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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 5 U 75/05
Rechtsgebiete: BGB, AVBFernwärmeV, AVBWasserV, EnWG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 14
BGB § 151
BGB § 242
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 291
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
BGB § 316
BGB § 397
AVBFernwärmeV § 24
AVBFernwärmeV § 24 Abs. 3
AVBFernwärmeV § 27
AVBFernwärmeV § 30
AVBFernwärmeV § 30 Nr. 1
AVBWasserV § 30
EnWG § 10
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 75/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.03.2006

Verkündet am 16.03.2006

in dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom Juni 2005 - Az.: 2 O 28/05 - abgeändert und die Kläger verurteilt, als Gesamtschuldner an die Beklagte 10.562,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2005 zu zahlen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 10.562,22 €

Gründe:

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein noch um die Wirksamkeit der Erhöhung des Arbeitspreises aus dem Fernwärmelieferungsvertrag vom 29. September 1995 zum 1. Oktober 2000 und zum 1. Januar 2003. Seit Mitte 2004 zahlen die Kläger diese Erhöhungsbeträge nicht mehr; daraus resultiert eine offen Forderung in Höhe von insgesamt 10.562,22 € aus den Rechnungen der Beklagten vom 30. Juni /6. Juli 2004 bis zum 31. Januar/ 17. Februar 2005 gemäß der Aufstellung der Beklagten auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 29. März 2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, sie sei jedenfalls zur Zeit unbegründet, da die von der Klägerin in Zweifel gezogene Billigkeit der von der Beklagten festgelegten Preise nicht gemäß § 315 BGB überprüft werden könne. Zwar erfolge wegen der vereinbarten Preisgleitklausel keine einseitige Leistungsbestimmung durch die Beklagte, es könne aber gleichwohl überprüft werden, ob die Preisgleitklausel und insbesondere die darin enthaltenen Faktoren billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB entsprechen. § 24 AVBFernwärmeV konkretisiere dabei den Maßstab der Billigkeit durch die Begrenzung der zulässigen Preisgleitklauselelemente. Da die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe durch den Fernwärmeversorger erfolge, unterliege dieser der Kontrolle gemäß § 315 BGB. Weil die Beklagte die Preisgleitklausel nicht ausschöpfe und auch der Grundpreis während der gesamten Vertragszeit nicht verändert worden sei, nehme sie eine eigenständige Leistungsbestimmung vor.

Die Beklagte verfüge über ein Monopol auf Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil angewiesen sei; solche Verträge seien nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB zu unterwerfen. Es sei seit langem anerkannt, dass § 315 BGB auch auf Verträge über die Versorgung mit Fernwärme anwendbar sei. Um überprüfen zu können, ob die Preisänderungsklausel die Vorgaben des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV ausfülle, müsse die Beklagte ihre Kalkulation offen legen. Daran fehle es aber. Selbst wenn man die von der Beklagten vorgelegten Zahlen zu Grunde lege, lasse sich die Billigkeit nicht überprüfen, denn die Darlegung der kalkulierten Gesamtkosten und Gesamterlöse genüge nur dann für die Bestimmung des billigen Preises, wenn alle Abnehmer des Versorgungsunternehmens derselben Kundengruppe zuzuordnen seien. Auch ein marktüblicher Preis, wie ihn die Beklagte behaupte, biete keine Gewähr dafür, dass der Versorger die Preisbestimmung so vorgenommen habe, dass keine unangemessen hohen Gewinne erzielt werden.

Gegen das ihr am 13. Juni 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Neuruppin hat die Beklagte mit am 13. Juli 2005 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist mit am 12. September 2005 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Sie macht insbesondere geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei § 315 BGB im vorliegenden Fall nicht anwendbar und Einwendungen der Kläger seien gemäß § 30 AVBFernwärmeV ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 3. Juni 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin, Az.: 2 O 28/05, die Kläger zu verurteilen, an sie 10.562,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen die angefochtene Entscheidung und wiederholen und vertiefen ebenfalls ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend legen sie mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 24. Januar 2006 beispielhaft einen Wohnungseigentumskaufvertrag vor und machen in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, gegenüber den Klägern sei der Fernwärmelieferungsvertrag vom 29. September 1995 nicht wirksam zustande gekommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagten steht gegen die Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch auf der Grundlage des Fernwärmelieferungsvertrages vom 29. September 1995 in der geltend gemachten Höhe, die rechnerisch zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig ist, zu.

