klägerin entnommen worden sei, sei nur zum Schein aufgenommen worden. Der Beklagte habe auch den Preis für den Aufwuchs in Höhe von 6.240 M bezahlt.

Der Beklagte schulde ihr Nutzungsentgelt jedenfalls für die nicht verjährte Zeit vom 01. Januar 2003 bis 31.12.2005.

Der Beklagte hat die Unzulässigkeit des Rechtswegs gerügt, weil das Vermögensgesetz allein die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Ausreisefälle vorsehe. Im Übrigen stehe dem Herausgabeantrag die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils des Kreisgerichts P... vom 18. Juni 1991 über die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages entgegen, wonach die Sache in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes falle. Von einer Anfechtung des Kaufvertrages durch die Klägerin habe er erstmals mit Zustellung der Klageschrift in jenem Verfahren, die etwa um den 20. August 1990 erfolgt sei, erfahren und ihr umgehend widersprochen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin den Grundbesitz herauszugeben sowie 1.840,65 € nebst Zinsen als Nutzungsentgelt zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Zivilrechtsweg sei eröffnet; der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 03. Februar 2004 sei hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Die Möglichkeit einer Rückverweisung bestehe nicht, obwohl gerade diejenige Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts eingetreten sei, deren Fehlen Grundlage des Verweisungsbeschlusses gewesen sei. Denn die Veränderung sei erst eingetreten, nachdem der Rechtsstreit bindend an das Landgericht verwiesen worden sei. Zudem stütze die Klägerin ihren Anspruch auch darauf, dass wegen eines Beurkundungsfehlers bereits nach DDR-Recht die Wirksamkeit des Vertrages in Frage stehe. Wenn ein Kaufvertrag, der unter staatlichem Druck zustande gekommen sei, auch an einem anderen Mangel leide, der zur Unwirksamkeit führe, sei die Berufung auf diesen Mangel und damit insoweit der Zivilrechtsweg durch die Regelung des § 1 Abs. 3 VermG nicht ausgeschlossen (BGH NJW 1993, 389).

Der Klage stehe die Rechtskraft des im Verfahren 12 Z 279/90 des Kreisgerichts P... ergangenen Urteils vom 28. Juni 1991 nicht entgegen. Mit dem Verweisungsbeschluss sei nach § 17 a GVG bindend festgestellt, dass der Zivilrechtsweg eröffnet sei. Dem könne die Rechtskraft einer Entscheidung, die vor dieser bindenden Verweisung ergangen sei und die damals den Rechtsweg verneint habe, ohne selbst eine Bindungswirkung nach § 17 AGVG zu entfalten, nicht entgegenstehen.

Die Klage sei im Wesentlichen begründet. Die Klägerin könne von dem Beklagten Herausgabe des Grundstücks sowie Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass die Klägerin Eigentümer desselben sei, verlangen.

Da der Antrag auf Grundbucheintragung des Beklagten bei Vertragsschluss am 6. Oktober 1989, und damit vor Wirksamwerden des Beitritts, gestellt worden sei, die Beklagte als Eigentümerin in das Grundbuch aber erst nach Wirksamwerden des Beitritts eingetragen worden sei, bestimme sich der Herausgabeanspruch wegen Art. 233 § 7 Abs. 1 EGBGB nach § 33 Abs. 2 ZGB/DDR, wonach der Eigentümer von jedem, der ihm sein Eigentum unberechtigt vorenthalte, die Herausgabe verlangen könne.

