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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 5 U 7/06
Rechtsgebiete: BNotO, BGB, GBO


Vorschriften:

BNotO § 19
BNotO § 19 Abs. 1
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2
BNotO § 23
BNotO § 24
BGB § 278
BGB § 839 Abs. 3
GBO § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 7/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.11.2006

Verkündet am 09.11.2006

in dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kosyra und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Dezember 2005 - Az. 13 O 97/05 - abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entsteht, dass der von der Beklagten angenommene Auftrag der Klägerin zur Eintragung einer Grundschuld zu Lasten des im Grundbuch des Amtsgerichts Fürstenwalde von S... Blatt 13 verzeichneten Grundstücke Flur 8, Flurstücke 5 und 44 (Antrag zur Grundschuldbestellung vom 21. Januar 1999 gemäß UR-Nr. 57/1999 der Beklagten) nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 7.160,39 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der aus der unzureichenden Überwachung der Eintragung der am 21. Januar 1999 bestellten Grundschuld - UR-Nr. 57/1999 der Beklagten - entsteht. Mit dieser Bestellungsurkunde hatte der zukünftige Grundstückseigentümer W... F... an den Flurstücken 5 (4.830 m²) und 44 (13.860 m²) der Flur 8 der Gemarkung S... zu Gunsten der Klägerin eine Grundschuld über 320.000 DM bestellt. Nachfolgend war die Grundschuld nur auf dem bebauten Flurstück 5 eingetragen worden. Erst nachdem zu Gunsten des Finanzamts B... auf dem Flurstück 44 eine Sicherungshypothek eingetragen worden war, ist nachrangig die Grundschuld für die Klägerin auch auf dem Flurstück 44 eingetragen worden. Bei der nachfolgenden Zwangsversteigerung des Flurstücks 44 ist die Klägerin mit ihrer nachrangigen Grundschuld vollständig ausgefallen. Die Flurstücke 5 und 44 sind unter den lfd. Nr. 1 und 2 im Grundbuch von S... Blatt 13 eingetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe durch die unzureichende Überwachung der Eintragung der Grundschuld zwar ihre Amtspflichten nach §§ 19, 24 BNotO verletzt, eine Haftung entfalle aber, weil es die Klägerin fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB sei anwendbar; dies ergebe sich aus der eindeutigen Formulierung in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO, wonach sich der Notar bei Amtsgeschäften nach § 23, 24 BNotO lediglich nicht auf die Subsidiarität seiner Haftung berufen könne. Die Anwendbarkeit des § 839 Abs. 3 BGB entfalle nicht bei der Erteilung eines besonderen Treuhandauftrages. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Klägerin im Verhältnis zu der möglicherweise haftenden Behörde das Verschulden des Notars nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Nach dem Sachverhalt sei davon auszugehen, dass die Klägerin am 17. Mai 1999 mit der Eintragungsmitteilung auch einen unbeglaubigten Grundbuchauszug erhalten habe; hieraus sei für die Klägerin, die regelmäßig mit Fragen des Immobiliarsachenrechts beschäftigt sei, unschwer erkennbar gewesen, dass die Eintragung nicht wie beantragt erfolgt sei. Das Unterlassen sei - auch bei einer zuzubilligenden Prüfungsfrist von zwei bis drei Wochen - kausal, denn schon eine telefonische Mitteilung an die Beklagte oder das Grundbuchamt hätte genügt, die unterlassene Eintragung rechtzeitig nachzuholen.

Gegen das ihr am 30. Dezember 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat die Klägerin mit am 13. Januar 2006 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27. Februar 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin rügt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht. Sie macht geltend, weil sie für ein Fehlverhalten des Notars im Rahmen des selbständigen Betreuungsgeschäftes nach § 278 BGB einzustehen habe, könne sie nicht darauf verwiesen werden, sie habe sich selbst um einen Rechtsbehelf gegen den fehlerhaften Grundbuchvollzug kümmern müssen. Auf Grund ihrer Betriebsstrukturen sei es für sie auch unmöglich gewesen, den Fehler so rechtzeitig zu erkennen, dass eine Korrektur noch vor Eintragung der Sicherungshypothek hätte erfolgen können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Dezember 2005 - Az. 13 O 97/05 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entsteht, dass der von der Beklagten angenommene Auftrag der Klägerin zur Eintragung einer Grundschuld zu Lasten des im Grundbuch des Amtsgerichts Fürstenwalde von S... Blatt 13 verzeichneten Grundstücks Flur 8, Flurstücke 5 und 44 (Antrag zur Grundschuldbestellung vom 21. Januar 1999 gemäß UR-Nr. 57/1999 der Beklagten) nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den aus der fehlerhaften Überwachung der Eintragung der am 21. Januar 1999 bestellten Grundschuld entstehenden Schaden zu ersetzen.