A.

Soweit das Landgericht die Widerklage abgewiesen hat, obwohl ein ausdrücklicher Abweisungsantrag seitens der Kläger weder angekündigt war noch im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2005 zu finden ist, unterliegt dies keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung mit zutreffender Begründung ausgeführt, warum aus dem Prozessualverhalten der Kläger zu folgern ist, dass diese die Abweisung der Widerklage in der Sache begehren.

B.

1.

Zwischen den Klägern und der Beklagten ist der am 29. September 1995 schriftlich vereinbarte Vertrag über die Lieferung von Fernwärme durch die Beklagte wirksam zustande gekommen.

Allerdings bestand bei Abschluss des Vertrages am 29. September 1995, der durch die damalige Verwalterin, die P... W...-Verwaltungsgesellschaft mbH für die Wohnungseigentümergemeinschaften ... abgeschlossen worden ist, eine Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht. Die Gemeinschaft von Wohnungseigentümern existiert erst seit der Eintragung des ersten Erwerbers als Wohnungseigentümer neben dem teilenden Veräußerer. Das setzt die Anlegung der Wohnungsgrundbücher voraus, was unstreitig erst im Jahre 1998 erfolgte. Soweit die Verwalterin den Vertrag für die Wohnungseigentümergemeinschaften abgeschlossen hat, hat sie jedenfalls im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages im September 1995 als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt.

Der Vertrag ist aber durch nachträgliche Genehmigung durch die Wohnungseigentümer wirksam geworden.

In der Teilungserklärung vom 20. Oktober 1994 (UR-Nr. 877/1994 des Notars E... V... in B...) ist in § 4 Abs. 1 geregelt, dass die Eigentumswohnanlage modernisiert werden soll und in diesem Rahmen unter anderem auch eine Zentralheizung mit Anschluss an das Fernwärmenetz eingebaut werden soll. § 4 Abs. 2 dieser Erklärung sieht in diesem Zusammenhang unter Ziffer 2.1. ausdrücklich vor, dass die damalige Verwalterin "voll umfassend bevollmächtigt" wird, die Modernisierungsarbeiten durchzuführen. Der Umstand, dass in den Erwerberverträgen auf die noch nicht vollzogene Teilungserklärung lediglich verwiesen wird, diese damit nicht Urkundeninhalt des Erwerbervertrages wird - das gilt jedenfalls für den vorgelegten Vertrag mit dem Erwerber M... vom 23. März 1995 - wirkt sich nur dahingehend aus, dass das beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäft insgesamt erst mit der Eigentumsumschreibung auf den Erwerber Wirksamkeit erlangt hat (§ 313 Satz 2 BGB).

Aus dem von den Klägern vorgelegten Erwerbervertrag ergibt sich, dass in § 6 unter Ziffer 6.1. der notariellen Kaufverträge bestimmt ist, dass der jeweilige Erwerber zur Kenntnis nimmt, dass die P... zum 1. Verwalter bestellt ist und weiter diesem ausdrücklich Vollmacht des bisherigen Inhalts erteilt. Unter Ziffer 6.7. ist konkret im Hinblick auf die Modernisierungsarbeiten gemäß § 4 der Teilungserklärung nochmals ausdrücklich geregelt, dass der jeweilige Erwerber mit sämtlichen "in diesem Zusammenhang in § 4 der Teilungserklärung erteilten Vollmachten" einverstanden ist und diese bestätigt.

Damit haben aber die jeweiligen Erwerber dem Verwalter jedenfalls nachträglich die Vollmacht zum Abschluss eines Fernwämeversorgungsvertrages erteilt. Bereits in dieser erteilten Vollmacht ist, soweit der jeweilige Erwerbervertrag nicht schon vor Abschluss des Fernwärmeversorgungsvertrages abgeschlossen worden war, sondern erst zeitlich nachfolgend, eine nachträgliche Genehmigung zu sehen (§§ 177 Abs. 1, 182, 184 BGB).