Die Klägerin sei Eigentümerin des Grundstücks geblieben. Sie habe ihr Eigentum nicht durch den Abschluss des Kaufvertrages am 22. September 1989 und die Eintragung des Beklagten in das Grundbuch am 10. Februar 2006 verloren. Denn zu diesem Zeitpunkt der Eintragung des Beklagten sei die für den Eigentumsübergang erforderliche Einigung der Parteien über denselben aufgrund wirksamer Anfechtung entfallen. Die Klägerin habe mit ihrer Erklärung vom 25. April 1990 den Kaufvertrag, der die Grundlage der Einigung der Parteien darstelle, wirksam nach § 70 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz ZGB/DDR wegen rechtswidriger Drohung angefochten. Zur Bestimmung dessen, was als rechtswidrige Drohung zu werten sei, seien die Wertungsmaßstäbe des Vermögensgesetzes heranzuziehen. Für den vorliegenden Fall, der durch das Zivilgericht zu entscheiden sei, obwohl eigentlich nunmehr der Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 3 VermG eröffnet sei und das Vermögensgesetz als Spezialgesetz grundsätzlich die zivilrechtlichen Regelungen verdränge, könne dieser Grundsatz so keine Anwendung finden. Denn der Rückübertragungsanspruch nach § 3 Abs. 1 VermG sei öffentlich rechtlicher Natur und richte sich gegen eine staatliche Behörde, die ihn bei Vorliegen durch Erlass eines Bescheides zu erfüllen habe. Eine Restitution in dieser Weise könne das Zivilgericht mit den ihm gegebenen prozessualen Befugnissen nicht vornehmen. Da das Landgericht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen habe, könne eine Lösung dieses - gerade auf den Besonderheiten des zurückliegenden Verfahrens beruhenden - Konflikts zweckmäßigerweise nur so erfolgen, dass der Regelungsgehalt der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 VermG bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Ansprüche, die nur bei einer verwaltungsrechtlichen Restitution nach § 3 VermG verdrängt würden, berücksichtigt werde und die Anspruchsgrundlage im vorliegenden Fall unter Einbeziehung der Zielsetzung des Vermögensgesetzes zu interpretieren sei. Bei Anwendung dieser Maßstäbe habe die auf Vertragsschluss gerichtete Erklärung der Klägerin auf Ausübung psychischen Zwangs beruht, denn es müsse als rechtswidrige Drohung verstanden werden, wenn die Gestattung einer beantragten Ausreise aus der DDR von der Veräußerung des Grundbesitzes des Ausreisewilligen abhängig gemacht werde. Dafür, dass dies auch bei der Klägerin der Fall gewesen sei, spreche eine nach den Regeln des Anscheinsbeweises zu erschütternde Vermutung, die der Beklagte nicht widerlegt habe. Dabei sei es für die Anwendung des § 70 ZGB/DDR unbeachtlich, dass die Drohung von einem Dritten ausgegangen sei; es komme auch nicht darauf an, ob der Erklärungsempfänger die Drohung gekannt habe oder hätte kennen müssen. Die Klägerin habe den Vertrag fristgerecht nach § 70 Abs. 2 Satz 1 ZGB/DDR im zeitlichen Zusammenhang mit den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 angefochten, wobei ihr ein großzügiger Überlegungszeitraum einzuräumen sei. Davon, dass die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrages bereits im April 1990 gegenüber dem Beklagten erklärt habe, sei die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung überzeugt. Das Bestreiten des Beklagten, das Anfechtungsschreiben erhalten zu haben, sei bei Würdigung aller Umstände nicht glaubhaft. In Folge der wirksamen Anfechtung sei der Kaufvertrag - und damit die der Grundbucheintragung des Beklagten zugrunde liegende Einigung über den Eigentumsübergang - nichtig (§ 70 Abs. 3 Satz 1 ZGB/DDR). Auf eine Redlichkeit des Beklagten komme es nicht an, auch wenn man hierbei die Vorschriften des Vermögensgesetzes über den redlichen Erwerb mit einbeziehe. Dem stehe entgegen, dass der Rechtserwerb erst nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes vollendet worden sei. Auf Erwerbsvorgänge ab dem 29. September 1990 finde § 4 Abs. 1 VermG keine Anwendung. Auch § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG komme nicht in Betracht, da das zugrundeliegende Rechtsgeschäft, der Kaufvertrag, bereits vor dem 18. Oktober 1989 abgeschlossen worden sei. Da bei unmittelbarer Anwendung des Vermögensgesetzes der Beklagte sich nicht auf einen redlichen Erwerb berufen könne, bestehe für eine Korrektur des Anfechtungsergebnisses keinen Anlass. Ob der Kaufvertrag auch aufgrund der Nichtbeurkundung etwaiger Nebenabreden nichtig sei, könne danach dahinstehen.

Der Berichtigungsanspruch sei gemäß § 894 BGB gerechtfertigt. Da die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück tatsächlich nicht verloren habe, andererseits aber der Beklagte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei, sei das Grundbuch unrichtig und dahin zu berichtigen, dass es die tatsächliche Eigentumssituation zutreffend wiedergebe.

Der Anspruch auf Herausgabe der Nutzung in Form von Wertersatz ergebe sich aus §§ 987 Abs. 1, 988, 812 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB. Ein Nutzungsersatz in Höhe von monatlich 100,00 € für die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 erscheine für das 336 m² große Grundstück in G... aufgrund eigner Sachkunde der Kammer bei vergleichbaren Streitigkeiten als angemessen und auch ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens keinesfalls als übersetzt.

Die Einrede der Verjährung habe der Beklagte selbst nur für Ansprüche aus der Zeit vor dem 01. Januar 2003 erhoben.

Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Der Beklagte hält die Klage nach wie vor für unzulässig, nachdem bereits das Kreisgericht P... mit Urteil vom 28. Juni 1991 die Klage mit dem nämlichen Streitgegenstand abgewiesen habe. Ferner sei weiterhin die im Jahr 1994 vor dem Landgericht Potsdam erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages unter dem Aktenzeichen 1 O 252/95 anhängig, die die Klägerin nach Versagung von Prozesskostenhilfe nicht weiter betrieben habe. Es könnten nicht zwei gleichartige Rechtsstreitigkeiten gegen dieselbe Person beim Zivilgericht geltend gemacht werden.

Zudem habe das Landgericht, wenn es schon das Vermögensgesetz meint, anwenden zu müssen, berücksichtigen müssen, dass die Rückübertragung des von dem Beklagten erworbenen Grundstücks gemäß § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen sei, da er, der Beklagte, nach dem 08. Mai 1945 in redlicher Weise das Eigentum, nämlich im Frühjahr 2006, erlangt habe. Letztlich sei das Landgericht zu Unrecht aufgrund des Vortrags in Sachen 12 Z 279/90 davon ausgegangen, dass ihm, dem Beklagten, eine Anfechtungserklärung zugegangen sei. Es fehle aber auch an einem Anfechtungsgrund. Denn die Klägerin sei freiwillig auf ihn, den Beklagten, im September 1989 zugekommen und habe ihn gefragt, ob er ihr Grundstück kaufen wolle.

Schließlich habe der Klägerin kein Nutzungsersatz zugesprochen werden dürfen, da er, der Beklagte, keine Nutzungen des Grundstücks gezogen habe, er jedenfalls nicht mehr bereichert und auch die Höhe nicht nachvollziehbar dargelegt sei.

Im Übrigen beruft sich der Beklagte nach wie vor auf die von ihm erhobene Einrede der Verjährung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. Juli 2006 -1 O 422/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und, im Wege der Klageerweiterung,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.556,33 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz von 1.840,65 € seit dem 01. Januar 2003 und aus weiteren 715,68 € seit Zustellung der Klageerweiterung und ab März 2007 monatlich 51,12 €, fällig jeweils zum Monatsletzten, bis zur Rückgabe des Grundbesitzes, zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.337,89 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit 08. November 2006 zu zahlen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung. Mit dem Hilfsantrag macht sie einen Anspruch auf Erstattung von ihr entrichteter Kanalanschlussgebühren nebst Säumniszuschlägen geltend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).

2.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat ungeachtet der von dem Beklagten erhobenen Rechtswegrüge (Bl. 127 d.A.) entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern sogleich durch Urteil über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage entschieden. Dies führt dazu, dass der Senat nicht an die Bejahung des Zivilrechtswegs gebunden ist. Zwar prüft gemäß § 17 a Abs. 5 GVG das Gericht, das über ein Rechtsmittel entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Doch ist diese Regelung einschränkend auszulegen. Da die Parteien durch die Verfahrensweise die vom Gesetz gewollte Möglichkeit einer gesonderten Vorabklärung der Rechtswegfrage im Wege der Beschwerde genommen würde, bleibt dem Rechtsmittelgericht diese Überprüfung möglich (BGHZ 130, 159, 163). Sie führt im vorliegenden Fall zur Feststellung, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist.

Was den Antrag auf Herausgabe des Grundstücks angeht, ergibt sich dies nicht schon aus einer Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Verweisungsbeschlusses gemäß § 17 a Abs. 1 GVG. Die Bindungswirkung, die nur den Anspruch, also den Streitgegenstand erfasst, für den das Verwaltungsgericht den Zivilrechtsweg bindend bestimmt hat, also nur den Ausreisefall, wäre entfallen, nachdem sich im Nachhinein die der Verweisung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage geändert hatte. Denn nachdem die Klägerin ihren Restitutionsantrag zurückgenommen hatte, konnte die GVO-Genehmigung für den Grundstückskaufvertrag erteilt werden. Dies ist auch geschehen mit der Folge, dass das Grundbuchamt nunmehr das Grundbuch am 10. Februar 2006 auf den Beklagten umgeschrieben hat. Damit war der Restitutionsfall und damit zugleich der Vorrang des Vermögensgesetzes eingetreten und dem Verweisungsbeschluss die Grundlage entzogen. Der Klägerin stand seither allein (BGHZ 118, 34) der öffentlich rechtliche Rückübertragungsanspruch zu, der gemäß § 13 GVG zum Verwaltungsrechtsweg gehört (Musielak/Wittschier, § 17 a GVG Rn. 10). Allerdings macht die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2005 einen weiteren zivilrechtlichen Mangel des Vertrages wegen Nichtbeurkundung von Nebenabreden hinsichtlich des Aufwuchses geltend. Die Berufung auf diesen Mangel und damit insoweit der Zivilrechtsweg ist durch die Regelung des § 1 Abs. 3 VermG nicht ausgeschlossen (BGH NJW 1993, 389).