1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere besteht für die Klage das erforderliche Feststellungsinteresse. In welcher Höhe der Klägerin, die gegenüber dem Grundstückseigentümer den notleidend gewordenen Kredit am 23. Juni 2004 gekündigt und ihre Forderung mit 60.205,01 € beziffert hat, tatsächlich ein Schaden entsteht, lässt sich erst ermitteln, wenn feststeht, dass der Schuldner die Verbindlichkeiten nicht ausgleichen kann und auch eine Verwertung des Flurstücks 5 nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Klägerin führen wird. Der Klägerin ist aus der zunächst unvollständigen Eintragung der zu ihren Gunsten bestellten Grundschuld bereits ein Schaden entstanden, denn hierfür genügt, dass sich ein Schadensrisiko - etwa durch eine Rangverschlechterung im Grundbuch oder durch den Verlust einer Sicherheit - rechtlich verfestigt hat (BGH NJW 1993, 650 m. w. N.). Damit ist das erforderliche Feststellungsinteresse jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung der Verjährung, die mit der Entstehung des Schadens zu laufen beginnt, gegeben.

2. Mit dem Landgericht ist, was von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen wird, davon auszugehen, dass der Beklagten bei der Überwachung der Eintragung der bestellten Grundschuld eine Amtspflichtverletzung unterlaufen ist. Die Beklagte hat den Vollzug der Grundschuldbestellung unzureichend überwacht, denn ihr ist entgangen, dass entgegen der Bestellungsurkunde und dem Eintragungsantrag die Grundschuld nicht auch auf dem weiteren Flurstück 44, bei dem es sich um ein selbständiges Grundstück handelt, eingetragen worden ist. Sie hat damit ihre Pflichten zur Überwachung des Vollzugs der Eintragung, die ihr auf Grund eines selbständigen Betreuungsgeschäfts im Sinne von § 24 BNotO oblagen, schuldhaft verletzt.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass es die Klägerin schuldhaft versäumt hat, rechtzeitig gegen die unvollständige und damit fehlerhafte Eintragung der bestellten Grundschuld ein Rechtsmittel einzulegen.

a. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass § 839 Abs. 3 BGB im Rahmen selbständiger Betreuungsgeschäfte grundsätzlich Anwendung findet. Eine andere Auslegung wäre mit dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO, der insoweit lediglich hinsichtlich der Subsidiarität der Haftung des Notars eine Ausnahme macht, nicht zu vereinbaren.

b. Nicht gefolgt werden kann allerdings der Ansicht, die Klägerin habe es im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB schuldhaft versäumt, gegen die fehlerhafte Eintragung der Grundschuld ein Rechtsmittel einzulegen.

Es ist zwar zutreffend, dass der Klägerin noch im Mai 1999 eine Eintragungsnachricht seitens des Grundbuchamtes einschließlich eines entsprechenden Grundbuchauszuges zugegangen ist, entgegen der Auffassung des Landgerichts war aber die Klägerin nicht verpflichtet, die Richtigkeit dieses Grundbuchauszuges zu überprüfen und gegen eine fehlerhafte Amtshandlung der Notarin ein Rechtsmittel einzulegen.

Die Beklagte hat mit dem Antrag auf Eintragung der am 21. Januar 1999 bestellten Grundschuld und der Überwachung der Eintragung dieser Grundschuld auf der Grundlage des Auftrages der Klägerin vom 11. Januar 1999, den sie mit Schreiben vom 21. Januar 1999 angenommen hat, gegenüber dieser ein selbständiges Betreuungsgeschäft im Sinne von § 24 BNotO übernommen. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte mit der Annahme dieses Auftrages im Verhältnis zur Klägerin die Pflicht übernommen hat, in deren Namen den Antrag auf Eintragung der zu ihren Gunsten gestellten Grundschuld zu stellen und die ordnungsgemäße Eintragung an der vereinbarten Rangstelle zu überwachen, so dass der Grundschuld in den Abteilungen II und III keine Rechte vorgehen. Die Beklagte hat damit nicht nur lediglich den Eintragungsantrag für die Klägerin an das Grundbuchamt weitergeleitet, sondern im Sinne von § 15 GBO einen Antrag gestellt. Die Beklagte hat mit der Annahme dieses Auftrages im Verhältnis zur Klägerin die Pflicht übernommen, dafür Sorge zu tragen, dass die zu Gunsten der Klägerin bestellten Grundschulden vollständig an rangbereiter Stelle im Grundbuch eingetragen werden, vgl. BGH DNotZ 1960, 663, 665.