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit Urteil vom 16. Januar 2003 - Az.: 8 U 46/02 - entschieden hat, dass die Eigentümer der auch vorliegend widerbeklagten Eigentumsgemeinschaften nach dem Inhalt der Teilungserklärung und der Erwerberverträge einen im Jahre 1995 abgeschlossenen Architektenvertrag weder ausdrücklich noch stillschweigend genehmigt hätten. Abgesehen davon, dass in dieser Entscheidung ersichtlich eine Auseinandersetzung mit der in § 6 der Erwerberverträge getroffenen Vereinbarungen zur Vollmacht der Verwalterin nicht erfolgt ist, stand einer konkludenten Genehmigung entgegen, dass den Erwerbern der Abschluss des Architektenvertrages nicht bekannt war und in Ziffer 5 der Erwerberverträge unter Ziffer 5.4. hinsichtlich der Kostentragung und Abrechnung der eigentlichen Sanierungskosten eine Sonderregelung getroffen worden war. Einer Verpflichtung zur Zahlung waren die Erwerber danach allein gegenüber dem Verkäufer und der Verwalterin eingegangen. Die Erwerber hatten sich insoweit zur Zahlung eines jeweils konkret vereinbarten Vorschusses und zum anteilsmäßigen Ausgleich eines möglicherweise nach Abrechnung der Arbeiten verbleibenden "Fehlbetrages" verpflichtet.

Damit ist aber der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Aus der Teilungserklärung war den Erwerbern bekannt, dass die gesamt Wohnanlage mit Fernwärme versorgt werden soll, was aber den Abschluss eines Fernwärmeversorgungsvertrages zwingend voraussetzt. Bei der Versorgung mit Fernwärme handelt es sich auch nicht mehr um Sanierungskosten im eigentlichen Sinne, sondern um laufende Kosten der Unterhaltung, die nicht mehr unter § 5 Ziffer 5.4. der Erwerberverträge fallen.

Diese Genehmigung ist gegenüber der Beklagten jedenfalls dadurch konkludent erklärt worden, dass auf der Grundlage des im Jahre 1995 geschlossenen Versorgungsvertrages auch nach der Eintragung der Erwerber als Eigentümer im Grundbuch bis zum März 2005 unbeanstandet Fernwärme von der Beklagten bezogen und auch bezahlt worden ist. Dass dies in Kenntnis des abgeschlossenen Versorgungsvertrages geschehen ist, zeigen die Schreiben vom 16. Juni 1997 und vom 30. November 1999.

Mit dem Schreiben vom 16. Juni 1997 hatte die P... als Verwalterin der Beklagten mitgeteilt, das erste Jahr der Wärmeversorgung sei nun abgerechnet und die entstandenen Kosten seien den Eigentümergemeinschaften aufgezeigt worden. Dabei sei ein Kritikpunkt der vertraglich vereinbarte Jahresgrundpreis je kW Wärmeleistung von 64,52 DM gewesen. Ausdrücklich wird dann noch um Prüfung gebeten, ob eine "Neuverhandlung" der Preise möglich sei. Daraus wird aber deutlich, dass den Eigentümergemeinschaften nicht nur der Fernwärmelieferungsvertrag vom September 1995, sondern auch die darin vereinbarten Preise jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Mit dem Schreiben vom 30. November 1999 hatte die Wohnungsgenossenschaft "E..." H... e. V. der Beklagten angezeigt, dass sie zur neuen Verwalterin bestellt worden sei und ausdrücklich darum gebeten, in dem Fernwärmelieferungsvertrag vom 29. September 1995 zu vermerken, dass die Vertretung der Wohnungseigentümer nunmehr durch sie erfolge. Der Beklagten wurde auch mit diesem Schreiben mitgeteilt, dass Fernwärme auf der Grundlage des am 29. September 1995 geschlossenen Vertrages von der Beklagten bezogen wird. Spätestens hierin und in dem weiteren Bezug der Fernwärme ist eine konkludente Genehmigung zu sehen, die auch von einem mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Vertreter erklärt werden kann; dies gilt selbst dann, wenn die Vertretungsmacht erst nachträglich eingeräumt wird (BGH WM 1960, 611).