Was den ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils gestellten Antrag auf Grundbuchberichtigung angeht, ist dieser Antrag auch in der Berufungsinstanz angefallen. Es fehlt zwar an einem ausdrücklichen Ausspruch im Tenor des angefochtenen Urteils. Das Landgericht hat aber in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin vom Beklagten gemäß § 894 BGB Grundbuchberichtigung verlangen könne, so dass davon auszugehen ist, dass der Tenor offensichtlich unvollständig ist.

Auch insoweit ist der Zivilrechtsweg gegeben. Denn dieser Antrag wurde von den Klägern erst nach der Verweisung im Wege einer Klageerweiterung rechtshängig gemacht und kann deswegen nicht Gegenstand des verwiesenen Verfahrens und damit auch nicht von der Bindungswirkung erfasst sein. Denn naturgemäß erstreckt sich die Bindung an die verwaltungsgerichtliche Rechtswegentscheidung auf die Ansprüche, die sie zum Gegenstand hatte. Eine Erweiterung des Streitgegenstandes wird von der Regelung des § 17 a Abs. 5 GVG nicht erfasst.

Was den Zahlungsantrag angeht, so gehört dieser gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 VermG zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Ist hiernach für sämtliche Ansprüche der Zivilrechtsweg gegeben, so scheitert die Zulässigkeit der Klage auch nicht daran, dass das Kreisgericht in Sachen 12 Z 279/90 mit Urteil vom 28. Juni 1991 eine Klage der Klägerin gegen den Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages als unzulässig abgewiesen hat. Die materielle Rechtskraft dieses Urteilsspruchs bewirkt lediglich eine Sperre für die Wiederholung einer Klage, die auf denselben Streitgegenstand gerichtet ist und die denselben prozessualen Mangel aufweist, der zur Klageabweisung führt. Im vorliegenden Fall war aber der prozessuale Mangel dadurch behoben worden, dass die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben hatte, das Verwaltungsgericht das Verfahren in der Hauptsache eingestellt und sodann den Rechtsstreit wegen des Hilfsantrags an das Landgericht verwiesen hat. Dadurch wurde der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt in einer Weise verändert, dass die Rechtskraft des ersten Urteils einer erneuten gerichtlichen Entscheidung nicht mehr entgegenstand (Musielak § 322 Rn. 44). Im Hinblick darauf, dass die Klägerin die anhängige Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages in Sachen 1 O 252/95 nach Versagung der Prozesskostenhilfe nicht weiter verfolgt hat, steht diesem Verfahren auch nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen.

Die nach alledem zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

a)

Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Herausgabe des Grundstücks gemäß § 985 BGB in Verbindung mit Art. 233 § 2 EGBGB verlangen.

Der Anspruch würde voraussetzen, dass die Klägerin Eigentümer des Grundstücks ist. Dies ist nicht der Fall.

Im Grundbuch ist der Beklagte als Eigentümer ausgewiesen. Eigentümerin des Grundstücks wäre die Klägerin mithin nur, wenn der Beklagte nicht durch Abschluss des Kaufvertrages am 22. September 1989 und seine Eintragung in das Grundbuch das Eigentum an dem Grundstück erlangt hätte.

Hierzu beruft sich die Klägerin in erster Linie darauf, dass ein Ausreisefall vorliege. Diese Unrechtsmaßnahme hätte sich zwar nunmehr, nach Eintragung des Beklagten in das Grundbuch, als eine solche im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG vollendet. Dem Senat ist es jedoch als Zivilgericht versagt, eine Herausgabe des Grundstücks auf eine Verwirklichung dieses Tatbestands zu stützen, auch wenn er gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Durch die Erweiterung der Rechtswegzuständigkeit sollte vermieden werden, dass nacheinander mehrere Rechtswege beschritten werden müssen. Das gilt aber nur, soweit es sich nach Gegenstand und Parteien um ein und denselben Anspruch handelt (MünchKomm/Wolf, ZPO, § 17 GVG Rn. 13; BGHZ 114, 1, 2). Der Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz richtet sich gegen den Staat, der zivilrechtliche Anspruch gegen den Besitzer. Schon wegen der unterschiedlichen Adressaten kann das ordentliche Gericht also in einem Rechtsstreit des privat Betroffenen gegen den privaten Eigentümer oder Besitzer auf Herausgabe aufgrund des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG über den Rückübertragungsanspruch des Betroffenen nicht nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes entscheiden.