Das nach § 19 Abs. 1 BNotO in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB einzulegende Rechtsmittel muss sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und ihre Beseitigung bezwecken und ermöglichen. Da die schädigende Amtshandlung vorliegend in der fehlerhaften Überwachung der Eintragung der Grundschulden durch die Beklagte zu sehen ist, hat die Klägerin ein Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB nicht schon deswegen schuldhaft unterlassen, weil sie unmittelbar gegenüber dem Grundbuchamt wegen der fehlerhaften Eintragung ein Rechtsmittel nicht eingelegt hat. Als Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB kommen vorliegend daher nur Gegenvorstellungen oder auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Klägerin gegenüber der Beklagten in Betracht. Jedenfalls von einem schuldhaften Nichtgebrauch eines solchen Rechtsmittels kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden.

Zwar war auch für die Klägerin aus der ihr zugegangenen Eintragungsnachricht, der ein Grundbuchauszug beilag, erkennbar, dass die Grundschuld nicht vollständig auf beiden Grundstücken eingetragen worden war. Gleichwohl war die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten auf der Grundlage des erteilten Auftrages nicht verpflichtet, gegenüber der Beklagten selbst ein Rechtsmittel einzulegen. Nach Sinn und Zweck des von der Klägerin erteilten Auftrages, die Eintragung der bestellten Grundschuld zu beantragen und deren Vollzug zu überwachen und dementsprechend auch die Eintragungsnachrichten des Grundbuchamtes sorgfältig zu prüfen, war die Beklagte verpflichtet, die Überwachungs- und Prüfungspflichten der Klägerin an deren Stelle wahrzunehmen; die Klägerin wollte sich durch den erteilten Auftrag gerade alle erdenklichen Sicherheiten bei der Durchführung der notwendigen grundbuchlichen Änderungen verschaffen und insbesondere alle etwaigen aus der Bearbeitung der Grundbuchangelegenheit drohenden Gefahren von sich abwenden. War aber in dieser Weise die Überwachungs- und Prüfungspflicht der Eintragungsnachrichten, die den in Grundbuchsachen Beteiligten allgemein obliegt, von der Klägerin auf die Beklagte übertragen worden und damit auch Gegenstand des abgeschlossenen besonderen Betreuungsgeschäftes, so konnte und durfte sich die Klägerin darauf verlassen, dass die Beklagte diese besonders übernommenen Amtspflichten in ihrem Interesse ordnungsgemäß und sachgerecht erfüllt (BGH BNotZ 1960, 663, 667). Ohne das Vorliegen eines besonderen Anlasses, für den vorliegend Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, bestand eine Pflicht der Klägerin, wiederum ihrerseits die Beklagte bei der ihr obliegenden Durchführung dieser Überwachungs- und Prüfungspflicht zu kontrollieren, nicht (BGH, a. a. O.; 667, 668). Hat die Klägerin danach im berechtigten Vertrauen auf den von der Beklagten ausdrücklich aufgenommenen Auftrags auf Grund der ihr zugegangenen Eintragungsnachricht zunächst nichts unternommen, insbesondere gegenüber der Beklagten keine Gegenvorstellungen erhoben und die ihr selbst zugegangene Eintragungsnachricht nebst Grundbuchauszug zunächst nicht einer eigenen Prüfung unterzogen, so kann unter diesen Umständen eine schuldhafte Nichteinlegung eines Rechtsmittels im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB gegen die Unterlassungen der Beklagten nicht angenommen werden.

Hat es danach die Klägerin nicht schuldhaft versäumt, gegen die Amtspflichtverletzung der Beklagten ein Rechtsmittel einzulegen, so ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin den aus der zunächst unvollständigen Eintragung der Grundschuld entstandenen Schaden zu ersetzen.

4. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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