Der Fernwärmeversorgungsvertrag ist damit jedenfalls durch nachträgliche Genehmigung mit den Klägern wirksam zustande gekommen.

Erfolgte aber der Bezug der Fernwärme auf der Grundlage des Vertrages vom 29. September 1995, so sind die Kläger jedenfalls im vorliegenden Verfahren daran gehindert, geltend zu machen, die von der Beklagten in den Jahren 2000 und 2003 vorgenommenen Preisanpassungen seien unwirksam.

2.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist im konkreten Fall eine Überprüfung der vorgenommenen Preisanpassungen am Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB nicht vorzunehmen, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. a)

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob § 315 Abs. 3 BGB auf Verträge über die Lieferung von Fernwärme unmittelbar oder entsprechend anwendbar seien soll, liegt nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat sich allerdings schon mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob auf Verträge über die Versorgung insbesondere mit Strom aber auch mit Gas oder Wasser eine Überprüfung des Preises am Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB erfolgen kann. Der Bundesgerichtshof geht dabei ersichtlich von dem Grundsatz aus, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon lange anerkannt sei, dass die Tarife von Unternehmen, die - im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses - Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH NJW 1992, 171 mit weiteren Nachweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung seit RGZ 111, 310, 313). Diese zu Abwasserentgelten entgangene Entscheidung hat der BGH auch auf die Stromversorgung von Tarifkunden übertragen (BGH NJW 2003, 1449). Zuvor hatte der BGH bereits auf so genannte Interimsverhältnisse (nach Kündigung eines Stromvertrages) die §§ 315, 316 BGB angewandt (BGH NJW - RR 1992, 183; ihm folgend OLG München NJW - RR 1999, 421). Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB wird in diesem Zusammenhang auch aus der Monopolstellung des Anbieters und dem Kontrahierungszwang des Monopolisten und dem daraus folgenden Recht des Monopolisten, seine Preise festzusetzen, hergeleitet (BGHZ 41, 271).

Soweit sich der Bundesgerichtshof ausdrücklich mit Verträgen über die Lieferung von Fernwärme beschäftigt hat (BGH NJW 1987, 1622 und BGH MDR 1990, 538 = WM 1990, 608), ist eine ausdrückliche Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB in Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht ergangen. In der erstgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zwar die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB bejaht, hier lag der Sachverhalt aber so, dass der Vertrag noch vor Inkrafttreten der AVBFernwärmeV geschlossen worden war. Die Preisanpassung konnte zwar auf der Grundlage des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV erfolgen, die Parteien hatten aber in ihrem Vertrag noch keine Preisgleitklausel vereinbart. In der weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um die Abrechnung von Nachträgen. Der bloße Hinweis des Bundesgerichtshofs auf die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB kann im Kontext der Entscheidung nicht so verstanden werden, dass dieses Kontrollinstrument bei Fernwärmeversorgungsverträgen grundsätzlich und immer zum Tragen kommt. b)

Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB sind im konkreten Fall nicht gegeben.

aa)

Eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB setzt voraus, dass die Voraussetzungen des § 315 Abs. 1 BGB vorliegen, d. h. die Leistung muss durch einen Vertragsschließenden bestimmt werden. Dies lässt sich vorliegend weder für den bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1995 vereinbarten Preis noch für die späteren Preisanpassungen feststellen.

Bei Abschluss des Vertrages haben die Parteien hinsichtlich des Preises eine Individualvereinbarung getroffen; eine Bestimmung des Preises durch die Beklagte erfolgt nicht. Aber auch die später vorgenommenen, streitgegenständlichen Preisanpassungen erfolgten nicht auf der Grundlage eines einseitigen Preisbestimmungsrechts der Beklagten, sondern vollzogen sich ohne eine solche Entscheidung allein auf der Grundlage der vereinbarten Preisgleitklausel. Solche automatischen Preisgleitklauseln führen dazu, dass sich die Preisänderungen automatisch vollziehen, ohne dass es einer weiteren Preisabrede bedarf, denn der Kunde hat sich bereits bei Vertragsschluss mit der entsprechenden Vertragsänderung einverstanden erklärt.

bb)

Bei der von den Parteien in der Anlage 2 zu dem Vertrag vom 29. September 1995 vereinbarten Preisregelung handelt es sich, wie mit den Parteien im Termin vom 12. Januar 2006 erörtert, um eine solche automatische Preisgleitklausel.