Es bliebe danach allein die Möglichkeit, die Wirksamkeit des Geschäfts gemäß Art. 233 § 7 EGBGB i.V.m. den Anfechtungsvorschriften des ZGB/DDR zu überprüfen. Jedoch sind diese zivilrechtlichen Ansprüche bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 VermG grundsätzlich durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen, weil dieses Gesetz der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften entgegensteht (BGHZ 118, 34). Die Rückgabe von Grundvermögen, das im Zusammenhang mit der Erteilung der Ausreisegenehmigung veräußert wurde, kann danach mit Erfolg ausschließlich in dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz durchgesetzt werden. Die Geltendmachung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche, die sich aus der Unwirksamkeit des Veräußerungsgeschäfts ergeben, ist dem Übersiedler hingegen verwehrt. Dies gilt insbesondere für das in den Ausreisefällen grundsätzlich gegebene Anfechtungsrecht wegen rechtswidriger Drohung, da es vom Ergebnis her keinen Unterschied macht, ob das Anfechtungsrecht selbst oder der in Folge der Anfechtung herbeigeführte Herausgabeanspruch ausgeschlossen ist. Dabei werden auch die Sachverhalte, denen, wie im vorliegenden Fall, vor dem 3. Oktober 1990 erklärte Anfechtungen zu Grunde liegen, deren Berechtigung trotz Widerspruchs in einem vor dem 3. Oktober 1990 eingeleiteten Gerichtsverfahren an diesem Tag noch nicht rechtskräftig festgestellt war, durch die Regelungen des Vermögensgesetzes erfasst (Vermögen in der ehemaligen DDR, Brettholle/Schülke, § 1 VermG Rn. 85). Dieser Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche, die auf eine unlautere Machenschaft i.S. des § 1 Abs. 3 VermG gestützt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG VIZ 1997, 31). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es auch, die Regelung des Vermögensgesetz auf Fälle zu erstrecken, in denen vor Inkrafttreten des Vermögensgesetztes die Anfechtung des der Grundstücksveräußerung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts schon erklärt war, der darüber geführte Zivilrechtsstreit vor diesem Zeitpunkt aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden ist (BVerfG a.a.O. S. 32).

Eine Nichtigkeit des Vertrages vom 22. September 1989 kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass, wie die Klägerin behauptet, aus Kostengründen den Aufwuchs betreffende Nebenabreden nicht beurkundet worden seien, entgegen der im Vertrag getroffene Regelung die Klägerin den Aufwuchs nicht habe entnehmen, vielmehr der Beklagte den für den Aufwuchs ausgeworfenen Betrag habe entrichten sollen. Im Ergebnis liefe der Vorwurf darauf hinaus, dass ein zu niedriger Kaufpreis beurkundet worden wäre. Dies wäre jedoch gemäß § 305 Abs. 3 ZGB/DDR unschädlich. Erst die Versagung der staatlichen Genehmigung nach der GVVO hätte die Nichtigkeit des mit dem beanstandeten Kaufpreis abgeschlossenen Vertrages zur Folge gehabt (§ 68 Abs. 1 Ziffer 4 ZGB/DDR). Eine zivilrechtliche Nichtigkeit hätte diese Absprache eines geringeren Kaufpreises also nicht zur Folge gehabt.

b)

Was den Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB angeht, so gelten die obigen Ausführungen zu a) entsprechend.

c)

Der Klägerin kann auch kein Nutzungsentgelt zugesprochen werden. Ein derartiger Anspruch ist in Restitutionsfällen gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Bis zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides bleibt das Restitutionsobjekt im Vermögen des Verfügungsberechtigten. Dieser Zuordnung entspricht es, dass die bis dahin gezogenen Nutzungen grundsätzlich dem Verfügungsberechtigten verbleiben, der andererseits die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat (BGHZ 128, 210, 211, BGHZ 137, 183, 186).

d)

Da nach dem Vorgesagten der Verfügungsberechtigte die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat, ist dem Hilfsantrag der Klägerin auf Zahlung der Anschlusskosten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB stattzugeben, soweit die Klägerin von dem Beklagten die Anschlusskosten in Höhe von 971,70 € erstattet verlangt. Hingegen kann sie dem Beklagten die Säumniszuschläge und Mahn- und Vollstreckungskosten nicht in Rechnung stellen, da die Verzugsvoraussetzungen nicht dargetan sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 91, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Streitwert: 23.220,26 € (= 17.179,00 + 2.556,33 + 2.147,04 + 1.337,89).

Ende der Entscheidung

Zurück