Nach den vereinbarten Parametern sollten sich Jahresgrundpreis und Arbeitspreis ändern können; der hier streitgegenständliche Arbeitspreis war dabei an die Entwicklung des Preises für leichtes Heizöl gebunden. Zwar heißt es dann unter Ziffer 4, das Wärmeversorgungsunternehmen könne bei Kostensteigerungen und Veränderungen am Wärmemarkt den Preis im laufenden Abrechnungsjahr anpassen. Dies bedeutet aber nicht, dass die vertraglich vereinbarte Anpassung des Preises erst nach einer - konstitutiven - Entscheidung des Versorgungsunternehmens erfolgt, denn es heißt in Ziffer 4 weiter ausdrücklich, dass Preisänderungen von dem Tag an gelten, an dem sich eine der Berechnungsfaktoren geändert hat. Der Umstand, dass der Beklagten als Versorgungsunternehmen bei Kostensteigerungen ein Ermessen in der Weise zukommt, dass sie Kostensteigerungen nur teilweise an den Kunden weitergibt oder eine Erhöhung erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wird, führen - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht dazu, dass das Versorgungsunternehmen i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB eine einseitige Leistungsbestimmung vornimmt. Die Möglichkeit, die vertragsrechtlichen Konsequenzen einer automatischen Preisanpassungsklausel nicht auszuschöpfen, rechtfertigt es nicht, die Entscheidung, in welchem Umfang die eingetretene Anpassung auch tatsächlich ausgenutzt wird, als einseitige Preisfestsetzung zu qualifizieren. Hierin ist vielmehr regelmäßig ein ausdrücklicher oder konkludenter Verzicht i.S.v. § 397 BGB zu sehen (vgl. eingehend Büdenbänder, Zulässigkeit der Preiskontrolle von Fernwärmeversorgungsverträgen nach § 315 BGB, S. 73 f). Eines Zugangs der Annahmeerklärung des Kunden bedarf es nach § 151 BGB in solchen Fällen grundsätzlich nicht; zur Annahme eines Erlassvertrages genügt in der Regel bloßes Schweigen (Palandt/Heinrichs, 64. Aufl., § 397 BGB Rn. 6). Da der Verzicht für den Kunden nur rechtlich vorteilhaft ist, kann ohne weiteres von einer entsprechenden Verkehrssitte ausgegangen werden.

Fehlt es damit an einer einseitigen Preisbestimmung, und zwar sowohl für den Ausgangspreis als auch für die während der Laufzeit vorgenommenen Preisanpassung, so kommt eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB nicht in Betracht (so auch OLG Düsseldorf RdE 2005, 169 f.).

c)

Eine Billigkeitskontrolle der vorgenommenen Preisanpassung kann vorliegend auch nicht auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB erfolgen.

aa)

Eine solche entsprechende Anwendung kommt nur dann in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke besteht. Diese kann auf der Grundlage der bereits zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nur in solchen Fällen angenommen werden, in denen im Rahmen der Daseinsvorsorge entsprechende Versorgungsverträge mit einem Monopolisten abgeschlossen werden müssen und nur auf diesem Weg ein angemessener Kundenschutz gegen überhöhte Entgelte verwirklicht werden kann.

bb)

Diese Voraussetzungen können vorliegend nicht festgestellt werden. Bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1995 fehlte es bereits an einer Monopolstellung der Beklagten. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass sich insgesamt vier Bewerber seinerzeit um die Versorgung der Wohnungseigentumsanlage mit Fernwärme beworben haben. Bestätigt wird dies durch das Schreiben der damaligen Verwalterin vom 13. April 1995, mit der die Beklagte zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert wurde, was nur dann verständlich ist, wenn mehrere Anbieter in Betracht kommen. Zwar haben die Kläger diesen Vortrag der Beklagten bestritten, dies ist aber - worauf in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2006 hingewiesen wurde - nicht ausreichend, da es Sache der Kläger wäre, eine Monopolstellung der Beklagten für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret darzulegen. Auf die Frage, ob die Beklagte von der Verwaltung unter mehreren Bewerbern ausgewählt worden ist, kommt es indes nicht entscheidend an, da sich auch aus weiteren Umständen ergibt, dass eine Monopolstellung der Beklagten auf dem Wärmemarkt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht vorlag. Nach der von den Klägern selbst vorgelegten Satzung der Stadt H... besteht ein entsprechender Anschluss- und Benutzungszwang, aus dem eine Monopolstellung der Beklagten gefolgert werden könnte, erst seit dem Jahre 2002. Jedenfalls im Jahre 1995 bestand daher auch nicht die Pflicht, die Wärmeversorgung überhaupt über die Belieferung mit Fernwärme vorzunehmen. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, eine andere technische Lösung, etwa den Einbau einer Gas- oder Ölheizung, zu wählen.

Damit kann jedenfalls vor dem Zeitpunkt des Abschlusses des Fernwärmeversorgungsvertrages eine Monopolstellung der Beklagten nicht festgestellt werden, so dass insoweit kein Grund für eine entsprechende Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB ersichtlich ist.

Aber auch bezogen auf die Anpassungen des Arbeitspreises an die laufende Kostenentwicklung in den Jahren 2000 und 2003, die eigentlich Gegenstand des Rechtsstreits sind, kommt eine entsprechende Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Zwar spricht vieles dafür, dass die Beklagte durch den in der Satzung der Stadt H... geregelten Anschluss- und Benutzungszwang in eine Monopolstellung eingerückt ist, dies hat aber unmittelbar an den gegenseitigen Rechten und Pflichten aus dem Vertrag vom 29. September 1995 nichts geändert. Erst bei Abschluss eines neuen Vertrages unter der Geltung der Satzung über den Anschluss- und Benutzungszwang kann das Vorliegen eines Monopolvertrages in Betracht gezogen werden. Die Kläger vermögen diesem Ergebnis nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass ihnen wegen des nunmehr normierten Anschluss- und Benutzungszwanges die Möglichkeit genommen sei, unter Inkaufnahme von Schadensersatzansprüchen bereits vor Ablauf der zehnjährigen Bindungsfrist zu einer anderen Heizungsart überzugehen (S. 4 des Schriftsatzes vom 24. Januar 2006). Der Umstand, dass die Kläger durch den zwischenzeitlich normierten Anschluss- und Benutzungszwang möglicherweise nicht vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Bindungsfrist und unter Verletzung der eigenen Verpflichtung aus dem Vertrag vom 29. September 1995 vorzeitig die Versorgung mit Fernwärme tatsächlich beenden können, ist nicht geeignet, eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB zu begründen.

d)

Scheidet damit auch eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB aus den dargelegten Gründen aus, so kommt es auf die weitere Frage, ob einer entsprechenden Anwendung auf Versorgungsverträge auf dem Fernwärmemarkt entgegensteht, dass die AVBFernwärmeV in § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV eine eigenständige Regelung zur Preiskontrolle enthält, nicht mehr an.

e)

Der weitere Einwand der Kläger, die auf der Grundlage des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV vereinbarte Preisgleitklausel widerspreche der Richtlinie 93/13 des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (NJW 1993, 1338 ff), bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Da diese Richtlinie erst verspätet am 25. Juli 1996 vom Bundesdeutschen Gesetzgeber umgesetzt worden ist, ist der wesentliche Inhalt der Richtlinie zum 1. Januar 1995 durch richtlinienkonforme Auslegung des § 242 BGB umzusetzen (Palandt/Heinrichs, § 310 BGB, Rn. 8 m.w.N.). Weil auch die Verwaltung und Anlage eigenen Vermögens noch keine gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 14 BGB ist, scheitert die Anwendung der Richtlinie nicht an der fehlenden Verbrauchereigenschaft der Kläger. Nach dem Anhang zur Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie (dort Nr. 1 lit. O) sind insbesondere die Klauseln unwirksam, nach denen der Verbraucher allen seinen Verpflichtungen nachkommen muss - also auch zur Pflicht den neu angepassten Preis zu zahlen - obwohl der Gewerbetreibende seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Da aber trotz der Einwendungsbeschränkung in § 30 AVBFernwärmeV der Verbraucher nicht daran gehindert ist, die Unwirksamkeit einer Preisanpassung in einem Rückforderungsprozess geltend zu machen, werden seine Rechte im Sinne dieser Richtlinie nicht unzumutbar eingeschränkt (so auch KG, Das Grundeigentum 2004, 887).

3.

Der weitere Einwand der Kläger, die vereinbarte Preisgleitklausel entspreche auch nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV, kann jedenfalls im vorliegenden Verfahren keinen Erfolg haben, weil diesem Einwand bereits § 30 AVBFernwärmeV entgegensteht.

Der Rechnungsbetrag über die Lieferung von Fernwärme ist nach § 27 AVBFernwärmeV fällig mit dem Zugang der Rechnung beim Abnehmer. Hinzu kommen muss, dass sich die Abrechnung an den vertraglichen und einschlägigen gesetzlichen Vorgaben orientiert, sie gedanklich und rechnerisch nachvollziehbar ist und der Kunde insgesamt in die Lage versetzt wird, den Anspruch des Fernwärmeunternehmens nachzuprüfen (OLG Düsseldorf RdE 2005, 169, 170 f.). Gemäß § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV berechtigen dann nur offensichtliche Fehler der Rechnung zur Zahlungsverweigerung. Für die Geltendmachung aller anderen Abrechnungsfehler ist der Kunde demgegenüber darauf verwiesen einen Rückforderungsprozess - in dem sich die Beweislast nicht zu seinem Nachteil verschiebt - zu führen.

Eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist dann gegeben, wenn die Abrechnung auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, d. h. bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH ZMR 1990, 97, 100). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV sind vom Kunden darzulegen und nachzuweisen (Brandenburgisches OLG, RdE 2004, 20, 24).

Eine solche offensichtliche Fehlerhaftigkeit haben die Kläger bislang schon nicht dargelegt, so dass sie zur Zahlung von den eingebehaltenen Preiserhöhungen auf der Grundlage des § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV verpflichtet und wegen der Richtigkeit der Erfüllungen auf einem Rückforderungsprozess zu verweisen sind. Eine solche Unrichtigkeit ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte nicht zwischen Sonderkunden und Tarifkunden unterschieden hat, denn es sind schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt insoweit differenziert. Diese typische Situation der Elektrizitätswirtschaft, die dort aus dem begrenzten Anwendungsbereich des § 10 EnWG folgt und im Strompreisrecht der BTOELt ihren Niederschlag gefunden hat, besteht für Verträge über die Belieferung von Fernwärme nicht. Die AVBFernwärmeV trifft insoweit keine Differenzierungen (Büdenbänder, a.a.O., S. 67 f).

Einer solchen Einwendungsbeschränkung steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2003 (NJW 2003, 3131, 3132) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der BGH zwar entschieden, die entsprechende Einwendungsbeschränkung in § 30 AVBWasserV betreffe nicht den vom Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobenen Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nach § 315 BGB. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Frage der Unbilligkeit einer Preisbestimmung, weil eine solche Preisbestimmung von der Beklagten - wie bereits ausgeführt - nicht vorgenommen worden ist, sondern sich der Preis automatisch auf der Grundlage der vereinbarten Preisgleitklausel errechnet (so auch OLG Düsseldorf RdE 2005, 169, 170 f). Auf die Unverbindlichkeit der Preisbestimmung können sich die Kläger daher gerade nicht berufen.

4.

Es bedarf im vorliegenden Verfahren demnach keiner Entscheidung dazu, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Preisgleitklausel auch den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVB-FernwärmeV genügt, da es insoweit jedenfalls an einer offenbaren Unrichtigkeit fehlt.

5.

Damit sind die Kläger verpflichtet, die sich aus den in den Jahren 2000 und 2003 vorgenommenen Preisanpassungen ergebenden höheren Rechnungsbeträge an die Beklagte zu zahlen. Da es sich um eine einheitliche Belieferung mit Fernwärme handelt und der Vertrag keine Anhaltspunkte auf eine lediglich anteilsmäßige Verpflichtung der Kläger enthält, steht auch einer Verurteilung der Kläger zu einer gesamtschuldnerischen Zahlung nichts entgegen. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

C

Gründe, die eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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